das Kirchenjahr

3. Sonntag im Advent (Gaudete)

Der Vorläufer des Herrn

Predigtanregungen

Am 3. Sonntag im Advent steht der "Vorläufer des Herrn", Johannes der Täufer, im Vordergrund. Während die Evangelienlesungen und die alttestamentliche Lesung dieses Thema aufgreifen, betrachten die Epistellesungen unseren Umgang mit der Botschaft, die wir empfangen haben, als Haushalter über die Geheimnisse Gottes (1. Kor 4, 1-5), als Hoffende (Röm 15, 4-13) und als die, die schlafen und das Kommen des Herrn verpassen, wenn sie nicht aufwachen (Offb 3, 1-6). Diese drei Aspekte sind schwer dem Thema unterzuordnen, es sei denn, man sieht darin die Reaktion auf die Botschaft des Propheten, denn alle drei sind geschrieben in der Erwartung, dass der Herr kommt, aber noch nicht endgültig da ist.
Es entfällt das "Gloria in excelsis".
Der originale Name des 3. Adventssonntags lautet „Gaudete”, was sich von dem ursprünglichen Introitus ableitet (Gaudete in Domino semper: „Freut euch im Herrn allezeit”, Phil 4,4). Wegen der Freude, die hier zum Ausdruck kommt, ist es auch möglich, als liturgische Farbe Rosa zu wählen.

Zu den Perikopen

  • I: Röm 15, 4-13

    Dieser Text, an die christliche Gemeinde in Rom geschrieben, geht auf die Trennung zwischen Juden und Heiden ein. Er macht uns deutlich, dass die Juden aufgrund der Verheißung, die sie schon bekommen haben, unwiderruflich Gottes Volk sind. Die Heiden aber, d.h. wir, sind aus Gottes Barmherzigkeit heraus Glieder dieses Volkes Gottes geworden.
    Die Zitate aus dem Alten Testament, die zahlreich angeführt werden, sollen die Zugehörigkeit der Heiden zum Volk Gottes unterstreichen. Freilich ist es immer wieder beklemmend, wenn die Schrift zur Unterstützung bestimmter Theorien in passenden Häppchen herangezogen wird, ohne den jeweiligen Zusammenhang zu berücksichtigen. Allerdings kann man wohl davon ausgehen, dass Paulus das Richtige meint, und somit lässt die entstandene Beklemmung nach.
    Paulus sieht offenbar Probleme in der Einigkeit der Gemeinde, weswegen er die beiderseitige Zugehörigkeit zum Volk Gottes betont. Es scheint, dass es Spannungen gibt zwischen Juden- und Heidenchristen. Der Aufruf zur gegenseitigen Annahme, "so wie Christus euch angenommen hat", stellt alle auf die gleiche Stufe. Sie alle bedürfen der Zuwendung Christi.
    Für uns ist vom kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang her etwas anderes wichtig: der Aufruf zu Geduld, die aus dem Trost der Schrift heraus Hoffnung schafft. Es gibt gewiss Probleme und Spannungen. Falsch wäre es, in diesen Spannungen das Wesentliche zu vergessen: dass unser Herr kommt. Dass wir auf ihn warten. Dass sein Kommen uns Freude und Frieden schenkt, und dass die Hoffnung auf sein Kommen uns diese Freude und Frieden schon jetzt schenken kann. Anstelle dessen scheint es oft so zu sein, dass wir überhaupt nicht mit seinem Kommen rechnen. Kaum verwunderlich, sind doch 2000 Jahre verstrichen, und nichts hat sich verändert. Wir bleiben im Ungewissen, warum Jesu Ankunft noch nicht erfolgt ist. Wüssten wir es, wäre es ein Leichtes, sein Kommen zu bewirken. Eins ist gewiss: Wenn wir uns nicht ändern, wird auch er nicht zu uns kommen. Es liegt also schon ein Teil der Verantwortung bei uns: das freudige Warten in Geduld, das uns aber auch den inneren Frieden schenkt, um mit unseren Mitmenschen in Freude und Dankbarkeit dem Wunder seiner Ankunft als Kind entgegenzusehen.

