das Kirchenjahr

Quinquagesimae

Estomihi

Der Weg zum Kreuz

Predigtanregung

Der Name des Sonntags leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: esto mihi in lapidem fortissimum et in domum munitam ut salves me (Ps 31, 3b; deutsch s. unten, die wörtlich übersetzten Worte hervorgehoben).
Der Sonntag Estomihi oder Quinquagesimae (der Fünfzigste) beginnt nun, die Spannung wieder zu steigern, indem er auf das Leiden als einen wichtigen Bestandteil der Erlösung und der Nachfolge hinweist. Das Evangelium des Sonntags enthält zwei wichtige Aussagen: die Leidensankündigung Jesu und der Aufruf zur Nachfolge unter dem Kreuz: „Wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten.” (Mk 8, 35b). Wichtig in dieser Woche ist, dass die Fastenzeit am Aschermittwoch beginnt. In manchen Gegenden ist der Karneval jetzt im vollen Schwung, was sicher auch im kirchlichen Geschehen ein Echo finden kann.

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I - Lk 10, 38-42

Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. 39Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. 40Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester läßt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! 41Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. 42Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

Dieser Abschnitt gehört sicherlich zu den schwierigeren unserer Zeit. Maria und Marta, die beiden Schwestern, die beide dem Herrn zuhören wollen, nur: die eine tut es auch, während die andere die Arbeit sieht und sich daran macht, sie zu erledigen. Jesus lobt ausdrücklich Maria, die sich „das gute Teil erwählt” hat, nämlich, Jesus zu Füßen zu sitzen und ihm zuzuhören. Gleichzeitig läßt sie Marta sich abschuften.
Man fragt sich, wie Marta auf diese Worte Jesu reagierte. Wurde sie ärgerlich? Begann sie einen Streit mit Jesus? Oder setzte sie sich spontan hin, weil sie nicht noch mehr vom „guten Teil” verpassen wollte? Von unserer Perspektive aus ist Jesu Verhalten schwer zu verstehen. Die Dienstbereitschaft ist eine der wichtigsten Haltungen des Christentums, die eigentlich durch nichts übertroffen wird: die Hingabe im Dienst, die manchmal bis zur Selbstaufgabe gesteigert wurde, ist über die Jahrhunderte zum großen christlichen Ideal geworden.
Gewiss kann man die tadelnden Worte Jesu nicht als letztgültige Aussage hinstellen: nichts ist so wichtig wie Gottes Wort (Jesu Wort) hören. Man muss wohl diese Worte im Kontext der Bedürftigkeit sehen. Wenn Menschen in Not sind, was brauchen sie? In diesem Fall wäre vermutlich Zeit gewesen, die Hausarbeit später zu machen. Da Jesus nun mal nur begrenzte Zeit im Haus war, entschied sich Maria, diese Zeit voll und ganz auszunutzen, und nicht den größeren Teil der Zeit mit der Hausarbeit zu verbringen. Sie macht sich wohl kaum schuldig, Marta die Hausarbeit alleine zu überlassen, denn ebensogut hätte Marta das gleiche tun können. Sie aber möchte dem Herrn ein schönes, gutes Essen bereiten, sie möchte es ihm bequem machen, wie es auch in der Perikope zum Ausdruck kommt, und ärgert sich im Stillen über Maria, die Jesus fast ganz für sich hat. Das führt zur Beschwerde. Im Grunde ist es nicht das Dienen, worum es bei der Beschwerde geht, sondern die Fairness: Marta möchte wie Maria Jesus genießen, aber ihre Prioritäten sind anders gesetzt, und deswegen kann sie es nicht. Sie möchte gerne, dass Maria die Prioritäten so wie sie selbst setzt.
Kirchenjahreszeitliche Einordnung: Dieser Text ist, zumindest auf den ersten Blick, schwer in den Kontext des Kirchenjahres einzufügen. Er scheint wenig mit dem „Weg zum Kreuz” zu tun zu haben. Wenn wir allerdings das Evangelium unter dem Aspekt dieser Perikope betrachten, fällt auf, dass dort das Dienen bis zur Sebstaufgabe im Vordergrund steht, während es hier ja in den Hintergrund rückt. Der Text kann daher eigentlich nur als gewollter Kontrast zu einer zu sehr auf Selbstaufgabe ausgerichteten „Nachfolgetheologie” verstanden werden. Nachfolge, in der man „sein Leben hingibt”, kann nur dann wirklich fruchtbar sein, wenn man sich von Jesus selbst dazu bereiten läßt, indem man sich die Zeit nimmt, auf Jesus zu hören. Martas Eifrigkeit wird hier vielleicht mißbraucht, denn die Geschichte steht ja nicht im Kontext des Evangeliums von Markus 8. Da die Lesung des Evangeliums aber im Gottesdienst auf jeden Fall erfolgt (hoffe ich), steht dieser Text zumindest im Zusammenhang des Gottesdienstes. Es ist wichtig, dass dieser Zusammenhang herausgestellt wird, vielleicht dadurch, dass man Jesus eben diese Worte zu Maria sagen läßt: „Wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren. Wer es aber verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten.” (Mk 8, 35)
Wichtig ist, gerade in unserer Zeit, darauf hinzuweisen, dass ein Leben allein des Hörens nicht ausreicht.

