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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe III - Phil 3, 17-21
Liebe Gemeinde,
Häufig ist es so, dass wir uns an sogenannten Vorbildern orientieren. Manchmal redet
man dann auch von Idolen, was im Grunde das gleiche bedeutet, denn ein Idol ist ein
Bild.
Aber dieser Begriff verrät dann auch schon etwas, sobald man sich in die englische
Sprache hineinbegibt und dort das gleiche Wort in einer leichten Variation betrachtet:
idolatry. Denn das meint Götzenanbetung.
Idol, das ist im Englischen ein Götterbild, das, wovon uns gesagt wird, dass wir es nicht
machen und erst recht nicht anbeten sollen. Luther verzichtete auf dieses Gebot, das in
der reformierten Kirche andererseits eine besondere Bedeutung gewonnen hat, weil er sah,
was für Schätze aufgrund dieses Gebotes zerstört wurden.
Bilder sind hilfreich, und sie waren es damals, als die meisten Menschen kaum lesen konnten,
mehr als heute, da schon die Kinder durch die Filmwelt erfahren, dass Bilder nicht zwangsläufig
die Realität darstellen.
Sie helfen uns aber auch heute, die Bilder. Sie können zum Ziel unserer Gedanken werden,
können uns helfen, den Fokus zu finden, den Punkt, auf den es ankommt, der wichtig ist.
Aber sind Bilder das gleiche wie Vorbilder? Vorbilder sind ja in der Regel doch lebendige
Menschen, sie sind eine Lebensgeschichte, so könnte man sagen, die es nachzuahmen gilt.
Fußballer, Politiker, Künstler usw. können für Menschen zu Vorbildern werden. Aber nicht
nur sie. Jede und jeder einzelne von uns ist Vorbild in dem, was wir tun. Dabei ist mit
dem Wort Vorbild noch nicht gesagt, ob wir ein gutes oder schlechtes Vorbild sind, also
wert, nachgeahmt zu werden, oder doch nicht wert.
Nur gibt es immer Menschen, die sich an anderen Menschen orientieren, und dazu gehören
auch wir, und zwar in beiden Positionen: wir sind Vorbilder, und wir nehmen uns andere
zum Vorbild.
Denn: wenn alle es so machen, warum sollte ich es anders machen? Oder: es nützt nichts,
gegen den Strom zu schwimmen. Ich orientiere mich an der Masse. Die Mehrheit wird zum
Vorbild.
Wer Kinder hat, weiß, dass man schnell auch mal ungewollt zum Vorbild wird. Da sprechen
Kinder Worte nach, ohne ihre Bedeutung zu kennen, und man selbst hatte eigentlich gewollt,
dass sie solche Worte nie lernen. Nur hat man es irgendwann einmal gesagt, und das Kind
hat es aufgeschnappt und wiederholt es nun fröhlich und ohne irgendeinen Hintergedanken.
Kinder lernen ja durch Nachahmung, weil die Eltern, aber nicht nur die Eltern, ihre
Vorbilder sind.
Eigentlich hört es nie auf. Denn das Vorbild gibt einem auch, wie schon gesagt, die Möglichkeit,
für sein eigenes Verhalten eine Entschuldigung zu haben: das machen doch alle so. Dabei sollte
uns immer bewusst sein, dass die anderen genauso denken und sich uns zum Vorbild nehmen.
Paulus spricht von Vorbildern und ist dabei zunächst einmal ganz selbstbewusst: Folgt mir,
liebe Geschwister, und seht auf die, die so leben, wie ihr uns zum Vorbild habt.
Er ist also das Vorbild. Nun fällt es uns natürlich schwer, diesem Vorbild zu folgen,
weil wir ihn nur aus Briefen und aus den Erzählungen in der Apostelgeschichte kennen.
Könnte das nicht eher so etwas wie ein Idol sein, das uns schon die frühe Gemeinde
gezeichnet hat, ein Bild, das nicht mehr der Realität entspricht?
Da kann schon der Wunsch in einem wach werden, damals gelebt zu haben, Paulus auch mal
ganz persönlich kennengelernt zu haben. Aber auch das wäre ja nur ein Streiflicht
gewesen, und je nachdem, ob er während unserer Begegnung mit ihm nun gerade gut drauf
war oder nicht, hätten wir dieses oder jenes Bild von ihm.
Und da merken wir, wie schwierig es ist mit den Vorbildern. Was ahmen wir eigentlich
nach? Ist es nicht häufig das, was uns am angenehmsten, am einfachsten erscheint, was
wir uns insgeheim wünschen?
Genau davor warnt uns Paulus und mahnt: Sucht euch die richtigen Vorbilder!
In den Domandachten haben wir in diesem Jahr Lebensbilder von Menschen betrachtet,
die in den Evangelischen Namenskalender aufgenommen wurden.
Wer im Evangelischen Namenkalender steht, gilt als Vorbild im Glauben, so wie die
römisch-katholische Kirche ihren Kanon der Heiligen hat, die alle als Vorbilder im
Glauben angesehen werden können.
