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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe I - Ex 3, 1-8a(8b-9)10(11-12)13-14(15)
zu Ex 3, 1-10:
Liebe Gemeinde!
In Indien ist es selbstverständlich, dass man sich die Schuhe auszieht, wenn man die Wohnung eines anderen
betritt. Man vermeidet auf diese Weise, den Dreck von der Straße in die Wohnung hinein zu tragen. Da man
in der Regel Sandalen trägt, ist das auch praktisch überhaupt kein Problem.
Genauso verhält man sich dort auch, wenn man einen Tempel oder einen Kirchenraum betritt. Während eines
Gottesdienstes häufen sich vor der Tür die Sandalen, und man wundert sich schon manchmal, dass hinterher
niemand ohne Fußbekleidung nach Hause gehen muss. Alle Gottesdienstbesucher finden ihre Sandalen wieder.
In unserem Land ist das anders, denn oft lässt es die Witterung gar nicht zu, dass man barfuß oder in
Strümpfen einen Kirchenraum betritt. Meist ist es zu kalt, höchstens im Sommer könnte man sich das mal
trauen, aber man will sich ja nicht die Füße schmutzig machen.
Und natürlich kann man sich auch fragen: warum eigentlich? Was macht diesen Ort so anders, dass man
ihn nicht mit seinen Schuhen betreten sollte?
Wir haben gerade gehört, dass es schon eine Begründung für das Schuheausziehen gibt: dies ist heiliges Land.
Aber ist das wirklich eine Begründung? Denn eigentlich gibt es doch gar keine heiligen Orte.
Gott ist überall. Und er ist an keinem Ort weniger als an einem anderen. Und natürlich auch an
keinem Ort mehr als an einem anderen. Er ist überall gleich da.
Darum gibt es ja auch Menschen, die es nicht für nötig erachten, in den Gottesdienst zu gehen,
weil sie der Ansicht sind, dass sie irgendwo anders genauso gut mit Gott reden können.
Wir merken an der Erzählung, wie die Art und Weise, in der man sich damals, als die Geschichte
aufgeschrieben wurde, Gott vorstellte, kaum angemessen ist: Denn Gott erscheint als einer, der
überrascht zu sein scheint, als sich Mose dem Dornbusch nähert. Oder er merkt zumindest erst,
als sich Mose aufmacht, den Dornbusch näher zu besehen, dass es jetzt zu einem Sakrileg kommen
könnte.
Doch eigentlich hätte Gott das schon längst gewusst, denn er ist ja der Ewige, für den Zeit
keine Rolle spielt. Er ist das Gestern, Heute und das Morgen. Er ist Alles in Allem.
Doch fiel es den Menschen damals noch schwer, sich von den Bildern zu lösen, in denen man von
Gott zu reden pflegte, und so bleibt es in dieser Geschichte dabei, dass er durchaus menschliche
Züge hat.
Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach:
Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. 5 Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe
von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! (Ex 3, 4–5)
Ja, es wird noch besser, wenn Gott gewissermaßen in den brennenden Dornbusch reingezwängt wird,
als wäre er eben nicht allgegenwärtig, sondern nur in diesem kleinen Dornbusch.
Doch da müsste man dann fragen: was ist danach, wenn Mose sich wieder auf den Weg macht? Bleibt
Gott dann dort im Dornbusch zurück?
Natürlich nicht. Gott verspricht ja auch wenig später, dass er immer und überall da sein wird,
indem er Mose seinen Namen offenbart: „Ich werde sein”, so hat es Martin Luther übersetzt.
„Ich–Bin–Da”, so übersetzten es Franz Rosenzweig und Martin Buber, die beiden jüdischen Gelehrten.
Diese zweite Übersetzung, „Ich–Bin–Da”, gefällt mir ehrlich gesagt besser, denn sie macht in
besonderer Weise deutlich, was für Gott gilt: Er ist da, wo ich bin – und das darf jeder Mensch
für sich in Anspruch nehmen: Gott ist da, bei mir.
Was soll das also nun mit dem heiligen Land? Wobei mit Land ja kein politisches Land wie
Deutschland oder Italien oder Brasilien gemeint ist, sondern schlicht das Stück Erde, auf
dem man steht. Wie kann so ein Stück Land heilig werden?
Fangen wir bei den Kirchen an, könnten wir darauf verweisen, dass vor dem Beginn eines Kirchbaus
der Boden, auf dem die Kirche stehen soll, gesegnet wird. Und bevor der erste Gottesdienst in
der Kirche stattfindet, wird auch der Raum gesegnet.
Mit diesen Segenshandlungen wird deutlich gemacht: dieser Ort ist bestimmt für den Gottesdienst,
und zwar ausschließlich. Er ist ein Ort, an dem die Begegnung mit Gott in besonderer Weise
ermöglicht wird.
Man nennt solche Handlung darum auch Weihe, was es vielleicht noch deutlicher zum Ausdruck
bringt, denn der Ort wird einem bestimmten Zweck, nämlich dem Gottesdienst, geweiht.
Heilig wird er aber dadurch nicht, auch wenn Kirchengebäude die Begegnung mit Gott ganz bewusst
ermöglichen wollen. Denn kein Gebäude kann Gott fassen – das hatte schon Salomo erkannt.
Und so bleibt auch eine Kirche zunächst einmal nur Bauwerk, bis sich diese Begegnung mit
Gott ereignet.
Schauen wir noch einmal auf die Geschichte mit Mose. Mose sieht den brennenden Dornbusch.
Es gibt dafür naturwissenschaftliche Erklärungen, und das Phänomen gibt es in der Wüste
öfter als nur dieses eine Mal. Andere Menschen wären vermutlich achtlos daran vorüber
gegangen, weil sie das Bild gewohnt waren. So aber nicht Mose. Er wird aufmerksam. Er
hat etwas erkannt, was andere nicht sehen, und will es sich näher betrachten.
Doch weiß er noch nicht, was er sich da anschauen will. Erst durch die Ansprache Gottes
wird es offenbar: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort,
darauf du stehst, ist heiliges Land! (Ex 3, 5)
Tritt nicht herzu – komm nicht näher. Denn offensichtlich ist er schon nah genug. Er
hatte es zunächst unklar gespürt, dass hier etwas Besonderes ist, und nun wird es ihm
von Gott selbst offenbart: Heiliges Land! Mitten in der Wüste.
Nein, das ist kein Grundstück, das für einen Kirchbau vorgesehen ist, sondern es ist die
Gegenwart Gottes, die dieses Land heiligt.
Dennoch hat man später, das sein nur am Rande vermerkt, dort, wo man den Ort des brennenden
Dornbuschs vermutete, ein Kloster errichtet, das sogenannte Katharinenkloster.
Doch zurück zu Mose. Er kann uns zum Vorbild werden, denn für jeden Menschen gibt es solche
brennenden Dornbüsche, wie auch Mose ihn gewissermaßen entdeckt hat.
So wie Mose in der Eintönigkeit des Wüstenlandes kaum Aufregendes zu erwarten hatte, ist
auch unser Leben von der Alltäglichkeit geprägt. Selten gibt es mal etwas Außergewöhnliches.
Und auch der brennende Dornbusch war für Mose sicher nicht etwas Außergewöhnliches. Man kann
wohl vermuten, dass er so etwas schon öfter gesehen hatte. Aber dieses Mal ist es nun doch
etwas Besonderes.
Mose hatte dieses Besondere gespürt, obwohl es nicht offensichtlich war. Und er gab seiner
Neugierde nach und wich von dem vorgegebenen, geplanten Pfad ab. Er bewegte sich auf den
Dornbusch zu und begegnete Gott.
Solche Erfahrungen sind auch für uns möglich. Vermutlich sehen unsere brennenden Dornbüsche
aber anders aus. Doch das spielt keine Rolle.