Liedvorschläge:

Lass mich dein sein und bleiben (EG 157)
Mache mich zum guten Lande (EG 166, 4-6)
Herr, dein Wort, die edle Gabe (EG 198)
Ich glaube, dass die Heiligen (EG 253)
Von Gott will ich nicht lassen (EG 365)
Eins ist not! Ach Herr, dies Eine (EG 386)

Fürbittengebet

Die Gottesdienstbesucher haben am Eingang je einen Stein (Kiesel oder ähnliches) in die Hand bekommen, auf die in der Predigt kurz eingegangen wird (Lasten und Sorgen, mit denen wir umhergehen, und die wir Jesus auf die Schulter legen können). Auf diese Steine wird im Gebet Bezug genommen, indem Raum geschaffen wird, diese Sorgen und Lasten abzulegen auf dem Altar - d.h. auf Gottes Schultern. Dieses Fürbittgebet hat Bezug zur ersten der hier wiedergegebenen Predigt.

Herr Gott, himmlischer Vater, oft lassen wir uns gefangennehmen von den Sorgen und Mühen des Alltags. Wir nehmen nicht wahr, wie wichtig es ist, dir zuzuhören und unsere Seele von deinen guten Worten anrühren zu lassen. Wir bitten dich: schenke uns Freiräume, in denen wir still werden können, um auf dich zu hören. Schenke uns Zeiten, in denen wir einander von dir erzählen, von den Wundern, die du an uns getan hast. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Wir bitten dich für die, die glauben, die Welt retten zu müssen, und nicht begreifen, dass ihr Wohl und Wehe allein in deiner Hand liegt. Schenke ihnen Gelassenheit und hilf ihnen zu erkennen, dass all ihre Mühe ohne Dein Tun nichts wert ist. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Wir bitten dich für all die, die gegen Krankheit und Tod ankämpfen, die Angst haben, ihr Leben zu verlieren. Lass sie in ihrem Kampf nicht allein, sprich zu ihnen, damit sie Hoffnung und Zuversicht gewinnen können. Mache sie gewiss, dass du ihr Heil bist, dass du ihr Leben bist, dass du alles in der Hand hast. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Wir bitten dich für all die, die gegen Windmühlen kämpfen. Sie meinen, zu gewinnen, und erkennen nicht, dass jeder Sieg in solch einem Kampf eine Niederlage ist. Wir bitten dich für Politiker und die Entscheidungsträger in der Wirtschaft. Lehre sie, dass alle Macht der Welt vergeht. Hilf ihnen zu erkennen, wie ihr Handeln das Leben vieler Menschen zerstört. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Vieles bewegt uns, vieles bedrückt uns. Oft belasten wir uns selbst mit Dingen, die doch eigentlich unwichtig sind. Aber selbst die Lasten, die wir tragen müssen, können wir doch auf deine Schultern legen. So wollen wir nun die Steine, die Symbole sind für die Dinge, die uns bedrücken und die uns hindern, dich zu hören, zu dir bringen, dass du sie von uns nimmst und unser Herz wieder leicht und froh machst.
Stille - Aktion. ...
Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Nimm dich unser gnädig an. Rette und erhalte uns, denn dir allein gebührt Ruhm, Ehre und Anbetung, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen