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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe III - Offb 7, 9-12 (13-17)
Liebe Gemeinde!
Wenn wir in einer Trauerfeier von einem verstorbenen Gemeindeglied Abschied
nehmen, dann singe ich im Rahmen dieser Feier einen Hymnus, der der Liturgie
der Totenmesse entnommen ist.
Dieser Vers wird nach dem Lateinischen Beginn auch das „In Paradisum“ genannt.
Der Text – in deutscher Fassung – geht so:
„Zum Paradies mögen Engel dich geleiten, die heiligen Märtyrer dich begrüßen und
dich führen in die heilige Stadt Jerusalem. Die Chöre der Engel mögen dich empfangen
und durch Christus, der für dich gestorben, soll ewiges Leben dich erfreuen.“
Als ich darüber mit einer anderen Person sprach, sagte diese: „Märtyrer? Wir
Evangelischen haben keine Märtyrer. Das haben doch nur die Katholiken. Was
ist denn ein Märtyrer überhaupt?“
Ich sagte, dass ein Märtyrer ein Mensch ist, der um seines Glaubens willen
gestorben ist, und führte dabei das Beispiel des Stephanus an, des Erzmärtyrers,
an den wir heute denken.
So richtig einsichtig war mein Gegenüber zwar nicht, aber das Gespräch verlief
dann in eine andere Richtung. Dennoch ließ mich diese kurze Auseinandersetzung
nicht in Ruhe.
Natürlich hat die evangelische Kirche auch Märtyrer. Das ist kein Privileg der
römischen Kirche. Denken wir nur zum Beispiel an Dietrich Bonhoeffer und mit
ihm viele andere, die um des Glaubens willen durch das Naziregime ums Leben
kamen. Das sind Märtyrer. Sie konnten es nicht hinnehmen, dass das Evangelium
verfälscht und missachtet wurde, und setzten sich so der Gefahr der Folter und
des Todes aus, den sie dann am Ende auch erlitten.
Das Wort Märtyrer bedeutet schlicht: Zeuge. Dieser Begriff hat sich erst später
entwickelt zu einer Bezeichnung für eine Person, die, weil sie das Evangelium
bezeugte, ihr Leben auf gewaltsame Weise verloren hat.
Heute, am 26. Dezember, geht es um einen Märtyrer, der auch als Erzmärtyrer bezeichnet
wird. Denn er ist der erste, von dem uns die Bibel berichtet, der um des Glaubens
willen getötet wurde. Seine Geschichte wird in der Apostelgeschichte erzählt:
Stephanus war einer der ersten Diakone. Weil er mit Vollmacht das Evangelium
verkündigte und manche Zeichen und Wunder tat, wurde er vor den Hohen Rat gebracht,
wo er aufgrund falscher Zeugenaussagen wegen Gotteslästerung beschuldigt und schließlich
zum Tod verurteilt wurde.
Er wurde gesteinigt. Seine letzten Worte waren: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht
an. (Apg 7, 60b)
Sicher hätte Stephanus wohl seinen Tod verhindern können. Er hätte nur aufhören müssen,
von dem, was er glaubte, zu erzählen. Aber er tat es nicht. Weil er es nicht anders konnte.
Wer kann schon aufhören, von der Herrlichkeit Gottes zu reden, wenn er sie gesehen hat?
Die christliche Kirche rückte sein Gedenken so dicht an das Fest der Geburt Christi –
es ist ja der Tag unmittelbar danach – um so deutlich zu machen, dass das ewige Leben,
das uns von Christus geschenkt ist durch den Glauben, nicht ohne Leid gewonnen werden
kann.
Wer sich mit der Geschichte der Märtyrer befasst hat, wird vor allem in der Zeit der
früheren Christenheit fündig. Da ist der Apostel Petrus, der kopfüber gekreuzigt worden
sein soll, dann haben wir den Apostel Andreas, der an einem Schrägkreuz gekreuzigt wurde,
woher wir das Andreaskreuz an den Bahnübergängen haben. Andere haben einen qualvolleren
Tod erlitten: Manche würden bei lebendigem Leib gehäutet, andere zersägt, wieder andere
in siedendes Öl getaucht. Da kann sich wohl glücklich schätzen, wer hinterrücks erschlagen
wurde, wie es dem Missionar der Germanen, Bonifatius, widerfuhr.
Viele Märtyrer gab es auch im Zuge der Inquisiton, die sich über die Anhänger des
protestantischen Glaubens hermachten. Nach grausamer Folter wurden diese dann auf
dem Scheiterhaufen verbrannt. Allerdings geht es auch anders herum: an manchen Orten
wurden Katholiken von Protestanten getötet.