Es geht darum, dass wir achtsam werden und sind für die Begegnung mit Gott. Denn es erfordert
ein Abweichen vom gewohnten Pfad. Das fällt uns nicht leicht, denn es bedeutet ja auch, dass
wir unsere Sicherheit, den vertrauten Rahmen, verlassen müssen. Aber das ist es, was Gott
von uns erwartet. Dass wir diesen Schritt tun vom Gewissen ins Ungewisse hinein, um dann
zu erkennen: hier ist heiliges Land. Hier ist Gott. Hier ist der „Ich–Bin–Da”.
Und dann, wenn ich meine Sicherheiten aufgegeben habe, kann ich mich auch von Gott ansprechen
lassen und antworten: „Hier bin ich”.
Wer ist dieses „Ich”? Von Mose wissen wir:
Doch nun ist da die Begegnung mit Gott. Und da bin ich, Gott gegenüber, an einem Ort, der durch die Gegenwart Gottes geheiligt ist. Nichts bleibt verborgen. Gott kennt mich durch und durch.
Das Spannende an der Begegnung des Mose mit Gott ist, dass Gott ihm nun nicht erst einmal Vorhaltungen macht und sagt: Du hast ohne Grund einen Ägypter erschlagen, oder: du hast dich vor deiner Verantwortung gedrückt und bist abgehauen. Sondern Gott nimmt diesen Mose und sendet ihn zum Pharao zurück, dorthin, von wo er aus Angst um sein Leben geflohen war.
Kein Wunder, dass Mose versucht, sich da rauszureden. Das würden wir sicher auch tun. Aber letztlich überwindet ihn Gott, denn auf jeden Einwand hat er schon die entwaffnende Antwort parat.
Mose wird gehen, denn Gottes Ansprache ist überwältigend, sie ist lebensverändernd.
Solche Ansprache können auch wir erleben. Wenn wir aufmerksam unsere Wege gehen, wenn wir damit rechnen, dass Gott etwas abseits von unseren gewohnten Wegen auf uns wartet, und wenn wir dann dorthin gehen, um es näher zu besehen, werden wir auch die Stimme Gottes hören.
Ob wir bereit sind? Ich glaube, man kann nicht wirklich bereit sein. Mose war es auch nicht. Und sicher werden wir uns genauso wenig wie Mose geeignet fühlen für das, was Gott von uns will.
Doch Gott erwartet von uns nichts Unmögliches, wie wir an dem weiteren Verlauf der Geschichte von Mose und dem Volk Israel erkennen können. Er wird dem, der auf ihn vertraut, immer zur Seite stehen. Denn er ist der „Ich–Bin–Da”. Das ist sein Name, auf den wir vertrauen dürfen.
So wünsche ich uns, dass wir stets wachsam sind und nicht achtlos an unserem brennenden Dornbusch vorübergehen, sondern uns von Gott ansprechen lassen und uns dann auf den Weg machen, den er für uns bestimmt hat.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Gott ist gegenwärtig (EG 165)
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen (EG 241)
O dass doch bald dein Feuer brennte (EG 255)
Kommt her, des Königs Aufgebot (EG 259)
Gott wohnt in einem Lichte (EG 379)
Gott ruft dich, priesterliche Schar (EG 587)
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Predigtvorschläge zu Reihe II - Offb 1, 9-18
Predigtvorschlag I:
Zu Offb 1, 9–18
Lied: Der Morgenstern ist aufgedrungen (EG 69, 1–4)
Es ist dunkel, ja so dunkel, dass man buchstäblich die Hand
vor den Augen nicht erkennen kann. Kein Dämmerlicht, an das sich die Augen
gewöhnen könnten. Pechschwarz ist es.
Wo es dunkel ist, da ist es auch kalt. Die Kälte kriecht an einem hoch, man
spürt sie deutlich an den Zehen, dann an den Fingerspitzen. Ich fröstele.
Die Dunkelheit macht mir Angst. Wo ist der Ort, zu dem ich mich zurückziehen
kann? Wo finde ich Schutz? Im Dunkeln erkenne ich nichts. Ich weiß nicht,
ob ich vorwärts, nach rechts oder links, oder gar zurück gehen muss,
um einen sicheren Ort zu finden. Vielleicht ist es am Besten, sich hinzukauern und
zu warten, bis es hell wird.
So sitze ich einige Minuten. Aber schon kommen die ersten Zweifel: was, wenn ich
hier auf dem Pfad eines wilden Tieres hocke? Es wird kommen und mich zerreißen.
Was, wenn an diesem Ort Räuber vorbeiziehen? Sie werden mich überfallen
und ausrauben, vielleicht sogar erschlagen. Die Angst wird stärker. Einschlafen
kann ich jedenfalls nicht. Ich stehe auf, gehe etwas zur Seite – vielleicht findet
sich so ein sicherer Ort? Doch der Fuß stößt gegen etwas hartes,
vielleicht einen Stein. Es geht nicht weiter.
Die Angst wächst weiter, umkrampft mein Herz. Die Dunkelheit weicht nicht.
Langsam drehe ich mich um, vorsichtig, nur nicht von der Stelle bewegen. Ist irgendwo
ein bißchen Licht zu erkennen? nichts, nicht der kleinste Funke, kein Lichtstrahl,
keine Dämmerung. Wo bin ich? Bin ich in einer Höhle? Stehe ich auf einem
weiten Feld? Ist es nur dunkle Nacht, oder wird diese Finsternis ewig dauern? Vorsichtig
strecke ich die Hände aus, aber da ist nichts... nur kalte Luft. Einen Schritt
vorwärts... noch einen... langsam geht es voran, bis mein Fuß wieder
gegen ein Hindernis stößt. Die Hände tasten ins Leere. Ich hebe
den Fuß an, es ist so etwas wie eine Stufe. Der nächste Schritt aber
geht ins Leere. Ich falle, nur kurz, dann setzt der Fuß auf. Ich strauchele,
fast wäre ich hingefallen. Ich kauere mich wieder zusammen. Der Schreck sitzt
in den Gliedern. Was, wenn ich kurz vor einem gähnenden Abgrund stehe? Ich
beschließe, keinen Schritt mehr weiterzugehen, bis es wieder hell wird. Aber...
wann wird es hell?
Die Gedanken gehen wirr durcheinander. Ich erinnere mich an vieles, was in meinem
Leben geschehen ist. Immer wieder drängen sich Ereignisse in das Bewusstsein,
in denen ich versagt habe. Weil ich etwas versäumt hatte. Weil ich jemanden
beleidigt hatte. Weil ich andere verletzt hatte, manchmal sogar ganz bewusst. Weil
ich nicht um Verzeihung bat. Ich weiß: ich habe Unrecht getan. Ich wollte
das nicht. Und wenn ich es damals wollte, so bereue ich es jetzt doch. Nur: wie
kann ich es jetzt wieder gutmachen? Kann ich es überhaupt wieder gutmachen?
In der Dunkelheit ist es unmöglich. Ich weiß ja nicht, wohin! Hätte
ich doch etwas getan, als es noch hell war. Als mich diese endlose, ewige Finsternis
noch nicht umschlossen hatte.
Lassen Sie uns nun aus dem Lied Nr. 56 die Strophen 1 und 2 singen.
Gem.: Weil Gott in tiefster Nacht erschienen (EG 56, 1–2)
Was ist das? Ein Lichtstrahl – dort hinten, so wie durch ein Loch in einer schwarzen
Leinwand. Das Licht blendet mich. Der Strahl ist fein gebündelt, er trifft
auf den Boden, nicht weit von hier. Aber wenn ich dorthin schaue, erkenne ich nichts.
Das Licht fällt auf schwarzen Grund. Um mich herum ist es immer noch dunkel.
Der Lichtstrahl kann die Umgebung nicht erhellen. Ob ich einen Schritt darauf zugehen
kann? Oder ist zwischen dem Lichtstrahl und mir vielleicht doch eine Kluft, in die
ich hineinstürzen werde, wenn ich es wage? Vorsichtig schiebt sich ein Fuß
vorwärts, tastend. Nun der andere Fuß. Langsam nähere ich mich dem
Punkt, auf den das Licht fällt. Aber was ist das? Der Lichtpunkt entfernt sich
von mir, langsam. Er ist wieder genauso weit weg von mir wie zuvor, als ich ihn
das erste Mal erblickte. Starr stehe ich an meinem Platz. Er darf nicht wieder verschwinden.
