das Kirchenjahr

10. Sonntag nach Trinitatis

*Die Kirche und das Volk Israel

Predigtanregungen

Der 10. Sonntag nach Trinitatis bildet den ungefähren Mittelpunkt der Trinitatiszeit und hat daher eine besondere Stellung. Dies wird dadurch unterstrichen, dass er sich dem Verhältnis der Kirche zum Volk Israel widmet, ein Thema, das von großer Bedeutung für die christliche Kirche ist. Die Überlegungen dazu werden selbstverständlich auch den Holocaust und die neonazistischen Strömungen in unserer Gesellschaft beinhalten müssen. Auf der anderen Seite dürfen die Unterschiede nicht übersehen werden.
Allerdings ist es wichtig, dass wir erkennen, dass unsere Wurzeln im Volk Israel, dem Volk Gottes, verankert sind, und nicht ins Leere greifen. Die Erkenntnis des Paulus, dass das Volk Israel nicht verworfen ist (Röm 11, 25-31), muss maßgeblich sein für unser Reden über und vor allem mit diesem Volk.

Buchtipps zum Thema:
Der Jude Jesus. Thesen eines Juden. Antworten eines Christen. von Pinchas Lapide, Ulrich Luz.
Christen und Juden, Bd.3, Schritte der Erneuerung im Verhältnis zum Judentum. EKD-Denkschrift. Gütersloher Verlagshaus

Christen und Juden heute. Neue Einsichten und neue Aufgaben. von Rolf Rendtorff.
Die großen Gebete. Juden, Christen, Muslime. von Georg Schwikart, Werner Wanzura.

Zu den Perikopen

  • I: Mk 12, 28-34

    Gesunde Neugier treibt den Schriftgelehrten, nicht irgendeine Hinterlist. Sicher kennt er die Schrift gut, und er hat sich seinen Reim schon darauf gemacht, aber er hat auch beobachtet, wie Jesus auf die Vorwürfe anderer reagiert hatte und hoffte, von ihm nun eine gute Antwort zu erhalten. Denn die Frage, die er zu stellen beabsichtigte, wurde schon viele Male vorher an viele verschiedene Lehrer gerichtet, und oft unterschiedlich beantwortet.
    Die Antwort auf diese Frage ist uns sehr vertraut, sie wird das "Doppelgebot der Liebe" genannt. Mit dieser Antwort ist alles gesagt, und der Schriftgelehrte erkennt, dass dies die Wahrheit ist. Dabei zitiert übrigens Jesus nur aus der Heiligen Schrift, so wie von ihm erwartet wurde. Der zweite Teil ist nicht etwa erst von ihm hinzugefügt worden.
    Schön ist die Wendung, die eintritt, nachdem der Schriftgelehrte seine Befriedigung über die Antwort zum Ausdruck gebracht hatte, indem er sie einfach wiederholte. Jesus sagt ihm zu, dass er nicht fern ist vom Reich Gottes. Was fehlt ist die Tat - und darüber erfahren wir nichts in diesem Text. Denn der wichtigste Schritt ist schon getan: er hat erkannt, worauf es im Leben ankommt. Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist nicht auf Anhieb erkenntlich, es sei denn, man ist mit der Diskussion um diesen Tag vertraut. Der Schriftgelehrte repräsentiert in gewissem Maß das Volk Israel - zumindest in den Augen der Perikopenkomission. Und hier begegnet nun Jesus dem Volk Israel in der Gestalt des Schriftgelehrten. Nun wird nicht, wie in der ersten Perikope, die Ablehnung dieses Vertreters des Volkes in den Vordergrund gerückt, sondern im Gegenteil seine Annäherung. Er ist nicht fern.
    Damit steht der Schriftgelehrte nicht hinter, sondern neben uns, denn auch wir sind "nicht fern" vom Reich Gottes. Auch wir können es noch nicht ganz be- und ergreifen, und wir warten auf die letzte Offenbarung, so wie es das Volk Israel tut.
    Diese Gemeinsamkeit könnte zum Mittelpunkt der Predigt werden. Wir sind eben beide auf dem Weg, und dieser Weg ist nicht leicht. Jesus hat uns gezeigt, wie es leichter werden kann, ihn zu gehen. In diesem Sinn verurteilen wir nicht das "alte" Volk Gottes, sondern begleiten es auf seinem schweren Weg kritisch und zugleich wissend, dass auf ihm eine jahrtausendealte Verheißung liegt.

  • II: Röm 11, 25-33

    folgt später

  • III: Ex 19, 1-6

    folgt später

  • IV: Mt 5, 17-20

    Dieser kurze Ausschnitt aus der Bergpredigt ist dazu geeignet, die lutherische Maxime „sola fide” (allein durch den Glauben) über den Haufen zu werfen. Manche meinen, man könne die Worte Jesu an dieser Stelle nur gelten lassen, wenn man sie als vor der Kreuzigung gesprochen und noch nicht durch den Kreuzestod Jesu und seiner Auferstehung relativiert sehe. Das würde bedeuten, dass Jesus nicht wusste, was auf ihn zukam und welchem Zweck sein Leben diente. Alle Evangelien lassen aber erkennen, dass er es sehr wohl wusste und sich damit auseinander setzte und seine Jünger damit mitunter auch konfrontierte (z.B. die Leidensankündigungen).
    Es scheint mir richtiger, diese Worte tatsächlich so zu verstehen, wie sie gesprochen wurden. „Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen” bedeutet ja nicht, dass man zwar die Einhaltung der Gesetze Gottes von anderen erwarten soll, sich selbst aber (teilweise) nicht daran halten muss, wie es durch Jesus ja öfter angeprangert wird und durch die Adjektivierung des Wortes „Pharisäer” (= pharisäisch) bis heute in unserer Sprache als Ausdruck für heuchlerisches Verhalten verwendet wird, auch wenn es eigentlich eine unzulässige Verallgemeinerung ist. Es geht tatsächlich darum, dass es für einen Christenmenschen nur diesen Anspruch geben kann: Gerecht zu sein. Dies wird aber nicht erlangt, indem man die Gebote einhält, was niemandem gelingen kann (wie ja auch in den Antithesen der Bergpredigt deutlich wird), sondern indem man die Sühne durch Jesu Tod am Kreuz durch den Glauben für sich in Anspruch nimmt.
    Immer ergeht aus der Rechtfertigung, die der Mensch durch den Glauben an Jesus Christus erfährt, auch der Anspruch, sein Leben nach dem Willen Gottes zu führen. Dass das immer wieder misslingt, wissen wir und lassen uns deswegen nicht entmutigen, weil wir ebenso wissen, dass Gott uns vergibt, egal wie weit wir vom Weg abkommen. Wesentlich ist, dass wir immer neu umkehren, Buße tun und uns damit Gott zuwenden. In dem Bewusstsein, selbst Sünder zu sein, der allein durch Christus gerecht geworden ist, werden wir in unserem Bemühen um Gerechtigkeit besser als jene, die zwar einen Katalog an Maßnahmen für diesen Zweck verfasst haben, aber selbst nicht in der Lage oder willens sind, diesen Katalog auch einzuhalten, aber so tun, als würden sie alle Maßnahmen in ihrem Leben umsetzen.
    Die Predigt kann durchaus das Dilemma, in dem man sich als Exeget befindet, auch thematisieren. Vielen Christen ist heute noch nicht einmal mehr bewusst, dass sie der Gnade Gottes bedürfen. Darum kann versucht werden, einen Blick von Seiten Gottes zu versuchen: wie sieht er uns Menschen? Die Antwort müsste zunächst lauten, dass er in uns allen das Versagen sieht. Aber er hat uns ja nicht aufgegeben, sondern durch Jesus Christus einen Neuanfang gemacht, der nicht mehr überboten werden kann. Was davor noch einzig durch das Handeln des Menschen vollbracht werden sollte, hat Gott schließlich für uns durch Jesus Christus vollbracht. Die Folge ist eine große und nicht enden wollende Dankbarkeit, die sich darin ausdrückt, dass wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften darum bemühen, den Willen Gottes in unserem Leben zu tun.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird darin erkenntlich, dass Jesus in dieser Perikope auf das Gesetz, sprich die Thora, eingeht und ihre Einhaltung von uns Christen erwartet. Damit stellt er eine tiefgründige Verbindung zwischen Christen und Juden her, die sich eigentlich nicht mehr auflösen lässt. Dabei ist es wohl zulässig aufgrund der Worte Jesu, die Thora für uns Christen auf das Doppelgebot der Liebe zu reduzieren, denn in ihm ist das gesamte Gesetz und die Propheten zusammengefasst (Mt 22, 40).

  • V: Dtn 4, 5-20

    folgt später

  • VI: Sach 8, 20-23

    folgt später

  • Marginaltexte: Gen 25, 19-34 (= 1. Mose 25, 19-34)
    Gen 33, 1-16 (= 1. Mose 33, 1-16)

    folgt später



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    Eine gute Predigt lebt davon, den vorgegebenen Bibeltext in die Sprache der Menschen heute zu übersetzen. Seit mehr als 50 Jahren sind die Predigtstudien bei dieser Herausforderung ein unverzichtbares Hilfsmittel. Jeder Predigttext wird jeweils von zwei Autoren im Dialog bearbeitet.