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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe I - Joh 10, 11-16 (27-30)
Liebe Gemeinde!
„Ich bin der gute Hirte!“ Das ist ein vertrautes Wort, ein vertrautes Bild: Jesus,
oft mit dem Hirtenstab dargestellt, als der Hirte, der seine Schafe hütet. Der
Hirtenstab fand lange vor der Reformation seinen Weg in die kirchliche Praxis und
begleitete den Bischof bei seinen öffentlichen Auftritten. Das Wort Hirte ist
dann auch zur Berufsbezeichnung geworden, denn Pastor bedeutet nichts anderes
als Hirte.
Dennoch, so lebendig ist dieses Bild nicht mehr. Es gibt in ganz Deutschland
nur noch ganz wenige Hirten, da in den meisten Gegenden die Weiden umzäunt sind
und so für den Schutz der Tiere gesorgt ist.
In manchen Gegenden aber hat man noch die Chance, einem Hirten zu begegnen. Doch
was er alles zu tun hat, wissen nur noch die wenigstens. Viele Kinder können mit
diesem Wort nur noch vage Vorstellungen verbinden.
Ob der Hirte nun Schweine, Rinder oder Schafe hütet, die Aufgaben sind eigentlich
immer gleich: er sorgt für den Schutz der Tiere, er ist verantwortlich dafür,
dass keines verloren geht, und er bringt das Vieh an gute Weideplätze, wo sie
gesundes und kräftigendes Futter finden.
Und an das erinnern wir uns auch, wenn Jesus sagt: Ich bin der gute Hirte. Wir
leiten von diesem Wort genau das ab: dass er für unseren Schutz sorgt, dass er
keinen von uns verloren gibt, dass er uns zu gutem Weidegrund führt, was man sowohl
geistlich als auch leiblich verstehen kann.
Anders als Schafe neigen wir aber dazu, dem Hirten nicht blind zu vertrauen. Es
kann schon mal sein, dass wir mit dem Weidegrund nicht zufrieden sind und wir an
anderer Stelle nach Nahrung suchen. Und es gibt Zeiten, in denen wir meinen, vom
Hirten verlassen zu sein, weil wir ihn nicht sehen können – und gehen darum unsere
eigenen Wege, wohl auf der Suche nach ihm, aber doch ziellos, weil wir uns dabei
letztlich von ihm entfernen.
Wie kommt es, dass wir dem Hirten nicht grenzenlos vertrauen können – oder wollen?
Ich denke, dass es meist daran liegt, dass wir versuchen, die Wege des Hirten zu
verstehen. Wir suchen nach Gründen für die Entscheidungen des Hirten. Wir fragen
uns, warum es über einen hohen Hügel oder durch ein finsteres Tal gehen muss, wo
wir doch selbst gesehen haben, dass es leichtere Wege gibt. Doch es gibt Dinge, die
wir nicht gesehen haben. Auf den leichteren Wegen lauern vielleicht Gefahren, die
nur der Hirte kennt und denen er uns nicht aussetzen will. Also führt er uns den
etwas beschwerlicheren Weg, den wir nur ungerne mitgehen.
Oder wir sehen in einiger Entfernung eine viel saftigere Wiese, von der wir meinen,
dass es uns dort viel besser schmecken wird. Doch sehen wir nicht die giftigen
Kräuter, die zwischen dem saftigen Gras wachsen und uns wenigstens heftige
Bauchschmerzen bereiten dürften. Der Hirte aber weiß von diesen giftigen Kräutern
und führt uns darum an eine Stelle, die für unseren Magen – sei er nun geistlich
oder leiblich – unschädlich ist.
Ich bin der gute Hirte – die Betonung liegt auf dem Wort „gute“. Jesus grenzt sich
ganz deutlich ab von all den anderen Hirten, denen es nur darum geht, ihren Lebensunterhalt
und überhaupt ihr Leben zu sichern, nicht aber um das Wohl der Schafe. Denn sie werden
für ihre Arbeit bezahlt. Die Schafe sind nicht ihr Eigentum, darum kümmert sie ihr
Ergehen nicht sonderlich. Wenn mal eines vom Wolf gerissen wird, gut, dann zahlt er
dafür. Aber da die Hirten damals, zur Zeit Jesu, oft wochen- und monatelang mit den
Herden unterwegs waren, fiel es am Ende vielleicht gar nicht auf, ob einige Schafe
fehlten, da ja auch neue geboren wurden.
Jesus will, indem er sich als der gute Hirte bezeichnet, zum Ausdruck bringen, dass
er nicht so ist wie viele andere, bei denen man früher oder später feststellen muss,
dass das, was sie tun und sagen, kein Vertrauen verdient. Jesus ist da anders. Er
ist absolut vertrauenswürdig. Da gibt es kein Wenn und Aber. Denn die Schafe, die
er hütet, sind sein Eigentum. Und solch ein Verhältnis kann der Mietling, der um
Lohn den Hirtendienst wahrnimmt, nie aufbauen. Jesus geht sehr weit: für seine
Schafe ist er sogar bereit, sein Leben zu lassen. Das würde sicher kein Mietling
tun.
Merkwürdig ist es, wie plötzlich die Rede auf die Schafe aus dem anderen Stall
kommt. Wer ist gemeint? Wo dürfen wir uns einordnen?
Es gibt hierüber sicher viele Spekulationen. Vielleicht sind wir als Heidenchristen,
wenn wir dem Sprachgebrauch der Bibel folgen, ja die aus dem anderen Stall. Vielleicht
aber sind es auch andere. Aber das ist gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist dies:
dass der gute Hirte, dass Jesus die Schafe alle zusammenführen wird.
Das hat allerdings nichts mit der Bildung einer niedersächsischen Kirche zu tun.
Hier geht es um viel Größeres, um die Überwindung der Kluften, die sich zwischen
den Konfessionen aufgetan haben und die bis heute teilweise unüberbrückbare
Hindernisse darstellen.
Aber wenn wir es genau betrachten, dann stellen wir fest, dass es für viele Menschen
da gar keine Probleme zu geben scheint. An der Basis der Gemeinden werden
Glaubensunterschiede scheinbar viel schneller überwunden als an der Spitze.
Woran liegt das? Vor allem wohl daran, dass sich heute die meisten Menschen gar
nicht mehr ihres Glaubens bewusst sind. Sie nehmen die Unterschiede nicht mehr
wahr. Für viele ist Gott lieb, und das reicht. Weil er lieb ist, darum kann man
natürlich auch ohne Probleme miteinander verbunden sein. Aber ist das dann noch
Kirche?
Doch darf man ja auch anders herum fragen: brauchen wir die Kirche als Institution
überhaupt? Viele würden diese Frage verneinen, und darum haben ja auch schon viele
ihren Austritt aus der Kirche erklärt. Nur: was kommt dann? Genügt es, dass man
seinen Glauben für sich lebt und das auch ganz gut im Gegenüber zu den anderen
Glaubensrichtungen kann? Dafür braucht man wohl keine Kirche, zumal die Kirche
ja auch in den meisten Fällen allen Menschen offensteht, ob man nun zu ihr gehört
oder nicht.
Doch gerade das Bild vom Hirten macht uns deutlich, dass christlicher Glaube auch
die Gemeinschaft der Glaubenden impliziert. Die Gemeinschaft, das Füreinanderdasein,
gehört dazu. Und damit auch die institutionalisierte Kirche, die dafür sorgt, dass
dieses Füreinanderdasein überhaupt möglich ist. Aber dann stehen wir wieder vor dem
Dilemma, dass es viele verschiedene solcher Kirchen gibt.
Vielleicht machen wir es uns ja zu schwer. Wäre es nicht schön, wenn all die Grenzen
zwischen römischen Katholiken, den Orthodoxen, den Baptisten, den Pfingstlern, den
Reformierten, den Lutheranern, den Methodisten, den Adventisten, den Zeugen Jehovas,
den Altkatholiken, den Mennoniten, der Heilsarmee und wie sie sich noch alle nennen,
überwunden wären?
Aber bei dieser Aufzählung merken wir schon: so einfach ist es eben nicht. Bei manchen
würden wir zwar sagen: ja, gerne, die Unterschiede sind so gering, lasst uns zusammen
gehen.
Bei anderen aber ziehen wir dann doch auch selber Grenzen, sind vorsichtig, haben
vielleicht sogar Angst, in den Einflussbereich dieser Gemeinschaften zu geraten.
Wo wollen wir uns bewegen? Wo sollen wir hin gehören? Ist das, was uns von unseren
Vorvätern überliefert wurde und was wir als Kinder mit meist wenig Widerstand übernommen
haben, wirklich der richtige Weg?
Es sind Fragen, die wir letztlich nicht beantworten können. Denn sie münden alle in
die eine Frage nach der Wahrheit, die nur einer vollends beantworten kann: der gute
Hirte selbst, Jesus Christus.