Das Licht ist das einzige, an dem ich mich orientieren kann!
Der Lichtstrahl rührt sich nicht. Ich mache wieder einen Schritt vorwärts,
langsam... Der Lichtstrahl entfernt sich wieder, nachdem ich ihm kurz ein kleines
Stück näher gekommen war. Kann es sein... Kann es sein, dass dieses Licht
mich aus der Finsternis herausführen will? Vorsichtig bewege ich mich einen
weiteren Schritt vorwärts. Tatsächlich, das Licht bewegt sich weiter,
als wolle es mich führen. Erleichterung breitet sich aus, Hoffnung: Bald bin
ich aus dieser Finsternis raus! Bald wieder im Licht! Aber noch sind Schritte zu
tun. Noch bin ich nicht dort. Wer weiß, was mir auf meinem Weg durch diese
Dunkelheit noch begegnen wird. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich wieder vorwärts
komme. So setze ich einen Fuß vor den anderen, immer noch vorsichtig, aber
immer zuversichtlicher. Ich glaube, Herr – hilf meinem Unglauben.
Lassen Sie uns nun das Lied Nr. 596 singen: Ich möchte Glauben haben.
Gem.: Ich möchte Glauben haben (EG 596, 1–4)
Gleißendes Licht umgibt mich. Wo bin ich hier? Es ist so wunderbar, in
dieser Helligkeit, nachdem ich so lange in tiefster Nacht gewesen bin. Aber erkennen
kann ich nicht viel – die Augen müssen sich erst an das gleißende Licht
gewöhnen. Ich kneife die Augen zusammen, blinzele nur, bis Ich langsam die
Umrisse von Gestalten, die neben und hinter mir stehen, erkennen kann. Denn hier
ist es nicht ganz so hell. Das Licht kommt von vorne, direkt vor mir. Dort scheint
eine große Gestalt zu sein, die sich gewaltig über alles erhebt. Muss
ich mich vor ihr fürchten? Geht von ihr eine Bedrohung aus? Ich verspüre
keine Furcht. Ich habe keine Angst. Denn ich weiß, dass von dieser Gestalt
das Licht ausging, das mich aus der Finsternis herausgeführt hat. Also muss
diese Lichtquelle mir wohlgesonnen sein. Am liebsten würde ich auf sie zugehen,
aber dafür ist es doch zu hell. Die Augen haben sich noch immer nicht an dieses
strahlende Licht gewöhnt.
Um mich herum ist es wie Musik. Ich freue mich und singe mit! Und langsam erkenne
ich immer mehr: vor mir erhebt sich ein Kreuz, das sich immer deutlicher abzeichnet.
Merkwürdig, denn an diesem Kreuz ist die Quelle des Lichtes. Von dort strahlt
es hell zu mir. Und ich höre von dort eine Stimme: Fürchte dich nicht.
Ich habe dich zu mir geführt. Durch dieses Kreuz bist du erlöst – alle
deine Schuld ist von dir genommen. Denn ich habe es vollbracht: ich bin durch den
Tod hindurchgegangen – ich habe das Leben errungen – für dich.
... Ich verneige mich – aus Dankbarkeit, und schaue noch einmal auf. Der dort am
Kreuz hat meine Seele aus der Finsternis gerettet. Ich verspüre Frieden und
Ruhe. Geborgenheit umgibt mich. Es herrscht keine Angst mehr. Mir ist vergeben.
Ich spüre die Liebe dessen, der sich für mich geopfert hat. Mit dieser
Liebe will ich leben – ich will sie weitergeben und so Frieden und Versöhnung
bewirken.
So schreibt Johannes in der Offenbarung:
Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich
und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes
Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus. Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag
des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune,
die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden:
nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes
und nach Philadelphia und nach Laodizea.
Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich
mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und mitten unter den Leuchtern einen,
der war einem Menschensohn gleich, angetan mit einem langen Gewand und gegürtet
um die Brust mit einem goldenen Gürtel. Sein Haupt aber und sein Haar war weiß
wie weiße Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme und
seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie
großes Wasserrauschen; und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand,
und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht
leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht. Und als ich ihn sah, fiel ich zu
seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach
zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.
Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel
des Todes und der Hölle.
Amen
Lied: Herzlich tut mich erfreuen (EG 148, 1–3.9)
Predigtvorschlag II:
Liebe Gemeinde!
„Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in
Jesus” – was für eine Anrede! Mich beeindruckt, wie der Seher mit wenigen Worten so viel
zum Ausdruck bringt. Solch einen Menschen wünscht man sich an seine Seite.
Bruder – das ist er ja eigentlich nicht, zumindest nicht nach dem Fleisch, mal ganz abgesehen
davon, dass er vor fast zweitausend Jahren gelebt hat. Aber er ist und bleibt Bruder, weil er ein
Kind Gottes ist, und vor allem, weil er sich selbst als Kind Gottes sieht, so wie wir uns durch
die Taufe auch als Kinder Gottes sehen dürfen. Auf diese Weise sind wir miteinander verwandt, auch
über die Zeit hinweg.
Mitgenosse an der Bedrängnis – er sitzt auf einer Insel, was soll er denn Bedrängnis leiden?
Nun, die Insel ist klein und hat nur wenig Vegetation, es ist dort ein spärliches Leben. Und so
viel wir von Johannes wissen, war er dorthin verbannt worden, die Insel war sein Gefängnis.
Er schreibt ja, dass er um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus auf dieser Insel
war. Das ist Bedrängnis. Er fühlt mit seinen Glaubensgenossen, die allerdings noch ganz andere
Formen der Bedrängnis erleiden. Er ist Mitgenosse an der Bedrängnis, weil er mitleidet, wenigstens
im Geist.
Mitgenosse am Reich – in einem Atemzug mit der Bedrängnis ist da plötzlich vom Reich die
Rede. Gemeint ist natürlich das Reich Gottes. Ich stelle mir vor, was Johannes am Ende über
das himmlische Jerusalem schreibt: "Gott wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein,
und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von
ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr
sein; denn das Erste ist vergangen." Das ist das Reich, das ganz im Gegensatz steht zur eben
noch genannten Bedrängnis. Freiheit, die weit über räumliche Freiheit hinausgeht; Freiheit von
allem, was uns bedrängt, was uns Angst macht. Mitgenosse am Reich.
Und schließlich:
Mitgenosse an der Geduld in Jesus – hier verbinden sich die beiden Gegensätze,
Bedrängnis und die Freiheit des Reiches Gottes. In Jesus wurde beides offenbar: das Leid
menschlicher Existenz genauso wie seine Überwindung. Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen.
Ganz nah! Habt nur ein wenig Geduld. Geduld in Jesus.
Ist es nicht doch schon sehr lang geworden, mag man fragen – immerhin zweitausend Jahre!?
Aber was sind schon zweitausend Jahre? „Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern
vergangen ist, und wie eine Nachtwache” (Ps 90, 4), so heißt es im 90. Psalm, und wenn man
spitzfindig sein will, so kann man daraus schließen, dass für Gott seither mal gerade zwei
Tage und Nächte verstrichen sind. Was ist das schon? Habt nur ein wenig Geduld.
Ja, der Johannes wirkt allein durch diese kurze Vorstellung schon sympathisch, auch wenn sein
Buch der Offenbarung einem manchmal wie ein Buch mit sieben Siegeln erscheint.
Hier, am Anfang seines Buches, schreibt er davon, wie er am Tag des Herrn, also einem Sonntag,
vom Geist ergriffen wurde und all das sah, was Menschen über die Jahrhunderte immer wieder
auf's Neue bewegt hat.
Was, wenn er es für sich behalten hätte? Aber die Verbreitung dessen, was er sieht, gehört
ja zu seinem Auftrag, der jetzt an ihn ergeht: „Was du siehst, das schreibe in ein Buch und
sende es an die sieben Gemeinden...”
Johannes sieht etwas – er halluziniert, würden die meisten Menschen heute wohl sagen.
