Die Bezeichnung "Fastenzeit" ist der Bezeichnung "Passionszeit"
(= Leidenszeit) vorzuziehen, denn eigentlich liegt der Schwerpunkt dieser Zeit nicht
auf dem Leiden Jesu, sondern vielmehr auf unserer ganz bewußten Ausrichtung
auf das Wirken Gottes an uns durch Jesus Christus. Die Lesungen der Sonntage der
Fastenzeit befassen sich auch nicht so sehr mit dem Leiden Jesu, als vielmehr mit
der Reaktion der Menschen auf das Kommen und Wirken Jesu. Erst in der Nacht von
Gründonnerstag auf Karfreitag beginnt das eigentliche Leiden Jesu.
Wenn wir im Zusammenhang dieser Zeit, deren Endpunkt das Osterfest
ist, von "Fasten" reden, meinen wir damit nicht den radikalen Verzicht
auf bestimmte Konsumgüter oder auch Nahrungsmittel. Fasten im biblischen Sinn
bedeutet vielmehr, mit den Gaben Gottes und seiner Schöpfung verantwortungsvoll
unzugehen und diese maßvoll zu gebrauchen. Dies schließt auch den Umgang
der Menschen untereinander mit ein. Fasten bezieht sich dann nicht nur auf einen
bestimmten Lebensbereich (z.B. Essen) oder eine bestimmte Zeit (z.B. einen Tag in
der Woche), wenngleich dies eine gute Hilfe zu einem verantwortlichen Leben sein
kann, sondern auf alle Lebensbereiche. Dabei sollen wir nicht fragen, was
das Fasten für uns austrägt, sondern wie wir am sinnvollsten
die Verantwortung für die Schöpfung, die uns übertragen ist, wahrnehmen
können.
In der Zeit der Alten Kirche wurden die Taufbewerber in der Fastenzeit
einen beschwerlichen Bußweg geführt, damit sie frei würden von allen
heidnischen Bindungen. Dabei stand das Fasten, der Verzicht auf Nahrung, im Vordergrund.
Der Bußweg hatte seinen Höhepunkt in der Feier der Osternacht, in der
dann die Bewerber getauft wurden (daher finden wir auch heute in der Liturgie der
Osternacht die Möglichkeit, Taufen vorzunehmen oder zumindest das sogenannte
"Taufgedächtnis" zu feiern, wodurch wir an unsere Taufe erinnert
werden). Auch uns, die wir bereits getauft sind, soll die Fastenzeit daran erinnern,
dass wir den Weg des Herrn mitgehen. Dieser Weg führt uns durch Leiden
und Tod zum Leben.
Unterbrochen wird die Fastenzeit durch die Feier der Sonntage,
die nicht als Fastentage begangen werden können. Denn hier wird der Sieg Jesu
über alle finsteren Mächte gefeiert. Daher ist die Dauer der Fastenzeit
von alters her ohne die Sonntage gezählt worden, und man kommt so auf ein Dauer
von 40 Tagen (Quadragesimae). Diese Zahl erinnert an Mose
(er blieb 40 Tage auf dem Berg Sinai - 2. Mose 24, 18), Elia (er
wanderte 40 Tage durch die Wüste - 1. Kön 19, 8) und Jesus Christus
(er fastete 40 Tage, bevor er vom Satan versucht wurde - Mt 4, 1-11).
In der Fastenzeit können -z.B. am Freitag - Passionsandachten
gehalten werden, für die die Kirche besondere Texte anbietet. Diese Texte (Continua-Texte
= C) bilden fortlaufend einen Zusammenhang und bieten sich daher auch für Bibelkreise
an.
Die liturgische Farbe der Fastenzeit ist Violett. Sie ist die Farbe der Buße,
des Gebetes und der ernsten Besinnung. Zugleich erinnert sie, da sie dem Purpur
entspricht, das zur Zeit Jesu aus pflanzlichen Stoffen gewonnen wurde, an den Purpurmantel,
den der Herr zum Spott umgehängt bekam vor seiner Kreuzigung.
Neben dem Halleluja schweigt nun im Gottesdienst auch
das Gloria in excelsis deo (s. Vorfastenzeit).