das Kirchenjahr

5. Sonntag nach Trinitatis

Nachfolge

Predigtanregungen

Der 5. Sonntag nach Trinitatis befasst sich wieder mit der Gemeinde, diesmal ihrer Antwort auf Gottes Ruf. Nachfolge scheint so einfach, so schwierig, so abwegig, weil wir nicht so recht wissen, was Nachfolge ist. Die Lesungen dieses Sonntags wollen uns den Weg leiten.

Zu den Perikopen

  • I: Mt 9, 35-38; 10, 1(2-4)5-10

    Ganz offenbar geht es um die Jünger Jesu und um den Auftrag, den sie erhalten. Dabei muss aber gleich gefragt werden, ob mit den Jüngern nicht auch wir, die hörende Gemeinde, gemeint sind.
    Zunächst beginnt der Abschnitt mit einer Übertreibung. Jesus heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen: die Realität lehrt uns ja anders. Und auch damals ist anzunehmen, dass Jesus nur die heilte, die mit ihren Gebrechen und Krankheiten zu ihm kamen, wobei natürlich auch noch zu fragen ist, inwieweit diese Gebrechen und Krankheiten Symbole für die der Sünde verfallenen Menschheit sind, die Jesus nun aus ihrer Sünde durch sein Wort herausholt. Dies wird auch aus dem weiteren Zusammenhang (Verse 9,36-38) erkennbar. Hier geht es ganz offenbar nicht um Heilungen, sondern darum, die Menschen zu Gott zurückzuholen, die Nähe Gottes für sie erfahr- und erlebbar zu machen.
    Interessant, dass in 38 Jesus nicht die Jünger losschickt, um die Ernte einzuholen, sondern ihnen aufträgt, zu beten, damit Arbeiter kommen, die diese Aufgabe übernehmen. Es scheint, dass die Jünger doch zu „höherem” berufen sind. Und dieses „Höhere” wird dann in 10,7 ausgesprochen: Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
    Ob sich dieser Auftrag nun wesentlich vom Einholen der Ernte unterscheidet, ist zunächst nicht eindeutig. Es hängt wohl davon ab, wie diese Erkenntnis, dass eine große Ernte ansteht, zu verstehen ist. Meist sieht man darin schlicht ein Bild für die Verkündigung und Annahme der Tatsache, dass Jesus der Christus ist. Aber diese Deutung passt nicht in das Gesamtgefüge der Erzählung. Ernte dient immer der Nahrungsbeschaffung. Die Menschen, die Jesus vor sich sieht, brauchen Nahrung, freilich geistliche Nahrung. Sie brauchen Gott, der zwar zu ihnen kommt in der Gestalt Jesu, der aber nicht bleiben kann, weil er einen Auftrag hat, der ihn ans Kreuz führt. So müssen Arbeiter her, die diese Nahrung beschaffen, und dies können wiederum nur solche Menschen sein, die bereits die Wahrheit erfahren haben, für die Jesus der Christus, ihr Heiland, geworden ist. Also schickt Jesus die Jünger aus, um zu tun, was die Menschen im geistlichen Sinne sättigt. Sie predigen, sie heilten, sie trieben böse Geister aus. Und weil sie dies taten, brachten sie den Menschen Gott nahe. Der Hunger nach Gott, den diese Menschen verspürten, wurde gestillt durch die Arbeit der Jünger. Und auf diesem Wege wurden auch neue Arbeiter gewonnen, denn wer „geistlich satt” ist, kann andere ebenfalls sättigen.
    Das wird auch im weiteren Verlauf des 10. Kapitels klar, denn die Rede Jesu weitet sich aus auf das Handeln der ganzen christlichen Gemeinde, die darum auch unter Verfolgung leidet. Jede(r), der Jesus Christus erkannt hat, teilt die Nahrung aus, nach der so viele Menschen auch heute verlangen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang scheint zunächst offensichtlich. Es geht hier ja um die 12 Apostel. Allerdings, wie wir auch gesehen haben, sind die Apostel nur Paradigma für die christliche Gemeinde. Wir werden durch sie vertreten bzw. repräsentiert. Ihnen wird, nach Jesu Vorhersage im weiteren Verlauf des 10. Kapitels, vorhergesagt, was sich für die christliche Gemeinde ereignen wird.
    Die Predigt kann aufzeigen, wo Menschen nach Gott hungern, und Wege aufzeigen, wie dieser Hunger gestillt werden kann. Dabei kann auch darauf hingewiesen werden, dass wir zu den Arbeitern gehören, die die Ernte einbringen, um auszuteilen, was daraus an Nahrung gewonnen wird.

  • II: Lk 5, 1-11

    Die Berufung des Petrus ist schon eine interessante Geschichte. Fraglich ist allerdings, ob sie als Paradigma gilt. Der Ruf in die Nachfolge erfolgt meist doch viel weniger spektakulär. Immerhin verkündigt Jesus zunächst seine Lehre. Simon (Petrus) kann wohl kaum verhindern, dass er zuhört, da er selbst ihn in seinem Boot hat. Vom Boot aus zu predigen, ist eine interessante Variante, die aber durchaus Sinn hat, da nämlich, wo der Strand einen Halbkreis bildet und so das Boot in der Mitte dieses Halbkreises positioniert ist. Ansonsten kann man nur hoffen, dass es recht windstill ist, sonst müsste das Rauschen des Wassers die Stimme Jesu wohl übertönen. Aber das ist Nebensache.
    Am Tag zu fischen, ist unsinnig, zumal schon in der Nacht nichts zu fangen war. Dass die Netze dann doch zum Zerreißen voll sind, erklärt sich dem Simon nur dadurch, dass hier ein Mensch mit besonderen Fähigkeiten, von Gott begabt, vor ihm steht. Die Gegenwart eines solchen Menschen kann er nicht ertragen. Er weiß, dass früher oder später seine eigene Unzulänglichkeit offenbar werden wird. Sicher hat dies auch mit dem zu tun, was Jesus zuvor schon gepredigt hatte. Aber Jesus fordert ihn auf, von nun an Menschen zu fangen. Er sagt noch nicht einmal, dass Simon ihm nachfolgen soll. Und das lässt das Ganze doch sehr konstruiert erscheinen. Man muss sich vieles dazu denken. Warum folgt ihm Simon plötzlich, nur auf diese Aussage hin, er werde Menschen fischen? Wäre nicht eine Erklärung nötig? Zunächst würde er vermutlich sowieso aus der gemachten Erfahrung folgern, dass man besser am Tag fischt als in der Nacht. Aber auch das ist nur Nebensache.
    Die Angst sitzt ihm im Nacken. Er will, dass Jesus fortgeht, weil er seine eigene Blöße fürchtet. Warum wird daraus so plötzlich der Wunsch, Jesus nachzufolgen? Es wird nicht deutlich. Es gibt eigentlich keinen vernünftigen Grund. Vielleicht ist es gerade das, was Nachfolge ausmacht: sie vollzieht sich ohne einsichtigen Grund, sie bleibt „unvernünftig”.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang legt nahe, den Schwerpunkt auf die Nachfolge zu legen. Dabei wird für die Predigt im Grunde nur dies eine herausspringen, dass Nachfolge im Grunde unmotiviert geschieht. Sicher gibt es ein Motiv, aber das ist rational nicht nachvollziehbar. Die ganze Existenzgrundlage zurückzulassen, gerade jetzt, nach einem Riesenfang, der das Auskommen für vielleicht mehr als eine Woche gesichert hätte, während sie sonst nur von der Hand in den Mund lebten - es ist schlicht und ergreifend unvernünftig. Denn immer fordert die Nachfolge mehr, als man zurückbekommt - zumindest nach wirtschaftlichen Maßstäben. Es erfordert Mut, einen solchen Schritt konsequent zu gehen. Die Predigt sollte also Mut machen, und dies nicht, indem sie große Dinge verspricht, sondern indem sie die unlogische Konsequenz der Erfahrung Gottes aufzeigt: Ein Leben in Abhängigkeit von Gott ist mehr wert als alles, was wir in dieser Welt besitzen können.

  • III: 1. Kor 1, 18-25

    folgt später

  • IV: Gen 12, 1-4a

    Dies ist eine Geschichte, die vom nomadischen Hintergrund der Sippe Abrahams aus durchaus leicht zu verstehen ist und nicht unbedingt eine spektakuläre Handlung beschreibt. Wenn das Vieh so zahlreich wird, dass die Weidegründe, die gefunden werden, nicht mehr ausreichen, um alles Vieh zu ernähren, muss sich die Gruppe trennen. Allerdings scheint es, dass Abrahams Sippe zu dem Zeitpunkt nicht nomadisch war. Sie war zwar „umgezogen”, nämlich von Ur in Chaldäa nach Haran (11,31), aber dort hatten sie nun schon lange gelebt, und wenn man dies als Nomadentum bezeichnen wolle, dann ist wohl auch die Bevölkerung Deutschlands nomadisch. Das regelmäßige Umherziehen von Weideplatz zu Weideplatz war diesen Menschen jedenfalls offenbar nicht eigen.
    So kann man also doch davon sprechen, dass Abraham (übrigens spielt es zumindest bei der Bearbeitung dieses Abschnittes keine große Rolle, ob von „Abram” oder „Abraham” geredet wird, da der Name hier nur eine untergeordnete Rolle spielt) immerhin seine Heimat verließ. Das Motiv kann man allerdings sowohl in dem Ruf Gottes als auch in der Tatsache, dass einfach nicht mehr genug Land für alle da war, finden. In der Perikope wird jedenfalls der Ruf Gottes in den Vordergrund gestellt, dem Abraham bedingungslos folgt. Darin ein besonderes Opfer zu sehen, ist sicherlich unangemessen.
    Wichtig am Ruf Gottes ist die Verheißung, die auf Abraham in den Versen 2 und 3 gelegt wird. Sie steht schon im Kontrast zur Feststellung, die in 11,30 gemacht wurde: Sarai war unfruchtbar und hatte kein Kind. Im Zusammenhang mit dieser Tatsache wird der Aufbruch Abrahams nun doch bedeutend: er könnte sich aus seiner Sippe eine andere Frau suchen, mit der er sich Nachkommen schaffen könnte. Dieser Möglichkeit beraubt er sich, indem er seine Sippe verlässt. Also doch ein Wagnis, in das er sich begibt, aber kein materielles. Es geht um die wichtige Nachfolge, die durch den Fortzug zumindest schwerer zu sichern sein würde. Allein die Verheißung Gottes lässt hoffen. Wir wissen, dass Abraham später Gott vorhält, dass sein Knecht alles erben würde, woraufhin Gott seine Verheißung erneuert (Gen 15).
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist deutlich: es geht auch hier um Nachfolge. Abraham folgt Gottes Ruf ohne zu Zögern. Es ist darauf zu achten, dass dadurch die Erbfolge gefährdet wird. Das Verlassen des Elternhauses ist nicht unbedingt so bedeutend.
    Für die Predigt wäre darüber nachzudenken, was Nachfolge heute bedeutet und inwieweit der Gehorsam Abrahams etwas für unsere Nachfolge austragen kann. Gott spricht nicht mit uns so, wie damals mit Abraham. Vielleicht aber vernehmen wir auch nur nicht die Stimme Gottes, und er redet tagtäglich zu uns? Die Predigt könnte diesen Aspekt ausarbeiten und danach fragen, wie wir für Gottes Stimme sensibel werden und sie von dem Lärm unserer Umwelt unterscheiden? Wie kommt der Ruf Gottes zu uns?
    Die andere Frage wäre, ob wir bereit sind, so wie Abraham das Gewohnte hinter uns zu lassen und einen Neuanfang zu wagen.

