Der Name des Sonntags Invokavit leitet sich vom Beginn der lateinischen
Antiphon ab: „Invocavit me, et ergo exaudiam eum”
(Ps 91, 15; deutsch s. unten, wörtliche Übersetzung von „Invokavit” hervorgehoben).
Der Sonntag Invokavit hat die Geschichte der Versuchung Jesu zum Thema.
Versuchung ist inzwischen zu einem altertümlichen Begriff geworden,
vor allem deshalb, weil die Frage nach dem Versuchenden immer deutlicher gestellt wurde und wird.
Gibt es ihn überhaupt? Entspringt die Versuchung nicht ausschließlich
in einem selbst? Diese Entwicklung muss auf jeden Fall berücksichtigt werden,
wenn wir von Versuchung sprechen. Die Vorstellung eines leibhaftigen Versuchers
als des Teufels ruft höchstens noch ein müdes Lächeln hervor; das
Arbeiten mit solchen Bildern in der Predigt ist heutzutage ausgesprochen schwierig,
wenn nicht gar unmöglich. Die Frage nach dem Versuchenden bleibt, sei es nun
die Person selbst oder eine von außen wirkende Kraft. Und immerhin finden
wir den Begriff noch in der deutschen Sprache, wenn z.B. gesagt wird: „Ich bin
versucht, das und das zu kaufen.” Aber hier hat es gewiss nicht mehr
den Sinn, den es in der Bibel hat.
Zu den Perikopen
I - Hebr 4, 14-16
Präfamen:
Jesus Christus ist nicht abgehoben, er ist nicht als Gott in diese Welt
gekommen, sondern als Mensch. Und weil er Mensch geworden war, war er auch all den
Versuchungen ausgesetzt, denen wir ausgesetzt sind. Der Verfasser des Hebräerbriefes
beschreibt Jesus zwar als den Hohepriester, betont aber gerade diesen Aspekt der
Menschwerdung Jesu. Hört, was geschrieben steht im Brief an die Hebräer im 4. Kapitel:
Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. 15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. 16 Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.
II - Gen 3, 1-19(20-24)
Präfamen:
Uns allen ist die Geschichte vom Sündenfall bekannt. Sie zeigt uns, was der Grund
ist für unsere Lebensumstände, warum das Leben kein Honigschlecken ist. Hört, wie geschrieben
steht im 1. Buch Mose im 3. Kapitel:
Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde,
die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt
haben: ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?
2 Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume
im Garten;
3 aber von den Früchten des Baumes mitten
im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass
ihr nicht sterbet!
4 Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben,
5 sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esset, werden
eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
6 Und das Weib sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre
und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er
klug machte. Und sie nahm von der Frucht undass und gab ihrem Mann, der bei
ihr war, auch davon, und er aß.
7 Da wurden ihnen
beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und
flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.
8 Und
sie hörten Gott den Herrn, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden
war. Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des Herrn
unter den Bäumen im Garten.
9 Und Gott der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?
10 Und er sprach:
Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum
versteckte ich mich.
11 Und er sprach: Wer hat dir gesagt,
dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot,
du solltest nicht davon essen?
12 Da sprach Adam: Das
Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß.
13 Da sprach Gott der Herr zum Weibe: Warum hast du das getan? Das
Weib sprach: Die Schlange betrog mich, so dass ich aß.
14 Da sprach Gott der Herr zu der Schlange: Weil du das getan
hast, seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem
Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang.
15 Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen
deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du
wirst ihn in die Ferse stechen.
16 Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen,
wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein
Verlangen soll nach deinem Manne sein, aber er soll dein Herr sein.
17 Und zum Manne sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme
deines Weibes und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst
nicht davon essen -, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst
du dich von ihm nähren dein Leben lang.
18 Dornen
und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen.
19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis
du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst
zu Erde werden.
20 Und Adam nannte sein Weib Eva; denn sie wurde die Mutter
aller, die da leben.
21 Und Gott der Herr machte Adam und seinem
Weibe Röcke von Fellen und zog sie ihnen an.
22 Und Gott der
Herr sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut
und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und breche
auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!
23 Da
wies ihn Gott der Herr aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der
er genommen war.
24 Und er trieb den Menschen hinaus und ließ
lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert,
zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.
III - Joh 13, 21-30
Als Jesus das gesagt hatte, wurde er betrübt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich,
wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten.
22 Da sahen sich die Jünger
untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete.