Es ist ein Hirngespinst, etwas, das das Gehirn hervorbringt, weil die Schaltkreise darin
nicht ganz richtig funktionieren. Aber ist das wirklich so? Und selbst wenn es so wäre:
diese Visionen haben nicht nur Menschen bewegt, sie haben auch unzähligen Menschen in
schweren Situationen geholfen, sie haben ermutigt, sie haben Hoffnung gemacht, sie haben
neue Wege eröffnet. Sollte das nicht ein Geschenk Gottes sein?
Und überhaupt: ist nicht alles, was mit uns geschieht, letztlich doch inbegriffen in den
großen Plan, den Gott für seine Schöpfung hat? Liegt nicht alles in seiner Hand?
Am Anfang hört Johannes nur eine Stimme. Er hätte sich die Ohren zuhalten können, er
hätte weggehen können, aber er will wissen, wer da zu ihm redet.
Was er sieht, nachdem er sich umwandte, ist nicht nur diese Gestalt, die er dann zu
beschreiben versucht – es ist der Plan Gottes, der sich da vor ihm ausbreitet,
wenn auch nur in Bildern, die eher andeuten als beschreiben.
Dass er sich umwenden muss, um sehen zu können, mag eine Bedeutung haben. Es weist
vielleicht darauf hin, dass die Anrede Gottes nicht immer direkt erfolgt, dass sie
eine Antwort erfordert, auch wenn diese Antwort nur eine halbe Umdrehung ist; wenn
Gott uns anruft, dann ist es an uns, uns nach ihm auszurichten, hinzuhören und
hinzuschauen.
Erst dann, wenn wir reagieren, können wir auch einen Blick hineinwerfen in das
Reich Gottes, das uns doch schon so nahe gekommen ist.
Das Bild, das sich vor Johannes' Augen aufbaut, wirkt sehr konkret. Es ist,
als hätte man alles hinter ihm wie ein Bühnenbild aufgestellt, und jetzt muss er
nur noch beschreiben, was er da zu sehen bekommt.
Oder befand er sich vielleicht in einer Kirche? Aber damals gab es noch keine Kirchen,
und was es auf der Insel Patmos an Gebäuden gab, war wohl eher spärlich und wenig
eindrucksvoll.
Dieses Bild aber: es ist überwältigend. Wenn Johannes in einer Kammer gesessen hat,
dann öffnet sich diese Kammer jetzt in unendlicher Weite. Die Herrlichkeit Gottes
strahlt durch diese Schilderung hindurch.
Ganz nebenbei, so scheint es, wird mit Hilfe der Symbolik noch so manches andere
vermittelt, was sich uns heute nicht ohne Weiteres erschließt. Die Menschen damals
lebten mit solchen Symbolen und konnten darum auch sogleich etwas damit verbinden.
Sieben Leuchter: da gibt es den Bezug zu den zuvor genannten sieben Gemeinden. Warum
eigentlich sieben Gemeinden, warum gerade diese sieben Gemeinden?
Die Sieben ist die Zahl der Vollkommenheit, der Fülle, aber sie setzt sich auch
zusammen aus der vier und der drei, der Zahl der Schöpfung und der Zahl Gottes,
stellt also eine Verbindung her zwischen Gott und seiner Schöpfung.
Die Sieben weist gerade in der Bibel hin auf das neue Zeitalter, das mit Jesus Christus
angebrochen ist. Während zuvor die Menschen durch ihre Hybris, ihr „Wie-Gott-Sein-Wollen”,
von Gott getrennt lebten und nur vergeblich versuchen konnten, die ursprünglich gewollte
Verbindung zu Gott wieder herzustellen, hat jetzt Gott selbst diesen Schritt unternommen
und breitet seine Arme aus, anstatt sie abwehrend zu verschränken.
Die sieben Gemeinden weisen durch ihre Zahl auf dieses neue Zeitalter hin, auf die
Verbindung zwischen Schöpfer und Schöpfung. Es geht nicht um eine Beschränkung der
Offenbarung auf einen kleinen Kreis der christlichen Gemeinden, denn die Sieben ist
die Zahl der Fülle, der Vollkommenheit, und meint die ganze christliche Kirche in
ihrer Vielfalt.
Dazu kommt: Wenn man die Gemeinden auf der Landkarte miteinander verbindet, gewinnt
man den Eindruck eines Dreiecks, das das Symbol der Trinität ist und wiederum auf
Gott hinweist – die Verbindung der christlichen Gemeinde untereinander stellt
gewissermaßen die Verbindung zu Gott her.
Die Sieben spielt für die Offenbarung immer wieder eine wichtige Rolle, und sie
taucht ja auch in dieser ersten Vision noch einmal auf, wenn von den sieben Sternen
in der Hand des Menschensohnes die Rede ist. Insgesamt haben wir es in unserem
kurzen Predigttext schon dreimal mit der Sieben zu tun!
(Wenn man noch weiter gehen will: die Zahl der in diesem Text genannten Körperteile
des Menschensohnes beträgt ebenfalls sieben: Brust, Haupt (Haar), Augen, Füße,
Hand, Mund, Angesicht.)
Aus dem Mund des Menschensohnes geht ein Schwert hervor, zweischneidig und scharf.
Das weist auf die Kraft seiner Worte hin. Sie haben trennende Wirkung: da gibt es die
einen, die darauf hören und sich danach richten, und da gibt es die anderen, die mit
seinen Worten nichts anfangen können und auch nichts anfangen wollen.
Das Wort dieses Menschensohnes kann auch vernichtend sein. Das Bild von zweischneidigen
Schwert weist auf das Gericht Gottes hin, das das endgültige Ende des alten Zeitalters
darstellt.
Johannes ist von dieser Erscheinung überwältigt und fällt nieder vor seine Füße –
Zeichen äußerster Demut. Wie anders soll er auch auf die Begegnung mit dem Allmächtigen
reagieren?
Was dann folgt, finde ich spannend: Es ist nicht nur ein Wort, das den Propheten wieder
aufrichtet. Der, den Johannes mit einem Menschensohn vergleicht, legt seine rechte Hand
auf ihn.
Mir fällt hier die Berührung als ein wichtiges Element der Begegnung auf. Es ist die
beruhigende Hand der Mutter, die dem verängstigten Kind das Gefühl der Geborgenheit
und Sicherheit vermittelt. Es ist die Hand des Vertrauens, die sich dem anderen öffnet
und damit anzeigt: du brauchst keine Angst zu haben, ich komme zu dir in Frieden.
Wenn Gott dem Menschen begegnet, dann ist es manchmal solch eine Berührung, die uns
aufmerksam werden lässt. Wir werden angerührt von der Hand des Engels, einer guten
Hand, die uns den Frieden verkündigt.
"Fürchte dich nicht!" (Offb 1, 17), das sind die ersten Worte nach dieser Berührung,
Worte, die schon so oft aus dem Mund Jesu hervorgegangen waren, weil die Jüngerinnen
und Jünger es einfach nicht begreifen konnten, wenn die Majestät Gottes in Jesus sichtbar
wurde.
„Fürchte dich nicht!”, denn Gott will bei uns wohnen. Schöpfer, wie kommst
du uns Menschen so nah!
Und dann erst folgt die Erklärung dieses Bildes, obwohl wir es längst erkannt haben:
„Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe,
ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der
Hölle.” (Offb, 1, 17-18)
Fürchte dich nicht, ich bin's, ich war tot, doch ich lebe und habe dem Tod und
der Hölle die Macht genommen! Jetzt kann kommen was will: ich habe den Sieg bereits
errungen!
Das ist der Trost des Evangeliums! Denn der Tod ist überwunden, er hat keine Macht
mehr. Darum: Fürchte dich nicht!
In der Feier des Abendmahls ist es uns geschenkt, dass wir dieses Bild gewissermaßen
in uns aufnehmen. Der Erste und der Letzte und der Lebendige schenkt sich uns in den
Gaben von Brot und Wein.
