das Kirchenjahr

Exaudi

Die wartende Gemeinde

Predigtanregungen

Der Name dieses Sonntags leitet sich ab von dem Beginn der lateinischen Antiphon: Exaudi, Domine, vocem meam, qua clamavi ad te; miserere mei, et exaudi me! (Ps 27,7; deutsch s. Antiphon). Der Sonntag ist schon deutlich auf Pfingsten bezogen dadurch, dass er die wartende Haltung der Gemeinde und damit ihre Abhängigkeit vom Heilswirken Gottes herausstreicht, und von daher eigentlich nicht mehr Bestandteil des Osterfestkreises, der mit Christi Himmelfahrt abschloss. Allerdings hat man sich im neuen Evangelischen Gottesdienstbuch nicht dazu durchringen können, als liturgische Farbe violett zu wählen, obgleich diese Farbe sicherlich angemessen wäre.
Der Sonntag Exaudi spiegelt die Spannung wider, in der die Jünger sich befanden, nachdem ihr Herr gen Himmel aufgefahren war. Sie wissen um die Verheißung des Geistes, haben ihn aber noch nicht erfahren. Sie leben in einer kaum erträglichen Spannung, denn das Vergangene hat nun keine Bedeutung mehr, und das Zukünftige hat keine Kraft. Die Gegenwart, in der sie machtlos sind, wird übermächtig und scheint sie zu fesseln.
In diese Spannung hinein erklingt als Erinnerungsruf die Rede Jesu, in der er den Tröster, seinen Geist, verheißt.

Zu den Perikopen

  • I: Eph 3, 14-21

    folgt später

  • II: Jer 31, 31-34

    Der Text enthält einen Punkt, der nicht konkretisiert werden kann: in Vers 33 heißt es, dass Gott einen Bund schließen will „nach dieser Zeit”. Es ist nicht eindeutig, was „diese Zeit” ist. Ist es die Zeit des Jeremia? Oder ist es die Zeit dieser Welt? Oder ist es eine Zeitspanne, die als Epoche bereits bekannt war und auf die Jeremia zuvor anspielte, um nun darauf hinzuweisen, dass nach dieser Zeit der neue Bund geschlossen wird? Am wahrscheinlichsten ist wohl, anzunehmen, dass hier eine eschatologische Redewendung angewandt wird: „nach dieser Zeit” meint, dass es am Ende dessen, was wir als Zeit erleben, geschehen wird. Es signalisiert ein Ende, das durch Gott herbeigeführt wird und nicht durch Menschen.
    Der neue Bund wird dem alten Bund, den Gott mit Mose und den Erzvätern schloss, gegenübergestellt. Ein „gefundenes Fressen” für Christen, die nach einem Hinweis auf Christus im AT suchen. Dabei wird oft übersehen, dass Christus den alten Bund nie für überholt oder gar ungültig erklärt hat.
    Der neue Bund wird hier anders beschrieben, was uns aber auch dazu veranlasst, Parallelen im Wirken Jesu zu suchen: Das Gesetz ist nicht mehr auf steinerne Tafeln geschrieben, sondern in die Herzen und Sinne eines jeden Menschen. Damit wird es überflüssig, im Gesetz zu unterrichten, denn jede Person kennt es bereits, es ist ihr einverleibt, es gibt darum auch keine Übertretungen mehr. Es scheint fast, als handele es sich hier um die Ankündigung des Paradieses, denn alle Sünden sind vergeben.
