das Kirchenjahr

20. Sonntag nach Trinitatis

Die Ordnungen Gottes

Predigtanregung

Der 20. Sonntag nach Trinitatis widmet sich der Frage nach dem Sinn von Ordnungen. Dabei werden auch die unumstößlichen Zusagen Gottes berücksichtigt, die uns den Rahmen geben, in dem wir uns bewegen können. Vom Evangelium her klingt deutlich die Prämisse durch: Der Mensch ist nicht um des Gesetzes willen, sondern das Gesetz um des Menschen willen gemacht.

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VI - 2. Kor 3,3-6(7-9)

Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen von allen Menschen! 3 Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch unsern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen. 4 Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. 5 Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, 6 der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. 7 Wenn aber schon das Amt, das den Tod bringt und das mit Buchstaben in Stein gehauen war, Herrlichkeit hatte, so dass die Israeliten das Angesicht des Mose nicht ansehen konnten wegen der Herrlichkeit auf seinem Angesicht, die doch aufhörte, 8 wie sollte nicht viel mehr das Amt, das den Geist gibt, Herrlichkeit haben? 9 Denn wenn das Amt, das zur Verdammnis führt, Herrlichkeit hatte, wieviel mehr hat das Amt, das zur Gerechtigkeit führt, überschwängliche Herrlichkeit.

Das Bild ist schon etwas merkwürdig: Da sind diejenigen, die das Wort gehört und angenommen haben, ein Brief, der in die Herzen der Boten geschrieben ist. So kann man es wohl mit anderen Worten sagen. Und dann wird dieser Brief von allen Menschen gesehen und gelesen. Wie nur? Das Ganze wird noch zusätzlich erschwert dadurch, dass plötzlich von einem anderen Brief geschrieben wird - so scheint es. So wird von zwei Briefen gesprochen:

    Dem Brief, der in die Herzen des Paulus und seiner Begleiter geschrieben ist und offenbar aus der Gemeinde in Korinth besteht (oder den Gemeinden, in denen er verkündigend gewesen ist) Dem Brief, der auf die Herzen der Gläubigen in den Gemeinden geschrieben ist mit dem Geist des lebendigen Gottes

Die Vermutung liegt nahe, dass es sich doch um die gleiche Art Brief handelt. Der Brief wird vom Geist des lebendigen Gottes geschrieben, und er ist natürlich auch auf die Herzen des Paulus und seiner Begleiter geschrieben. Anders kann die Botschaft ja nicht weitergegeben werden. Denn so wie der "Brief" von den Korinthern "gelesen" wurde, so wird er nun auch wieder von anderen gelesen. Im Grunde könnte man diesen Brief mit einem Kettenbrief vergleichen, der, wenn er nicht unterbrochen wird, sich vervielfacht und immer weiter ausbreitet.
Der Vergleich mit dem Kettenbrief scheint gar nicht mal so verkehrt zu sein. Denn wenn eines beim Kettenbrief von größter Wichtigkeit ist, dann ist es die Weitergabe. Niemand darf ihn für sich behalten, sondern muss ihn weitergeben. Darum redet Paulus dann auch plötzlich in Vers 4 von Vertrauen - er vertraut darauf, dass die Gemeinde in Korinth diesen Brief nicht für sich behält, sondern weitergibt, so dass die Gemeinde stetig wächst.
Zugleich sieht er die Möglichkeit des Vorwurfs, er würde sich hier wieder mal selbst auf die Schulter klopfen und laut verkünden, wie toll er das alles gemacht hat. Aber nein, es kommt doch alles von Gott, denn der Geist Gottes hat ja diesen Brief geschrieben. Er hat ihn nur weitergegeben.
Dann scheint Paulus ein neues Thema zu beginnen - und doch knüpft er geschickt an das vorher Gesagte an: Es geht nicht um den Buchstaben, sondern eben um diesen lebendigen Geist, der den Bund mit Gott begründet. Wenn Paulus vom Buchstaben redet, meint er das geschriebene Gesetz, die Torah, in der er den Tod sieht - denn nach seiner Auffassung verpflichtet die Torah den Menschen zum Unmöglichen. Der lebendige Bund des Geistes aber macht das Unmögliche möglich, denn hier begegnet Gott dem Menschen in Liebe und darum auch mit dem Willen zur Vergebung. (Dass dies auch grundlegende Gedanken der Torah sind, sei noch angemerkt - nur waren zur Zeit des Paulus gerade die Aspekte der Vergebung, wie sie im Buch des Ersten Bundes vorkommen, stark ins Abseits gedrängt worden).
SchLießlich erwähnt Paulus noch das Amt und betont, dass das Amt der Verkündigung des lebendigen Bundes im Geist noch größere Herrlichkeit hat als das Amt des Buchstabens.
Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass Paulus in dieser Perikope zum Ausdruck bringen will, dass christlicher Glaube lebendig ist, damit auch unberechenbar, aber nicht im negativen Sinn, sondern im Gegensatz zu starr und vorhersehbar. Darum der auf Herzen geschriebene Brief, der die Liebe Gottes verkündigt und schon selbst nur durch lebendige Menschen weitergegeben werden kann.
Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist schon erkennbar: Die Ordnungen Gottes sind nicht fixiert, sondern lebendig. Und um das vorher Gesagte noch weiter zu spezifizieren: die Ordnungen Gottes sind für den Menschen da, und nicht umgekehrt. Hier kann sinnvollerweise an das entsprechende Wort Jesu aus Mk 2, 27 erinnert werden: "Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen". Dass es dennoch Ordnungen sind, von denen geredet werden soll, liegt daran, dass es eine durchgehende Grundlinie gibt, die alles umfasst, und das sind die zwei Gebote der Gottes- und der Nächstenliebe.
In der Predigt könnte man die Idee des Kettenbriefs aufgreifen. Es gibt solche, die drohen, und es gibt andere, die einladend sind. Alle sind sie allerdings fixiert. Der Kettenbrief Gottes unterscheidet sich dadurch, dass er durch lebendige Menschen repräsentiert wird.

Liedvorschläge:

O Heilger Geist, kehr bei uns ein (EG 130, 1-3.5-6)
*Komm, o komm, du Geist des Lebens (EG 134)
*Geist des Glaubens, Geist der Stärke (EG 137)
*Wohl denen, die da wandeln (EG 295 - Wochenlied!)
Ein Licht geht uns auf (KHW-EG 557)
Gottes Wort ist wie Licht und Schatten (KHW-EG 572)
Liebe ist nicht nur ein Wort (KHW-EG 629)



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