Mögen wir das heilsame Handeln Gottes in und an uns erfahren.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Der Morgenstern ist aufgedrungen (EG 69)
O Jesu Christe, wahres Licht (EG 72)
Herzlich tut mich erfreuen (EG 148)
O Christe, Morgensterne (EG 158)
Wie herrlich gibst du, Herr, dich zu erkennen (EG 271, 1.6-8)
Christus, das Licht der Welt (EG 410)
Gott's Wort, du bist der Morgenstern (EG 442, 4-9)
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Predigtvorschläge zu Reihe III - 2. Petr 1, 16-19 (20-21)
Liebe Gemeinde!
„Wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.”
Voller Überzeugung und mit starkem Selbstbewusstsein lesen sich diese Worte
aus einem Brief, der nach der Meinung nahezu aller Theologen gar nicht von
dem stammt, der als Verfasser benannt wird. Petrus war schon tot, als dieser
Brief vermutlich im letzten Drittel des ersten Jahrhunderts entstand.
Den Namen der Person, die diesen Brief geschrieben hat, kennen wir allerdings
nicht. Nur eines wissen wir: sie schlüpft mit Leichtigkeit und Geschick in die
Haut des Apostels, der ja doch eine besondere Stellung innerhalb der frühen
christlichen Gemeinden hatte. Er war die Autorität, von der Jesus gesagt
hatte: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde
bauen.” (Mt 16, 18)
Auf solche Autorität konnte man sich verlassen, und so nimmt nun ein Niemand
diese Autorität für sich in Anspruch. Das war damals nicht wirklich
außergewöhnlich, im Gegenteil: es gab viele Schriften, die von einem
„Ghostwriter”, wie man das heute so schön nennt, geschrieben wurden,
also von einem Menschen, der sich als ein anderer ausgibt. Und man
akzeptierte dies auch wenigstens so lange, wie die Schrift im Geist
dessen geschrieben wurde, der als Verfasser genannt wurde.
Und so wäre es auch richtiger zu sagen: der Verfasser nimmt die Autorität
Petri nicht für sich in Anspruch, sondern für diesen Brief. Er selbst bleibt ja
völlig unbekannt und unerkannt. Er will auch gar nicht bekannt werden, denn
es geht ihm nicht darum, Berühmtheit und Anerkennung zu erlangen. Er will
nur, dass das, was er schreibt, von den Menschen, die diesen Brief lesen,
ernst genommen wird.
Darum schlüpft er gewissermaßen in die Haut des Apostels, ohne sich jemals selbst
als der Apostel zu sehen. Er ist ein Glied der christlichen Gemeinde, irgendwo in der
damals bekannten Welt, und sorgt sich um die junge christliche Gemeinde.
„Wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.”
Muss man einem Menschen, der so etwas von sich sagen kann, nicht Glauben
schenken? Ich will es jedenfalls tun und bleibe darum bei dem Namen, den er
selbst am Anfang des Briefes nennt: Petrus.
Es ist natürlich nicht von ungefähr, dass wir heute diesen Abschnitt aus der Bibel
als Predigttext vor uns haben. Denn es geht ja, wie wir anfangs gehört haben, am
letzten Sonntag nach Epiphanias genau darum: die Herrlichkeit Jesu, die in dem
Ereignis seiner Verklärung sichtbar wurde.
Aber es verwundert mich dann doch, dass es nur drei Personen vorbehalten blieb,
diese Herrlichkeit zu sehen – selbst die übrigen neun Jünger mussten warten, bis
er ihnen als der Auferstandene erschien. Und was ist mit uns, die wir rund
zweitausend Jahre später leben?
Wir tappen vollends im Dunkeln, so scheint es, niemand von uns hätte die
Chance, Jesus leibhaftig zu sehen, und schon gar nicht seine Herrlichkeit.
Oder vielleicht doch?
Ich möchte gerne etwas der Frage nachgehen, warum nur so wenige seine
Herrlichkeit sehen durften – mal abgesehen von denen, die erlebten, wie er
Wunder vollbrachte. Aber das konnten ja durchaus auch andere tun und war
darum noch nicht wirklich etwas Außergewöhnliches – es offenbarte zwar
etwas von seiner Macht, aber nicht unbedingt von seiner Herrlichkeit.
Herrlichkeit sehen – das bedeutet doch, ein Stück Himmel zu sehen. Sie
wissen: nicht den blauen Himmel über uns, sondern den Himmel, der häufiger
das Reich Gottes genannt wird. Und dieses Reich Gottes, diesen Himmel, den
hätten wir schon gerne alle greifbar nahe, aber er lässt sich nicht greifen, er
bleibt verborgen, er entzieht sich unserem Zugriff. Es wäre ja auch zu schön,
wenn wir alle unsere Mitmenschen darauf hinweisen könnten: hier ist er, oder
da. So einfach ist es nicht. Und doch, so hat Jesus gesagt, ist das Reich
Gottes mitten unter uns.
Wie geht das? Und gilt das überhaupt noch? Ist damit nicht die Gegenwart
Jesu damals unter den Jüngern gemeint? Da dürfen wir wohl auf die Worte
Jesu am Ende des Matthäus–Evangeliums verweisen, wo er sagt: „Siehe,
ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.”, bevor er in den Himmel –
das Reich Gottes – aufgenommen wird (Mt 28, 20).
Wie also können wir das Reich Gottes, das mitten unter uns ist und
zugleich so unendlich fern zu sein scheint, erfahren? Allein durch den
Glauben, würde uns Martin Luther wohl antworten, und Recht hat er. Der
Glaube schließt uns gewissermaßen die Tür auf und lässt uns einen Blick
hinein werfen in dieses Himmelreich, weil es eben doch greifbar nahe ist,
nur dass wir es nicht festhalten können.
Vielleicht ist es deswegen, dass nur eine kleine auserwählte Gruppe von
sich sagen kann: „Wir haben seine Herrlichkeit selbst gesehen.” Denn
nur so wird deutlich, dass es eigentlich gar nicht darauf ankommt,
dies mit eigenen Augen zu sehen, sondern darauf, es zu glauben.
Gott muss seine Herrlichkeit nicht allen Menschen zeigen, weil alle
Menschen es selbst sehen können, trotz der Dunkelheit, in der sie
vielleicht gefangen sind: die Herrlichkeit Gottes ist da, sie wird sichtbar
dem glaubenden Auge und erfüllt unser Leben mit einem hellen Licht,
das niemals verlöscht, weil es eben das Licht der Welt und damit das
Licht des Lebens, unseres Lebens, ist (Joh 8, 12).
Aber es bleibt, zugegeben, alles etwas vage, unbestimmt. Das hat mit der
Unverfügbarkeit zu tun. Gerne würde ich Ihnen die Herrlichkeit Gottes
vorführen, aber das kann ich nicht, denn ich verfüge nicht über sie. Wir
müssen schon selbst den Weg dorthin suchen. Wir haben nur die
Verheißung, dass wir ihn auch finden werden.
Und dennoch gibt es wenigstens ein paar Situationen, die ich benennen
kann und in denen es uns vielleicht leichter fällt, die Herrlichkeit Gottes
zu sehen.
Da ist zum Beispiel die Musik, die wir heute in diesem Gottesdienst
hören – sie kann unsere Seele zu Gott hin erheben, sie kann die Tür
öffnen und einen Blick in das Himmelreich erlauben. Oder die
Herrlichkeit wird sichtbar, wenn uns einer ein tröstendes Wort zuspricht.
Oder wenn wir in der Bibel lesen. Oder wenn wir gemeinsam das Abendmahl
halten. Oder wenn ein Kranker gesund wird. Oder wenn wir eine Kirche betreten.
Es gibt schon viele Möglichkeiten, nur dass wir es eben nicht mit den Augen
sehen oder mit den Händen greifen können, sondern allein dann, wenn
wir uns im Glauben für die Gegenwart Gottes öffnen.
Dann spüren wir es aber auch, dann erfahren wir es: Gott ist da, seine
Herrlichkeit umgibt uns, sie strahlt über uns auf, um uns und in uns.