  • V: Joh 1, 35-51

    Diese Perikope enthält zwei wichtige Schlüsselaussagen: die Kennzeichnung Jesu als des Lammes Gottes durch Johannes den Täufer, und die Benennung des Simon als Petrus oder wie hier „Kephas”. Darüber hinaus entwickelt dieser kurze Text eine Atmosphäre, die Nachfolge in ganz eigener Weise spürbar werden läßt. Da ist die bloße Neugierde der zwei, die die Aussage von Johannes dem Täufer vernehmen und die sich dann auf Jesus einlassen, indem sie mit ihm gehen, und da ist die ganz spezifische Einladung, die an Simon (Petrus) durch seinen Erstberufenen Bruder Andreas ergeht.
    Man könnte der Frage nachgehen, welche Stellung Petrus im Johannes-Evangelium hat. Es ist schon bemerkenswert, dass Andreas, sein sonst geringerer Bruder, einer der zwei ersten Jünger ist, und dass Andreas dann Simon „beruft”. Aber das würde dem Thema dieses Sonntages nicht entsprechen. Man könnte auch die Aussage Johannes des Täufers aufnehmen und weiter untersuchen („Siehe, das ist Gottes Lamm”), aber auch diese Aussage entspricht nicht dem Duktus dieses Sonntages. An diesem Sonntag geht es thematisch um die Nachfolge, und darum sind die beiden neugierigen Jünger sehr wichtig, die sich einfach aus Interesse aufmachen. Ihr Interesse ist wohl durch die Aussage des Johannes geweckt worden, denn bis dahin waren sie dem Täufer gefolgt. Der aber weist sie jetzt auf Jesus als das Lamm Gottes hin.
    Natürlich sind sie neugierig. Sie folgen Jesus, der nur vorüberging und sie sogleich zur Rede stellt. Sie bekennen ihre Neugierde und werden eingeladen. Diese Einladung ist gewiß nicht selbstverständlich. Wenn uns jemand aus Neugierde zu nahe kommt, weisen wir ihn doch lieber ab, denn der Neugierige ist uns ja gar nicht vertraut! Er will mehr über uns wissen, aber was können wir über ihn erfahren? Wir empfinden es ja doch eher als lästig, wenn jemand mehr wissen will über uns. Es macht uns nervös.
    Jesus lädt sie ein, und sie bleiben einen Tag bei ihm. Diese Zeit, obgleich sie nicht weiter beschrieben wird, genügt dem Andreas, um zu wissen: dieser ist der Messias. Denn alsbald geht er los und sagt es seinem Bruder: „Wir haben den Messias gefunden!”
    Es ist schon beeindruckend, wie die Erkenntnis sofort auch das Bedürfnis nach dem Weitersagen beinhaltet. Aber eigentlich ist es auch selbstverständlich. Wenn ich etwas Neues erfahre, will ich es ja mitteilen. Von daher sollten wir in der Predigt uns wohl auf die beiden beschränken und zur Nachahmung aufrufen. Nachahmung, das heißt: neugierig sein. Schotten wir uns nicht ab, geben wir uns nicht zufrieden mit dem, was wir wissen. Offensichtlich ist unsere Welt nicht vollkommen, da muss es mehr geben, und danach sehnen wir uns, das suchen wir. Wir mögen es in Jesus gefunden haben, aber die Frage ist dann ja doch, inwieweit wir bei ihm geblieben sind. Haben wir es länger als bis zur 10. Stunde ausgehalten? Oder sind wir bald schon wieder auf unseren eigenen Weg zurückgekehrt?
    Die Neugierde darf nicht nachlassen. Gott will gesucht werden, er will gefunden werden, er will gefragt werden. Gott reagiert positiv auf Neugierde, und das sollte ermutigen. Wenn wir die Erkenntnis gewonnen haben, dass Jesus der Messias, der Heiland, ist, wird es nicht mehr schwer fallen, es auch weiterzusagen. Aber nicht auf die Art: Wir kennen ihn jetzt, und ihr müßt uns glauben, was wir euch erzählen, sondern: Wir haben ihn gesehen. Kommt und seht selbst, erfahrt, dass dieser der Messias ist. Lasst euch auf ihn ein!

