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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe I - Röm 12, 9-16
Die Predigt wurde in einem Gottesdienst gehalten, in dem auch Konfirmand(inn)en begrüßt wurden.
Liebe Gemeinde!
Der Apostel Paulus gehört nicht zu den Verfassern in der Bibel, die man
leicht und auf Anhieb verstehen kann. Das geht übrigens nicht nur uns so –
das war auch damals, zu seinen Lebzeiten – schon so.
Manches Mal verschachtelt er seine Sätze derart, dass man sie mehrmals lesen
muss, bevor man richtig verstanden hat, worum es ihm eigentlich geht.
Und der Römerbrief, aus dem wir gerade einen Abschnitt gehört haben, hat es
eigentlich besonders in sich, denn darin beschreibt er, was der christliche
Glaube bedeutet. Es sind ganz grundsätzliche Fragen, die er da bewegt und zu
beantworten versucht, und er will der römischen Gemeinde beweisen, dass er
weiß, wovon er redet. Die Sätze sind meist sorgfältig formuliert und kunstvoll
aufgebaut, aber eben nichts zum Sofort-Verstehen, sondern zum Nachlesen und
Darüber-Nachdenken.
Aber irgendwie scheint das auf diesen Abschnitt gar nicht so richtig zuzutreffen.
Wir finden da erstaunlicherweise kurze Sätze und klare Aussagen, die leicht
nachvollziehbar sind.
Da könnte man schon erleichtert aufatmen und sich wieder der Tagesordnung zuwenden,
denn wir haben ja alle verstanden, was Paulus uns da sagen will. Aber ganz so schnell
kann es dann doch nicht gehen. Denn bei der ein oder anderen Aussage taucht vielleicht
auch die Frage nach dem „Warum“ auf, und dann könnte man am Ende ja auch noch sagen:
ist das nicht ein bisschen viel, was Du da von uns erwartest, lieber Paulus?
Abgesehen davon: vielleicht hat der eine oder die andere ja doch nicht so genau hingehört.
Es sind ja eine Menge Dinge, die Paulus da aufzählt, und da kann man schnell mal an einem
hängen bleiben und mit seinen Gedanken abschweifen.
Der Brief des Paulus an die Römer ist der letzte der Briefe, die uns von ihm überliefert
sind. Er schrieb ihn mit dem Plan im Hinterkopf, selbst nach Rom zu reisen, um die Gemeinde
dort zu besuchen. Denn schon zu seinen Zeiten hatte die Gemeinde dort eine herausragende
Rolle bekommen.
Natürlich gab es damals noch keinen Papst und auch keinen Vatikan. Aber Rom war
die Hauptstadt des römischen Reiches, in dem sie ja alle lebten. Die Stadt war
das Zentrum dieses Reiches.
Dort hatte sich also eine kleine, aber nicht unbedeutende christliche Gemeinde
gebildet, denn alle Wege führen bekanntlich nach Rom, und so sind natürlich auch
Christen aus Israel und den griechischen Provinzen nach Rom gereist, um dort in
den Synagogen und unter den Nichtjuden das Evangelium zu verkünden.
In den jüdischen Gemeinden in Rom kam es allerdings zu Widerstand, der in die
Öffentlichkeit hinausgetragen wurde und darum den Kaiser Claudius veranlasste,
alle Juden aus der Stadt zu verbannen. Dazu gehörten dann natürlich auch die
Juden, die Christen geworden waren, solange sie sich zu ihren jüdischen Wurzeln
bekannten.
Übrig blieben die sogenannten Heidenchristen, also jene Christen, die ihren
Ursprung nicht im jüdischen Volk haben. Doch nach einiger Zeit durften die
Judenchristen zurückkehren, und man kann sich vielleicht vorstellen, dass es
dann nicht so einfach war, dass Juden- und Heidenchristen wieder zusammenfanden.