Petrus will aber eigentlich auf etwas anderes hinaus. Der ja doch recht
kurze Verweis auf die Verklärung Jesu dient ihm letztlich nur als
Legitimation für das Wort, das er selbst verkündigt. Es ist ein
prophetisches Wort, und da werden wir sicher schon etwas
vorsichtig, wenn wir so etwas hören. Denn wie viele falsche
Propheten hat es gegeben und gibt es auch heute, die einem das
Blaue vom Himmel versprechen und dann doch nichts anderes
als Scharlatane und Betrüger sind.
Können wir uns überhaupt auf prophetische Worte einlassen? Dürfen
wir es? Müssten wir nicht bei allem, was uns gesagt oder versprochen
wird, abwarten, bis es wirklich so eintrifft?
Nun, wenn wir immer nur warten würden, dann würden wir auch nicht
vorwärts kommen. Also müssen wir schon hören und dann auch
darauf reagieren.
Es gibt ja schließlich das prophetische Wort, das wird uns in der
Bibel oft genug gezeigt. Es ist auch nicht ausgestorben, eher im
Gegenteil: Gott lässt sein Wort ausgehen in alle Lande durch den
Heiligen Geist, auch und vielleicht gerade heute. Das ist immer
prophetisches Wort, auch wenn es mitunter zurückweist auf den
Gekreuzigten und Auferstandenen. Das muss es ja auch, denn von
dort kommt das Leben, das den Tod nicht kennt, von nirgendwo sonst.
Petrus bleibt ganz selbstbewusst, so wie er es schon in den ersten
Versen unseres Predigttextes gezeigt hat: „Um so fester haben wir
das prophetische Wort, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da
scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern
aufgehe in euren Herzen.” (2. Petr 1, 19)
Woran erkennt man nun, dass das Wort, das ein Mensch sagt, von Gott ist
und nicht vom Menschen? Eigentlich ist es ganz einfach: denn der Heilige
Geist selbst bezeugt, dass das, was gesprochen wurde, wahr ist.
Das ist der Geist, der von unserem himmlischen Vater ausgeht und der
uns den Glauben und das Verstehen schenkt. Wenn wir nicht dieses
Zeugnis des Heiligen Geistes haben, dann ist es auch kein prophetisches
Wort, und wir können uns getrost abwenden.
Damit das funktionieren kann, müssen wir uns aber auch dem Wirken
des Geistes öffnen. Und das tun wir z.B., wenn wir uns im Gottesdienst
versammeln, gemeinsam Singen und Beten. Wir kommen ja hierher, um
uns ansprechen zu lassen von dem prophetischen Wort.
Aber so wie wir bereit sind, uns ansprechen zu lassen, so haben wir auch
die Möglichkeit, zu sagen: das war es nicht. Das kann mal passieren, dass
wir uns gar nicht angesprochen fühlen, oder dass wir mit dem, was gesagt
wird, gar nicht einverstanden sein können.
Wichtig ist, dass wir nicht aufhören, das prophetische Wort zu suchen und
zu hören, so wie wir nicht aufhören sollen, die Herrlichkeit Gottes zu suchen
und zu finden.
Denn durch beides wird das Dunkel unseres Lebens erhellt, bis wir selbst
dorthin kommen und Gottes Herrlichkeit schauen.
Nun fände ich es schade, wenn wir nicht auch wenigstens einen kurzen
Blick auf das werfen würden, was uns dieser Petrus eigentlich zu sagen hat.
Er ermutigt uns, nicht aufzuhören, das Kommen Christi zu erwarten. Denn
der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb (2. Petr 3, 10), so sagt er.
Darum stellt er fest: „Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen
Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.” (2. Petr 3, 13)
Davon leben wir, von diesem prophetischen Wort. Er wird kommen – darauf
dürfen wir vertrauen, denn Gott steht zu seinen Verheißungen.
Wenn uns das gesagt wird, dann dürfen wir wohl auch davon ausgehen, dass
es prophetisches Wort ist, denn das ist es ja, was uns Jesus selbst versprochen
hat: „Ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und niemand soll
eure Freude von euch nehmen.” (Joh 16, 22)
So freut euch in dem Herrn, seid dankbar und fröhlich, denn er kommt!
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Herr Christ, der einig Gotts Sohn (EG 67)
O Jesu Christe, wahres Licht (EG 72)
Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort (EG 193)
Herr, für dein Wort sei hochgepreist (EG 196)
Kommt her, des Königs Aufgebot (EG 259)
Such, wer da will, ein ander Ziel (EG 346)
Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht (EG 572)
Nun geh uns auf, du Morgenstern (EG 571)
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Predigtvorschläge zu Reihe IV - Ex 34, 29-35
Liebe Gemeinde!
Das Volk Israel war aus der Sklaverei in Ägypten befreit worden. Mose hatte
sie in die Wüste geführt und schließlich bis hin zum Berg Sinai. Dort ließen
sie sich nieder, während Mose auf Gottes Geheiß den Berg bestieg, um die
Gesetzestafeln zu empfangen.
Als er zu lange ausblieb, wurde das Volk, das zurückgeblieben war, ungeduldig.
So fremd war ihnen der Gott, der sie aus Ägyptenland herausgeführt hatte, dass
sie ihn schnell vergaßen, obgleich er doch so große Wunder getan hatte.
Mose würde nicht zurückkehren – denn es gab auf dem Berg in der Wüste nichts zu
essen, die Felsen waren schroff und die Wolke, die den Gipfel umhüllte, bedrohlich.
Er war nicht wieder zu erwarten. Wer sollte sie also nun führen?
Ein goldenes Kalb wurde gemacht, unbeweglich und starr, aber doch etwas, worauf
sie ihre Blicke heften konnten, ein Bild, dem sie ihre Opfer darbringen und es so
versöhnen konnten.
Da kehrte Mose zurück. Gott hatte ihm gesagt, dass das Volk abtrünnig geworden war.
Er hatte aber nicht solches Ausmaß erwartet, und so stieg er den Berg hinab, nur
um zu sehen, wie sie alle wild um das goldene Bild herum hemmungslos tanzten und
jubelten und sangen.
Die Enttäuschung war groß – voller Wut zerschmetterte er die Gesetzestafeln, die
Gott selbst geschrieben hatte, auf dem Felsen.
Es gab ein Hin und Her. Das Volk war zerknirscht, sie erkannten ihre Sünde, wenn
auch nur unwillig. Vor allem Aaron, der Priester, schämte sich, hatte er doch der
Stimme des Volkes gehorcht und das Götterbild gemacht – das Bild eines Kalbes.
Du sollst keine anderen Götter haben neben mir, und: Du sollst dir kein Bildnis
machen – so heißt es am Anfang der zehn Gebote. War nun alles dahin?
Nein, erneut darf Mose den Berg besteigen, diesmal aber muss er selbst die Tafeln
fertigstellen. Noch einmal bleibt er vierzig Tage auf dem Berg, und diesmal harrt
das Volk aus. Sie warten auf seine Rückkehr.
Und als er dann wieder zu ihnen gelangt, strahlt sein Angesicht. Ganz merkwürdig
ist es. Wo kommt dieses Strahlen her? Warum war es beim ersten Mal nicht zu erkennen?
Diesmal war die Güte Gottes an Mose vorüber gegangen. Und diese Güte hatte gewissermaßen
abgefärbt. Er strahlt, sichtbar spiegelt er die Güte Gottes wider.
Aber sein Angesicht glänzt so stark, dass das Volk es kaum ertragen kann. Ganz ähnlich
ist es rund tausend Jahre später, in einer Nacht, die unvergessen bleibt, als die
Engel den Hirten verkünden, dass ihnen der Heiland geboren ist. Die Klarheit des
Herrn leuchtete um sie.
Mose muss sein Angesicht verhüllen, damit die Furcht von den Herzen der Menschen
genommen wird, damit sie sich ihm nähern können. Nur wenn er mit Gott in der Stiftshütte
redet, und wenn er dem Volk Israel davon berichtet, dann ist sein Angesicht unbedeckt.
Es bleibt merkwürdig. Wie kann Güte abfärben? Wie kann Herrlichkeit abfärben? Wir
können uns noch so lange der Sonne aussetzen: außer Bräune oder Sonnenbrand bleibt
da nichts zurück. Wir strahlen nicht – Licht kann nicht abfärben. Genauso wenig kann
es Güte oder Herrlichkeit.
