das Kirchenjahr

4. Sonntag vor der Fastenzeit

Vertrauen in Gottes Macht*

Predigtanregungen

Der vierte Sonntag vor der Fastenzeit entspricht dem früheren 4. Sonntag nach Epiphanias. An diesem Sonntag steht Gottes Macht über die Naturmächte im Vordergrund. Jesu Sturmstillung, die Sintflut, die Worte Gottes durch den Propheten - alles führt uns vor Augen, dass Gott den Weltenlauf mit Leichtigkeit verändern. Doch während die Sintflut dazu diente, den "Versuch" mit der Menschheit noch einmal neu anzufangen, zielen die anderen Geschichten schon eher darauf ab, dass der Mensch sich ändern soll, um solche Katastrophen abzuwenden. In der Sturmstillung tadelt Jesus den kleinen Glauben der Jünger. Der Prophet rät dem Volk Israel, Gott zu fürchten und nicht die Menschen, deren Macht ja doch sehr begrenzt ist. Die Epistellesungen gehen in die gleiche Richtung.

Zu den Perikopen

  • I: Mk 4, 35-41

    Eine klassische Wundererzählung wird uns hier vorgelegt, die im Grunde nur dies eine aussagt: Jesus hat die Macht des Schöpfers, er ist also der Sohn Gottes - oder auch Gott selbst. Die ERzählung ist in der Matthäus-Version so vertraut, dass man die Details in dieser Erzählung gerne übersieht.
    Da ist zunächst das Kissen, auf dem Jesus schläft und von dem nichts bei Lk und Mt erwähnt wird. Denn es erscheint überflüssig, ja sogar dumm, von einem Kissen zu reden. Wo sollte das herkommen, in einem Fischerboot? Und es gehörte sicher nicht zur Grundausstattung. Es widerspricht auch dem Wort Jesu: "Der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege." (Mt 8, 20; Lk 9, 58) Schon von daher konnten die beiden anderen Synoptiker diesen Bestandteil aus der Erzählung des Mk nicht mit aufnehmen. Darum ist er wohl umso wichtiger, denn das Kissen bedeutet nicht nur, dass Jesus es so richtig bequem hat, sondern es symbolisiert durchaus auch den Frieden und die Gelassenheit, die von Jesus ausgeht und die eigentlich auf die Jünger ausstrahlen müsste.
    Fast vorwurfsvoll wenden sich die Jünger Jesus zu: "fragst du nichts danach, dass wir umkommen?" Sie erwarten sicher kein Wunder, aber wenigstens aktive Mithilfe. Anders als bei Matthäus vollzieht Jesus das Wunder der Sturmstillung sofort, und erst dann fragt er nach dem Glauben der Jünger. Und auch hier ist die Formulierung anders als bei den Synoptikern. "Habt ihr noch keinen Glauben?", fragt Jesus. Bei Matthäus lässt die Feststellung "Ihr Kleingläubigen" darauf schließen, dass der Glaube nicht groß genug ist, aber offenbar schon da (sonst wären sie Jesus ja nicht gefolgt). Bei Lk lässt die Frage "Wo ist euer Glaube" vermuten, dass Glaube existiert und nicht quantitativ gemessen wird, sondern er ist da, oder er ist nicht da. Und offenbar war er schonmal da bei den Jüngern. Bei Mk nun entsteht der Eindruck, dass der Glaube langsam wächst und durchaus nicht schon durch die Nachfolge beginnt, sondern erst in der Begegnung und dem Sein mit Jesus.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang legt aber nicht diesen Schwerpunkt nahe, sondern das Vertrauen, das den Jüngern hier fehlt. Natürlich finden wir uns schnell in der Situation der Jünger wieder. Vieles geschieht, das uns an Gottes Existenz zweifeln lässt. Er schläft, womöglich noch sanft und ruhig auf einem weichen Kissen, während wir uns hier vergeblich abmühen, das böse Treiben in unserer Welt zu stoppen. Warum steht er nicht einfach auf und bietet dem Treiben Einhalt? Die Frage lässt sich nach dieser Geschichte leicht beantworten: wir müssen ihn nur "aufwecken". Er fragt sogar noch nicht einmal nach unserem Glauben, sondern er handelt sofort.
    Lieber möchte man aber den Fingerzeig auf den Glauben bzw. den mangelnden Glauben in den Mittelpunkt stellen - das tut der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang jedenfalls. Ich denke aber, dass das eine das andere nicht ausschließt. Denn im Grunde beweisen die Jünger ja doch Vertrauen in Jesus, indem sie ihn auf die Gefahr aufmerksam machen und ihn auffordern, zu helfen. Zu schnell neigen wir dazu, alles selbst machen zu wollen, selbst dann, wenn wir merken, dass es mit unserer Kraft einfach nicht getan ist. Es ist gut, dazu zu ermutigen, das Gebet ernster zu nehmen, größeres Vertrauen in dieses Gebet zu legen - denn das ist unsere einzige Möglichkeit, Gott "aufzuwecken" - sicher erwartet er es von uns, denn darin beweisen wir ja, dass wir mit ihm rechnen und auf ihn vertrauen.