    Wie bei jedem alttestamentlichen Text muss man sich auch hier wieder deutlich bewusst machen, dass das Volk Israel, das jüdische Volk, angesprochen ist, und nicht die aus heidnischen Völkern stammenden Christen. Diese Tatsache lässt sich heute nicht mehr mit Hilfe einer Neuinterpretation des Begriffes „Volk Gottes” beiseite räumen. Wohl aber ist es möglich, dass wir uns selbst in dem Handeln des Volkes Israel wiedererkennen und darum Parallelen gezogen werden dürfen. Heilszusagen, wie sie in der vorliegenden Perikope gemacht werden, sind wiederum sehr spezifisch auf das „Haus Israel” und das „Haus Juda” bezogen und daher nicht ohne Weiteres auf uns übertragbar, zumal diese Zusage u.U. noch ihrer Erfüllung harrt und wir sie dem Volk Israel nicht entziehen können, indem wir sie für uns beanspruchen.
    Damit ist eine Problematik aufgezeigt, die sich in der Vorbereitung der Predigt unangenehm auswirken wird. Beanspruchen wir diese Prophetie für uns Christen, entziehen wir sie in der Tat dem Volk Gottes, denn wir sehen sie in Christus erfüllt. Die Predigt darf darum das Volk Israel nicht ausschließen. Es ist vielmehr angebracht, dass wir uns selbst auf die gleiche Stufe dieses Volkes Gottes stellen und selbst die Prophetie als „noch nicht erfüllt” ansehen. Und das ist sie in der Tat noch nicht: dieses Paradies auf Erden ist ja noch nicht verwirklicht: Es ist noch nicht so, dass jeder das Gesetz Gottes in seinem Herzen trägt. Vielmehr gibt es auch unter Christen immer wieder Übertretungen, und wir werden uns immer wieder bewusst, dass wir der Vergebung bedürfen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird so, denke ich, schon deutlich: Wir verharren mit dem Volk Israel wartend. Und zwar warten wir darauf, dass endlich Gott selbst diese Welt verwandelt. Nach allen Erfahrungen fand diese Veränderung aber nicht schon durch den Heiligen Geist statt, als er zu Pfingsten auf die Gemeinde ausgegossen wurde. Der Heilige Geist hat zwar begonnen zu wirken, aber noch längst nicht das Werk Gottes vollendet.
    So könnte die Predigt den Schwerpunkt darauf legen, dass wir noch unvollkommen sind und der Gnade Gottes bedürfen. Wir neigen dazu, die Gesetze erstarren zu lassen und zu vergessen, dass wir nicht um der Gesetze willen gemacht sind, sondern die Gesetze um unseretwillen. Noch warten wir zusammen mit dem Volk Israel darauf, dass uns das Gesetz Gottes ins Herz geschrieben wird.