  • II: Lk 3, (1-2) 3-14 (15-17) 18 (19-20)

    folgt später

  • III: Lk 1, 67-79

    Das sogenannte „Benediktus” ist ein Lobgesang, der in geistlichen Gemeinschaften bis heute in den Morgengebeten gesungen wird. Der Priester Zacharias, Vater Johannes des Täufers, hat gerade seine Stimme wiedergewonnen, nachdem sein Sohn geboren war. Und das erste, was er tut, nachdem seine Lippen wieder geöffnet wurden, ist der Lobpreis Gottes. Dabei dankt er nicht dafür, dass er nach neun Monaten wieder sprechen kann, sondern er erinnert an die Verheißung, die nur ihm zuteil wurde damals im Tempel, als er den Dienst versah. Nun sollten durch seinen Mund alle erfahren, was Gott mit diesem Kind vorhat.
    Die Predigt muss berücksichtigen, dass dieser Text ganz von dem Bewusstsein geprägt ist, dass Gott sein Volk Israel nicht im Stich lässt. Auch wenn es bei dem besungenen Kind um den Vorläufer Jesu Christi geht, müssen wir uns doch stets bewusst bleiben, dass sowohl Johannes der Täufer als auch Jesus Christus tief in der Geschichte des jüdischen Volkes verwurzelt sind. Dies lässt sich z.B. erkennen an der Erzählung von der kanaanäischen Frau (Mt 15, 21ff), in der Jesus seine Berufung zum jüdischen Volk in den Vordergrund stellt.
    Dennoch geht die Heilsgeschichte weiter, d.h. sie bleibt nicht an den Grenzen des Volkes Israel stehen. Auch die Heiden kommen herzu, sie sind durch Christus mit eingeschlossen in den Bund, weil Gottes Liebe allen Menschen gilt – weswegen er aber das Volk Israel nicht verworfen hat.
    Das Benediktus entfaltet die Heilsgeschichte und bringt auch diesen letzten Gedanken zum Ausdruck, indem es von denen spricht, die „in Finsternis und Schatten des Todes” sitzen, womit die Heiden, also die Nichtjuden, gemeint sind.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang legt nun nahe, dass der Schwerpunkt auf Johannes den Täufer, das kleine Kind, das hier besungen und dessen Aufgabe beschrieben wird, gelegt wird. In dem Zusammenhang können Verbindungen hergestellt werden zu den Lebenssituationen der Zuhörer: Gott lässt die Seinen nicht allein, er wehrt denen, die sein Volk bedrängen, schenkt Freiheit denen, die gefangen sind, und ist gnädig allen, die seine Gnade suchen. Johannes der Täufer wird darauf hinweisen, dass Gott sein Versprechen einlöst. Jesus Christus ist es, der es einlösen wird.

  • IV: 1. Kor 4, 1-5

    Wenn Paulus von Geheimnissen redet, dann meint er nicht etwas, das vor bestimmten Menschen geheim gehalten werden soll, also nicht an jede Person weitergegeben werden darf. Er meint damit vielmehr das Evangelium. Ein Geheimnis wird das Evangelium dadurch, dass sich sein Kern dem Menschen nur durch den Glauben erschließt und nicht durch den Verstand. Demjenigen, der sich einzig auf seinen Verstand verlässt und nichts gelten lässt, was über das wissenschaftlich beweisbare hinaus weist, bleibt demnach das Evangelium ein Geheimnis.
    Immer häufiger begegnen einem Aussagen auch von solchen, die sich selbst als Christen bezeichnen, dass sie nicht glauben können, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde, dass er zur Vergebung unserer Sünden starb oder dass er von den Toten auferstand. Mit anderen Worten: die wesentlich Dinge, die den christlichen Glauben ausmachen, halten sie für erfunden. Erstaunlich, dass sie sich dennoch als Christen bezeichnen. Das mag daran liegen, dass es die protestantische Kirche verstanden hat, das Geheimnis zu vergessen und daraus etwas zu machen, das jedem Menschen irgendwie entgegenkommt: Gott ist die Liebe (diese Aussage finden wir ja auch in der Bibel), und darum ist die Liebe das einzig Entscheidende. Gott liebt uns, Jesus ist das Vorbild der Liebe, und in diese Liebe können wir uns „einbetten”, es uns gemütlich machen.
    Dass es bei der Liebe Gottes darum geht, den Graben zu überwinden, der durch die Schuld des Menschen eigentlich unüberwindbar geworden ist, mag man schon nicht mehr sagen. Dass dazu das Kreuz Jesu notwendig war, noch weniger (warum sollte ich für Jesu Tod verantwortlich sein?). Und dass erst durch die Auferstehung Jesu die Überwindung dieses Grabens erfolgte, sperrt sich jeglicher Vernunft. Doch darum nennt Paulus das Evangelium ein Geheimnis, ja das Geheimnis Gottes, weil es sich der Vernunft widersetzt oder besser: entzieht. (1. Kor 1, 18ff)
    Paulus geht es in unserem Predigttext darum, dass er als Haushalter der Geheimnisse Gottes anerkannt sein will. Er grenzt sich damit auch ab von anderen Predigern, die wohl schon anfangen, das Evangelium zu verwässern, und macht dabei deutlich, dass der wahre Richter Gott sein wird. Und hier kommt wieder ein Begriff ins Spiel, den Prediger/innen heutzutage ausgesprochen ungern in den Mund nehmen. Dabei ist er zwingend nötig. Denn wenn Gott nicht in die Herzen der Menschen sehen soll, wenn er nicht richten soll, dann bleibt das Gericht einzig den Menschen überlassen und kann darum nur immer wieder zu Fehlurteilen führen. Erst wenn wir sagen können: Gott ist Richter, nicht ich und auch nicht du, können wir auch frei sein, unser Leben im Angesicht Gottes zu führen. Darum können wir froh und dankbar sein, dass Gott den Richterspruch verkünden wird und nicht irgendein Mensch. Denn Gott sieht ins Herz. Und wir können doch eigentlich froh sein, wenn er denjenigen, die in Gottes- und Menschenverachtung nur ihren eigenen Vorteil suchten und dabei unzähligen Menschen unermesslichen Schaden zufügten, den Urteilsspruch verkündet - wie auch immer er ausfallen mag. Ich halte es für sehr wichtig, dass an dieser Stelle nicht das „Gott liebt alle Menschen” auftaucht. Er tut es ja, aber er respektiert die Entscheidungen jedes Einzelnen, auch wenn diese Entscheidungen in die Finsternis führten. Es ist nicht an uns, zu urteilen, auch nicht über die Gesinnung Gottes. Wir wissen nur, dass Gott ein gerechter Richter ist, und dass er uns in Jesus Christus einen Anwalt an die Seite gegeben hat, dem wir uns ohne Vorbehalt anvertrauen dürfen.
    Dass Paulus davon spricht, dass einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden wird, liegt wohl darin begründet, dass er hier die Gemeinde der Gläubigen anspricht, von der er annimmt, dass sie alle Anlass zum Lob gegeben haben (ihn selbst eingeschlossen). Die Predigt kann in ähnlicher Weise zum Ende kommen, sollte dabei aber offen bleiben für ein möglicherweise anderes Ende.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird nicht leicht ersichtlich. Es geht am 3. Adventssonntag ja um Johannes den Täufer. Man könnte evtl. in der Tatsache, dass Johannes zur Buße rief, eine Verbindung zu diesem Predigttext herstellen, in dem ja auch vom Gericht, auf das wir uns durch die Buße vorbereiten können, die Rede ist. Ob das so gedacht ist, kann ich nicht nachvollziehen.

  • V: Jes 40, 1-11

    Da die Verse 1 und 2 Bezug nehmen auf das konkrete geschichtliche Geschehen, das dem Volk Israel widerfahren ist, werde ich mich im Folgenden auf die Verse 3-11 beschränken, wobei ich hier betonen möchte (wie ich es immer wieder tue), dass wir im Umgang mit "alttestamentlichen" Texten nicht vorsichtig genug sein können. Denn es ist eigentlich nicht richtig, sie ohne jeden Hinweis auf ihren ursprünglichen Bezug einfach für die christliche Gemeinde in Anspruch zu nehmen, es sei denn, wir stellen uns auf die gleiche Ebene wie das jüdische Volk. Dadurch würde dann aber die Offenbarung in Jesus Christus ihre Relevanz verlieren, denn das jüdische Volk wartet noch auf den Messias, während wir glauben, dass er in Jesus Christus schon gekommen ist. Wir begeben uns also bei der Auslegung solcher Texte immer auf eine Gratwanderung.
    Der Text, der den Anfang des sogenannten „Deuterojesaja” darstellt, redet von einer Stimme (man beachte die Verdrehung bei den Evangelisten, die plötzlich eine Stimme "in der Wüste" lesen), die dazu auffordert, in der Wüste den Weg für den Herrn zu bereiten, denn seine Herrlichkeit soll offenbar werden (V. 3-5). Ab Vers 6 dann wird ein spezifischer Bezug zu Jesaja hergestellt. Er hört eine Stimme, die ihn auffordert, zu predigen (wahrscheinlich das zuvor gesagte), aber er weiß nicht, was er predigen soll.
    Vielleicht kann man das "Was" auch als "Warum" wiedergeben, denn sonst fällt es schwer, in der Frage einen Sinn zu erkennen, da ja zuvor schon mitgeteilt wurde, was gepredigt werden soll. Jesajas eigene Antwort, vielleicht Bestandteil der Frage (dann koennte man ein „denn” an den Anfang stellen) ist zunächst die Feststellung, dass alles Leben vergänglich ist, und darum vielleicht gar nicht die Verkündigung. Er begreift aber schnell, dass das Wort Gottes ausgebreitet werden muss.
    Eine andere und die wohl übliche Variante ist, das „Was” so stehen zu lassen. Dann kann man von einem Neuanfang ausgehen, der vorherige Text verliert an Bedeutung. Jesaja würde dann vielleicht auf das babylonische Königreich anspielen, das zwar in großem Glanz erstrahlt ist, aber unter dem Wort des Herrn zugrunde geht. Hier würde die Frage „Was” aber auch ad absurdum geführt, denn Jesaja gibt sich ja sofort selbst die Antwort. Es wird zumindest nirgends deutlich, dass hier wieder „die Stimme” zum Klingen kommt.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist durch den Bezug auf diesen Text in den Evangelien gegeben. Die Verse 3-5 müssten dann aber aus ihrem Zusammenhang gerissen werden. Die Aufgabe der Predigt sollte eigentlich sein, die Verzerrung, die durch die Evangelisten entstanden ist, wieder zurechtzurücken. Nur ist dann natürlich der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang nicht mehr so offensichtlich. Angemessen wäre aber wohl, die Predigt des Johannes auch in diesem Text zu erkennen und in den Mittelpunkt zu stellen. Das wären dann aber vor allem die Verse 7-8: unsere Vergänglichkeit führt uns zugleich unsere Schuldigkeit vor Gott vor Augen. Gott ruft uns zur Umkehr, weil er zu uns kommen will. So wie das jüdische Volk können auch wir sagen, dass wir auf die Ankunft unseres Herrn warten, nicht symbolisch, sondern real. Wenn wir ihm begegnen wollen, dann ist der Bußruf des Johannes, den wir andeutungsweise auch in diesem Text vorfinden, von elementarer Bedeutung.

  • VI: Mt 11, 2-10

    Johannes sieht seinem eigenen Tod entgegen. Er weiß, dass er wohl nie wieder frei sein wird, und deswegen schließt er mit seinem Leben ab. Er fragt sich, ob das, was er getan hat, in irgendeiner Weise zu einem Ziel führt. Er hatte es geahnt, dass der Erlöser kommen würde, der, dessen Schuhriemen er nicht wert ist, zu lösen. Ja, er war ihm begegnet und hatte ihn doch wieder aus den Augen verloren. Denn Jesu Stunde war noch nicht gekommen.
    Vielleicht spürt er, dass er Jesus hätte nachfolgen sollen. Als Gefangener kann er es nun nicht mehr. Deswegen versucht er, sich zu vergewissern, und sendet die Frage hinaus, ob er der Messias ist, den er zwar gesehen, dann aber wieder aus dem Blick verloren hat. Die Antwort ist für Johannes kaum befriedigend, denn er bekommt wieder nur einen Bericht. von den Ereignissen. Aber Johannes genügt es doch, denn er weiß, dass auch diese Worte von den Propheten stammen, und dass sie nun erfüllt werden. Jesus ist also der, den er selbst angekündigt hat!
    Die die Perikopen bestimmt haben, erlauben nun, es damit genug sein zu lassen. Es folgen vier Verse, die in Klammern gesetzt sind und nun eine Lehre Jesu darstellen, die die Aufgabe und Funktion Johannes des Täufers beschreibt und zugleich seine eigene Funktion unterstreicht.
    Beide sind sie von den Propheten angekündigt, beide gemeinsam erfüllen, was vorzeiten verkündigt wurde.
    Weil es aber an diesem Sonntag vor allem um Johannes selbst geht, ist es vielleicht sinnvoll, sich diese Figur etwas näher anzuschauen. Das legt der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang zumindest nahe. Er erweist sich, obwohl er doch treu als Bote Gottes gedient hat, als unsicher und zweifelnd. In dieser Unsicherheit finden wir uns selbst ja auch oft. Wir glauben zwar, das richtige zu tun, aber ob es wirklich richtig ist, können wir erst wissen, wenn wir Ihm gegenüberstehen. Oder? Jesus verweist die Jünger auf die Zeichen, die sie sehen können. Vielleicht ist es genau das, worauf es ankommt: die Zeichen wahrzunehmen.
    Vielleicht kann man in der Predigt solche Zeichen setzen, oder zumindest auf Elemente hinweisen, die solche Zeichen sein können. Sie zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass unser Leben nicht ins Leere läuft. Dabei darf sicher auch dies nicht vergessen werden, dass die Zeichen letztlich von Gott bewirkt werden.

  • Marginaltexte: Jes 45, 1-8
    Joh 1, 19-23
    Joh 5, 31-40

    folgt später



Buchempfehlungen: