das Kirchenjahr

Pfingstsonntag

Tag der Ausgießung des Heiligen Geistes

Ausgießung des Heiligen Geistes

Predigtbeispiele

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Zu den Perikopen

Predigtvorschläge zu Reihe I - Joh 14, 15-19(20-23a)23b-27

Liebe Gemeinde!
Zweitausend Jahre ist es her. Zweitausend Jahre, bis wir an diesem Punkt angekommen sind, an dem einen das Gefühl beschleichen kann, dass es zu Ende geht.
Zweitausend Jahre - das ist eine lange Zeit. In dieser Zeit sind ganze Völker aufgeblüht und wieder von der Bildfläche verschwunden. Gesellschaftsstrukturen entstanden und wurden als unzureichend verworfen oder weiterentwickelt.
In diesen zweitausend Jahren haben die Menschen die Fähigkeit, mit hoher Geschwindigkeit zu reisen, durch den Bau von Motoren gewonnen. Sie haben sich sogar den Traum vom Fliegen erfüllt. Viele Krankheiten nehmen keinen tödlichen Ausgang mehr, die Lebenserwartung ist erstaunlich hoch. Man hat inzwischen gelernt, dass die Erde eine Kugel und nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Man hat begonnen, zu zweifeln, dass jede Pflanzenart, jede Tierart und der Mensch von Gottes Hand geschaffen sind, und stattdessen die Theorie entwickelt, dass alles aus einer einzigen großen Masse entstanden ist.
Wir haben gelernt, das Weltall zu erforschen. Astronauten haben nach Gott gesucht und ihn nicht gefunden.
Zweitausend Jahre, in denen unglaublich viel geschehen ist. Eine Zeit, in der der Mensch nie daran gezweifelt hat, dass er eines Tages alle Rätsel seiner Existenz gelüftet haben wird. Zweitausend Jahre, in denen er unermüdlich geforscht, entwickelt und zerstört hat. Zweitausend Jahre, in denen die Frage nach Gott immer wieder neu gestellt und von den Menschen auf verschiedene Weise beantwortet wurde.
Die Kirche blieb dabei eine Konstante, aber doch nicht konstant. Sie wandelte sich, passte sich den Veränderungen an, aber meist doch recht schwerfällig. Manchmal aber war sie auch Vorreiterin, wagte Wege, die sonst als zu riskant galten, und die manchen gar nicht gefielen. So blieb die Kirche auch nicht »die eine Kirche«. Sie zersplitterte in unzählige kleinere und größere Gruppen, die sich dann teilweise auch wieder unter Dachorganisationen zusammenfanden. Die Vielfalt ist enorm, und wenn man's genau bedenkt, dann ist das auch gut so.
Nur... wer sich selbst nicht sicher ist, wo er hingehört, hat es durch diese Vielfalt nicht gerade leicht.
Wo gehöre ich hin? Was ist richtig? Ist das, was mir zusagt, womit ich mich identifizieren kann, das Richtige? Oder das, wo ich mich herausgefordert fühle, wo ich gerne widersprechen würde? Muss ich meinen Glauben an Gott überhaupt an die große Glocke hängen, indem ich Gottesdienste besuche oder darüber mit anderen Menschen rede? Ist mein Glaube nicht meine Privatsache?
Aber viele stellen sich diese Fragen gar nicht erst. Für sie ist Gott eher ein Relikt aus ihrer Kindheit, das sie hinter sich lassen müssen so wie vieles anderes, wenn sie erwachsen werden.
Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche, und ein guter Anlass, darüber nachzudenken, warum immer mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren. Passt sie nicht mehr in unsere Zeit? Hat sie den Menschen in unserer Zeit nichts mehr zu sagen? Der Erfolg des Kirchentages zeigt, dass es durchaus ein Interesse daran gibt, was Kirche zu sagen hat - nur dass der Kirchentag selbst kaum mit den Kirchengemeinden vor Ort zu vergleichen ist. Aber er passt wohl in unsere Zeit, in der man gelernt hat, sich aus einem großen Angebot das Passende herauszupicken. Und natürlich findet man auf dem Kirchentag immer Gleichgesinnte.
Aber das ist eben keine Kirche. Kirche ist die Gemeinschaft der Gläubigen, die jeden einzelnen in die Verantwortung nimmt. In dieser Gemeinschaft kann man sich nicht aussuchen, was gerade zu einem passt, auch wenn es oft so ist, dass man etwas Passendes finden kann.
Kirche ist keine Institution - die Landeskirchenämter sind nur verwaltende Organe, aber nicht die Kirche. Die Kirche selbst hat eine ganz andere Struktur, und die wird durch die Worte Jesu beschrieben, die wir vorhin schon als Evangelienlesung gehört haben:

Jesus sprach: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat.
Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.


Der Heilige Geist wird euch alles lehren und an alles erinnern. Der heilige Geist ist es, der die christliche Kirche über zweitausend Jahre am Leben erhalten hat. Der heilige Geist ist es, der ihr auch heute den Weg zeigt. Die Kirche: das sind wir, solange wir uns vom Geist Gottes leiten lassen.
Und darin liegt wohl das Problem unserer Zeit: wir lassen uns nicht vom Geist Gottes leiten, sondern von unseren Bedürfnissen. Um Kirchensteuer zu sparen, tritt man aus der Kirche aus. Dennoch benutzen viele die Kirche, die längst nicht mehr zu ihr gehören. Sie ist ja öffentlich. Aber sie wird dabei zu einer Art Dienstleistungsbetrieb, zu einem Supermarkt, degradiert.
In allem Bemühen um den Erhalt der Mitgliederzahlen dürfen wir nicht vergessen, dass wir eine Botschaft zu vermitteln haben, die uns der Geist Gottes selbst gelehrt hat: dass wir durch Jesus Christus mit Gott versöhnt sind. Dass Leben nicht dadurch an Qualität gewinnt, dass wir uns möglichst viel Besitz anhäufen und uns an allen Ecken und Enden absichern, sondern dadurch, dass wir die Not unserer Mitmenschen erkennen und uns für eine Linderung ihrer Not einsetzen.
Unser Leben gewinnt erst dadurch, dass wir nicht achselzuckend behaupten, dass man da sowieso nichts ändern könne, sondern dass wir uns darauf verlassen, dass wir in unserem Bemühen nicht alleine sind, sondern der allmächtige Gott dabei ist und uns zur Seite steht.
Einen Sinn erhält unser Leben erst dadurch, dass wir erkennen, wozu uns Gott geschaffen hat.
Der heilige Geist kann uns darauf Antwort geben. Wenn wir ihm in unserem Leben Raum geben, kann es ganz schön aufregend werden, aber eines wissen wir dann gewiss: es ist nicht vergeblich gewesen.
Der Geist kann unser Leben in Aufruhr bringen, aber mit ihm kommt auch etwas anderes in unser Leben: Frieden, genauer gesagt: Gottes Frieden. Dieser Frieden ist nicht vergleichbar mit dem Frieden, den man zwischen Völkern aushandelt, denn er geht viel weiter.
Der Friede Gottes umfasst den ganzen Menschen, jeden einzelnen. Dieser Friede existiert auch dort, wo Krieg herrscht. Denn er bringt Menschen dazu, sich ganz auf Gott zu verlassen und von ihm alles zu erwarten. Dieser Friede ist einzigartig. Er macht Menschen zu Friedenstiftern, weil sie keinen Anlass mehr sehen, in irgendeiner Form Krieg zu führen. Dieser Friede überwindet Grenzen, er verbindet Menschen, die einander fremd zu sein scheinen. Er fängt bei uns selbst an.
Solch einen Frieden schenkt uns der Geist Gottes. Aber er kann erst wirksam werden, wenn wir das Geschenk auch annehmen - wenn wir uns für diesen Geist öffnen, ihm Raum in unserem Herzen schenken.
Kirche ist also alles andere als unmodern oder unzeitgemäß, denn in ihr wird das geschenkt, wonach sich doch alle Menschen sehnen: Frieden. Das wird nur deswegen zu einem Problem, weil viele Menschen nicht erkennen, dass sie selbst den Anfang machen müssen, um ein Teil werden zu können dieser großen Gemeinschaft der Gläubigen - sie müssen den Geist auf sich wirken lassen. Nicht ich entscheide, wie mein Glaube auszusehen hat, sondern der Geist Gottes sagt es mir.
Nein, Glaube ist also keine Privatsache, nichts, was ich mir nach meinen Vorstellungen aus allen möglichen Angeboten zusammen suche. Der Geist Gottes vereint uns zu einer großen Gemeinschaft, in der wir dem Willen Gottes folgen und auf ihn hören. Zu dieser Gemeinschaft zu gehören, ist nicht etwa eine Belastung, sondern ein Geschenk. Dazu gebe uns der Geist die Möglichkeiten, damit wir dies spürbar machen für unsere Mitmenschen.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Jesus lebt, mit ihm auch ich (EG 115)
Komm, Heiliger Geist, Herre Gott (EG 125)
Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist (EG 126)
Freut euch, ihr Christen alle (EG129)
O Heilger Geist, kehr bei uns ein (EG 130)
Komm, o komm, du Geist des Lebens (EG 134)
Schmückt das Fest mit Maien (EG 135)
O komm, du Geist der Wahrheit (EG 136)
Gott, der Vater, steh uns bei (EG 138)
Gleichwie mich mein Vater (EG 260)
Strahlen brechen viele aus einem Licht (EG 268)


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Predigtvorschläge zu Reihe II - Apg 2, 1-21

Die Jünger saßen alle stumm
in ihrem Kämmerleinchen rum.
Sie wagten kaum sich mal zu rühr'n,
es waren zu auch alle Tür'n,
sie fühlten sich so richtig schwach,
und blieben darum unterm Dach,
denn Jesus war, das wissen wir,
nicht da, ja, er war nicht mehr hier.

Er war auch nicht mal anderswo,
bei Nachbarn, Freunden oder so,
nein, er war gänzlich aus der Welt,
war nicht mehr unterm Himmelszelt.
So saßen sie nur wartend da,
denn Jesus sei ihnen ganz nah,
so hatte er es mal gesagt.
Doch da hat niemand nachgefragt,
denn gar zu heilig war die Stund
in der er da war in der Rund.
Jetzt wusste wirklich keiner mehr,
wo er wohl würde kommen her,
wenn er erneut bei ihnen sei;
sie sehnten ihn wohl sehr herbei.

Doch nun, sie spürten, er war fort,
war eben nicht am gleichen Ort,
und hofften lang und hofften sehr,
dass er den Geist bald schickte her.
Denn so versprach er ihnen mal,
als er sie Gott ganz anbefahl,
den Tröster werde senden er,
von wo nur? Ja, vom Vater her!
Sie warteten, sie saßen dort
und hofften nur in einem fort,
dass es nicht lange würde sein
bis dieser Geist nun kehrte ein.

Und dann, an einem hellen Tag,
so hell, dass man sich freuen mag,
da gab's ein Brausen, wild und laut,
die Jünger es vom Hocker haut!
Durch's Dach hindurch, von oben her,
der Geist erfreut sie alle sehr,
er kommt mit ziemlich lautem Krach,
jetzt sind sie sicher alle wach!

Er ist wie Feuer, doch ihr seht
geteilt er über ihnen steht,
dann rührt er sie von innen an,
nichts hält sie mehr. Es geht voran
der Petrus, den der Herr erwählt
zum Fels, auf den die Kirch' gestellt.
So gingen sie ins Freie raus,
sie gingen alle aus dem Haus,
sie riefen zu den Leuten dort,
die blieben stehen an dem Ort,
und hörten, ja, was hörten sie?
Ob das uns jemand glaubt? Wohl nie!
Denn jeder hörte, mit Gemach,
die Worte in der eig'nen Sprach.
Das galt für Meder, Libyer,
Elamiter und Phrygier,
Auch die aus Kappadozien
verstanden jedes Sätzelchen.
Die Kreter und die Araber,
Die Parter auch vom Osten her,
Von noch ein bisschen weiter denn
dem Land Mesopotamien,
sie alle standen still und leis
und hörten es auf ihre Weis.

Doch hörten sie wohl gar nicht hin,
Die Worte machten keinen Sinn.
Es war schon ziemlich laut und wirr,
ein jeder sprach, solch ein Gewirr
lässt sich gewiss nicht leicht verstehn,
wenn überhaupt! Man sollte gehen.

So manche fanden's nicht so toll:
"Die sind doch wohl des Weines voll!
So früh am Tag! Schon unerhört!"
Gar viele fühlten sich gestört.
Doch Petrus hob die Arme dann
und fing alsbald zu reden an.

"Was ihr hier seht, versteht es wohl,
das ist der Geist, das ist nicht hohl,
es ist der Geist, von Gott gesandt,
er kommt direkt aus Gottes Hand!
Er lässt uns reden frisch und frei,
hört nur gut zu! Lauft nicht vorbei!
Es sind die letzten Tage nun,
da gibt es sicher kein Vertun,
Doch Gott lässt uns jetzt nicht allein,
er lässt den Geist ja bei uns sein,
der gibt uns Kraft, der gibt uns Mut,
der Geist lässt alles werden gut!
Er will nicht nur bei uns allein,
er will bei allen Menschen sein.
Seid ihr bereit? So fragt den Herrn,
er wird ihn zu euch senden gern!"

Die Menschen hörten staunend zu,
so manchem ließ es keine Ruh.
Als Paulus dann von Jesus sprach,
da ging es vielen Menschen nach,
sie fragten ihn, sie baten drum,
sie blieben nun nicht länger stumm,
sie wollten Kinder Gottes sein -
sie baten nicht nur so zum Schein -
so gab es eine Taufe dann,
sie tauften Frauen, Kind und Mann.

Es war zwar alles neu für sie,
doch richtig neu war es wohl nie,
der Geist, der lehrte sie alsbald,
er gab die Kraft, gab ihnen Halt.
Der Geist, den Gott herabgesandt,
so dass ein jeder es verstand,
er machte sie zu Freunden gleich,
zu Kindern für das Himmelreich.
Sie teilten das, was ihres war,
sie teilten mit der ganzen Schar,
sie hörten oft auch auf das Wort,
sie hörten es in einem fort.
Ein jeder sah die immer gern,
die folgten nun dem einen Herrn,
denn freundlich waren sie und nett
und dazu immer auch adrett.

So soll'n die Kinder Gottes sein,
dann bleiben sie auch nicht allein!
Der Geist, er weht zwar, wo er will,
und hält auch sicher keinmal still,
doch ist er sicher denen nah,
die an ihn glauben, das ist wahr.
So ist er jetzt auch mit dabei,
und macht uns alle froh und frei
von jeder Last, von allem Leid
das uns das Leben hält bereit.
So lasst uns alle dankbar sein
und voller Jubel stimmen ein!

Gott ist bei uns, das feiern wir,
drum sind wir alle heute hier,
wir feiern es auch anderswo,
und sagen es jetzt nicht nur so,
Denn heute ist ein großer Tag,
Ein Tag der Freude, ohne Frag,
Die Kirche heut' geboren ist,
Die Kirche unsres Herren Christ!
Drum feiern wir in seinem Namen
und sprechen dankbar unser "Amen!".

oder

Liebe Gemeinde!
Wenn ich die Pfingstgeschichte höre, wie sie uns Lukas erzählt, dann erinnere ich mich an die Bildchen, die immer im Kindergottesdienst ausgeteilt wurden und auf denen die Jünger mit kleinen Feuerflammen über ihren Häuptern zu sehen waren. Anfangs konnte ich damit nicht viel anfangen – wieso brennen die Köpfe der Menschen? Sie sahen für mich aus wie menschliche Kerzen – etwas bedrohlich schien es mir.
Erst viel später wusste ich, dass diese Feuerzungen Symbole sind für den Heiligen Geist. Es ist ja auch so: das Bild selbst kann gar nicht wirklich wiedergeben, was sich da damals in Wahrheit zugetragen hat. Denn in der Geschichte wird ja nur von einer Erscheinung geredet, die wie Feuerzungen aussah.
Ob das wirklich sichtbar gewesen ist, steht gar nicht zur Debatte. Vielmehr werden diese „Feuerzungen“ gleich interpretiert als Erscheinungsform des Heiligen Geistes, der sich dann auf sie setzte und sie erfüllte.
Also war das mit den Feuerzungen wohl nur ein kurzer Moment, wenn es überhaupt sichtbar war. In der nachfolgenden Erzählung, als sie sich dann hinaus begeben, verwundern sich die Menschen ja auch nicht über die Feuerzungen auf ihren Häuptern, sondern über das, was der Heilige Geist in ihnen bewirkt hatte.
Und das ist nun wirklich außergewöhnlich: Menschen aus Galiläa, nicht gerade hoch gebildet, aber natürlich auch nicht völlig dumm, reden so, dass Menschen aus der ganzen damals bekannten Welt sie verstehen können.
Das ist das eigentliche Wunder, das man allerdings auf Bildern nicht darstellen kann, weswegen man sich wohl lieber mit den Feuerzungen begnügt.
Das Pfingstfest, dieses erste Pfingstfest der Christenheit, brachte Einheit, wo sie seit Anbeginn der Menschheit nicht mehr möglich war. Seit dem Turmbau zu Babel gibt es verschiedene Völker und Sprachen.
Die Verständigung untereinander konnte nur dann geschehen, wenn man sich die Mühe machte, die Sprache der anderen auch zu erlernen. Das wird heutzutage bei dem Versuch, Flüchtlinge zu integrieren, in besonderer Weise wieder deutlich.
Sprache grenzt ab. In den letzten Jahrzehnten kam es zu mehreren Staatengründungen, weil sich Bevölkerungsgruppen, die eine eigene Sprache pflegten, von der Regierung nicht ausreichend repräsentiert sahen. Neue Grenzen wurden gezogen.
Die Geschichte vom Turmbau zu Babel, in der davon die Rede ist, wie es zu der Vielfalt der Sprachen kam, musste übrigens auch herhalten für eine theologische Begründung der Apartheid, die bis vor fast 25 Jahren in Südafrika herrschte. Die Trennung der Völker sei gottgewollt, so hieß es – wie könnten wir uns dagegen stellen?
Doch wer so denkt und redet, übersieht völlig das, was sich zu Pfingsten ereignete, wo Gott selbst durch seinen Geist die Verbindung zwischen den Völkern wieder herstellte.
Bemerkenswert ist dabei wohl, dass nicht davon die Rede ist, dass sich die Menschen jetzt plötzlich untereinander verständigen können, sondern nur davon, dass sie die Rede von den großen Taten Gottes verstehen können.
Einigkeit, die kannte die christliche Gemeinde allerdings schon vorher. Christus war in den Himmel aufgefahren – danach zerstreuten sich seine Jüngerinnen und Jünger nicht etwa, sondern sie versammelten sich regelmäßig zum Gebet und zum gemeinschaftlichen Mahl.
Nun war es für sie nicht weiter kompliziert, diese Einheit darzustellen. Sie hatten alle den gleichen Hintergrund, waren etwa drei Jahre lang mit Jesus unterwegs gewesen und hatten sich in dieser Zeit sehr gut kennengelernt. Sie waren gute Freunde, und Freundschaften halten mitunter ein Leben lang, das wissen wir aus eigener Erfahrung.
Aber es hätte auch anders sein können. Denn was für einen Grund gab es nun noch, sich zu versammeln, beieinander zu bleiben? Jesus war fort, und mit ihm das Besondere, die Kraft, die böse Geister auszutreiben und Kranke zu heilen vermochte. Mit ihm war auch die Kraft des Wortes geschwunden, die Vollmacht, mit der er religiöse Oberhäupter provoziert und politische Herrscher ins Grübeln gebracht hatte.
Noch viel wichtiger aber: jetzt fehlte die Ermutigung, der Zuspruch, die Gewissheit, dass es sich lohne, diesen Weg, seinen Weg, mit zu gehen.
Aber dieser ganze Mangel führte nicht etwa dazu, dass sie sich trennten und jeder wieder seine eigenen Wege ging. Im Gegenteil: sie spürten diesen Mangel sehr deutlich, denn sie wussten ja, dass das alles möglich war. So war ein Funke, eine Hoffnung in ihnen geblieben, dass es wieder so werden könnte. Dazu trat, dass Jesus ihnen ja auch den Tröster verheißen hatte, wie wir im Johannes-Evangelium lesen können:
Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. 16 Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: 17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.
18 Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. 19 Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe und ihr sollt auch leben. 20 An jenem Tage werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch.
(Joh 14, 15-20)
Dieser Verheißung – und ihrer eigenen Erfahrung – vertrauten sie. Darum blieben sie beieinander, darum blieben sie eine Gemeinde, kraftlos zwar, aber nicht ohne Hoffnung.
Dass sie damit zugleich eine Bedingung für das Wirken des Heiligen Geistes erfüllten, ist ihnen vermutlich nicht einmal bewusst gewesen. Aber es ist so: der Geist weht zwar, wo er will, aber er wirkt besonders da, wo Menschen sich im Gebet und im Vertrauen auf die Liebe Gottes versammeln.
Denn der Geist Gottes bildet Gemeinschaft, und er sucht Gemeinschaft: wir finden diesen Gedanken auch im Glaubensbekenntnis wieder, wenn im dritten Artikel, in dem es ja um den Heiligen Geist geht, auch von der Gemeinschaft der Heiligen und der einen christlichen Kirche geredet wird. Dies wird durch den Heiligen Geist gewirkt.
Und plötzlich ist das, was für sie schon selbstverständlich gewesen war: das Füreinander-Da-Sein, das Zueinander-Gehören, das Sich- Unter-Dem-Evangelium-Versammeln, nicht mehr nur für sie von Bedeutung: es wirkt sofort hinaus in die Welt.
Die Einigkeit, in der sich die ersten Christen durch den Heiligen Geist offenbaren, vereint sogleich auch all die Menschen, die eigentlich gar nicht zusammen gehören können, weil sie sich untereinander nicht verstehen.
Die christliche Gemeinde, die Einheit der christlichen Gemeinde ist es, die nun die Brücke schlägt. Durch das Evangelium – es sind die „großen Taten Gottes“ (Apg 2, 11), von denen sie reden – werden Parther, Meder, Elamiter, Ägypter, Römer, Kreter, Araber und all die anderen plötzlich eins.
Der Geist verbindet, er führt zusammen.
Verwundert es, dass die Welt draußen das nicht versteht? Ist es wirklich verwunderlich, dass die, die immer ihre Grenzen gezogen haben und lieber für sich allein leben als in der Gemeinschaft mit anderen, da, als sie bemerken, dass es auch anders geht, dass Gemeinschaft möglich ist, einen Rückzieher machen und behaupten: sie sind voll von süßem Wein?
Denn das, was hier durch den Heiligen Geist in Gang gesetzt wird, gefährdet etwas, was in unserer Gesellschaft längst zum Gott erhoben wurde: den wirtschaftlichen Erfolg, der im Kleinen wie im Großen das Leben aller Menschen zu bestimmen scheint.
Der Heilige Geist schafft dagegen Gemeinschaft, die füreinander da ist. Wenig später schon, noch im gleichen Kapitel, ist in der Apostelgeschichte davon die Rede, wie diese Gemeinschaft aussieht:
Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber Furcht über alle Seelen und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. (Apg 2, 42-45)
Wenn man genau hinsieht, dann wird einem klar: das ist Kommunismus in seiner reinsten Form. Nur dass wir dieses Wort nicht so gerne hören, denn uns sind die Auswirkungen des politischen Kommunismus nur allzu deutlich vor Augen – wir wissen, dass das nicht funktioniert hat.
Aber wie sollen wir es nennen? Christliche Kirche? Christliche Gemeinde? Christliche Gemeinschaft? Kommunität?
Oder tun wir das Ganze ab und sagen, es sei doch alles nur ein Traum? In Wahrheit habe das doch nie funktioniert, es könne gar nicht funktionieren, genauso wenig wie der politische Kommunismus? Oder ist dieser Bericht tatsächlich Zeugnis der Entstehung einer Gesellschaftsform, die sich abhebt von dem Rest dieser Welt und diese Welt verändern könnte, wenn sie nur Bestand gehabt hätte? Fest steht, dass die etablierte, institutionalisierte Kirche nur wenig davon widerspiegelt. Spätestens seit der christliche Glaube zur Staatsreligion erhoben wurde, dürfte diese Gesellschaftsform, die hier Ausdruck fand, in den Hintergrund getreten und vergessen worden sein.
Aber doch hat es immer Gemeinschaften gegeben, die genau das leben: klösterliche Gemeinschaften, im protestantischen Bereich oft Bruderschaften oder Kommunitäten genannt, versuchen, diese Gesellschaftsform wirklich werden zu lassen.
In unserem Predigttext wird der Geburtstag der Kirche geschildert, wie sie gemeint ist: eine Gemeinschaft der Heiligen, die aus der Vergebung der Sünden heraus lebt und wirkt in einer Welt, die Macht und Geld als die wichtigsten Güter menschlicher Existenz ansieht.
Dagegen setzt die christliche Gemeinde ihr Wissen von der Allmacht Gottes, der letztlich alle Dinge in der Hand hat und vor dem es egal ist, ob man reich ist oder nicht.
Aber dieses Wissen glaubhaft zu machen, fällt uns heute schwer. Das liegt schon daran, dass die Kirche in viele Kirchen zersplittert ist, und geht weiter bis dahin, dass Menschen, ja, sogar Kinder, in ihr missbraucht wurden.
Es geht manchmal, so kann man wohl sagen, allzu menschlich zu in der christlichen Kirche. Und darum stellt sich die Frage: Wer will einer solchen Kirche noch glauben? Wer kann ihr Zeugnis von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes noch ernst nehmen?
Nun, der Heilige Geist macht es möglich. So wie damals Hunderte sich sogleich taufen ließen, obwohl der Zweifel noch viel mehr Menschen davon abhielt, so kann es auch heute sein. Der Geist wirkt auf eine Weise, die sich uns nicht ohne Weiteres erschließt. Aber seine Kraft sollten wir niemals unterschätzen; wir dürfen nie aufhören, mit ihm zu rechnen.
Beten wir also darum, dass Gott, der Vater, sich in seiner Kirche als der Allmächtige und der Barmherzige offenbart;
Beten wir darum, dass Gott durch seinen Geist die Einheit schafft, die wir Menschen nicht herstellen können;
Beten wir darum, dass Gott durch seinen Sohn die Schuld vergibt, die uns belastet und unglaubwürdig macht.
Damit die Kirche sei, wie sie von Anfang an gemeint ist: eine Gemeinschaft der Heiligen, die Gemeinde der Auserwählten Gottes, die Versammlung derer, die sich Kinder Gottes nennen dürfen.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Nun bitten wir den Heiligen Geist (EG 124)
Komm, Heiliger Geist, Herre Gott (EG 125)
Jauchz, Erd, und Himmel, juble hell (EG 127)
O Heilger Geist, kehr bei uns ein (EG 130)
Zieh ein zu deinen Toren (EG 133)
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen (EG 241)
O dass doch bald dein Feuer brennte (EG 255)
Sonne der Gerechtigkeit (EG 263)
Zu Ostern in Jerusalem (KHW-EG 556)