  • VI: 2. Kor (11, 18.23b-30); 12, 1-10

    Dies ist ein außergewöhnlich langer Predigttext. Zwar ist der erste Teil aus Kapitel 11 eingeklammert, aber ich halte es in der Regel für sinnvoll, den gesamten Text zu bedenken, auch wenn man sich dann letztlich dafür entscheidet, den Schwerpunkt auf einen kürzeren Abschnitt zu legen. Ungerne klammere ich Verse aus der Mitte eines Textes aus, so wie es hier geschehen soll. Die Verse 19-23a sowie 31-33 sind daher auch wiedergegeben.
    Es ist zunächst offensichtlich: Paulus rühmt sich dessen, dass er gelitten hat um des Glaubens willen - wohl weil es andere gibt, die damit prahlen und sagen, dass sie wahren Glauben bewiesen hätten, indem sie sich der Folter auslieferten. Wichtig scheint aber, dass sein Leiden nicht nur in dem Aushalten von Folter und Naturkatatstrophen besteht, sondern auch darin, dass er „mit-leidet”. Wenn er davon hört, dass es einer Gemeinde oder auch einem einzelnen schlecht geht, dann trifft das auch den Apostel (11, 29). Da unterscheidet sich sein Leid wohl schon von dem der anderen.
    Dann folgt der „eigentliche” Predigttext (12, 1-10). Paulus rühmt sich, „wenn es auch nichts nützt”. Da kommt einem gleich die Frage, warum er es denn tut. Wohl, weil er weiß, dass damit nichts erreicht wird, aber dass es notwendig ist, um das zu vermitteln, was ihm wichtig ist. Und das kommt deutlich in dem Wort zutage, das Gott ihm zuspricht: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. (12, 9)Die vorherigen Schilderungen von Visionen haben in der Tat kaum einen Sinn. Aber sie dienen dazu, seine Autorität zu stärken, damit die paradoxe Botschaft von der Stärke Gottes im Schwachen angenommen wird und zum Tragen kommt.
    Je schwächer Paulus ist, im körperlichen Sinn, desto mehr kann Gott in ihm wirksam werden. Das heißt, seine Stärke schiebt Gott gewissermaßen beiseite, weil er dann davon ausgeht, die Situation selbst, aus eigener Kraft, meistern zu können.
    Bedenkenswert könnte Vers 7 sein, in dem von dem „Pfahl im Fleisch” die Rede ist, der sprichwörtlich wurde. Aber hier würde man sich sicherlich verlieren und das Wesentliche des Predigttextes u.U. vergessen. Darum sollte man versuchen, sich auf
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist nicht ohne Weiteres deutlich. Es ist dies der einzige Predigttext, der sich nicht explizit mit dem Wirken des Wortes Gottes befasst. Dennoch fällt es nicht schwer, die Beziehung herzustellen: Paulus' Leben ist vom Wort geprägt - vom „logos”, vom lebendigen Wort, das ihn berufen hat und ihn durch alle Fährnisse hindurchträgt. Wenn er sich nicht dazwischenstellt, wird durch ihn das Wort Gottes mächtig.
    Eine Predigt könnte damit beginnen, dass sich der Prediger selbst einiger Dinge rühmt. Er wird sicherlich zumindest Stirnrunzeln ernten. Aber er hätte damit auch die Aufmerksamkeit der Zuhörer gewonnen. Nicht mehr. Es wäre der gleiche Effekt, den Paulus mit diesem Abschnitt bei den Korinthern erreichen wollte. Die Predigt kann dann weiter ausführen, dass alles Rühmen eigener Taten unbedeutend ist, weil Gott darin nicht wirkt, sondern dort, wo Menschen sich ganz auf Gott einlassen und ihre eigene Begrenztheit, ihre Schwachheit, annehmen. Damit wäre sicherlich der Kern des Textes getroffen.