Und doch ist es möglich. Das gibt es zwar selten, aber es ist erkennbar: wenn ein
Mensch selbst gütig ist, dann spiegelt sich das in seinem Gesicht wieder. Er strahlt
Güte aus, so sagt man ja auch – und genau so beschreibt es im Grunde die Bibel. Das
Glänzen auf dem Angesicht Moses: das ist Güte, allerdings nicht die Güte eines Menschen,
sondern die Güte Gottes. Und das muss überwältigend sein. Gott erbarmt sich über sein
Volk, er verzeiht ihm die Untreue, und dies wird erkennbar auf dem Gesicht des Mose.
Es ist vielleicht zu viel der Güte, so dass die Beschämung noch größer, noch gewaltiger
wird.
Gott wirkt auf ganz seltsame Weise in unserem Leben. Sein Werkzeug ist dabei nicht die
Gewalt. Sein Werkzeug ist die Güte.
Es ist gut, wenn wir etwas davon auch auf uns abfärben lassen. Wenn auch auf unseren
Gesichtern etwas von dieser Güte Gottes erstrahlt. Das ist möglich, auch wenn wir nicht,
wie Mose, auf den Berg Sinai gestiegen sind; denn Gott hat uns seine Güte dennoch offenbart:
in Jesus Christus, seinem Sohn, der den Tod erlitt, damit wir leben können.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Wunderbarer Gnadenthron (EG 38)
Liebster Jesu, wir sind hier (EG 161)
Großer Gott, wir loben dich (EG 331)
Du höchstes Licht, du ewger Schein (EG 441)
Freuet euch der schönen Erde (EG 510)
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Predigtvorschläge zu Reihe V - Mt 17, 1-9
Liebe Gemeinde!
1. Aufstieg
Petrus, Jakobus und Johannes. Man mag sich fragen, warum Jesus nun gerade
diese drei herauspickt aus den Zwölfen. Petrus, gut, dafür hat man Verständnis,
er ist ja schließlich der Fels, auf dem Jesus seine Kirche bauen will (Mt 16, 18).
Und er hat dann ja auch etwas zu sagen in dieser Geschichte.
Aber die anderen beiden spielen doch eigentlich nur Statistenrollen, die könnte
man ja eigentlich genauso gut weglassen. Wer sind sie?
Matthäus weist uns darauf hin, dass Jakobus und Johannes Brüder sind. Und wir
erinnern uns, dass es in unserer Bibel nicht nur Briefe von Paulus, sondern
auch von Petrus, Jakobus und Johannes gibt, eben diesen Dreien.
Dabei ist der Apostel Jakobus, den man auch mit der Bezeichnung „der Ältere“
versieht, sehr wahrscheinlich nicht der Verfasser des Jakobusbriefes.
Aber er wird von unserem Herrn Jesus Christus nicht nur dieses eine Mal zusammen
mit Petrus und Johannes ausgewählt, sondern auch in der schweren Stunde in
Gethsemane, als Jesus sich zurückzieht, um zu seinem himmlischen Vater zu beten.
Da nahm er Petrus, Johannes und Jakobus mit sich. Die drei waren aber allesamt
nicht in der Lage, der Aufforderung, mit Jesus zu wachen und zu beten, zu folgen.
Jakobus ist bekannt als der erste Märtyrer, der erste Blutzeuge unter den
Aposteln. Herodes Agrippa ließ ihn bereits im Jahre 44 hinrichten, wie wir
aus der Apostelgeschichte erfahren (Apg 12, 1).
Ob der Apostel Johannes, also der Bruder Jakobus des Älteren, das Evangelium
und die Briefe geschrieben hat, können wir nicht sicher sagen, aber wenn er
das Evangelium schrieb, dann dürfen wir auch davon ausgehen, dass er der
Lieblingsjünger Jesu war. Und dann versteht man vielleicht, warum er zu den
Auserwählten dazugehört.
Alle drei Apostel, Petrus, Jakobus und Johannes, spielten in der frühen
Christenheit der ersten Jahrzehnte eine bedeutende Rolle. Petrus gründete
die Gemeinde in Rom, Jakobus verbreitete das Evangelium in Spanien und
Johannes gründete viele Gemeinden in Kleinasien.
Und nun nahm Jesus diese drei mit sich auf einen hohen Berg. Es war sicher
kein leichter Weg, es kostet immer Mühe, einen Berg zu ersteigen. Aber
jeder, der es tut, weiß, dass ihn am Ende eine tolle Aussicht erwartet.
Zwar kann es auch passieren, dass man mitten in den Wolken landet, aber
manchmal steigt man auch durch sie hindurch und sieht dann auf sie hinab.
Und das ist schon ein fantastisches Bild.
Während des Aufstiegs mochten ihre Gedanken gewandert sein, vielleicht
fragten sie sich, wie der Ausblick wohl sein würde, oder sie wurden von
anderen Fragen bewegt. Vielleicht hatte Jesus ja mit ihnen gesprochen,
vielleicht hatten sie sich zwanglos unterhalten, vielleicht wurden ihre
tiefsten Abgründe offenbar.
Wer schon einmal einen Berg bestiegen hat, weiß, dass man irgendwann
verstummt und nur noch das Ziel erreichen möchte: den Gipfel. Manchmal
wendet man sich um, um zu sehen, wie weit man es schon geschafft hat,
und auch, um die Aussicht zu genießen und etwas zu verschnaufen. Und
ich bin sicher, dass das auch diese vier taten.
Aber die ganze Zeit ging da mit Petrus, Jakobus und Johannes das Fragezeichen
mit: was wird er uns zeigen? Warum führt er uns auf diesen Berg?
Vielleicht dachten sie, er würde ihnen jetzt sein künftiges Reich zeigen –
so wie damals der Satan Jesus die Welt zeigte und ihm versprach, ihm das
alles zu geben, wenn er nur vor ihm niederfalle und ihn anbete.
Aber wir kennen ihre Gedanken nicht. Wir wissen nur, dass es ein langer Weg
war, den sie vermutlich schweigend und in Gedanken bewältigten.
2. Gipfel
Und dann erreichten sie den Gipfel. Ganz unspektakulär erzählt Matthäus:
Jesus „wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die
Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.“ (Mt 17, 2)
Trotz dieser trockenen Schilderung kann man ahnen, was für eine Szene
das gewesen sein muss!
Stellen wir uns vor, wir haben frühmorgens um 4 Uhr den Aufstieg auf
den Brocken begonnen und kommen rechtzeitig zum Sonnenaufgang auf dem
Gipfel an. Und dann geht die Sonne auf in all ihrer Pracht. Ich kann
mir kaum etwas Schöneres vorstellen.
Ganz ähnlich muss es wohl den Dreien ergangen sein. Man kann sich
vorstellen, wie sie mit weit offenen Mündern dastanden und sich
anschauten, wie da die Sonne vor ihnen aufging – in der Gestalt
Jesu.
Die Herrlichkeit Gottes umfing ihn – das ist es, was sich dort
ereignete.
Aber damit ist es noch nicht zu Ende, im Gegenteil: zwei Gestalten
gesellen sich zu Jesus, und nun sind es drei und drei, die sich da
auf dem Gipfel einander gegenüberstehen. Ob das etwas zu bedeuten hat?
Darüber will ich lieber nicht spekulieren.
Ich habe mich aber oft gefragt, wie man wohl die beiden Gestalten,
Mose und Elia, so ohne Probleme erkennen konnte. Woher wussten Petrus,
Johannes und Jakobus, dass sich diese beiden an Jesu Seite befinden?
Hätten es nicht auch David und Nathan sein können? Oder Abraham und
Jesaja?
Diese Frage werden wir wohl nicht beantworten können. Wir stellen nur
fest: sie sind da, Mose und Elia, und ihr Erscheinen hat etwas zu
bedeuten.