  • III: Joh 7, 37-39

    Was für ein Anspruch in diesen Worten Jesu gestellt wird! Ströme lebendigen Wassers werden von dem fließen, der an ihn glaubt! Die Konsequenz dieses Anspruchs ist wohl, dass es keinen Glauben in dieser Welt gibt, denn von wem schon gehen Ströme lebendigen Wassers aus?
    Johannes umrahmt den Vers 38 mit zwei Versen, die für das Verständnis wichtig sind. Zunächst einmal spricht Jesus von sich selbst als der Quelle des Wassers. „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!” Darauf folgt dann die Aussage, dass, wer an Jesus glaubt, selbst Quelle lebendigen Wassers sein wird. Mit dem Vers 37 wird der „Glaube”, von dem Jesus nachfolgend spricht, beschrieben. Es glaubt demnach der, der sich zu Jesus begibt, um seinen Durst zu stillen. Was für ein Durst das ist, wird nicht deutlich, auch nicht, was für ein Wasser Jesus zu geben hat. Es liegt nahe, anzunehmen, dass es der Durst nach der Nähe Gottes ist, von dem hier geredet wird. Jesus bietet sich an als Quelle des Wassers, das diesen Durst stillt - er selbst ist Gott! Wenn wir von Glauben reden, geht es um eine Bewußtseinshaltung. Wenn Jesus hier von Glauben redet, geht es um ein schlichtes Bedürfnis. Die einfältige Hingabe ist es, die uns zum Kanal für das lebendige Wasser werden läßt.
    Der nachfolgende Vers 39 wird dann sehr spezifisch: es ist der Geist, der mit den „Strömen lebendigen Wassers” gemeint ist. Dieser Kommentar des Johannes scheint etwas unpassend, da Jesus ein sehr körperliches Bild malt, das sich nicht so leicht vergeistigen läßt. Man hat den Eindruck, dass er ganz bewußt so klar redet, als ob es wirklich physisch so geschehen würde, dass lebendiges Wasser vom Leib dessen, der an ihn glaubt, fließen sollen. Johannes kann das natürlich nicht so sehen und fügt deswegen die Erklärung an. Wenn es sich bei dem lebendigen Wasser wirklich um den Heiligen Geist handelt, fragt man sich, warum dieser vom Leib ausgehen muss, denn er ist ja gar nicht gebunden. Wohl kann es sein, dass das, was Jesus zu geben hat, der Geist Gottes ist, aber sollte es wirklich so sein, dass dann die Jünger diesen Geist weitergeben, also zu Mittlern werden? Wohl kaum.
    Dann aber bleibt die Frage, worum es sich bei dem lebendigen Wasser, das vom Leib der Glaubenden fließt, handelt. Es ist möglich, dass hiermit eine heilsame Ausstrahlung gemeint ist, die umfassenden Frieden stiftet. Diese Ausstrahlung wird andere dazu animieren, ebenfalls zu Jesus zu gehen, um von ihm zu trinken.
    Bemerkenswert ist, dass wir von dieser Ausstrahlung kaum etwas merken, weder an uns selbst noch an anderen. Es scheint, wie schon gesagt, so, als ob keiner glauben würde. Dies liegt wohl daran, dass wir „Glauben” als einen einmaligen Akt, der nur der Bestätigung bedarf, ansehen. Das Bild von Jesus als Quelle des Wassers, mit dem wir unseren Hunger stillen, deutet jedoch darauf hin, dass Glaube ein fortlaufender Vorgang ist, der immer wieder der Erneuerung bedarf. So wie wir wieder durstig werden und uns ein Glas Wasser holen, ist es nötig, zu Jesus zu gehen und bei ihm „aufzutanken”. Sonst verdurstet unsere Seele.
    Kirchenjahreszeitlich hat der Text seine Bedeutung vom Vers 39, wo Johannes deutlich darauf hinweist, dass „der Geist noch nicht da” war. Allerdings war Jesus noch unter den Jüngern, dies also gar nicht so sehr ein Problem. Da der Schwerpunkt der Perikope mehr auf dem Stichwort „Glaube” liegt, bedarf es mal wieder einiger Klimmzüge, um den Bezug zum Kirchenjahr herzustellen. Es mag angemessen sein, von „Durststrecken” zu reden, wo wir zwar Jesus suchen, aber nicht finden, also auch nicht unseren Durst stillen können. Das deckt sich nicht mit der Aussage Jesu, dass er bei uns sei alle Tage, aber es deckt sich mit unserer Erfahrung. Die Durststrecken finden immer ein Ende, wenn wir uns bemühen. Der Mangel unseres eigenen Einsatzes führt zu leeren Kirchen und einer oberflächlich und unsozial gewordenen Gesellschaft.

  • IV: Röm 8, 26-30

    Dieser Text ist uns wohl allen vertraut, aber er ist dennoch schwer zu verdauen. Das sollte uns aber nicht abhalten, dennoch die Luther-Version zu benutzen, denn, wie gesagt, dieser Text ist vertraut.
    Zunächst ist der Gedanke, dass uns der Geist „ mit unaussprechlichem Seufzen” vertritt, sehr beruhigend. Denn wenn wir falsch beten, dann tut es der Geist richtig. Darüber hinaus weiß Gott natürlich auch, was der Geist bitten wird. Und nun wird das Ganze schon wieder etwas gefährlich: wie leicht könnte man sich zurücklehnen und bei sich denken: es ist ja sowieso alles egal, Gott weiß alles, ich brauche mich nicht bemühen. Es ist alles in seinen Händen - das ist eine grundsätzlich gute Vorstellung, solange sie nicht dahin führt, dass man sich selbst mehr oder weniger als Marionette oder Spielball einer größeren Macht, auf die man selbst keinen Einfluss hat, sieht. Denn den Einfluss können wir ja durch unser Gebet geltend machen! Gott sieht in das Herz - das meint ja, dass er die Wünsche und Vorstellungen eines jeden kennt. Und er achtet auf sie.
    Dennoch kann es dazu kommen, dass Wünsche nicht erfüllt werden. Darum dieser so wichtige Vers 28. Auch das größte Übel dient denen zum Besten, die nach seinem Ratschluss berufen sind, die zu ihm gehören, die sich in Gott geborgen wissen. Diesen Menschen ist klar: das, was ihnen wiederfährt, ist nur der Teil eines Weges, der sie zur Gemeinschaft mit Gott führt und der sie diese Gemeinschaft schon jetzt - wenn auch undeutlich - erfahren lässt.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird deutlich in der Spannung zwischen dem „Schon-Jetzt” und dem „Noch-Nicht”, das darin erkenntlich wird, dass sich an den Auserwählten, den Berufenen, Dinge ereignen, die ihnen eigentlich nicht widerfahren dürften, weil doch der allmächtige Gott sich ihrer angenommen hat. Aber wir sind noch Gefangene der von uns selbst geschaffenen Not (kann man das auch auf Krankheiten und Naturkatastrophen ausdehnen?), und darum wird die Berufung nicht so sichtbar, wie wir es uns eigentlich wünschen würden. Die Berufenen sind eben keine Supermenschen, die vor allem Bösen gefeit wären!
    In der Predigt kann darauf eingegangen werden, dass wir in der oben bezeichneten Spannung leben. Wichtiger aber ist wohl, diesen Trost weiterzugeben, den Paulus ausspricht: der Geist hilft unserer Schwachheit auf. Die Widrigkeiten des Lebens bleiben nicht unbeachtet, Gott nimmt sich ihrer und vor allem unser an, auch und gerade dann, wenn wir selbst hilflos geworden sind und nicht mehr wissen, woran wir eigentlich sind. Dann springt der Geist ein, er macht weiter, wo wir aus Ratlosigkeit, Angst, Verzweiflung nichts mehr tun können - oder wollen.