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Predigtvorschläge zu Reihe III - Gen 11, 1-9

Liebe Gemeinde,
Das ist schon eine merkwürdige Erzählung, diese Geschichte vom Turmbau zu Babel. Fragen über Fragen tauchen da auf, wenn man etwas genauer hin sieht. Man könnte zwar über manches hinweg sehen, aber das klärt ja nicht die Fragen, die sich einem stellen.
Es sind drei Fragen, die ich formulieren und auf die ich eingehen möchte:
Wozu hat Gott den Menschen geschaffen?
Wovor hat Gott Angst?
Wohin führt die Sprachverwirrung?
Zunächst zur ersten Frage: Wozu hat Gott den Menschen geschaffen? Der Mensch hat Fähigkeiten in die Wiege bekommen, durch die er zumindest Gott ähnlich ist. So heißt es ja auch im Schöpfungsbericht: zum Bilde Gottes schuf er den Menschen. Das meint ja sicher nicht, dass Gott aussieht wie wir, sondern dass wir wie er Verantwortung übernehmen können, dass wir Entscheidungen fällen können, dass wir Gutes von Bösem unterscheiden können.
Nur ewiges Leben fehlt uns, aber man sollte in dem Zusammenhang bedenken, dass es den Menschen schon gelungen ist, die Lebensspanne enorm zu verlängern.
Damals schon werden diese Fähigkeiten erkennbar in dem Handeln der Menschen: Sie beginnen, Städte zu bauen, Handel zu treiben, und schließlich wollen sie sich auch einen Namen machen. Sie wollen etwas bedeuten. Denn das gehört zum Menschsein dazu: er fragt nach dem Sinn seines Lebens. Wozu bin ich hier, wenn der Tod mich letztlich zu Staub werden lässt und ich vergessen werde? Was nützt dann all mein Tun?
Vielleicht ist das überhaupt das Wesentlichste des Menschsein, dass man sich immer aufs Neue diese Frage stellt: was mache ich hier eigentlich? Die Antwort kann Gott geben. Doch oft denken wir nicht daran, ihn danach zu fragen.
Und so wollten die Menschen damals selbst dafür sorgen, dass sie nicht vergessen werden. Denn Gott hatten sie nicht so richtig im Blick. Der Plan war, einen Turm zu bauen, der bis an den Himmel reicht.
Welcher Himmel? Nun, das bleibt offen. Aber es scheint doch so zu sein, dass sie an Gott heranreichen wollen. Sonst würde Gott ja wohl kaum so reagieren, wie er es tut.
Das führt uns dann auch zur nächsten Frage:
Wovor hat Gott Angst?
Denn es scheint ja so, als ob er Angst hätte: „Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.“
Kann das wirklich sein, dass Gott Angst hat? Wohl kaum. Der Mensch ist drauf und dran, sämtliche Grenzen nieder zu reißen. Wenn ihm das gelänge, würde es fatale Folgen haben.
Es gibt Dinge, die wir nicht tun sollten, auch wenn wir sie tun könnten. Manches hat unabsehbare Folgen. Deutlich spürbar wurde es bei der Entwicklung der Atombombe und geht weiter bis zur genetischen Manipulation von Pflanzen und Tieren. Plötzlich überrennt uns die massive Klimaveränderung, die immer häufiger zu riesigen Überschwemmungen und andernorts zu extrem langen Dürreperioden führt, wie es sie vorher nur selten gegeben hat. Wir wissen, dass dies durch den unüberlegten Umgang mit unseren Resourcen so entstanden ist.
Gott setzt diesem Treiben frühzeitig ein Ende, indem er die Menschen daran hindert, dass sie sich untereinander verständigen. Und damit sind wir bei der letzten Frage:
Wohin führt die Sprachverwirrung?
Es ist ein merkwürdiges Mittel, denn im Grunde muss Gott ja damit rechnen, dass Menschen wieder über die Sprachgrenzen hinweg zueinander finden. Aber in der Tat hat die Trennung zunächst dazu geführt, dass sich die Menschheit im Grunde selbst immer wieder Grenzen gesetzt hat, über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg. Kulturen sind emporgestiegen und wieder gefallen. Das hat demütig gemacht.
Doch jetzt sind die Menschen trotz aller Sprachbarrieren in einer fortschreitenden Entwicklung, die sie Gott wieder vergessen lässt.
Um so wichtiger ist es doch, dass wir als Christen Gott wieder in das Bewusstsein der Menschen rücken. Schon vor 2000 Jahren hat Gott das Seine dazu getan. Er hat den Heiligen Geist über seine Jünger ausgegossen. Er hat sie stark gemacht, Anfechtungen zu widerstehen. Er hat ihnen Mut gegeben, von Gott zu reden und von seinem Handeln durch Jesus Christus. Er hat ihnen Hoffnung geschenkt, wo alles hoffnungslos schien.
Um diesen Geist bitten wir immer wieder aufs Neue.
Doch sollten wir nicht vergessen: Der Geist ist schon da. Gott hat ihn ja gesandt, er hat ihn seiner Gemeinde gegeben.
Worum wir also bitten können, ist, dass wir diesen Geist zu spüren bekommen. Dass wir auf ihn aufmerksam werden. Dass wir ihm nachgeben, damit er in uns groß werden kann.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Preis, Lob und Dank sei Gott dem Herren (EG 245)
O dass doch bald dein Feuer brennte (EG 255)
Lobet und preiset, ihr Völker (EG 337)
Es kommt die Zeit (HN-/KHW-EG 560)
Damit aus Fremden Freunde werden (HN-/KHW-EG 639)


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Predigtvorschläge zu Reihe V - 1. Kor 2, 12-16

Liebe Gemeinde!
Wenn ich diese Worte des Apostels Paulus höre, dann gehen mir viele Dinge durch den Kopf.
Ich denke z.B. an manche Konfirmanden, denen man ansehen kann, dass sie eigentlich überhaupt keine Lust haben, etwas über den christlichen Glauben zu erfahren.
Ich erinnere mich an die vielen Male, in denen ich das Gefühl hatte, dass die Botschaft von der Auferstehung und vom ewigen Leben bei den Gästen ener einer Beerdigung ungehört verhallte.
Ich denke an die Gespräche, in denen ich mich immer wieder bemühe, das Wesentliche der Taufe zu erklären, und am Ende doch nicht sicher sein kann, dass es verstanden wurde.
Ich denke auch daran, dass für manche Brautpaare bei der Trauung die Äußerlichkeiten das Wichtigste sind – alles muss perfekt sein, aber dieser Anspruch bezieht sich eben nur auf das Äußere: das Hochzeitskleid, die Musik, der Ort.
Mir wird bewusst, wie wenig wir von dem reden, was uns eigentlich selbstverständlich sein sollte, und wie viel wir von dem reden, was uns nichts oder wenigstens nicht so viel bedeuten dürfte.

Aber es kommen mir auch die anderen Dinge in den Sinn.
Die Konfirmanden, denen plötzlich klar wird, dass es im Unterricht um mehr geht als nur darum, die Zeit abzusitzen, und die darum engagiert und gerne mitmachen.
Die Trauernden, die durch das Evangelium echten Trost erfahren.
Die Brautpaare, die sich durchaus ihres Mangels bewusst sind und wissen, dass sie den Segen Gottes brauchen, damit das gemeinsame Leben gelingen kann.
Die überraschenden Begegnungen mit Menschen, denen nicht nur das Äußerliche am Herzen liegt, sondern die nach Nahrung für ihre Seele suchen.
Kurz gesagt: Es ist beides da, die enttäuschenden und die ermutigenden Erfahrungen. Der Predigttext scheint sich insoweit zu bestätigen, dass man den Eindruck hat, sogenannten „natürlichen“ und „geistlichen“ Menschen zu begegnen.
Doch der zweite Blick auf unseren Predigttext lässt dann gleich schon die Frage aufkommen: geht es überhaupt darum? Geht es hier um die Unterscheidung von geistlichen und natürlichen Menschen, oder geht es nicht doch noch um etwas anderes?
Paulus stellt jedenfalls diese zwei Arten von Menschen einander gegenüber. Es ist aber gar nicht mal klar, dass das zwei verschiedene Menschengruppen sind. Könnte es nicht vielmehr sein, dass in einem Menschen beides existiert – der natürliche und der geistliche Mensch?
Doch gehen wir erst mal zurück an den Anfang. Da spricht Paulus von dem, worum es an diesem Festtag ja überhaupt geht: dem Geist Gottes, der ausgegossen wurde über die Menschen. Dieser Geist aus Gott wird durch die Taufe vermittelt; das steht zwar nicht in unserem Predigttext, finden wir aber an vielen anderen Stellen in unserer Bibel wieder.
Es gibt aber zum Geist aus Gott gleich ein Gegenüber, den Gegenpol gewissermaßen, nämlich den Geist der Welt. Und hier ist es wohl so, dass beide miteinander unvereinbar sind. Geister im biblischen Sinn sind wesensbestimmend, sie könnten sich nicht miteinander vermischen, sie können höchstens gegeneinander kämpfen.
Der Geist Gottes nun hat eine ganz bestimmte Aufgabe, nämlich uns deutlich zu machen, „was uns von Gott geschenkt ist“. (1. Kor 12, 2b)
Und das ist nötig. Es ist doch in der Tat so, dass man so etwas nicht selbstverständlich weiß, auch nicht durch Lernen oder gar Logik erfassen kann. Welcher natürliche, also von der Vernunft bewegte und überzeugte Mensch, versteht es schon, wenn von Vergebung geredet wird oder von Liebe?
Vielleicht schafft er es ja bis zu einem gewissen Grad; aber die Bedingungslosigkeit, mit der Gott uns seine Gnade erweist und zuspricht, die kann niemand mit dem Verstand erfassen.
Der natürliche Mensch sträubt sich ja schon gegen nahezu alles, was im Glaubensbekenntnis bekannt wird, weil es ihm schlicht unvernünftig erscheint. Nichts von alledem, was da gesagt wird, lässt sich beweisen.
Damit die Menschheit also dieses Geschenk Gottes, seine Liebe, erkennen kann, ist der Geist Gottes nötig, der diese Erkenntnis vermittelt.
Nur dieser Geist lässt auch das Glaubensbekenntnis wahr werden, und er macht wahr, was beim Abendmahl gesprochen wird: „Christi Leib, für dich gegeben“, und: „Christi Blut, für dich vergossen“.
Die tiefere Bedeutung dieser Worte kann nur der nachvollziehen, der den Geist Gottes hat. Niemand sonst wird aus diesen Worten Kraft schöpfen können.
Doch müssen wir, um Paulus besser zu verstehen, noch einmal zurück gehen in die Zeit, als er diesen Brief schrieb. Denn es gibt ja wie immer bei den Briefen einen ganz konkreten Anlass, warum der Text geschrieben wurde.
Es ging in Korinth nicht gerade ruhig zu. Ständig gab es Auseinandersetzungen. Man war sich uneins, es hatten sich Parteien gebildet, abhängig von den jeweiligen Predigern, die die Gemeinde aufgesucht hatten.
Dieser Entwicklung stellt sich Paulus entgegen, indem er sagt: „Wir haben den Geist aus Gott empfangen.“ Nicht den Geist aus Paulus, oder den aus Apollos, oder den aus Kefas; nein, den Geist aus Gott!
Das ist wichtig! Denn wer den Geist aus Gott empfangen hat, kann sich doch nicht mehr streiten, weil einem die Predigt des einen besser gefallen hat als die des anderen. Der Geist Gottes kann doch nicht unterschiedlich wirken! Es ist doch immer ein und derselbe Geist!
Wenn man diesen Gedanken weiterführt, wird einem schnell klar: Unterschiede müssen von woanders her kommen. Und da kommt der natürliche Mensch ins Spiel, der, der den Geist Gottes nicht empfangen kann, wie Paulus sagt, also der, der den Geist der Welt hat.
Und dieser natürliche Mensch ist genauso in uns wie der geistliche Mensch, so dass es zu einem Wettstreit zwischen den Beiden kommt.
Schön, wenn man sich dann auf irgend einen anderen Menschen berufen kann, der es dem natürlichen Menschen bequem gemacht hat, so wie es die Korinther damals taten: die Predigt des Apollos war vielleicht angenehmer, sie forderte den natürlichen Menschen nicht so konsequent heraus wie die Predigt des Paulus. Also hörte man auf Apollo. Aber genau das ist der falsche Weg.
Paulus geht es darum, das Selbstbewusstsein der jungen Christen zu stärken. Christen sind eben nicht die Produkte der Überredungskünste einzelner Personen, sondern sie sind Kinder des lebendigen Gottes, der sie selbst berufen und mit seinem Geist erfüllt hat. Da darf man nicht hinter zurückfallen.
Kind Gottes zu sein, das ist nicht nur eine großartige Auszeichnung, sondern auch eine Verpflichtung, eben die, dem Geist aus Gott treu zu bleiben und nicht dem Geist aus der Welt.
Wer den Geist Gottes hat, stellt sich dem Kampf gegen den Geist der Welt. Er sucht das Reich Gottes und nicht das Vergängliche, nicht seine eigene Ehre und Herrlichkeit.
Darum kann Paulus dann auch sagen: Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt. Das geht nur deswegen, weil es letztlich der Geist Gottes selbst ist, der dieses Urteil fällt, und nicht der Mensch. Aber in solch einer Aussage steckt auch eine enorme Gefahr. Wie schnell kann es dazu führen, dass man in selbstherrlicher Arroganz sein Gegenüber aburteilt, ohne die eigenen Unzulänglichkeiten zu erkennen oder zuzugeben, dass man selbst nicht viel oder auch gar nicht besser ist.
Die Unterscheidung zwischen dem natürlichen Menschen und dem geistlichen Menschen ist da schon hilfreich, auch wenn sich beide im gleichen Menschen vereinen: der geistliche Mensch mag noch so fehlerfrei sein, weil er vom Geist Gottes geleitet wird, aber da ist eben noch der natürliche Mensch, der ganz andere Interessen hat und immer wieder versucht, die Schritte in eine andere Richtung zu lenken.
Anders wäre es ja auch gar nicht zu erklären, dass in so vielen Menschen, denen durch die Taufe der Geist Gottes ja längst geschenkt ist, dieser Geist gar nicht sichtbar wird. Der natürliche Mensch hat sich über den geistlichen Menschen erhoben.

„Wir aber haben Christi Sinn!“ - mit diesen Worten schließt unser Predigttext ab. Das „aber“ macht es schon deutlich: Dies ist eine trotzige Aussage. Es geht gegen den Strich.
Niemand anders als Christus ist es, dem wir folgen. Und Christus hat in aller Konsequenz das Leben aus dem Geist Gottes sichtbar gemacht. Er war gehorsam bis zum Tod – da hat sich kein natürlicher Mensch in den Weg gestellt.
Das ist unser Vorbild. Darum: in aller Vielfalt, die wir untereinander erleben, muss es letztlich doch Einheit geben durch den Geist, der aus Gott kommt. Die Gespaltenheit, die wir in der Christenheit erfahren, darf nicht bestimmend sein. Vielmehr müssen wir alles tun, damit wir eins sein können, und so freue ich mich auch, dass wir am Pfingstmontag schon seit vielen Jahren einen ökumenischen Gottesdienst feiern.
Wie schön wäre es, wenn es endlich auch möglich wäre, gemeinsam das Heilige Abendmahl zu empfangen. Denn gerade im Abendmahl wird die Einheit im Geist sichtbar. Wir trinken aus einem Kelch, wir essen das eine Brot – den Leib und das Blut Christi, das uns untereinander eint.
So lasse Gott seinen Geist groß werden in uns, damit dies sichtbar wird: wir sind die Gemeinde Christi!
Amen