In der gestrigen Domandacht ging es nun um einen Menschen, den ich nicht unbedingt
als so vorbildhaft bezeichnen würde, denn die letzten Jahrzehnte seines Lebens verbrachte
er in Angst und Wut. Es fehlten ihm da die Eigenschaften, die ich von einem Menschen,
der aus dem Glauben heraus lebt, erwarten würde.
Und so heißt es dann auch in einer der Biographien: er war kein Heiliger, aber ein
Apostel der Barmherzigkeit. Dieses Apostolat hat er aber nur eine begrenzte Zeit seines
Lebens wahrgenommen. Müsste jemand, der Vorbild sein soll, nicht sein ganzes Leben in
mustergültiger Weise geführt haben?
Nun, kein Mensch ist vollkommen. Wir leben mit unserer Unvollkommenheit. Deswegen
brauchen wir Vorbilder, um an unsere Unvollkommenheit erinnert zu werden und das
Verlangen in uns zu wecken, mehr zu sein als das, was wir sind.
Und solche Vorbilder sind Menschen wie der Gründer des Roten Kreuzes, Henri Dunant, an
den wir gestern erinnerten, oder wie Paulus, der Völkerapostel, oder wie Maria, die Magd
Gottes, oder wie Hildegard von Bingen, die sich über alle Konventionen hinwegsetzte, sich
aber immer als Werkzeug Gottes sah.
Nun warnt uns Paulus aber auch vor den Feinden des Kreuzes Christi. „Ihr Gott ist ihr
Bauch und ihre Ehre ist in ihrer Schande; sie sind irdisch gesinnt.“ Wir erfahren nicht
genau, was diese „Feinde des Kreuzes Christi“ nun eigentlich getan oder gesagt haben,
aber es wird deutlich, dass sie keinen Bezug zur Liebe Gottes haben. Sie orientieren
sich allein an dem, was „irdisch“ ist.
Was ist dieses „irdische“? Ich würde es mal so beschreiben: Irdisch ist alles, was vom
Menschen her gedacht ist.
Dem stellt Paulus nun das Himmlische gegenüber, indem er sagt: „Unser Bürgerrecht aber ist im
Himmel.“ (Phil 3, 20a)
Wir gehören also zum Himmel, zum Reich Gottes. Ich könnte mir denken, dass das grundsätzlich
auch auf die von Paulus „Feinde des Kreuzes Christi“ genannten Personen zutrifft, nur haben
sie den Spagat zwischen Himmel und Erde nicht geschafft und stehen nun mit beiden Füßen wieder
auf der Erde.
Das würden viele Menschen auch für absolut richtig halten, denn man soll ja mit beiden Beinen
auf dem Boden stehen und sich nicht irgendwelchen Phantasien hingeben. Aber für uns Christen
kann das nicht genug sein, denn wir rechnen mit einer Kraft, die weit über das Irdische hinaus
geht und alle Gesetze der Physik sprengen kann.
Wir rechnen mit dem Schöpfer des Himmels und der Erde, mit dem, der der Anfang und das Ende
aller Dinge ist.
Glaube nennt man das, wenn man sein Leben von Gott her denkt, wenn das Reich Gottes für einen
Menschen kein Phantasiegebilde, sondern Realität ist.
„Unser Bürgerrecht ist im Himmel“. Was macht eine solche Aussage mit uns?
Ich wünsche mir, dass es uns zu Menschen der Barmherzigkeit macht, zu Menschen, die Liebe
üben, wo man sich hasst, die verzeihen, wo man sich beleidigt, die die Wahrheit sagen, wo
Irrtum herrscht, die von ihrem Glauben reden, wo Zweifel drückt, die Hoffnung wecken, wo
Verzweiflung quält, die ein Licht in der Finsternis anzünden, die nicht das Ihre suchen,
sondern die trösten, verstehen, lieben und verzeihen; dass nicht Angst ihr Handeln regiert,
sondern das tiefe Vertrauen in die Güte Gottes.
Das Bürgerrecht im Himmel dürfen wir nicht als Anspruch verstehen, der an uns gerichtet ist,
sondern als Geschenk. Es ist nichts, was von uns erwartet wird, sondern was uns geschenkt wird.
Wenn wir dieses Geschenk annehmen, dann haben wir alles, was wir brauchen, um etwas vom
Reich Gottes in dieser Welt sichtbar werden zu lassen.
Wie das aussehen kann, dafür gibt es nun kein Patentrezept, aber vielleicht hilft es,
wenn wir uns bei allem, was wir tun, die Frage stellen, wie viel Ewigkeit darin liegt.
Denn diese Frage macht uns selbst immer neu sensibel für das, was uns geschenkt ist.
Unser Bürgerrecht ist im Himmel. Da gehören wir hin.
Mögen wir das nie aus den Augen verlieren, sondern immer einen Fuß im Himmel behalten,
damit wir Vorbilder sind, die auch anderen den Weg zum Himmel weisen.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Jerusalem, du hochgebaute Stadt (EG 150)
Wir warten dein, o Gottessohn (EG 152)
In dich hab ich gehoffet, Herr (EG 275)
Lasset uns mit Jesus ziehen (EG 384)
Kommt, Kinder, lasst uns gehen (EG 393, 1.6-8.10.11)
Ich bin ein Gast auf Erden (EG 529, 1.6-8.11)
Der Himmel geht über allen auf (
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