  • V: 1. Sam 3, 1-10

    Diese Erzählung enthält einige interessante Aspekte. Die Geschichte Samuels ist wohl bekannt: er ist ein Gottesgeschenk, denn Hanna, seine Mutter, hatte um ihn gebetet, nachdem sie viele Jahre unfruchtbar geblieben war und von der zweiten Frau ihres Mannes, die schon viele Kinder bekommen hatte, immer wieder verhöhnt wurde. Sie gelobte, das Kind, das Gott ihr geben würde, dem Herrn zu weihen. Und so wurde der entwöhnte Knabe zu dem Priester Eli gebracht, um dort zu bleiben und in das Amt des Priesters und Propheten eingeführt zu werden.
    Die Erzählung beginnt mit dem Hinweis, dass das Wort des Herrn nur noch selten war, es gab kaum noch Offenbarungen. Eli litt unter dem Machtmissbrauch seiner Söhne, die die Opfergaben für sich beanspruchten, anstatt sie Gott zu lassen. Aber es fiel ihm schwer, sich gegen sie durchzusetzen, so dass er es offenbar aufgab. Samuel war vielleicht ein Hoffnungsschimmer, an dem er sich nun festhielt.
    In dieser schicksalsschweren Nacht nun liegt Samuel, der Knabe, im Raum, in dem die Lade stand, während Eli, wohl auch, weil er blind geworden war, in seiner Kammer schlief. Vermutlich lag es an dieser Entfernung und wohl auch an den Wänden und Türen, die zwischen Samuel und Eli waren, dass Samuel die ihn rufende Stimme Gottes ganz selbstverständlich als die Stimme seines Ziehvaters Eli hörte. Der Klang der Stimme kann sich durch die Umwege verändern, und außer Eli gab es neben Samuel keine weitere Person dort im Heiligtum. So geht Samuel gehorsam zu Eli und hört, dass der ihn nicht gerufen habe. Das wiederholt sich, bis Eli sich beim dritten Mal erinnert: Es gab Offenbarungen, wenn sie auch in letzter Zeit selten geworden waren. Ist es so abwegig, dass dieses von Gott erbetene Kind nun der Empfänger einer neuen Offenbarung sein sollte?
    Nachdem Eli Samuel erneut zurückgeschickt hatte mit einer Anweisung, wie er sich verhalten solle, wenn er noch einmal gerufen wurde, erklingt der Ruf tatsächlich zum vierten Mal, und Samuel antwortet: „Rede, denn dein Knecht hört.”
    Man könnte die damalige Zeit mit der unseren vergleichen: Es gibt schon lange keine Offenbarungen mehr - zumindest hört sie niemand (evangelikale Christen würden hier mit Recht widersprechen, denn natürlich offenbart sich Gott auch heute den Menschen auf seine Weise, und besonders Christen mit dem sogenannten evangelikalen Hintergrund machen öfter solche Erfahrungen). Und wenn sie jemand hört, würde diese Person es wagen, sie auch zu verkünden?
    Die Christenheit blickt zurück auf eine Geschichte, in der zahlreiche falsche Propheten ihre Stimme erhoben haben und behaupteten, Gott hätte ihnen eine Offenbarung zukommen lassen. Oft gewinnen solche falsche Propheten einige Menschen, die sich um sie scharen und schnell von ihnen abhängig werden.
    Falsche Propheten erkennt man wohl am ehesten daran, dass sie versuchen, ihren Mitmenschen die Freiheit zu nehmen - nicht durch Mauern, sondern durch Worte, die einem das Gefühl vermitteln, dass „die anderen” ihre Feinde sind, denen man nicht zu nahe kommen sollte. Nur beim „Propheten” ist man wirklich sicher, weil er die Wahrheit kennt (offenbart bekommt). So etwas gibt es heutzutage auch unabhängig vom christlichen Glauben in politischen Bereichen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist nicht so leicht zu erkennen. Der Aspekt des Wartens wird höchstens darin sichtbar, dass man wohl auf eine Offenbarung des Herrn wartete - aber das ist nicht Thema dieser Erzählung. Sie soll vielmehr die Berufung Samuels zum Nachfolger Elis direkt durch Gott einleiten (und eigentlich gehört der Text 11-21, der diese Berufung umschreibt, unbedingt dazu). Man könnte natürlich annehmen, dass hier der Geist Gottes, also der Heilige Geist, aktiv wird, doch dann greift man Pfingsten vor, was auch nicht richtig wäre. Für die Predigt gibt es, wenn sie den kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang berücksichtigen will, eigentlich nur die Möglichkeit, das Vage der Offenbarung, die Unverfügbarkeit, in den Mittelpunkt zu stellen. Samuel rechnete ja überhaupt nicht damit, dass Gott mit ihm reden könnte - für ihn war der hochbetagte, alte Eli der Prophet, mit dem Gott (wenn auch selten) redet. Er wartete nicht auf eine direkte Offenbarung, und sie wurde ihm dennoch zuteil. Es ist durchaus möglich, dass so etwas auch heute Menschen aus der Gemeinde widerfährt. Der plötzliche Anruf Gottes mag zunächst verwirrend sein und uns auf eine falsche Fährte locken. Wir sollten aber immer damit rechnen, dass er geschehen kann. Insofern könnten wir, könnte sich die Gemeinde auch als Wartende verstehen und in dieser Geschichte in der Gestalt des Samuel wiedererkennen. Während wir es für ausgeschlossen halten, dass Gott mit uns direkt reden könnte, bleibt wahr, was Gott selbst, auch durch Jesus, gesagt hat: bei Gott ist nichts unmöglich.