Denn die Heidenchristen hatten sich schon deutlich als christliche Gemeinde
etabliert, während es so aussah, als ob die Judenchristen nun nur dazu gekommen
wären. Dabei war es ja doch umgekehrt: ursprünglich standen die Judenchristen an
erster Stelle. Von ihnen wurde das Evangelium auch zu den Heiden, d.h. den
Nichtjuden, gebracht.
Manche der Spannungen zwischen Juden- und Heidenchristen kann man auch aus dem
Römerbrief erkennen, z.B. wenn Paulus die Heidenchristen vor Überheblichkeit
gegenüber den Judenchristen warnt (Röm 9-11).
Paulus' Anliegen ist es natürlich, dass es nicht zu Spaltungen kommt,
sondern dass alle Christen, ganz gleich woher sie kamen und welchen Ursprung
sie in religiöser Hinsicht hatten, geschwisterlich miteinander umgehen und
einander respektieren und anerkennen.
Und so kommt er auch zu dem Abschnitt, den wir als Predigttext gehört haben und
der auch für Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmandinnen, ein Leitfaden sein
kann für den Konfirmandenunterricht, aber auch für Euren gesamten Lebensweg.
An erster Stelle steht die Liebe – denn Gott hat uns selbst in Jesus Christus
seine unermesslich große Liebe bewiesen. Jesus Christus kam in die Welt, um uns
mit Gott zu versöhnen – damit nichts mehr zwischen Gott und Mensch steht. Er war
bereit, den Tod zu erleiden am Kreuz, obwohl ihn keine Schuld traf. Er nahm damit
vielmehr unsere Schuld auf sich und schenkte uns Gottes Nähe. Das Kreuz ist die
Brücke über dem Graben, der bis dahin zwischen Gott und Mensch bestand.
Gott verlangt nicht mehr, dass wir uns selbst darum bemühen, diesen Graben zu
überbrücken. Die Menschen versuchten immer wieder, dies durch Opfer und strikte
Befolgung der Gebote Gottes zu erreichen.
Doch Gott weiß, dass wir bei dem Versuch immer wieder scheitern würden. Darum
kam er in Jesus Christus in die Welt und schlug selbst diese Brücke, damit wir
nur noch hinüber zu gehen brauchen.
Das ist die Liebe Gottes zu uns Menschen: Er tut, was wir schuldig wären.
Wichtig ist zu verstehen, dass Gott diese Liebe nicht einigen ausgewählten Menschen
zuteil werden lässt. Sie gilt vielmehr allen Menschen.
Das Wissen darum reflektieren wir in unserem Verhalten zueinander. Wir erkennen
in unserem Gegenüber immer einen Menschen, den Gott liebt, und darum können wir
eigentlich nicht anders als einander lieben.
Wenn Paulus dabei von „brüderlicher“ Liebe redet, dann meint er immer die geschwisterliche
Liebe, die Menschen miteinander auf ganz eigene Weise verbindet.
Sicher, mit Geschwistern ist es nicht immer einfach – ich habe vier Geschwister, und
während ich mich mit ihnen jetzt ganz gut verstehe, war das, als ich im Konfirmandenalter
war, durchaus nicht so. Wenigstens einer von ihnen hat mich immer irgendwie genervt,
wir haben gestritten und uns manchmal auch geprügelt. Aber irgendwann wurde das
anders. Ich sah in meinem Bruder nicht mehr einen Rivalen oder gar Feind, sondern –
eben – meinen Bruder.
Ich weiß andererseits von Familien, wo das nicht so ist, wo Geschwister bis ins
hohe Alter hoffnungslos zerstritten sind.
Das soll aber nicht unser Vorbild sein. Geschwister gehören zueinander, sie können
eigentlich nicht voneinander getrennt werden, und wenn es doch aufgrund von
Streitigkeiten geschieht, dann ist das nicht nur bedauerlich, sondern es widerspricht
dem Willen Gottes, der uns alle zu Versöhnung und Frieden untereinander auffordert.
Durch Christus, so sagt Paulus, sind wir also alle zu Geschwistern geworden. Denn
wir sind alle durch ihn Kinder Gottes, und das macht uns natürlich auch zu
Geschwistern. Jesus ist unser Bruder geworden, damit wir Gottes Kinder sein
können. Und so ruft uns Paulus auf, genau so zu handeln, wie es den Kindern
Gottes entspricht. Und das bedeutet: unserem Mitmenschen mit Liebe und Respekt
begegnen.
„Einer komme dem anderen mit Ehrerbietung zuvor“ (Röm 12, 10b). Ehrerbietung
meint nichts anderes als die Würde unserer Mitmenschen als Kinder Gottes anzuerkennen.
Und wenn Paulus uns auffordert, dem Herrn zu dienen (Röm 12, 11c), dann meint er
damit auch den Dienst am Nächsten. Denn Jesus Christus hat ja selbst gesagt: Was
ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan
(Mt 25, 40b). Jesus begegnet uns in unseren Mitmenschen, und auch das spiegelt sich
in unserem Verhalten wider.
Nun könnte man meinen, dass sich diese Aufforderung zu einem Leben in geschwisterlicher
Liebe nur auf die beschränkt, die auch getauft sind und sich zur christlichen Gemeinde
halten. Aber das stimmt nicht ganz, im Gegenteil:
„Segnet, die euch verfolgen, segnet und flucht nicht!“ (Röm 12, 14), schreibt Paulus.
Da geht es mit der Liebe noch viel weiter, denn sie schließt die mit ein, die uns
Schaden zufügen wollen. Die Aktion des Kaisers Claudius war damals solch ein
Verfolgungsakt. Aber auch sonst gab es immer wieder Übergriffe gegen die Christen,
so wie heute in manchen islamischen Ländern.
Paulus sagt nicht nur, dass wir die Menschen, die so etwas tun, in Ruhe lassen sollen,
sondern er erwartet von uns, dass wir sie auch noch segnen. Dass das nicht immer
einfach ist, vor allem für die, die solche Übergriffe erleiden, kann ich mir vorstellen.
Mit dem Segen stellen wir auch diese Menschen unter den Schutz und Beistand Gottes.
Wollen wir das wirklich?
Aber schauen wir einmal von der anderen Seite: genauso wie der Segen die gute Kraft
Gottes über einen Menschen bringt, so kann ein Fluch das genaue Gegenteil bewirken.
Ein Mensch, der verflucht wird, wird dem Bösen übergeben, und er wird ewig weitermachen
mit dem, was er uns zuvor schon angetan hat, denn er wird vom Bösen geleitet. Ist da
der Segen nicht tausendmal besser?
Habt also keinen Groll gegen irgend jemanden, sondern hegt nur versöhnliche Gedanken,
auch wenn es schwer fällt. Seid bereit, zu segnen, und segnet den, der euch verflucht.
Ihr werdet staunen: das macht das Leben ein ganzes Stück einfacher.
Eigentlich im Zentrum unseres Predigttextes steht aber noch etwas anderes:
Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet. (Röm 12, 12)
Hier beschreibt Paulus die Grundhaltung eines Christenmenschen, und er macht zugleich
deutlich, dass das Leben alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Das wisst auch Ihr
schon, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden: schlechte Noten, Ärger mit den Eltern,
weil die nicht wollen, was ihr gerne möchtet, unerfreuliche Begegnungen, Ungerechtigkeit,
das alles und noch viel mehr kann ganz schön belastend sein.
Paulus hält zunächst dagegen, dass wir eine Hoffnung haben, die auf etwas hinweist,
das alles, was wir erfahren können, übersteigt. Wir hoffen auf die erfahrbare
Gemeinschaft mit Gott. Da wird es keine Trauer mehr geben, keinen Streit, kein
Unrecht, kein Leid, kein Schmerz. Gott ist da, er macht alles neu, und das heißt:
er lässt alles gut werden.
Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einem Menschen, dem ich zufällig begegnete und
der sagte: wenn es das Böse nicht gibt, können wir das Gute auch nicht mehr erfahren,
denn wir wissen ja nicht, dass es gut ist, weil wir keine Vergleichsmöglichkeit mehr
haben.
Damit mag er wohl recht haben. Aber dass etwas schön ist, wissen wir nicht erst, weil
es auch das Hässliche gibt. Vielmehr rührt uns die Schönheit sofort an, und wir wissen
nicht, warum. Und so ist es auch, wenn die Gemeinschaft mit Gott wieder vollkommen
hergestellt ist: wir erfahren das Schöne dieser Gemeinschaft, und wir können darüber
eigentlich nur staunen und uns daran erfreuen, brauchen aber auch nicht mehr die
Erfahrung der Gottesferne, um das Besondere dieser Nähe Gottes zu begreifen und zu
empfinden.
Es kann also auch Freude geben, wenn es nichts Böses mehr gibt und keine Trauer mehr.
Und darauf hoffen wir, denn es ist uns versprochen durch Jesus Christus selbst. Und
weil wir diese Hoffnung in uns tragen, darum sind wir auch fröhlich.
Die Fröhlichkeit gehört zur Natur eines Christenmenschen, auch wenn es mal Zeiten der
Trauer geben kann. Doch dazu sagt uns Paulus dann: „seid geduldig in Trübsal“
(Röm 12, 12b). Habt Geduld, denn die Trübsal wird nicht ewig dauern. Am Ende
steht immer das Ziel unserer Hoffnung, die Gemeinschaft mit Gott.
Auch in der Trübsal ist Gott uns nahe, so wie es der 23. Psalm beschreibt: Und ob
ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bis bei mir
(Ps 23, 4). Auch wenn es finster ist und wir ihn nicht erkennen können, wissen wir
doch, dass er da ist, und können darum geduldig ausharren, bis wir aus der Trübsal
heraus sind.
Das dritte in diesem zentralen Vers ist die Aufforderung zum Gebet. Und das nicht
nur einmal in der Woche im Gottesdienst. Vielmehr sagt Paulus: Seid beharrlich im
Gebet.
Vor einigen Wochen habe ich begonnen, in der Gebetskapelle im Dom Zettel auszulegen,
wo Besucher ihre Gebetsanliegen aufschreiben können. Diese Gebetsanliegen nehme ich
dann in meine Fürbitte auf. Und immer wieder erlebe ich es, dass dann eines Tages
da ein Zettel liegt, auf dem ein Dank steht: „Es hat geholfen!“, oder schlicht ein
großes „Danke!“.
Das ist der Grund, warum uns Paulus zur Beharrlichkeit im Gebet auffordert, denn
durch das Gebet können wir tatsächlich diese Welt verändern. „Bittet, so wird euch
gegeben“ (Mt 7, 7a), hat Jesus einst gesagt, und darauf sollten wir vertrauen und
das Gebet nicht unterschätzen.
Paulus skizziert mit wenigen Worten, was es bedeutet, Christ zu sein und wie wir
als Christenmenschen unser Leben gestalten können. Ich wünsche Euch, liebe
Konfirmandinnen und Konfirmanden, und allen, die heute hier sind, dass Ihr
die Kraft und den Segen Gottes erfahrt bei allem, was Euch widerfährt.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden (EG 66)
*Herr Christ, der einig Gotts Sohn (EG 67)
Freut euch, ihr lieben Christen alle (EG 129)
Geist des Glaubens, Geist der Stärke (EG 137)
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen (EG 241)
*Jesu, der du bist alleine (EG 252)
Erneure mich, o ewigs Licht (EG 390)
In dir ist Freude in allem Leide (EG 398)
Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt (EG 413)