    Gedanken von Gert Flessing:
    Mein erster Gedanke: Sturm im Wasserglas. Menschen regen sich über etwas auf, das eigentlich nicht so schlimm ist. Grund: Furchtsamkeit. Grund: Unglaube, Kleinglaube, Gottlosigkeit. Aber: Jesus ist mit im Boot. Er ist da, er ist ruhig, und möchte, dass die Seinen sich auch nicht beunruhigen. Wo Jesus ist, finden wir Frieden, auch in einer friedlosen Welt.
    Wir müssen uns überlegen, was uns in Unruhe versetzt. Was kommt uns bedrohlich vor? Was lässt die Wogen bei uns hoch gehen? Manchmal sind wir gerufen, zu neuen Ufern aufzubrechen. Wir begeben uns mit dem Schiff der Kirche in Gewässer, die wir nicht ausloten können. Aber: Wir sind ja nicht auf uns gestellt. Jesus ist mit an Bord. Er ist bei uns, wie er es den Seinen zugesichert hat. Das sollten wir nie vergessen. Er ist der Herr, auch dann, wenn wir voller Furcht sind. Seine Jünger fragen voller angst: Kümmert es dich nicht, wenn wir umkommen? Jesus ist Herr, er ist nicht nur der Herr, der Wasser zui Wein macht und die Freude teilt. Er ist nicht nur Herr über das Leid, der souverän Krankheiten befehlen kann, zu verschwinden. Er ist der Herr der Welt, der dort, wo Menschen zu ihm schreien, die Wellen und die Stürme beruhigen kann. Vor ihm wird alles stumm.
    Sollte nun jemand meinen: solch ein Eingreifen in die wilden Bewegungen dieser Welt, mit dem, was uns ängstigt, weckt Glauben, so muss er sich eines Besseren belehren lassen. Das Ergebnis der Machtausübung Jesu zur Beruhigung der Wogen ist Furcht. "Und sie fürchteten sich mit großer Furcht und sprachen zueinander: Wer ist denn dieser, dass auch der Wind und der See ihm gehorchen?"
    So ist das, wenn das, was uns furchtbar erscheint, und doch, erklärtermaßen zu unserem Dasein gehört, plötzlich fehlt. Ich frage mich mitunter: Haben wir begriffen, wer es ist, der mit uns im Boot des Lebens ist?

  • II: 2. Kor 1, 8-11

    folgt später

  • III: Jes 51, 9-16

    Wie immer stehen wir bei alttestamentlichen Texten vor dem Problem der Adressaten. Diesmal sind es die nach Israel zurückkehrenden Juden, die nun endlich die Nähe und Macht Gottes wieder erfahren, nachdem sie jahrzehntelang im Exil gelebt hatten. Auf diesen Hintergrund sollte in der Predigt hingewiesen werden. Darüber hinaus ist es aber durchaus möglich, den Text auf die christliche Gemeinde zu beziehen, zumal Teile dieses Textes schon lange mit christlichem Inhalt gefüllt werden (z.B. der Vers 11, der im Deutschen Requiem von Johannes Brahms vertont wird). Die Aneignung alttestamentlicher Texte darf nur nicht so geschehen, dass die ursprünglichen Adressaten völlig ausgelassen werden.
    Die Macht Gottes wird deutlich spürbar, endlich zwar, aber steht es nicht Gott frei, zu handeln, wann er es will? Auch hatten sie ja das Elend, in das sie geführt worden waren, selbst verschuldet. Der Vorwurf klingt mit: 'warum hast du Angst vor Menschen, die doch sterben? Warum hast du den Herrn vergessen?' (Verse 12-13) Denn letztlich wird doch Gott den Sieg behalten. Ja, nun kann man wieder jauchzen und jubeln - niemand denkt mehr an die, die im Exil starben und deren Sehnsucht nach Zion niemals gestillt wurde. Spätestens in den folgenden Versen wird deutlich, dass Gott eben nicht an einen Ort gebunden ist. Er war bei seinem Volk, auch und gerade, als sie Gefangene waren. Hätte er ihr Elend nicht gesehen, er hätte ihnen auch nicht geholfen.
    Es sind schöne Worte in dieser Perikope enthalten, es lohnt sich, diesen Worten nachzugehen, vielleicht auch dadurch, dass Vertonungen dieser Worte erklingen könnten (Vers 12a im Elias-Oratorium v. Mendelssohn-Bartholdy, Vers 11 im Deutschen Requiem von Brahms, Vers 9 im Lied "Zieh an die Macht, du Arm des Herrn" EG 377). Zentral für diese Perikope ist sicherlich Vers 11, auch wenn der Tadel in den Versen 12-13 durchaus ein guter Start wäre. Es geht hier um die Befreiung, die Gott wirkt, und die Frage taucht wieder auf: was ist mit denen, die diese befreiende Kraft in ihrem Leben nie erfahren haben? Bleibt ihre Sehnsucht, oder wurde sie dann doch gestillt? Wir glauben, dass uns ewiges Leben geschenkt ist, der Tod wird als Befreiung angesehen. Vielleicht genügt dies, auch wenn es unbefriedigend zu sein scheint, zumal es ja heißt, der Gefangene werde nicht sterben und begraben, sondern losgegeben (Vers 14). Jedenfalls sollte der Hinweis auf die Befreiung durch den Tod nicht derart klingen, als wollte man den Tod dem Leben vorziehen. Vielmehr soll das Wissen um die Befreiung dazu verhelfen, auch diesem Leben Gutes abzugewinnen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang legt nahe, den Text so zu interpretieren, dass man an der Not und dem Elend dieser Welt und des eigenen Lebens nicht verzweifelt, sondern die Hoffnung erhält, dass Gott eingreifen wird. Wie gesagt: Menschen sterben, vor ihnen brauchen wir darum keine Angst zu haben. Gott wird kommen, ja er ist schon da. Er kann eingreifen, aber vor allem will er ja, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben und dies beweisen, indem wir aus unserer Hoffnung heraus handeln, Menschen helfen, denen es schlechter geht, die den Trost nicht spüren, die an Gott verzweifeln. Dies sollte in der Predigt wohl vor allem anderen deutlich gesagt werden.

  • IV: Mt 14, 22-33

    Es stellt sich zunächst die Frage, wie man mit dieser Wundererzählung umgehen soll, denn zunehmend wird die Ansicht vertreten, dass es solche Wunder nicht gegeben habe und man Wundergeschichten grundsätzlich allegorisch auslegen müsse, ja, dass sie auch nur allegorisch gemeint seien. Dementsprechend wird man im Boot auf der stürmischen See an jede Art von unruhigen Zeiten denken, beim sinkenden Petrus an den Menschen, der sich zu viel zutraut und beim auf dem Wasser wandelnden Jesus...
    Die Erzählung legt aber nahe, sie nicht allegorisch auszulegen, sondern sich dem Wunder zu stellen. Für vernunftbegabte Menschen ist dies eine Herausforderung, für den Glaubenden sollte es nicht allzu schwierig sein. Und genau der wird hier angesprochen. Es geht darum, Gott als dem Allmächtigen auch die entsprechenden Fähigkeiten zuzutrauen. Gott soll geglaubt werden als der, der die Welt erschaffen hat und darum auch die Naturmächte und -gesetze aushebeln kann. Natürlich wird er das nicht nach Belieben tun, aber er kann es tun, und das zu glauben, darauf kommt es an.
    Petrus verhält sich im Grunde genauso wie ein Mensch, der sein Heil in der Vernunft sucht: als er die Naturgewalten wahrnimmt, wird ihm bewusst, dass es unmöglich ist, auf dem Wasser zu gehen, und beginnt deshalb auch zu sinken. Dabei hatte er zuvor, auf Jesus blickend, dessen göttliche Allmacht erkannt und sich darauf einlassen wollen. Aber genau das fällt ausgesprochen schwer, eben weil sich immer wieder der Verstand in den Weg stellt.
    Das werden sicher auch die Predigthörerinnen und -hörer schon erfahren haben. Die Aufgabe der Predigt wird es sein, die Zuhörenden zu ermutigen, sich auf Gottes Wirken, das durchaus höher ist als alle Vernunft, einzulassen. Dabei darf natürlich auch die erste Reaktion der Jünger nicht vergessen werden, die darin bestand, im Geisterglauben eine Antwort auf das zu suchen, was sie dort auf dem stürmischen See beobachteten. Jesus spricht ihnen Mut zu. Denn den braucht man, wenn man sieht, wie Gott Wunder tut.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist ziemlich offensichtlich. Es geht in dieser Erzählung um das Vertrauen in die Macht Gottes, die tatsächlich (nicht nur bildlich) Berge versetzen kann.

  • V: Mk 5, 24b-34

    folgt später

  • VI: Gen 8, 1-12

    folgt später

  • Marginaltexte: Lk 8, 26-39
    Lk 11, 14-23

    folgt später



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