  • VI: Joh 16, 5-15

    folgt später

  • Marginaltexte: Jes 41, 8-14
    Mt 10, 16-20
    Joh 14, 15-19
    Joh 15, 26-16,4

    Zu Joh 14, 15-19:
    Ohne respektlos klingen zu wollen: Es gibt kaum etwas Schlimmeres, als wenn die Geliebte den Geliebten fragt: Liebst du mich? Denn der Zweifel, der sich in dieser Frage verbirgt, verletzt den Gefragten. Sicher wäre die Antwort einfach, aber gerade in dem Moment, in dem die Frage gestellt wird, fällt die Antwort sehr schwer, weil der Zweifel, der mit der Frage zum Ausdruck gebracht wird, auch in dem Gefragten Zweifel weckt. Schlimmer noch ist der Druck, der ausgeübt wird, wenn der Liebesbeweis durch etwas erbracht werden soll, was man nicht tun möchte: Wenn du mich liebst, dann schenk mir dies und das, oder dann tu dies und das für mich. Denn wenn man es nicht tut, beweist man im Grunde, dass man die Person, die diese Forderung stellt, nicht liebt. Tut man es aber, wird man sich selbst untreu.
    Der erste Satz unserer Perikope aus den Abschiedsreden Jesu hat eine ganz ähnliche Qualität. Nur ganz leicht modifiziert (ohne den Sinn zu verändern), lautet er: Wenn ihr mich liebt, dann werdet ihr meine Gebote halten. Nun können wir von Glück sagen, dass die Gebote Jesu durchaus sinnvoll sind und eigentlich nicht unserem Gewissen oder unserer Überzeugung entgegenstehen können, denn sonst würden wir Jesus in der Tat nicht lieben können. Und da wird schon deutlich: hier geht es natürlich nicht um die Liebe, wie sie zwei Menschen teilen und erfahren können. (Es gibt auch die vage Möglichkeit, die ich nicht für richtig halte, das „wenn” temporal zu verstehen - dann wäre das Halten der Gebote der Ausdruck und nicht die Konsequenz der Liebe).
    Es bleibt unklar, ob Jesu weitere Aussage, dass er den Vater um einen Tröster bitten will, nur dann zur Ausführung kommt, wenn wir ihn lieben und seine Gebote halten, oder ganz unabhängig davon. Gerne möchte man diese beiden Dinge miteinander verbinden. Aber wenn der Tröster nicht kommt, wie könnten wir dann seine Gebote halten? Brauchen wir dazu nicht den Zuspruch und die Weisung des Trösters? Daher halte ich es für wahrscheinlich, dass Jesus um den Tröster bittet, ganz egal, ob die Jünger nun seine Gebote halten oder nicht. Dieser Tröster ist nun etwas Besonderes: er kann nicht von jedem erkannt werden, sondern nur von denen, die Jesus kennen (und ihn lieben? - In dem Fall wäre die zuvor gestellte Problematik schon aufgelöst).
    Merkwürdig ist nun der zweite Abschnitt, in dem Jesus von seinem Fortgang und seiner Wiederkehr spricht. Er geht von ihnen, aber er wird sie nicht allein lassen. Natürlich kann dies nur dann verstanden werden, wenn wir die Dreieinigkeit ernstnehmen: Jesus kehrt zum Vater zurück, und der Vater sendet den Tröster; alle drei sind Gestalten der Trinität, des dreieinigen Gottes. Schön der abschließende Zuspruch: Ich lebe, und ihr sollt auch leben - Jesus spricht uns das ewige Leben schon hier zu.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist deutlich: Die Gemeinde ist gerade von Jesus verlassen worden, nun braucht sie den Zuspruch, dass sie nicht von Gott verlassen sind. Der Paraklet, der Heilige Geist, nimmt die Stelle Jesu ein. Aber dies ist nun, am Sonntag Exaudi, erst einmal nur eine Zusage, und genau das ist auch der Predigttext.
    Von daher kann die Predigt den Charakter der Zusage aufnehmen und entfalten. Dabei muss wohl berücksichtigt werden, dass die Erfahrung des Trösters nicht vorhergesagt werden kann, dass sie nicht berechenbar ist. Auch ist nicht unbedeutend, dass der Paraklet abgelehnt werden kann, er sich also nicht aufdrängt. Er kann nur in denen wirken, die Jesus Christus kennen und lieben.