oder

Liebe Gemeinde!
Ich habe es schon zu Beginn dieses Gottesdienstes gesagt: Das Pfingstfest wird oft als der »Geburtstag der Kirche« angesehen, weil sich hier die Jünger das erste Mal raustrauten, weil an diesem Tag die Verkündigung der Kirche begann. Aber was an Pfingsten eigentlich geschah, das ist doch recht merkwürdig und nur schwer nachzuvollziehen. Da ist es mit Weihnachten einfacher: das Kind in der Krippe kann man sich gut vorstellen, es ist eine heimeliche Athmosphäre um das Geschehen herum, da gibt es unzählige Geschichten, die die Botschaft dieses Festes der Liebe verdeutlichen. Aber Pfingsten? Nun gut, es geht um den Geist Gottes. Aber den können wir uns so recht gar nicht vorstellen. Wir können nur wenige Bilder mit ihm verbinden, und da fallen dann gleich die Bilder ein, die in der Bibel verwendet werden. Da heißt es:
Der Geist Gottes ist wie eine Taube auf Jesus herabgekommen. Die Taube ist darum auf vielen Bildern zum Symbol für den Geist Gottes geworden. Ein anderes Bild steht direkt mit dem Pfingstfest in Verbindung: Der Geist Gottes kam in Form von Zungen, die wie Feuer aussahen, auf die Jünger. Weil wir uns den Geist auch so vorzustellen versuchen, ist die Farbe dieses Sonntags rot so wie die Glut des Feuers. Aber helfen tun uns diese Vorstellungen wenig, denn wir wissen ja, dass der Geist Gottes keine Taube ist und auch keine Feuerflamme, sondern nur so erschien. Es sind recht dürftige Versuche, den Geist Gottes sichtbar werden zu lassen, was ja eigentlich nicht geht, weil er unsichtbar ist.
Dazu kommt dann noch unser Predigttext, der zwar vom Geist redet, aber das in einer ziemlich komplizierten Art und Weise. So steht geschrieben im 1. Brief des Paulus an die Korinther im 2. Kapitel:

Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich beurteilt werden. Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt. Denn «wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen»? Wir aber haben Christi Sinn.

Hmm, so berauschend ist das nicht. Pfingstfeststimmung kommt da jedenfalls nicht auf. Was vielleicht hängengeblieben ist, ist der Vergleich zwischen einem natürlichen und einem geistlichen Menschen. Und diesem Vergleich will ich heute mit Ihnen etwas nachgehen.
Stellen Sie sich also einen Menschen vor, dem es gut geht, der seine Arbeit und damit ein geregeltes Einkommen hat, eine Wohnung, ein Auto, natürlich Fernseher und all die Annehmlichkeiten des alltäglichen Lebens. Er hat fast alles, was einen zufrieden machen sollte, aber doch nicht alles. Was ihm fehlt, ist das Wissen, dass ihm alles von Gott geschenkt ist.
Ist das denn wirklich so schlimm? Vordergründig wohl nicht. Aber wenn wir uns näher anschauen, wie dieser Mensch lebt, merken wir doch, dass dies eine Rolle spielt.
Er hat also alles, was das Leben angenehm macht, aber: wie sicher ist das eigentlich? Er kann krank werden und pflegebedürftig. Er kann die Arbeit verlieren und nach und nach alles, was er sich angeschafft hat, aufgeben müssen. So lebt er immer in einer Angst, die er zwar unterdrücken möchte, indem er sich immer wieder zu zerstreuen sucht, die aber dennoch ganz tief innen bestehen bleibt und der er nicht entrinnen kann. Dann fehlt diesem Menschen der Sinn des Lebens. Wenn er danach gefragt wird - oder sich selbst fragt - wird er wohl zugeben müssen, dass er nicht weiß, was für einen Sinn sein Leben hat. Ist es wirklich nur, zu arbeiten, die Früchte seiner Arbeit zu genießen und schließlich zu sterben, Staub und Asche zu werden? Irgendwo spürt dieser Mensch eine Leere, die Ziellosigkeit seines Lebens, dessen Begrenztheit ihm Angst macht.
Auch wenn es vordergründig so aussieht, als ob es keinen Unterschied gibt: wenn sich solch ein Mensch freut, dann steht hinter dieser Freude immer das Bewusstsein, dass alles, was er ist und hat, vergehen wird. Dass nach seinem Tod das Grab vielleicht noch 10, und wenn es hochkommt, 20 Jahre gepflegt wird, er dann aber in Vergessenheit geraten wird. Alles, was er geschafft hat, hat nur vorübergehenden Wert. Es gibt eigentlich keinen Grund, sich am Leben zu freuen.
So ist das Leben eines solchen Menschen, der nicht weiß, dass er alles von Gott empfangen hat, eigentlich recht trostlos, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wenn ein Unglück über ihn kommt, hat er keinen Trost, keine Hilfe. Er muss alleine damit fertig werden.
Dem will ich jetzt einen Menschen gegenüberstellen, der rein äußerlich genauso erscheint wie der Mensch, den ich eben beschrieben habe. Er hat genau die gleichen Dinge, also Auto, Fernseher, Wohnung, Arbeit usw., nur eines mehr: er weiß, dass er alles, was er ist und hat, von Gott empfangen hat. Dieser Mensch hat damit einen unschätzbaren Reichtum empfangen, obgleich er sich äußerlich nicht von dem anderen Menschen unterscheidet.
Weil dieser Mensch weiß, dass er alles von Gott empfangen hat und alles von Gott geschenkt ist, bedrückt es ihn nicht, wenn durch Umstände, die er nicht beeinflussen kann, sein Besitz schwindet. Er ist dankbar für das, was er hat, und sagt dies Gott auch täglich im Gebet. Er braucht sich nicht zu sorgen, denn er weiß, dass Gott für ihn sorgt.
Er ist in Gottes Hand - dieses Wissen kann zu ungeheurem Trost werden, wenn man krank wird, wenn der Tod spürbar nahe ist: letztlich werde ich immer von Gottes Hand aufgefangen, ich falle nicht ins Bodenlose. Die Angst, die auch diesen Menschen befallen mag, wird überwunden durch die Gewissheit, dass Gott da ist und ihn nicht verlässt. Solch ein Mensch ist glücklich, denn die Gnade Gottes ist bei ihm. Solch ein Mensch ist ein geistlicher Mensch.
Wir aber haben den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. Wenn dieses Wort für uns zur Wahrheit wird, dann wird auch dieses Pfingstfest ein fröhliches Fest sein, egal, ob wir uns nun den Geist Gottes vorstellen können oder nicht. Denn wir werden ihn spüren, weil er uns die Gewissheit gibt, dass wir von Gott reich beschenkt worden sind.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Komm, Feuer Gottes (EG 127, 1.4-5)
Zieh ein zu deinen Toren (EG 133)
Komm, o komm, du Geist des Lebens (EG 134)
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen (EG 241)
O dass doch bald dein Feuer brennte (EG 255)
Sonne der Gerechtigkeit (EG 262/263)
Zu Ostern in Jerusalem (KHW-EG 556)


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