das Kirchenjahr

Exkurs: Ist das Glaubensbekenntnis ein Gebet?

Exkurs

Im Herzen des Gottesdienstes steht das Glaubensbekenntnis, auch Credo genannt. Es umfaßt mit wenigen Worten alles, was über den christlichen Glauben gesagt werden kann - freilich ohne die oft nötigen Erklärungen. Das Glaubensbekenntnis muss von den Konfirmanden gesprochen werden zur Zeit ihrer Konfirmation, darauf werden sie „verpflichtet”, und die Eltern und Paten sprechen es stellvertretend für das Kind während der Taufe.
Die Tatsache, dass manche Glaubenssätze heute von vielen nicht mehr nachvollzogen werden können, hat zahlreiche Diskussionen ausgelöst. So ist z.B. der Satz „geboren von der Jungfrau Maria” auch durch Theologen inzwischen angezweifelt worden, denn das Wort, das bei Lk für „Jungfrau” verwendet wird, ist nicht mit dem deutschen Begriff gleichzusetzen, eher entspricht es dem Terminus „junge Frau”. Es hat auf der anderen Seite aber auch schon Jungfrauengeburten in unserer Zeit gegeben, so dass es sich hierbei durchaus nicht mehr um ein Wunder handeln muss. Von daher ist der Stellenwert dieses Glaubenssatzes nicht sehr hoch anzusiedeln. „Empfangen durch den Heiligen Geist” ist da schon wesentlich zentraler.
Jedoch soll es hier gar nicht um den Inhalt des Glaubensbekenntnisses gehen. Es gibt inzwischen Neuformulierungen, es gibt Versuche, Bekenntnisse zu formulieren, die unserem Verständnis und Wissen besser entsprechen. Es geht vielmehr darum, wie mit dem Glaubensbekenntnis in unseren Gottesdiensten umgegangen wird.
Eins steht fest: das Credo gehört dazu. Ein „Gottesdienst ohne” öffnet Tor und Tür für Spekulationen über das, was man nun glauben soll, und die Predigt wird dann oft zum Maßstab. Allerdings soll sich die Predigt ja am Glaubensbekenntnis messen lassen. Von daher ist es gut und sinnvoll, wenn jeder Christ das Glaubensbekenntnis auswendig beherrscht (zumindest das Apostolische, von dem hier weitgehend die Rede ist), damit auch er in der Lage ist, diesen Maßstab anzulegen.
Wenn das Glaubensbekenntnis gesprochen wird, steht die Gemeinde üblicherweise. Merkwürdigerweise halten die meisten Gemeindeglieder während des Glaubensbekenntnisses auch die Augen geschlossen und falten die Hände, als ob sie beten würden; genau das aber ist falsch. Das Glaubensbekenntnis ist ein Aussage, die wir jedem gegenüber machen, der unseren Glauben in irgendeiner Weise anfechten will, oder der schlicht wissen will, woran wir glauben. Es ist kein Gebet. Es ist auch nicht an Gott gerichtet, sondern an den Nachbarn, an den Zuhörer, der es nicht kennt, an den Teufel, der immer im Gebälk sitzt. Mit dem Glaubensbekenntnis geht Wachsamkeit einher, Wachsamkeit vor der Versuchung, vor dem Unglauben, vor dem Zweifel. Deshalb heißt die Devise „Augen auf” und nicht „Augen zu”. Die Hände werden nicht wie zum Gebet gefaltet, sondern eher zum Kampf bereit gehalten, wo sie normalerweise sind, wenn man steht: locker herunterhängend an den Hosennähten (so etwa, bei mancher Bekleidung paßt das sicher nicht, aber eine natürliche Haltung ist gegeben). Zum Kampf bereit, weil der Versucher lauert. Freilich reden wir hier nicht vom Kampf mit physischen Waffen, sondern vom Kampf mit den geistlichen, aber auch dazu können wir manches mal unsere Hände gebrauchen.
Ist es möglich, die Gemeinde umzuerziehen? Es wird nicht viel Sinn haben, diese Ausführungen im Gottesdienst zu wiederholen. Es eignet sich eher ein Gemeindeseminar über das Glaubensbekenntnis dazu, das Bewußtsein unter den Gemeindegliedern zu ändern. Dort aber sollte auch darauf hingewiesen werden, dass das Glaubensbekenntnis eben eine Aussage und kein Gebet ist, und die Haltung dementsprechend im Gottesdienst durchaus anders sein darf.

Dr. Martin Senftleben