Denn Mose und Elia spielen in der jüdischen Tradition eine besondere
Rolle. Sie verkörpern zum einen das heilige, von Gott offenbarte Gesetz,
die zehn Gebote, und Elia ist der Prophet, der von Gott vor dem Tod
bewahrt wurde, indem er in einem feurigen Wagen mit feurigen Rossen in
den Himmel fuhr. Elia ist gewissermaßen der Erzprophet, von dem man die
Wiederkunft erwartete – von Gott her – zu dem Zweck, den Willen Gottes
endgültig zu offenbaren und durchzusetzen.
Also in gewisser Weise sind die beiden Anfang und Vollendung der Geschichte
Gottes mit seinem Volk.
Und nun wird Jesus in ihre Mitte gestellt. Er ist gewissermaßen die
Spitze eines Dreiecks, das durch ihn erst möglich wird. Die Geschichte
Gottes mit den Menschen nimmt ihren Lauf. Jesus ist der Vollender all
dessen, was mit Mose seinen Anfang nahm. Jesus ist der, auf den die
Propheten hingewiesen haben, was durch das Erscheinen Elias bekräftigt
wird.
Sein Kommen weist darauf hin, dass nun die Geschichte Gottes mit den
Menschen zu ihrer Vollendung kommt. Jesus ist dort hineingebunden, in
die Geschichte des Volkes Israel, und darum wird durch Jesus das Volk
Israel nicht verworfen, wie manche meinen, sondern im Gegenteil; die
Verheißungen Gottes durch die Propheten für das Volk Israel werden
vielmehr in Jesus erfüllt.
Die Herrlichkeit, die die drei Jünger hier wahrnehmen, ist so überwältigend,
dass sie am liebsten dort bleiben wollen. „Hier ist gut sein!“, sagt Petrus
und will gleich drei Hütten bauen. Aber er fügt hinzu: „Willst du“ (Mt 17, 4),
und bringt damit zum Ausdruck: es ist nicht seine Sache, darüber zu entscheiden.
Und Recht hat er. Denn was er sieht, ist nur ein Zeichen, eine Offenbarung
der Herrlichkeit Gottes und seines Heilsplans in Jesus Christus, nicht mehr,
aber auch nicht weniger. Dieses Zeichen kann man nicht festhalten.
Jesus würdigt das Angebot auch keiner Antwort, denn die Erscheinung ist
noch nicht zu Ende. Nun kommt eine lichte Wolke, und man fragt sich, wie
man sich das vorstellen kann. Aber es gibt sie ja, die Wolken, die vom
Licht der Sonne, die man nicht sehen kann, weil sie sich selbst hinter
Wolken verbirgt, angestrahlt werden. Diese Wolken scheinen selbst zu
strahlen.
Und dann die Stimme aus dieser Wolke heraus: „Dies ist mein lieber Sohn,
an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“ (Mt 17, 5c)
Eigentlich bedarf es dazu keiner gesonderten Aufforderung, denn es sind ja
Petrus, Jakobus und Johannes, die drei, die immer ihre Ohren dicht an Jesu
Mund hielten, um nur kein Wort zu verpassen.
Das ist zwar etwas übertrieben formuliert, aber so darf man es sich wohl
dennoch vorstellen. Sie sind die engsten Vertrauten des Herrn, daran gibt
es keinen Zweifel, und darum entgeht ihnen auch nichts von dem, was Jesus
sagt. Sie hören auf ihn.
Aber was ist mit uns? Wie oft hören wir etwas, ohne es wirklich zu hören?
Wir vernehmen die Laute, die Worte aber nehmen wir gar nicht auf, vielleicht
weil sie nicht für uns bestimmt sind, aber vielleicht auch, weil sie uns
nicht interessieren, oder weil sich in uns schon lange Widerspruch regt
und darum alles Gesagte an uns abprallt.
Also doch eine durchaus begründete Aufforderung.
Aber eigentlich geht es hier um etwas anderes: Gott selbst legitimiert
Jesus, indem er diese Worte spricht. Jesus ist der Sohn Gottes, er ist
es, auf den nicht nur wir, sondern die ganze Welt wartete und nun auch
hören soll.
Diese Stimme aus der Wolke erst löst einen Schrecken bei den Jüngern aus,
der sie veranlasst, niederzufallen und ihr Angesicht zur Erde zu neigen.
Sie sehen nicht, was dann geschieht. Erst als Jesus sie anrührt, wagen sie,
wieder aufzusehen. Es ist schön, dass Jesus nicht nur ein paar Worte sagt,
sondern sie auch anrührt. Die Berührung hat vielleicht mehr bewirkt als die
Worte: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“ (Mt 17, 7)
Und schon ist alles so wie beim Aufstieg: sie sind mit Jesus allein.
3. Abstieg
Es ist also nichts mit dem Bauen von Hütten und mit dem Bleiben. So schön
es gewesen wäre, sich in der Herrlichkeit Gottes zu sonnen: so ist das Leben
nicht.
Und darum beginnt nun der Abstieg.
Wenn wir in Urlaub fahren, fällt es danach immer etwas schwer, sich wieder
einzufinden in den alltäglichen Trott. Am liebsten wären wir dort geblieben,
hätten weiter die Schönheit der Urlaubsumgebung genossen, hätten unsere Zeit
verträumt.
Aber so ist das Leben nicht. Wir haben eine Aufgabe, der wir uns immer neu
stellen müssen. Da ist der Beruf, mit dem wir unseren Lebensunterhalt verdienen,
und da ist der Ruf Gottes, der uns in den Dienst an unseren Mitmenschen stellt.
Und so kehren wir zurück in den Alltag, der mitunter noch manche leidvolle
Erfahrung für uns bereit hält.
Da stirbt ein Arbeitskollege, und man darf plötzlich dessen Arbeit mitmachen,
für eine Zeit wenigstens. Das bedeutet doppelte Belastung. Oder der Ehepartner
wird krank, oder es kriselt in der Ehe, oder es gibt Ärger mit den Nachbarn,
oder die Kinder wollen partout nicht mehr auf einen hören, oder die Eltern
sind so komisch drauf, usw.
Am liebsten würde man immer auf solch einem Berggipfel sein, die Schönheit
der Aussicht genießen und alles andere hinter sich lassen.
Aber, und das sei nur mal am Rande gesagt: auch auf Berggipfeln regnet es,
und auch dort stürmt und schneit es.
Das Leben hat nicht nur schöne Seiten, ganz egal, wo wir uns gerade befinden.
Aber die schönen Seiten in der Erinnerung zu bewahren und daraus Kraft zu
schöpfen, das können wir und dürfen wir auch.
Gott hat uns ein Zeichen gegeben: Jesus Christus ist der, auf den die Menschheit
gewartet hat. Er ist es, der das Werk Gottes vollendet.
Dieses Zeichen bewahren wir, auch wenn uns nur davon erzählt wird und wir es
nicht selbst erlebt haben.
Und wir nehmen es mit hinein in unseren Alltag. Wir können es in uns tragen
in der Hoffnung, dass wir auch dort hin und wieder etwas von diesem Glanz
der Herrlichkeit Gottes erfahren können.
Und ich bin sicher, wenn Sie einmal zurückblicken in Ihr Leben, dass Sie so
manchen Augenblick entdecken werden, in dem sie tatsächlich die Herrlichkeit
Gottes schauen konnten.
Der Abstieg ist notwendig, damit das, was uns mit Freude und Hoffnung erfüllt,
die erreicht, die es nicht erfahren konnten. Und so gehen wir den Weg wieder
hinab mit den Vieren, fügen uns wieder ein in das Getümmel der Menschen, und
reden davon. Denn das Gebot, das Jesus seinen Jüngern mit auf den Weg gibt,
als sie vom Berg herabsteigen, ist bereits erfüllt:
Der Menschensohn ist von den Toten auferstanden.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Herr Christ, der einig Gotts Sohn (EG 67)
Du Morgenstern, du Licht vom Licht (EG 74)
Sonne der Gerechtigkeit (EG 262/263)
Strahlen brechen viele aus einem Licht (EG 268)
Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren (EG 279)
Erhebet er sich, unser Gott (EG 281)
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