  • Marginaltexte: 1. Kön 19, 19-21
    Ez 2, 3-8a (= Hes 2, 3-8a)
    Lk 14, 25-33
    Röm 16, 1-16

    Zu Lk 14, 25-33:
    Dieser Text stellt hohe Erwartungen, die vor allem in einer Zeit, in der christlicher Glaube durch vielleicht inflationären Gebrauch der Stichworte „Liebe” und „Vergebung”, völlig überholt erscheinen. Sie haben aber ihre Berechtigung allein schon dadurch, dass sie hier niedergeschrieben sind.
    Diese Worte Jesu richten sich an eine große Menge, was verwundert, denn eigentlich geht es hier ja um die konsequente Nachfolge, die eigentlich nur von einigen wenigen erfüllt wird. Aber offenbar soll dadurch zum Ausdruck kommen, dass es keinen Unterschied gibt. Es gibt nicht gute (richtige) und weniger gute Nachfolger, entweder sind sie es, oder sie sind es nicht.
    Der Kernsatz findet sich sicher in Vers 27. Dieser Satz wird aber sogleich gedeutet durch zwei Beispiele und eine weitere Ausführung. Diese Beispiele müssen mit einbezogen werden, auch wenn man Vers 27 gerne isolieren möchte als vermutlich originales Jesus-Wort. Denn die Beispiele sollen dieses Wort der Gemeinde näher bringen und verständlicher machen.
    Der Sinn, der durch die Beispiele verdeutlicht wird, ist folgender: Nachfolge kann nicht ohne Aufwand geschehen. Es ist nicht nur ein blindes Hinterhertrotten. Es ist ein aktives Geschehen, in das man investiert, nicht nur Geld und sein Hab und Gut (Vers 33), sondern auch seine eigene Persönlichkeit, seinen Idealismus, seine Kraft. Zugleich kann es Schmerz bedeuten, denn Nachfolge erfordert immer auch Entscheidungen, evtl. Entscheidungen gegen Dinge und Personen, die einem lieb sind (Vers 26). Man muss sich trennen von Dingen, die einem ans Herz gewachsen sind, solange sie gegen diese Entscheidung zur Nachfolge Jesu stehen.
    Die Konsequenz eines Rückziehers ist vergleichsweise harmlos, insoweit sie durch die Beispiele deutlich wird: man wird vielleicht verspottet, weil man die Kosten nicht richtig abgeschätzt hat, aber mehr scheint nicht zu geschehen. Dass man damit den Zugang zu Gott verloren hat, wird nicht gesagt, sondern einfach vorausgesetzt.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist offensichtlich, der Text befasst sich ausschließlich mit der Konsequenz der Nachfolge. Die Predigt muss versuchen, die Vehemenz, mit der hier zur Nachfolge aufgerufen wird, aufzunehmen. Dabei stoßen wir auf ein Problem: In unserer Gesellschaft nimmt kaum einer Anstoß daran, wenn einer zur Kirche gehört. Es erscheint eher anstößig, wenn einer sein christliches Bekenntnis gewissermaßen „vor sich her trägt”. Denn damit wäre im Grunde die Forderung an alle, die dieser Person begegnen, verbunden, sich dazu zu stellen nach dem Motto: bist du für mich oder gegen mich? Teilst du meinen Glauben, oder lehnst du ihn ab?
    Solch eine Haltung finden wir vor allem in sogenannten „evangelikalen” Kreisen und ist nicht immer verkehrt. Denn nach diesem Text genügt es nicht, wenn auf der Lohnsteuerkarte ein „ev.” oder „rk” steht. Es wird von uns gefordert, dass wir zu unserem Glauben, zu unserem Herrn stehen. Dazu sollte die Predigt also ermutigen.



Buchempfehlungen:
  • Predigtstudien V/1 für das Kirchenjahr 2022/2023Wenn sie auf diesen Link klicken, verlassen Sie diese Webseite und werden zu Amazon weitergeleitet! Durch den Kauf bei Amazon unterstützen Sie die Weiterentwicklung dieser Webseite!
    . Perikopenreihe V, 1. Halbband v. Birgit Weyel, Johann Hinrich Claussen, Wilfried Engemann, Wilhelm Gräb (Hg.) u.a.. Kreuz-Verlag 2022, 272 S. - 1. Auflage.
    Eine gute Predigt lebt davon, den vorgegebenen Bibeltext in die Sprache der Menschen heute zu übersetzen. Seit mehr als 50 Jahren sind die Predigtstudien bei dieser Herausforderung ein unverzichtbares Hilfsmittel. Jeder Predigttext wird jeweils von zwei Autoren im Dialog bearbeitet.