Darum gilt, was für jedes Schaf gilt: es muss Vertrauen haben in seinen Hirten. Solange
wir den Ruf unseres Hirten, Jesus Christus, hören und ihm vertrauen, dürfen wir auch
darauf vertrauen, dass wir am richtigen Ort sind.
Das Gute ist, dass wir uns dann aber auch nicht abzugrenzen brauchen. Wir müssen nicht
ängstlich Mauern um uns hochziehen oder tiefe Gräben ausheben, die uns von den anderen
trennen. Wenn es dem Hirten gefällt, wird er die anderen dazu führen, und die Herde,
also die Gemeinde Jesu Christi, wird weiter wachsen.
Andererseits dürfen wir ganz sicher darauf vertrauen, dass Christus uns vor dem bewahrt,
was uns schaden könnte.
Erst wenn wir das Vertrauen in ihn aufgeben, werden wir zwar irgendwelche Wege gehen,
die sich vielleicht auch eine Weile, vielleicht sogar über Jahrhunderte, gut gehen
lassen. Aber diese Wege führen nicht zum Leben.
Es ist also gut und wichtig, dass wir unser Vertrauen ganz auf Jesus Christus setzen.
Denn er sorgt dafür, dass wir den richtigen Weg gehen.
Im Abendmahl erfahren wir Gemeinschaft mit ihm auf eine Weise, wie sie sonst nicht
erfahrbar ist. Hier begegnet er uns als der Hirte, der seine Schafe niemals im Stich
lassen wird – der sogar bereit ist, sein Leben für seine Schafe hinzugeben – und der
es auch getan hat.
Vertrauen wir ihm, dass er uns, wenn wir ihn aus den Augen verlieren, auch wieder zur
Herde zurück holt. Denn wenn wir ihm so vertrauen, dann können wir auch getrost und in
Frieden unseren Weg gehen.
Amen
oder
Liebe Gemeinde,
„Ich bin der gute Hirte!“, sagt Jesus. Dieses Wort ist uns allen sehr vertraut, genauso
wie der 23. Psalm. Es ist schön, sich Gott als Hirten vorstellen zu dürfen.
Es ist gut zu wissen, dass da jemand ist, der uns zum frischen Wasser und auf saftige
Weiden führt. Es ist gut, zu wissen, dass da einer ist, der uns vor Gefahren schützt.
Und es ist gut zu wissen, dass uns einer auf den rechten Weg führt.
Aber in diesem Wort schwingt noch mehr mit. Jesus sagt, dass er sein Leben lassen
wird für seine Schafe. Das ist anders als im Psalm 23. Denn im Psalm 23 ist der
Hirte immer da, und er wird natürlich nicht sterben, denn es ist Gott, der Herr,
der Ewige.
In den Worten Jesu klingt also doch etwas anderes an, das für uns aber genauso
wichtig ist. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe: Er stellt sich
schützend vor sie, er tritt für sie ein.
Dabei geht es nicht um den Schutz vor den Gefahren des Alltags, so wie wir Gott
jeden Tag darum bitten, dass er uns vor Unfall und Gefahr bewahre, sondern es
geht um den Schutz vor dem Tod schlechthin. Das ist die größte Gefahr, der wir
auch nicht ausweichen können.
Ich lasse mein Leben für die Schafe, sagt Jesus, und man kann den Satz weiterführen
mit den Worten: damit sie ewiges Leben haben. Denn natürlich verweist Jesus damit
auf das Kreuz, das auf ihn wartet, seinen Tod, der uns von aller Sünde und damit
auch von der Macht des Todes befreit und uns ewiges Leben schenkt.
Und so wird in diesen Worten die Osterbotschaft sichtbar: Der Hirte lässt sein
Leben, damit wir teilhaben können an der Auferstehung, damit wahr wird, was Jesus
wenig später sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt,
der wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird
nimmermehr sterben.“ (Joh 11, 25f)
Mit dem Wort vom guten Hirten ist aber noch etwas anderes verflochten. Da spricht
Jesus davon, dass die Seinen ihn kennen, und dass er die Seinen kennt. Natürlich.
Das ist eine wichtige Grundeigenschaft eines Hirten, dass er seine Schafe alle
kennt, und sogar jedes einzelne mit seinem Namen.
Das ist Jesus für uns, als der gute Hirte: unsere Namen sind ihm nicht verborgen,
und das bedeutet: wir sind keine Fremdlinge für ihn. Vielmehr ruft er uns mit unseren
Namen, wenn wir einmal vom Weg abkommen, und er erinnert sich stets an uns, auch
wenn es denn Anschein hat, er wäre nicht in unserer Nähe.
Wir sind einander vertraut: Jesus und ich – Jesus und du. Diese Vertrautheit hilft
uns, in unserem Leben die Dinge, die uns bedrängen und bedrücken, etwas gelassener
zu sehen, denn wir dürfen darauf vertrauen, dass Jesus von all dem, was uns widerfährt,
weiß.
Und wenn es dann zu schwer zu tragen wird, dann kommt er, nimmt uns unsere Last ab,
oder er hebt uns auf und trägt uns ein Stück – mit unserer Last – so wie es der gute
Hirte tut.
Und dann ist da schließlich noch ein Drittes in diesen Worten, auf das ich kurz eingehen
möchte:
Es gibt noch andere Schafe, die nicht dabei sind – jetzt noch nicht. Sie werden dazu
kommen. Die Theologen haben sich über die Jahrhunderte den Kopf darüber zerbrochen,
wer wohl mit diesen anderen Schafen gemeint sein könnte. Ich will es ganz offen lassen.
Wichtig ist doch nur das eine: dass am Ende eine Herde und ein Hirte sein wird. Dass
dies bald sein möge, darum beten wir, denn eigentlich ist es ja unerträglich, dass die
Christenheit in viele kleinere Gruppen geteilt ist.
Aber dann kann man auch sagen, dass wir die Einheit der Christen auch jetzt schon
erfahren. Denn immer, wenn wir das Abendmahl feiern, dann haben wir Gemeinschaft
nicht nur mit Jesus, dem Auferstandenen, sondern auch mit allen, die an Jesus
Christus glauben und das Abendmahl feiern.
Das sind Menschen in der ganzen Welt, heute, morgen, aber auch gestern – es sind
alle, die im Glauben an Jesus Christus heimgegangen sind.
Es ist eine wunderbare Vorstellung, dass die Menschen, denen wir verbunden sind,
die aber schon vor uns heimgegangen sind zum himmlischen Vater, teilnehmen an der
Feier des Abendmahls. Es ist die himmlische Feier, die wir hier gewissermaßen nur
vorwegnehmen.
„Ich bin der gute Hirte“ - dass wir Schafe seiner Herde sind, wird gerade in der
Feier des Abendmahls ganz deutlich. Aber auch sonst gilt es natürlich: Der gute
Hirte kommt zu uns. Er sieht, was uns bedrückt. Er nimmt es auf sich und schenkt
uns neue Kraft.
Dass wir das erfahren, möge unser Herr uns schenken.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Jesus nimmt die Sünder an (EG 353)
Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden (EG 370, 11-12)
Jesu, meine Freude (EG 396)
O Lebensbrünnlein tief und groß (EG 399)
Du hast gesagt: „Ich bin der Weg” (KHW-EG 602)
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Predigtvorschläge zu Reihe II - 1. Petr 2, 21b-25
Die nachfolgende Predigt wurde im Rahmen eines Konfirmationsgottesdienstes gehalten:
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde!
Konfirmation – das Wort heißt „fest machen“ oder „befestigen“. Natürlich ist damit nicht
gemeint, dass ein Regalbrett oder ein Haken an der Wand festgemacht wird, sondern es geht
um das Wort Gottes und um den Glauben daran.
Durch die Konfirmation werdet ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, zu mündigen
Christen. Ihr dürft Pate sein, und wenn ihr ein bisschen älter seid, dürft ihr auch den
Kirchenvorstand mitwählen oder euch selber in den Kirchenvorstand wählen lassen. Auch
einer kirchlichen Trauung steht nun nichts mehr im Wege.
Mündiges Glied der christlichen Gemeinde zu sein, das hat schon was. Ihr wollt – und
ihr sollt – ernstgenommen werden, wenn es um die Belange Eurer Gemeinde geht.
Wenn man das nun noch ein bisschen weiter denkt, dann merkt ihr sicher auch: es wird
euch mit der Konfirmation nicht nur etwas gegeben. Es wird auch etwas von euch erwartet.
Denn als mündige Glieder der Gemeinde gestaltet ihr nun diese Gemeinde mit. Es kommt auch
auf euren Einsatz an, wenn es darum geht, den Kurs eurer Gemeinde zu bestimmen und den
Inhalt ihrer Arbeit.
Es liegt also auch eine Aufgabe im Konfirmiertsein, und ich möchte Euch Mut machen, diese
Aufgabe anzupacken und das Leben in unserer Gemeinde mit zu gestalten.
Unser Predigttext redet auch davon, was Gemeinde ist und was es bedeutet, zur Gemeinde
dazu zu gehören.
Es wird ein Bild verwandt, das uns heute vermutlich schon etwas fremd vorkommt. Ihr wart
wie irrende Schafe, heißt es da. Zum einen lassen wir uns ungern mit einem Schaf
vergleichen.
„Dumm wie ein Schaf”, sagt man ja auch, oder es wird einem „Du Schafskopf“
an den Kopf geworfen, was soviel heißt wie: Du Dummkopf. Und als dumm wollen wir uns ja
eigentlich nicht bezeichnen lassen.
Zum andern kann man sich das mit den irrenden Schafen schlecht vorstellen. Irren
kann ja zweierlei bedeuten: einmal, dass man schlicht falsch liegt, also etwas
falsch versteht oder falsch wiedergibt – man irrt sich eben. Oder es bedeutet,
dass man orientierungslos ist, nicht weiß, wo's lang geht.
Das Bild von den Schafen hilft uns, das „Irren“ auch richtig zu verstehen. Man
muss wissen, dass Schafe immer einen Hirten brauchen, der sie - in der Regel mit
Hilfe eines Hirtenhundes - zu den guten Weideplätzen führt und sie auch als eine
Herde zusammen hält.
Ihr habt den 23. Psalm gelernt, der mit den Worten beginnt: Der Herr ist mein Hirte.
Hier wird dieses Bild ebenfalls aufgenommen. Es geht dabei überhaupt nicht um dumm
oder klug, sondern schlicht darum, dass wir auf die Hilfe Gottes angewiesen sind.
Er kann uns zu den Orten bringen, wo wir Nahrung für unsere Seele finden.
Schafe haben vermutlich deswegen das Attribut der Dummheit beigelegt bekommen, weil
sie ohne zu fragen dem Hirten folgen. Sie vertrauen dem Hirten vollkommen. Aber das
muss kein Zeichen für Dummheit sein.
Denn da dem Hirten daran liegt, dass es den Schafen gut geht, werden sie ja auch
nicht enttäuscht. Sie machen die Erfahrung, dass sie dem Hirten vertrauen können,
dass er sie zu einer saftigen Weide und zum frischen Wasser führt. Andererseits
würden sie sich von einem schlechten Hirten, der sich nicht um ihr Wohl kümmert,
auch nicht ohne Weiteres führen lassen.
Petrus sagt also, dass wir wie irrende Schafe waren. Irrende Schafe sind solche
Schafe, die keinen Hirten haben und darum auch keinen Weidegrund finden. Sie laufen
umher, über Stock und Stein, und versuchen irgendwo etwas zu fressen zu finden.
Wenn man sich dazu noch eine ohnehin karge Landschaft vorstellt, in der es die
längste Zeit des Jahres trocken ist, dann merkt man, dass es dabei durchaus ums
Überleben gehen kann.
Irrende Schafe kämpfen also ums Überleben.
Ihr wart wie die irrenden Schafe – das ist Vergangenheit. Es hat sich etwas
geändert, die Gegenwart sieht anders aus: „ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten
und Bischof eurer Seelen.“ Mit anderen Worten: jetzt seid ihr keine Schafe mehr,
die herum irren und nicht wissen, wo sie Nahrung finden. Jetzt habt ihr einen,
der euch die guten Weideplätze zeigt und euch dorthin führt. Indem wir diesem
Hirten folgen, können wir auch getrost wie im 23. Psalm feststellen: mir wird
nichts mangeln.
Aber in unserem Predigttext geht es nicht nur um dieses Bild von den Schafen und
dem Hirten. Das ist vielmehr nur der letzte Satz. Es beginnt damit, dass wir
aufgefordert werden, einem Vorbild zu folgen, nämlich dem, das Christus uns
hinterlassen hat.
In seine Fußtapfen sollen wir treten.
Dabei sind die doch eigentlich viel zu groß. Jesus ist ja nicht nur irgend
jemand – er ist Gottes Sohn, er ist schlicht gesagt makellos, er hat die
Liebe Gottes verkörpert, er hat sie durch sich sichtbar werden lassen.
Ich glaube, dass es niemanden gibt, der das in gleicher Weise tun könnte.
Dennoch werden wir dazu aufgefordert: folgt seinen Fußtapfen nach.
Das ist aber auch etwas anderes, als in die Fußtapfen zu treten. Da hilft
uns zum besseren Verständnis vielleicht wieder das Bild von den Schafen und
dem Hirten. Denn die Schafe folgen ja den Fußtapfen des Hirten, ohne jemals
in diese Fußtapfen hinein zu passen. Sie könnten nie wie der Hirte werden.
Die Aufforderung zur Nachfolge bleibt. Darin steckt sicher auch die Aufforderung
zur Nachahmung, dass wir wie er handeln und tun. Aber es wird von uns darin
nicht die gleiche Vollkommenheit erwartet, wie sie in Jesus Christus erkennbar
wurde.
Denn Gott weiß ja, dass wir Fehler machen, und er gesteht sie uns auch zu.
Aus keinem anderen Grund ist ja Jesus Christus in die Welt gekommen, damit
diese Fehler nicht auf ewig zwischen uns und Gott stehen, damit wir nicht
weiter herum irrende Schafe sind, die keinen Hirten haben.
Wir haben im Gegenteil den Hirten, der alles Trennende fortnimmt, der uns
zur Gemeinschaft mit Gott führt.
Durch seine Wunden seid ihr heil geworden, so drückt Petrus es aus. Indem
ihm, also Christus, Schmerzen zugefügt wurden, sind unsere Schmerzen von
uns genommen werden.
Das können wir uns nicht so leicht vorstellen, und es widerstrebt uns auch,
das anzunehmen. Warum soll ein anderer für das leiden, was wir ausgefressen
haben?
Nun, man nennt den Grund dafür Liebe. Gott liebt uns als seine Geschöpfe,
als die Krone seiner Schöpfung viel zu sehr, als dass er uns einfach so
ziellos umher irren lässt. Er zeigt sich uns in Jesus Christus, er führt
uns den Weg, der letztlich auch zu einem Ziel führt, für das es sich zu
leben lohnt: die Gemeinschaft mit Gott, die Erfahrung seiner Herrlichkeit,
das Heil für unsere Seelen.
Letztlich dient das Handeln Gottes dazu, dass wir für die Gerechtigkeit leben.
Das hat natürlich auch seine Tücken, denn Gerechtigkeit ist leider nicht
gleich Gerechtigkeit. Manche pochen auf ihr Recht und beachten dabei nicht,
dass es auch noch Rechte anderer gibt. Wer dann letztlich am längeren Hebel
sitzt, bekommt dann schließlich auch sein Recht, sei es nun mit Hilfe von
Geld oder durch die richtigen Beziehungen. Immer wieder erleben wir das,
und immer wieder fühlen wir uns ungerecht behandelt.
Wenn im Zusammenhang mit dem christlichen Glauben von Gerechtigkeit gesprochen
wird, dann bedeutet das aber etwas anderes. Es heißt, dass wir Recht bekommen,
obwohl wir im Unrecht sind. Eigentlich haben wir keinen Anspruch auf das Recht,
und dennoch gesteht Gott es uns zu.
Das alles durch Jesus Christus. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden –
ohne dass wir einen Rechtsanspruch darauf gehabt hätten.
Die Feier des Heiligen Abendmahls macht uns das besonders deutlich. Wir werden
vor Gott gerecht dadurch, dass Christus seinen Leib hingibt, dass er sein
Blut vergießt. Für uns, ohne dass er es tun müsste.
Das ist das Geschenk der Liebe Gottes. Gott will nicht, dass wir verloren
gehen. Im Gegenteil. Er will, dass wir leben und den Weg gehen, der zum wahren
Leben führt, ein Leben, das sich nicht durch Erfolg und Reichtum definiert,
sondern durch die Barmherzigkeit und Gnade Gottes.
Miserikordias Domini – die Barmherzigkeit des Herrn, daran erinnert uns der
Name dieses Sonntags. Konfirmation – Festmachen: es geht um das Festmachen
im Vertrauen auf und im Glauben an die Barmherzigkeit Gottes.
Ich wünsche Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, dass Ihr die Liebe
Gottes, dass ihr seine Barmherzigkeit immer wieder aufs Neue erfahrt und so
fest werdet im Glauben daran, dass Gott uns nicht im Stich lässt, selbst
wenn wir durch das finstere Tal wandern, wo wir unseren Weg nicht mehr erkennen
können.
Denn Gott ist bei euch, er ist der Hirte, auf den ihr euch verlassen könnt.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
O Jesu Christe, wahres Licht (EG 72)
Holz auf Jesu Schulter (EG 97)
Such, wer da will, ein ander Ziel (EG 346)
Es ist in keinem andern Heil (EG 356)
Jesu, geh voran (EG 391)
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Predigtvorschläge zu Reihe IV - Joh 21, 15-19
Liebe Gemeinde!
Es ist schon eine merkwürdige Situation:
Der Auferstandene erscheint den Jüngern mehrere Male, Johannes spricht vom dritten
Mahl. Sie hielten das Mahl zusammen. Der Auferstandene hat Teil am gemeinsamen Mahl
seiner Jüngerinnen und Jünger. Dass das gemeinsame Mahl in den Evangelien so
ausdrücklich betont wird – denken wir auch an die Emmausjünger – will uns
hinweisen auf die Gemeinschaft, die wir mit ihm im Abendmahl haben.
Doch unser Predigttext spricht nur davon, dass das Mahl vorüber ist. Jetzt
spricht Jesus zu Petrus, offenbar wohl in Gegenwart der anderen. Er stellt
ihm eine Frage, die den anderen verletzend erscheinen muss, eine Frage, die
darauf hinausläuft, eine Rangordnung festzulegen:
„Hast du mich lieber, als mich diese haben?“ Während er das sagte, wird Jesus
sicher auf die anderen gedeutet haben.
Stellen wir uns das einmal in unserem eigenen Umfeld vor: Wäre es denkbar,
dass ein Arbeitgeber seinen Arbeiter vor allen anderen fragt: stehst du der
Firma loyaler gegenüber als diese anderen hier?
Für Petrus ist es eine Zwickmühle. Woher soll er wissen, ob er Jesus mehr
liebt als die anderen? Und wenn er es wüsste – wie könnte er es sagen, ohne
den Neid der anderen fürchten zu müssen? Würden sie nicht, wenn Jesus nicht
mehr unter ihnen ist, ihm Vorwürfe machen und behaupten, er habe sich
absichtlich bei Jesus beliebt gemacht und dabei die anderen in den Hintergrund
gedrängt?
Seine Antwort fällt dementsprechend vorsichtig und zurückhaltend aus: „Du weißt,
dass ich dich lieb habe.“ ...So wie die anderen, könnte man wohl ergänzen.
Und vielleicht schwingt schon ein bisschen Trauer und Enttäuschung angesichts dieser
Frage mit: muss das wirklich sein? Muss er Jesus mehr lieben als die anderen?
Können nicht alle ihn in gleicher Weise lieben? Und wenn es doch einen Unterschied
gibt: muss nicht Jesus es am besten wissen, wer ihn am meisten liebt? Petrus kann
es doch gar nicht selbst beurteilen, wie sehr die anderen ihren Herrn lieb haben.
Es ist eine ungeheuer gefühlsintensive Situation. Da ist der Auferstandene: das
Wunder der Auferstehung beginnt erst langsam geglaubt zu werden – es ist noch
längst nicht in seiner ganzen Tiefe durchlebt, nur dass die Trauer fortgenommen
ist dadurch, dass ihr geliebter Herr nun doch lebt, nachdem sie ihn zu Grabe
getragen hatten. Die ganze Tragweite dieses Geschehens war ihnen noch längst
nicht bewusst. Wohl aber war das Miteinander erfüllt von der Liebe zueinander,
denn nach den Tagen der Trauer haben sie ihn ja wieder, den geliebten Herrn und
Meister. Und da stellt er diese Frage: liebst du mich mehr als die anderen?
Diese eine Antwort des Petrus sollte eigentlich genug sein. Jesus reagiert ja auch
darauf in der Weise, wie es zu erwarten war: „Weide meine Lämmer!“ Er erteilt
Petrus einen Auftrag, denn natürlich weiß er, wie sehr er ihn liebt. Wirklich
mehr als die anderen?
Das zweite Mal klingt in Jesu Frage nicht mehr der Vergleich mit der Liebe der
anderen an. Petrus fällt es leichter, darauf zu antworten. Gleichzeitig versteht
er nicht, warum die Frage ein zweites Mal gestellt wird, und warum erneut der
Auftrag ausgesprochen wird: „Weide meine Schafe“.
Und dann erklingt die Frage zum dritten Mal: hast du mich lieb?
In der dreimaligen Wiederholung der Frage klingt an, was wenige Tage zuvor
geschehen ist: „Der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet
hast.“
Liebst du mich wirklich - mehr als die anderen?
Die Wankelmütigkeit des Petrus wird ihm und uns noch einmal vor Augen gemalt,
zugleich aber auch, dass er nun wirklich fest steht, der, der einst den Namen
Fels bekommen hat.
Weide meine Schafe!
Für die katholische Kirche ist dies eine der Stellen, die das Papstamt begründet.
Hier wird Petrus zum Oberhaupt über die Gemeinde eingesetzt, indem ihm die
wesentliche Aufgabe zugeteilt wird, die wir aus dem 23. Psalm kennen – dort
steht sie allerdings Gott zu: er weidet mich auf einer grünen Aue...
Und für uns Protestanten, für uns lutherische Christen – ja, was ist diese
Stelle für uns?
Wir sehen in Petrus wie in den übrigen Aposteln Vorbilder des Glaubens. Das
Handeln und Reden Jesu gilt auch uns, der Gemeinde, so wie es damals den
Aposteln galt. Und da scheint mir neben dem Auftrag, der an Petrus ergeht,
etwas ganz anderes wichtig und wesentlich. Es ist die Frage, die Jesus stellt:
„Hast du mich lieb?“
Jesus fragt – und diese Frage gilt auch uns: hast du mich lieb? Wohlgemerkt, das
ist der Auferstandene, der diese Frage stellt. Er fragt, nachdem all das geschehen
ist, was die Jünger in so schlechtem Licht hat erscheinen lassen. Ganz bewusst wird
die Frage dreimal gestellt, um daran zu erinnern, wie leicht es ist, zu versagen:
ich? Nein, ich würde dich niemals verleugnen. Ich bin bereit, mit dir zu sterben!
Nur kurze Zeit später ist dieses Versprechen vergessen.
Das ist nicht nur Petrus, der dies erlebt, sondern das ist jeder von uns. Immer
wieder verleugnen wir Jesus, ganz unbewusst oft, so wie Petrus; und gerade darum
ist es so bedrückend, so traurig.
Wenn es geschieht, dann wollen wir eigentlich nur das Beste – wer weiß, woran Petrus
dachte, als er Jesus verleugnete: ging es ihm nicht gerade darum, in der Nähe Jesu
zu sein? Das hätte er nicht sein können, wenn er seine Identität preisgegeben hätte,
wenn er zugegeben hätte, dass er zu ihm gehört. Er merkte gar nicht, dass er in dem
Moment, in dem er sagte, dass er diesen Menschen nicht kenne, schon unendlich weit
fort von ihm gerückt war. Da war zwar räumliche Nähe, aber innerlich waren sie
voneinander getrennt durch diese Verleugnung.
Das kann uns auch passieren. Dann nämlich, wenn wir meinen, bestimmte Dinge seien
nicht unsere Sache, das müsse sich anders regeln: zum Beispiel die Not der
verhungernden Menschen in vielen Ländern dieser Welt – reicht da die doch relativ
kleine Spende an „Brot für die Welt“?
Ist es richtig, die Augen und den Mund zu verschließen, wenn die G8-Länder in ihrem
eigenen Interesse bestimmen, dass diese Menschen auch weiterhin ihre Schulden bezahlen
müssen, die inzwischen ins Unermessliche gestiegen sind, oder wenn zugelassen wird,
dass Firmen wie Nestle die Kontrolle über die Trinkwasservorräte dieser Länder bekommen,
eben weil sie wirtschaftlich von uns abhängig gemacht wurden?
Ist es richtig, die Augen zu verschließen, wenn wir munter Autos und Flugzeuge benutzen
und dabei das hundert- oder gar tausendfache an CO2 produzieren im Vergleich zu den
Menschen in Afrika?
Ist es richtig, die Augen zu verschließen, wenn Menschen, die an AIDS erkrankt sind,
die Medikamente, die ihnen ein weitgehend normales Leben ermöglichen würden,
vorenthalten werden, nur weil die Firma, die diese Mittel entwickelt hat, auf hohen
Lizenzzahlungen besteht?
„Hast du mich lieb?“
Inwieweit hat das alles mit dieser Frage zu tun?
Nun: „Was ihr einem von diesen meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir
getan.“ hat Jesus gesagt.
Das ist der Beweis der Liebe, dass wir uns jenen Menschen zuwenden, dass wir ihre Anliegen
zu unseren machen, dass wir ihre Unbeschwertheit genauso wünschen wie die eigene.
Gerechtigkeit: dass niemand mehr Hunger leiden muss, dass alle Zugang zu lebenswichtigen
Medikamenten haben, dass Länder nicht systematisch in den Bankrott getrieben werden, dass
alle gleiche Chancen haben.
Solche Gerechtigkeit ist möglich. Sie ist keine Utopie.
Vielmehr ist es Utopie, zu glauben, dass sich das alles von selbst regelt, dass wir weg
schauen können, weil es uns ja gut geht, weil wir keinen Mangel leiden.
„Hast du mich lieb?“ Diese Frage stellt uns Jesus, und er erwartet eine Antwort. Sie wird
sichtbar und hörbar in der Art und Weise, wie wir einem von seinen geringsten Geschwistern
begegnen, wie wir das Leben dieser Menschen wertschätzen im Vergleich zu dem unseren, und
wieweit wir zum Verzicht bereit sind, um ihnen zu helfen, ein menschenwürdiges Leben zu
führen.
„Hast du mich lieb?“ Diese Frage wird nicht durch Meditation und Kontemplation beantwortet,
auch nicht durch Fasten, das einzig unsere der Förderung unserer eigenen spirituellen
Entwicklung dient. Die Frage wird beantwortet durch unser Handeln, indem getan wird,
wozu Jesus auch Petrus auffordert: Weide meine Schafe. Weide sie, gib ihnen zu essen.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Nun, was du, Herr, erduldet (EG 85, 5-5.8-10)
Wenn ein Schaf verloren ist (EG 353, 3-6)
Volles G'nügen, Fried und Freude (EG 386, 9-10)
Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (EG 397)
Ich will dich lieben, meine Stärke (EG 400)
Meinen Jesus lass ich nicht (EG 402)
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Predigtvorschläge zu Reihe V - 1. Petr 5, 1-4
Liebe Gemeinde!
Ich habe mich schon gefragt, was dieser Predigttext an diesem Sonntag soll.
Vielleicht wurde er ausgewählt, weil dies, wie es scheint, der Sonntag des
1. Petrus-Briefes ist: Auch die Epistel, die wir vorhin gehört haben, stammt
aus diesem Brief. Denn dieser Brief gehört zu den sogenannten »Pastoralbriefen«,
und Pastor, das bedeutet schlicht und einfach: Hirte. Und um den »guten Hirten«
geht es an diesem Sonntag. Aber diese Briefe heißen Pastoralbriefe, weil sie an
Pastoren gerichtet sind, an Hirten, und nicht, weil sie über den Guten Hirten
schreiben. Und darum hatte ich arge Schwierigkeiten mit diesem Predigttext,
denn er ist eigentlich nicht an die Gemeinde gerichtet, sondern an mich.
Ich habe mich aber entschieden, dabei zu bleiben, weil ich mir vorstellen kann,
dass sich aus diesem Predigttext doch einiges auch für Sie, die Herde, herausholen
lässt.
Petrus spricht vom Verhältnis des Hirten zu seiner Herde, für die der Hirte
verantwortlich ist. Er redet also über den Pastoren - Petrus redet ihn mit
»Ältester« an, womit nicht unbedingt das Lebensalter gemeint ist. Und da sagt
Petrus: Weidet die Herde Gottes nicht als Herren über die Gemeinde, sondern
als Vorbilder der Herde.
Es ist in dieser Gemeinde schon lange Allgemeinwissen, dass der Pastor nicht der
Boss ist. Er ist gleicher unter gleichen, abhängig von der Gnade Gottes, also im
Grunde kein Hirte, so wie wir das aus Büchern oder von Bildern her kennen, sondern
eher auch ein Schaf, das aber den anderen vorangeht und ihnen zeigt, wo es langgeht.
Dieses Pastor-Schaf, ich nenne es mal so, lässt sich leiten von dem eigentlichen
Hirten und empfängt von ihm Rat und Weisung. Das ist nun aber kein Privileg des
Pastor-Schafes, sondern die anderen Schafe der Herde können und sollen das auch
tun. Denn letztlich sind wir ja alle auf die Führung und Weisung Gottes angewiesen.
Das ist die Grundlage für jedes Gemeindeleben. Aber oft haben es die Schafe der
Gemeinde schwer, selbständig diesen Zugang zu Gott zu finden, und darum ist der
Hirte da, um zu helfen. Wenn aber die Herde - oder auch nur einzelne in der Herde -
bemerken, dass das Pastor-Schaf in die falsche Richtung geht, dann muss man schon
hinterher rufen, um es zurück zu holen. Es ist durchaus möglich, dass sich ein
Pastor-Schaf mal in die falsche Richtung bewegt. Und dann ist es gut, wenn es
Schafe in der Herde gibt, die die Augen aufhalten.
Hier kommt also auch der Gemeinde eine Aufgabe zu. Denn das Amt eines Pastoren
birgt schon manche Gefahren in sich. Petrus hatte die vielleicht größte Gefahr
schon damals erkannt: es hat wohl manche Pastor-Schafe gegeben, die ihre Aufgabe
nur als Mittel dazu sahen, sich selbst zu bereichern. Offenbar hatte man begonnen,
die Leiter der Gemeinde für ihre Arbeit zu entlohnen, da diese Aufgabe immer
umfangreicher wurde. Und da sind wohl einige Trittbrettfahrer aufgesprungen,
die sich zwar diesen Lohn sichern wollten, aber die eigentliche Aufgabe der
Betreuung der Herde vernachlässigten. Gegen diesen Missbrauch wendet sich Petrus.
Ich möchte Sie heute einfach aufrufen, darauf zu achten, dass ich, Ihr Pastor,
mich nach diesen Worten richte, dass ich der Gemeinde als Vorbild diene und
nicht als Herr. Sie achten gewiss sowieso schon darauf, aber wenn Sie sich
Verbesserungen oder Änderungen wünschen, sagen Sie es. Wenn Sie das Gefühl
haben, dass ich Sie den falschen Weg führe, scheuen Sie nicht, es zu sagen.
Auf der anderen Seite freue ich mich natürlich auch über jedes positive Wort,
das ermutigt, auf diesem Weg weiterzugehen.
»Weidet die Herde Gottes«, sagt Petrus zu den Hirten. Es ist die Herde Gottes,
nicht die Herde des Hirten. Der Hirte handelt im Auftrag Gottes und hat damit
eine große Verantwortung übernommen. Letztlich, und so wird es auch in diesem
Text des Petrusbriefes deutlich, muss der Hirte vor Gott Rede und Antwort
stehen, was er mit dieser Gemeinde, mit seiner Herde gemacht hat. Er wird
Rechenschaft ablegen müssen über seine Arbeit.
Petrus erwähnt den Erzhirten hier in dieser Funktion des Richters. Der Erzhirte,
das ist Jesus Christus. Wir wissen, dass sein Gericht nicht darin besteht, dass
er uns verdammt, sondern dass er uns vergibt. Wenn wir dies wissen, dann können
wir auch nicht auf dem falschen Weg sein.
Jesus Christus hat uns in seine Nachfolge gerufen. Er ist der Hirte, dem wir
folgen. Er ist es, auf den wir alle schauen. Wir alle, das ist das Pastor-Schaf,
also ich, Sie und all die anderen Schafe, die wir zu dieser Gemeinde gehören.
Auf ihn können wir zählen, wenn unser Weg dunkel wird und wir nicht mehr genau
wissen, wo wir sind. Wir können uns darauf verlassen, dass er uns zur Seite steht
und Rat und Hilfe gibt.
Es ist wichtig, zu verstehen, dass das Pastor-Schaf kein Vermittler zwischen
Christus und der Herde, sondern höchstens ein Helfer ist, damit die Herde in
die Lage versetzt wird, direkt mit Christus Kontakt aufzunehmen. Man könnte
den Pastor vielleicht als Katalysator beschreiben. Ein Katalysator hilft, dass
eine Verbindung entsteht, ohne selbst in die Verbindung einzutreten bzw. Teil
der Verbindung zu werden. Ganz so stimmt es nicht, denn wenn der Pastor nicht
mit Christus verbunden wäre, wäre sein Dienst sinnlos. Aber die Aufgabe des
Pastors ist es nicht, sich dazwischen zu stellen, sondern er führt nur zusammen,
weil er selbst schon mit Christus verbunden ist. Ihnen dabei zu helfen, einen
Zugang zu Christus zu finden, dazu ist Ihr Pastor-Schaf da.
Als ich hier anfing, hatte ich erhofft, öfter aufgesucht zu werden mit Fragen zum
christlichen Glauben. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass in den letzten Jahren
und vielleicht sogar Jahrzehnten immer stärker das Recht auf eine Privatsphäre des
Pastors durchgesetzt wurde. Oft gibt es festgesetzte Sprechstunden. Auch auf
unseren Gemeindebriefen steht immer eine Sprechstunde, von 9-12 Uhr: vergessen
Sie es. Das sind nur unsere Bürozeiten.
Manche von Ihnen fürchten vielleicht, mich zu belästigen, wenn sie mit einer Frage
zu mir kommen wollen, und kommen deswegen gar nicht. Aber dazu bin ich da. Das
ist meine Aufgabe, Ihnen zu helfen, Antworten auf Fragen zu finden, die Sie belasten.
Als Pastor bin ich zu jeder Zeit für Sie da. Und das dürfen Sie auch weitersagen.
Denn das ist meine allererste Aufgabe. Es kann natürlich sein, dass ich mal nicht
im Haus bin. Dann versuchen Sie es wieder, oder bitten um einen Besuch. Es gibt
natürlich auch Zeiten, an denen man sich überlegen kann, ob man mit dem Anliegen
vielleicht etwas warten und zu einer günstigeren Zeit kommen kann. Aber es gibt
auch Situationen, in denen es angemessen ist und richtig, den Pastor zu rufen. Ein
Beispiel möchte ich Ihnen hier nennen:
Bei einem Trauergespräch sagte eine Frau zu mir: »ich wollte Sie ja anrufen, als
meine Mutter gestorben war, aber meine Geschwister sagten, das wäre heutzutage nicht
mehr üblich, den Pastor zu holen, und darum habe ich es gelassen.« Ich konnte der
Frau nur sagen, dass ich gerne gekommen wäre. Es hätte ihr sicher geholfen.
So bitte ich Sie: schließen Sie mich, als Ihren Pastor, ein in Ihr Gebet. Aber auch:
machen Sie Gebrauch von mir. Kommen Sie zu mir mit Ihren Fragen oder Ihrem Kummer.
Ich werde versuchen, Ihnen zu helfen, die Erfahrung zu machen, dass der gute Hirte
da ist und all unsere Sorgen kennt, uns tröstet und führt.
Amen
oder
Liebe Gemeinde!
Einige der Briefe, die wir in unserer Bibel finden, werden Pastoralbriefe genannt, nämlich die Briefe
des Apostels Paulus an Timotheus und Titus.
Die Bezeichnung „Pastor“, die in der Bezeichnung „Pastoralbrief“ enthalten ist, ist uns wohl geläufig,
vielleicht wissen aber nicht alle, dass dieses lateinische Wort im Deutschen „Hirte“ bedeutet.
Die Pastoralbriefe werden darum so genannt, weil sie an die „Hirten“ einer Gemeinde gerichtet sind –
gemeint sind damit die Gemeindeleiter oder -vorsteher. Im Vergleich zur damaligen Zeit könnte man wohl
sagen, dass heute mit solchen Briefen in erster Linie die Pfarrerinnen und Pfarrer angesprochen werden.
Es kann aber auch durchaus sein, dass damit schlicht sogenannte „Älteste“ gemeint sind, die ähnlich wie
der Pastor eine Verantwortung gegenüber der Gemeinde haben.
Der Text, der uns heute als Predigttext aufgegeben ist, stammt zwar nicht aus einem der vorhin genannten
Pastoralbriefe. Er richtet sich aber an die Ältesten der Gemeinden, an die sich Petrus in seinem ersten
Brief wandte.
Und so kann man zumindest von diesem Abschnitt sagen, dass er die Qualität eines Pastoralbriefes hat:
„Die Ältesten unter euch ermahne ich“, schreibt Petrus. Da erkennen wir gleich die Gruppe des
Kirchenvorstandes, denn manchmal werden die Mitglieder des Kirchenvorstandes auch Kirchenälteste
genannt, und in manchen Landeskirchen gibt es für den Kirchenvorstand den Ausdruck „Presbyterium“,
der nichts anderes als „Ältestenrat“ bedeutet.
Der Kirchenvorstand trägt Verantwortung für die Gemeinde, so wie ein Hirte die Verantwortung für seine
Herde trägt. Und das bedeutet auch, dass die Glieder eines solchen Gremiums eines Tages Rechenschaft
ablegen müssen darüber, wie sie ihre Verantwortung wahrgenommen haben.
Aber damit will ich jetzt keine Angst machen, ein solches Amt zu übernehmen, eher im Gegenteil. Denn
in allem sind wir ja doch auf die Gnade Gottes angewiesen, und wenn man sich als Kirchenvorsteherin
oder Kirchenvorsteher für die Gemeinde im Vertrauen auf die Liebe Gottes einsetzt, braucht man sich
nicht zu fürchten.
Petrus selbst gibt dem Ältestenamt eine sehr hohe Bedeutung und auch Würde, indem er sich selbst als
Mitältester bezeichnet. Er, der von unserem Herrn Jesus Christus persönlich berufen wurde, seine
Schafe zu weiden, weiß, dass er es alleine nicht tun kann. In jeder Gemeinde braucht es Menschen,
die sich darum bemühen und dafür ihre Zeit und Kraft einsetzen.
Nun kann man fragen: was macht ein solcher Text in einem Gemeindegottesdienst? Wäre es nicht eher ein
Text für einen Kirchenvorstandsgottesdienst? Mal abgesehen davon, dass es solche Gottesdienste nicht
gibt, hängt das wohl auch damit zusammen, dass die Aufgaben, die ein Hirte wahrnimmt, nicht nur zwischen
Pastor, Kirchenvorstand und Gemeinde erfüllt werden müssen.
Die meisten Menschen tragen Verantwortung für mindestens eine andere Person, häufig auch für mehrere
Personen. Das ist in vielen Berufen so: allen voran könnte man vielleicht die Pflegeberufe nennen. Auch
alle, die im Bereich der Lehre tätig sind, tragen Verantwortung für die Menschen, die sie unterrichten.
Und so gibt es wohl in noch viel mehr Berufen Gelegenheiten, in denen man für andere Menschen tätig wird
und darum auch Verantwortung für sie trägt.
Darüber hinaus gibt es pastorale Aufgaben auch im privaten Umfeld. Man kann da zum Beispiel an die
Familie und das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern denken. Freundschaften, Bekanntschaften, der
Umgang mit Nachbarn und Kolleginnen – alles versetzt einen in die Position eines Hirten. Und zwar nicht,
weil wir besser wären als die anderen, sondern weil wir etwas haben, das es wert ist geteilt zu werden:
die Botschaft des Evangeliums.
Man redet in unserer Zeit viel vom Priestertum aller Gläubigen. Häufig meint man, dass eigentlich alle
das tun dürften und sollten, was bis vor wenigen Jahrzehnten noch ausschließlich die Aufgabe des Pastors
war. Dem widersprechen allerdings die lutherischen Bekenntnisschriften, wo ausdrücklich festgestellt wird,
dass nur Menschen, die gründlich für diese Arbeit ausgebildet und dann auch in dieses Amt durch Handauflegung
und Anrufung des Heiligen Geistes ordiniert wurden, auch ein Pfarramt übernehmen können.
Wenn vom „Priestertum aller Gläubigen“ in den Bekenntnisschriften geredet wird, dann meint das allerdings
eher das, was ich vorhin schon angedeutet habe: dass alle Menschen, die an Jesus Christus als den Sohn
Gottes glauben, Verantwortung dafür tragen, dass die Menschen, denen sie begegnen, davon erfahren und
selbst die Möglichkeit bekommen, diesen Glauben anzunehmen.
Auch im Gottesdienst kommt das Priestertum aller Gläubigen zum Tragen, wenn wir gemeinsam Gott loben mit
unserem Gesang und ihn in unseren Gebeten anrufen, sei es laut oder indem wir im Herzen mit dem Liturgen
mitbeten.
Jeder Mensch, für den Christus zum Weg, zur Wahrheit und zum Leben geworden ist, ist berufen, am Dienst
der Verkündigung in seinem eigenen Umfeld auf seine Weise und mit seinen Mitteln teilzuhaben.
Dass wir dabei nicht drohen und mit der Rede vom Höllenfeuer Angst machen, sondern einladen, so wie Jesus
es tat, versteht sich wohl von selbst. Denn wir tragen das Wort der Versöhnung in uns und nicht das Wort
der Angst.
Petrus beschreibt in seinem Brief das pastorale Amt als etwas, das aus freiem Willen und ohne Zwang getan
wird. Es ist eine Aufgabe, die Freude macht.
Und so ist es ja auch: wer die Liebe Gottes erfahren hat, empfindet Freude und Dankbarkeit. Denn wir
wissen ja, dass diese Liebe unverdient ist.
Wir haben nicht dafür gearbeitet, dass Gott uns liebt. Und wenn wir es doch getan haben, wenn wir also
meinten, dass wir Gott etwas geben müssten, damit er sich uns zuwende, dann dürften wir auch gelernt
haben, dass das nicht funktioniert.
Gottes Liebe ist bedingungslos. Und in ihrer Bedingungslosigkeit ist sie dann auch grenzenlos. Von uns
kann dann nur noch die Dankbarkeit und Freude kommen.
Hier wird eine Frage berührt, die mich nahezu mein ganzes Leben lang bewegt und auf die ich bis heute
keine eindeutige Antwort geben kann:
Wenn es nicht auf unser Tun ankommt, dass Gott uns liebt, wie kommt es dann, dass offensichtlich viele
Menschen nichts von Gott wissen wollen? Müsste sich die Liebe Gottes nicht wie ein Meer über die ganze
Welt ergießen, so dass niemand dran vorbei kommt?
Immerhin wird ja oft gesagt, dass Gott alle Menschen liebe. Aber es ist ziemlich klar, dass viele Menschen
davon nichts wissen – oder auch wissen wollen. Bedeutet das, dass Gott eine Auswahl trifft und mal diesem,
mal jener seine Liebe offenbart, die anderen aber einfach nicht beachtet?
Theologisch spricht man dann von Prädestination, was so viel wie Vorherbestimmung bedeutet. Man könnte
wohl auch „Erwählung“ sagen.
Gott bestimmt also, welcher Mensch sein Heil empfangen wird und welcher Mensch verloren bleibt. Und im
Grunde ist dies auch schon von Ewigkeit her so festgelegt. …
Kann das wirklich sein? Es würde ja uns Menschen zu Marionetten machen, denn wir können nichts dafür,
ob wir uns fröhlich als Christen bezeichnen oder nicht. Jeder Entschluss, den wir fassen, ist zuvor
schon von Gott gefasst worden. Es ist also alles Gottes Werk.
Zu diesem Schluss kam Martin Luther in seiner Schrift „Vom Unfreien Willen“. Das Gesetz, so schreibt er
darin, dient nur dazu, die Sünde sichtbar zu machen. Es kann aber nicht dazu dienen, den Menschen von der
Sünde zu befreien. Da mag der Mensch noch so sehr wollen: es wird ihm nicht gelingen.
Am Ende dieser Schrift sagt Martin Luther, dass er froh darüber ist, denn so kann er ganz fest sein im
Glauben und muss sich nicht sorgen, dass er das Heil, das Gott ihm durch Jesus Christus zugesprochen
hat, vielleicht doch aufgrund seines eigenen Handelns und Redens verwirken könnte. Denn das würde wohl
unweigerlich geschehen, wenn er etwas dazu tun müsste, um Gottes Gnade zu erhalten.
Ich lese noch einen Abschnitt vor, weil ich meine, dass dadurch das Ganze noch etwas deutlicher wird:
„ ... Jetzt, da Gott mein Heil aus meinem Willen herausgenommen und in seinen Willen aufgenommen hat,
und nicht durch mein Werk oder Laufen, sondern durch seine Gnade und Barmherzigkeit mich zu erhalten
verheißen hat, bin ich sicher und gewiss, dass er getreu ist und mir nicht lügen wird, auch mächtig
und stark ist, dass keine Teufel, keine Widrigkeiten ihn werden überwältigen oder mich ihm werden
entreißen können. »Niemand«, sagt er, »wird sie aus meiner Hand reißen; denn der Vater, der sie mir
gegeben hat, ist größer denn alles« (Joh. 10, 28. 29). So geschieht es, dass, wenn nicht alle, so
doch etliche und viele gerettet werden, während durch die Kraft des freien Willens überhaupt keiner
gerettet würde, sondern wir würden alle zusammen verloren gehen. So sind wir auch gewiss und sicher,
dass wir Gott gefallen, nicht durch das Verdienst unseres Werkes, sondern durch die Huld seiner uns
verheißenen Barmherzigkeit; und dass er es uns nicht anrechnet, wenn wir weniger oder Böses tun,
sondern uns väterlich verzeiht und bessert. Das ist der Ruhm aller Heiligen in ihrem Gott.“
[Martin Luther: Vom unfreien Willen (1525). Martin Luther: Gesammelte Werke, S. 2228 und 2229
(vgl. Luther-Werke Bd. 3, S. 327) (c) Vandenhoeck und Ruprecht)]
Was bedeutet das nun im Blick auf den Dienst, zu dem Petrus in seinem 1. Brief die Ältesten und
eigentlich auch alle anderen Glieder der Gemeinde ermutigt? Müsste man daraus nicht folgern,
dass es besser wäre, einfach still zu sein und Gott machen zu lassen?
…
Ich blicke auf viele Jahre des Dienstes zurück. Ich erinnere mich, dass ich oft dachte: „Sind
meine Worte überhaupt gehört worden? Hat sich durch meinen Dienst das Leben eines Menschen
geändert? War nicht alles vergeblich?“
Und dann gibt es mal hier, mal dort Zeichen, an denen ich erkenne, dass mein Dienst nicht
vergeblich war.
Die Saat ist ausgestreut, ein anderer wässert, doch Wachstum und Gedeihen, das steht in
Gottes Hand.
So dürfen wir uns den Hirtendienst vorstellen. Wir werfen die Saat aus, so gut wir es vermögen und
mit den Mitteln, die uns gegeben sind. Vielleicht ist es auch an uns, einfach nur zu wässern.
Wir wissen aber, dass es nicht auf uns ankommt, sondern auf Gottes Wirken, was aus diesem Dienst
wird. Für uns gibt es kein „Richtig“ oder „Falsch“. Nur dass wir nicht aufhören, unseren Glauben
mit anderen Menschen zu teilen.
Wir können und sollen natürlich auch darum beten, dass das Wort der Versöhnung viele Menschen
erreicht und diese Welt lebenswerter macht. Auch das ist ein Hirtendienst, der allerdings eher
im Verborgenen vollzogen wird.
Aber wir müssen nicht auf Ergebnisse warten. Und es muss uns auch nicht traurig machen, wenn wir
keine Veränderung erkennen können.
Oft braucht der Same lang, bis er aufgehen kann. Wichtig ist nur, dass wir unseren Hirtendienst
getan haben, so gut wir es vermochten.
Dann werden wir auch, wie Petrus schreibt, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen,
wenn der Erzhirte, Jesus Christus, erscheinen wird.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
O Jesu Christe, wahres Licht (EG 72)
Wir danken dir, Herr Jesu Christ (EG 107)
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen (EG 241)
Preis, Lob und Dank sei Gott, dem Herren (EG 245)
Ich glaube, dass die Heiligen (EG 253)
Der du in Todesnächten (EG 257)
Der Herr ist mein getreuer Hirt (EG 274) [Wochenlied!]
Ein wahrer Glaube Gott's Zorn stillt (EG 413)
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Predigtvorschläge zu Reihe M - Sir 18, 8-14
Joh 10, 1-11
Apg 20, 17-32 (33-38)
Hebr 13, 20-21
Zu Hebr 13, 20-21:
Liebe Gemeinde!
Was für einen Gott haben wir eigentlich?
Heutzutage ist das vielleicht die schwierigste Frage, die wir uns überhaupt stellen
können, denn unser Verstand fragt nach Beweisen für jede Behauptung, die wir
aufstellen.
In der Hinsicht sind wir wohl alle wie der ungläubige Thomas, der erst glauben
kann, als er mit eigenen Augen gesehen hat, was ihm erzählt worden war.
So wollen wir auch für die Behauptungen, die wir in der Bibel finden, Beweise
haben.
Aber das wird schwierig: Wir stellen bei genauerem Hinsehen fest, dass die
Aussagen in der Bibel nicht einheitlich sind, sie widersprechen sich sogar.
Gott erscheint und handelt auf sehr verschiedene Art und Weise. Teilweise ist
sein Handeln so grausam, dass es uns erschreckt - denken wir an die Tötung der
Erstgeburt der Ägypter.
Natürlich kann man aus heutiger Sicht sagen, dass sich das damals gar nicht so
zugetragen hat, sondern dass die Israeliten es nur so verstanden haben, was sich
da ereignet hat.
Vielleicht ist ja nur der erstgeborene Sohn des Pharao gestorben - die Israeliten
haben daraus ein umfassendes Gericht Gottes über das ganze Volk der Ägypter
werden lassen. Wir können heute nicht mehr feststellen, was wahr ist, auch wenn Archäologen
immer wieder versuchen, Beweise für die Aussagen der Bibel zu finden. Es würde uns
auch kaum weiterbringen.
Die Maxime, dass die Bibel das Wort Gottes sei, gewissermaßen durch den Heiligen
Geist den Schreibern diktiert, wird jeder vernünftig denkende Mensch heutzutage
ablehnen - selbst Martin Luther hat dies schon vor fast 500 Jahren getan. Deswegen wurde
die Bibel aber nicht unwichtig! Für ihn stand dies im Vordergrund: Gott wirkt
durch das Wort der Bibel. Insofern ist die Bibel also Wort Gottes, weil das
geschriebene Wort durch Gott lebendig wird für den Menschen, der sich darauf einlässt.
Aber Wahrheiten, die wir mit unserem Verstand prüfen könnten, die einer
wissenschaftlichen Prüfung standhalten würden, enthält die Bibel nur sehr
wenige.
Die anfänglich gestellte Frage, was für einen Gott wir eigentlich haben,
wird darum um so drängender. Denn die Bibel gibt uns über diesen Gott sehr
vage Aussagen, die, abhängig von den Umständen, sehr verschieden ausfallen.
Wenn wir heute fragen, sind die Reaktionen ebenso unterschiedlich.
Manche Menschen antworten auf diese Frage, dass Gott nur in der Phantasie der
Menschen existiert: nicht Gott hat den Menschen, sondern der Mensch hat Gott
erschaffen. Wenn es tatsächlich so ist, dann wird sich Gott den Bedürfnissen
des Menschen anpassen, er wird das sein, was wir von ihm wollen.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass es tatsächlich so ist. Da machen sich
Menschen ihren eigenen Gott und sagen zum Beispiel: Gott ist ein kämpfender Gott,
er will, dass wir die christliche Welt schützen. Dazu hat er uns Mittel an die
Hand gegeben: die Fähigkeit, Waffen zu schaffen, mit denen wir zeigen können,
dass unser Gott stärker ist als alle anderen Götter. So steht es in der Bibel,
unzählige Male taucht es auf, es gibt sogar Beispiele, wie Gott selbst die
Feinde des Volkes Gottes vernichtet.
Und dann gibt es da andere, die sagen: Gott ist ein befreiender Gott.
Er will, dass sich alle so entfalten können, wie es ihrer Persönlichkeit
entspricht, in Freiheit und ohne Einschränkungen. Da kann man sich allerdings
schon weniger auf die Bibel stützen, denn die kennt ja nun doch eine Menge
Regeln und Gesetze, an die sich zu halten dafür sorgen würde, dass sich
niemand mehr wirklich frei entfalten kann. Aber die Verfechter dieser
These sehen die Bibel dann nur als ein Zeugnis alter Zeiten an, und
versuchen daraus abzuleiten, was letztlich Gott gewollt hat.
Immerhin steht ganz zu Anfang der Bibel, dass Gott den Menschen zu seinem
Bilde schuf - und das müsste ja wohl bedeuten, dass wir Menschen die gleiche
Freiheit genießen wie Gott selbst.
Wieder andere sagen: Gott ist ein gerechter Gott.
Er will, dass jeder die gleichen Rechte und Möglichkeiten hat.
Wir werden alle nackt geboren, und wo und von wem wir geboren sind, ist
nicht unsere Schuld. Wir werden aber schuldig, wenn wir Menschen in anderen
Ländern dieser Welt vorenthalten, was für uns schon längst Alltag geworden ist.
Jesus hat sich oft für die Rechte der Schwachen und Unterdrückten eingesetzt.
Gott hat das unterdrückte und versklavte Volk Israel befreit - auf Kosten der
Rechte anderer Völker, wenn man genauer hinsieht.
Und dann gibt es welche, die sagen: Gott ist der Allmächtige, souveräne Gott.
Er will, dass wir uns genau an die Bibel, sein offenbartes Wort, halten.
Und weil das die meisten Menschen nicht tun, wird er eines Tages, in nicht allzu
weiter Zukunft, diese Welt vernichten. Er wird dem Treiben der Menschen ein Ende
machen, damit sie endlich erkennen, wer der Herr ist. Bis dahin werden wir sie warnen.
Ja, es gibt viele verschiedene Vorstellungen von Gott, ich habe hier nur einen
kleinen Teil skizzenhaft vorgestellt. Diese Vorstellungen haben eigentlich alle
eins gemeinsam: Sie entsprechen dem Bedürfnis der Menschen, die sich ein solches
Bild von Gott machen. Gott ist tatsächlich ein Produkt der menschlichen Phantasie,
wenn man ihn so betrachtet, wenn man ihn so auf seine eigenen Vorstellungsmöglichkeiten
beschränkt.
Aber wir müssen vorsichtig sein, dass wir ihn nicht unterschätzen. Es kann
doch durchaus sein, dass sich Gott dem, der ihn für den Allmächtigen hält,
als der Barmherzige erweist, der all denen vergibt, die dieser Mensch am
liebsten in der Hölle schmachten lassen will. Oder dass Gott sich dem, der
ihn für den Gerechten hält, als der Unegrechte erweist, der Partei ergreift
für eine kleine Menschengruppe, zu der dieser Mensch vielleicht gar nicht gehört.
Oder dass Gott sich dem, der ihn für den befreienden Gott hält, als der gesetzliche
Gott erweist, der genau das ablehnt, was dieser Mensch befürwortet und unterstützt?
Denn alles, was wir von Gott wissen können, ist dies: Er hat sich über die
Jahrtausende, in denen er die Menschheit begleitet, immer wieder neu auf
die Menschen eingestellt. Er hat in ihre Situation hinein gehandelt und sich
ja gerade damit als der Lebendige erwiesen. Er lässt sich nicht von uns in
irgendwelche Formen pressen, er handelt nicht nach unseren Vorstellungen, Wünschen
oder Erwartungen. Nein, seine Gedanken sind unausforschlich. Wir kennen seinen Plan
nicht.
Viele Fragen: Wo ist denn euer Gott? Man kann ihn nicht sehen, man kann ihn
nicht erfahren, er redet nicht mit uns. Dass wir heutzutage Gott so wenig
erleben, liegt, so glaube ich, daran, dass wir versuchen, alles in die eigenen
Hände zu nehmen. Wir rechnen nicht mehr mit ihm. Und das macht unser Leben
unsäglich schwer.
Dabei ist er der Lebendige, der alles vermag. Er will aber auch in Anspruch
genommen werden, er will gebeten werden. Er will, dass wir seine Unabhängigkeit
anerkennen, dass wir ihn nicht unseren Vorstellungen anpassen oder gar unserem
Willen unterwerfen, sondern ihn so lassen, wie er ist. Das fällt schwer, denn
wir möchten ihn uns vorstellen. Aber eigentlich lässt Gott das gar nicht zu.
Wir machen ihn viel zu klein, wenn wir das tun wollen.
Gott ist nicht versteinert oder vergoldet, er ist nicht erstarrt, kein
Gottesbild, das man sich aufstellt und dann irgendwann wieder wegwirft,
wenn es langweilig wird oder seinen Zweck nicht erfüllt hat.
Gott ist der Lebendige. Und insofern ist er auch der Unberechenbare.
Denn er handelt nicht nach unserem Willen, sondern allein nach seinem
eigenen Willen. Und er handelt durch uns.
Wenn wir gefragt werden, wo unser Gott eigentlich ist, dann können wir
eigentlich nur mit einer Gegenfrage antworten: Erkennst du ihn denn nicht?
Er wirkt überall dort, wo Kirche lebendig ist, wo sich Menschen stark machen
für ihn und in seinem Namen für andere Menschen, die in Not sind und Hilfe
brauchen.
Was für einen Gott haben wir denn nun eigentlich?
Der Predigttext aus dem Hebräerbrief hat eine ganz einfache Antwort: Unser
Gott ist der Gott des Friedens. Frieden, nach dem sich die ganze Menschheit
sehnt, den wir aber mit verschiedenen Mitteln zu erreichen suchen, je
nachdem, wie wir uns Gott vorstellen.
Manchmal zweifle ich allerdings daran, dass alle Frieden wollen, denn Frieden
würde ja doch bedeuten, dass ich mein Gegenüber ernst nehmen muss, ihm seine
Rechte nicht absprechen darf, und ich mich selbst nicht so aufführen kann,
als sei ich der Maßstab aller Dinge. Und Friede bedeutet den Zusammenbruch
einer gewaltigen Industrie, den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze und
natürlich auch den Verlust von Macht, an der wir nur zu gerne festhalten wollen.
Was nützt uns da ein Gott des Friedens?
Der Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn
Jesus, von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes,
der mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in
uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu
Ewigkeit!
Amen.
Liedvorschläge zur Predigt:
Zu Hebr 13, 20-21:
Mit Freuden zart zu dieser Fahrt (EG 108)
Heut triumphieret Gottes Sohn (EG 109)
Auf, auf, mein Herz, mit Freuden (EG 112)
Heiliger Geist, du Tröster mein (EG 128)
Einer ists, an dem wir hangen (EG 256)
Was sind dieses Lebens Güter? (EG 370, 10-12)
Nun, Herr, verleih mir Stärke (EG 404, 7-8)
Lass mich, o Herr, in allen Dingen (EG 414)
O Herr, mach mich zu einem Werkzeug (EG 416)
Auf der Spur des Hirten (KHW-EG 616)
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