23 Es war aber einer unter
seinen Jüngern, den Jesus lieb hatte, der lag bei Tisch an der Brust Jesu.
24 Dem winkte
Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete.
25 Da lehnte der sich
an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist's?
26 Jesus antwortete: Der ist's, dem
ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn
Judas, dem Sohn des Simon Iskariot.
27 Und als der den Bissen nahm, fuhr der Satan in
ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald!
28 Aber niemand am Tisch wusste, wozu er ihm das sagte.
29 Einige meinten, weil Judas den Beutel
hatte, spräche Jesus zu ihm: Kaufe, was wir zum Fest nötig haben!, oder dass er den Armen etwas
geben sollte.
30 Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.
IV - 2. Kor 6, 1-10
Präfamen:
Manchmal wirkt das Selbstbewusstsein des Apostels Paulus befremdlich, aber es ist ihm
wichtig, deutlich zu machen, dass ein solches Leben der völligen Hingabe möglich ist. Hinter allem,
eigentlich sogar richtiger vor allem steht die Gnade Gottes, aus der heraus sich der Fahrplan für
das eigene Leben neu entwickelt und ausbreitet. Denn durch die Gnade Gottes werden wir neue
Menschen, die sich in allem von der Liebe Gottes leiten lassen. So hört, was der Apostel im
sechsten Kapitel seines zweiten Briefes an die Korinther schreibt:
Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt. 2 Denn er spricht (Jesaja 49,8): «Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.» Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! 3 Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde; 4 sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, 5 in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, im Wachen, im Fasten, 6 in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, 7 in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, 8 in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig; 9 als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht getötet; 10 als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben, und doch alles haben.
V - Hiob 2, 1-13
Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den
Herrn traten, dass auch der Satan unter ihnen kam und vor den
Herrn trat.
2 Da sprach der Herr zu
dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Ich habe
die Erde hin und her durchzogen.
3 Der Herr sprach zu dem
Satan: Hast du Acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen,
gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen,
ihn ohne Grund zu verderben.
4 Der Satan antwortete dem Herrn
und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben.
5 Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: was
gilt's, er wird dir ins Angesicht absagen!
6 Der Herr sprach zu dem
Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben!
7 Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des
Herrn und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis
auf seinen Scheitel.
8 Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche.
9 Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner
Frömmigkeit? Sage Gott ab und stirb!
10 Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen
reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich
Hiob nicht mit seinen Lippen.
11 Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das
über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn
sie waren eins geworden hinzugehen, um ihn zu beklagen und zu trösten.
12 Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und
erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt
13 und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte
und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.
VI - Mt 4, 1-11
Präfamen:
Dass Jesus versucht wird, stellen die Evangelien in einer besonderen Erzählung dar.
Der Versucher begegnet Jesus und macht ihm verschiedene Angebote, die Jesus alle ablehnt. Nur
weil er der Versuchung nicht erlegen ist, darum konnte er zuletzt auch den Tod überwinden. Hört
die Erzählung, wie sie geschrieben steht im Evangelium nach Matthäus im 4. Kapitel:
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht
würde.
2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte
gefastet hatte, hungerte ihn.
3 Und der Versucher trat zu ihm und
sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8,3):
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden
Wort, das aus dem Mund Gottes geht.”
5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und
stellte ihn auf die Zinne des Tempels
6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes
Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11.12): „Er wird seinen
Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den
Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.”
7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben
(5. Mose 6,16): „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.”
8 Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und
zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
9 und
sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! denn
es steht geschrieben (5. Mose 6,13): „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm
allein dienen.”
11 Da verließ ihn der
Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.
M - Lk 22, 31-34
Röm 6, 12-14
Jak 1, 12-18
Lk 22, 31-34:
Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben
wie den Weizen.
32 Ich aber habe für dich gebeten,
dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so
stärke deine Brüder.
33 Er aber sprach zu ihm:
Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.
34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht
krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.
Jak 1, 12-18:
Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er
bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen
hat denen, die ihn lieb haben.
13 Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde.
Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht
niemand.
14 Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen
Begierden gereizt und gelockt.
15 Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert
sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod.
16
Irrt euch nicht, meine lieben Brüder.
17 Alle gute Gabe und alle vollkommene
Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch
Wechsel des Lichts und der Finsternis.
18 Er hat uns geboren nach seinem Willen durch
das Wort der Wahrheit, damit wir Erstlinge seiner Geschöpfe seien.