Bloß gut, dass uns heute solch ein Schicksal nicht mehr droht. In manchen Ländern sind
Christen zwar gefährdet, aber meist nicht so, dass sie um ihr Leben fürchten müssen.
Allerdings erleiden sie dadurch, dass sie dem christlichen Glauben treu bleiben, dann
doch häufig erhebliche Nachteile. Und wenn diese Nachteile zu ihrem Tod führen, dann
kann man wohl auch sie als Märtyrer bezeichnen.
Aber, wie schon gesagt: uns droht solch ein Schicksal nicht. Und da ist es doch merkwürdig,
dass wir dennoch Angst haben, unseren Glauben zu bezeugen und für ihn ein zu stehen. Oft
fällt es sogar, wie es scheint, innerhalb der eigenen Familie schwer.
Viele haben wohl Angst, als dumm oder naiv belächelt zu werden. Wer älter ist, wird
manchmal bewundert ob seines Glaubens, aber zugleich trägt man das Stigma des Altseins
mit sich. Denn solch ein Glaube, das sei nur was für die Alten – oder für die Kinder,
die irgendwann auch da rauswachsen werden.
Ein vernünftiger, vernunftbegabter und vernunftorientierter Mensch wird Glauben als
eine Projektion, die durch existenzielle Ängste hervorgerufen wird, erklären und somit
als etwas, was man im Grunde nicht braucht. Menschen schaffen sich, so sagt man, ihren
Gott, damit das Unerklärliche erklärbar wird, und nicht umgekehrt.
Haben wir dem etwas entgegen zu setzen? Müssten wir dem nicht etwas entgegen setzen?
„Danach sah ich, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen
Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem
Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren Händen, und riefen mit
großer Stimme: Das Heil ist bei dem, der auf dem Thron sitzt, unserm Gott, und dem
Lamm! Und alle Engel standen rings um den Thron und um die Ältesten und um die vier
Gestalten und fielen nieder vor dem Thron auf ihr Angesicht und beteten Gott an und
sprachen: Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei
unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Und einer der Ältesten fing an und sprach zu mir: Wer sind diese, die mit den weißen
Kleidern angetan sind, und woher sind sie gekommen? Und ich sprach zu ihm: Mein Herr,
du weißt es. Und er sprach zu mir: Diese sind's, die gekommen sind aus der großen
Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut
des Lammes. Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem
Tempel; und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen. Sie werden nicht mehr
hungern noch dürsten; es wird auch nicht auf ihnen lasten die Sonne oder irgendeine
Hitze; denn das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen
des lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“
Der Seher Johannes beschreibt in unserem Predigttext aus dem Buch der Offenbarung im
7. Kapitel die Versammlung aller Gläubigen vor dem Thron Gottes. Es sind Menschen,
die Zeugen waren, die die Vergebung empfangen haben durch das Blut des Lammes, Jesus
Christus. Es sind Heilige, weil Gott sie rein gewaschen hat.
Diese Gemeinschaft der Heiligen bekennen wir im Glaubensbekenntnis. Es ist die
Gemeinschaft, die hier in diesem Leben schon vorab abgebildet wird durch die
Kirche, aber doch nur schemenhaft. Denn immer wieder neu bedürfen wir der
Vergebung; immer wieder neu versagen wir, weil uns Angst im Nacken sitzt,
oder auch weil wir schlicht zu bequem sind und den Aufwand scheuen oder weil
wir mit dem gegenwärtigen Zustand zufrieden sind. Auch deshalb, weil wir es
nicht schaffen, alle Christen gemeinsam in einer Kirche zu vereinen.
Christlicher Glaube ist etwas Besonderes, kein blinder Glaube, kein naiver Glaube,
sondern lebendiger Glaube an den, der alle Tränen abwischen wird, der unserem Leben
einen Sinn schenkt, der uns nicht in die Bedeutungslosigkeit hinabgleiten lässt,
sondern uns mit Namen kennt und ruft.
Dass wir daraus Kraft schöpfen, dass dieser Glaube unsere Lebensquelle ist, das
ist es, was wir all den anderen, die diese Quelle nicht nutzen können oder wollen,
entgegen zu setzen haben.
Und wir sollten das mit einem starken Selbstbewusstsein tun. Wir müssen niemandem
beweisen, dass es Gott gibt. Wir selbst sind der Beweis dafür. Unser Glaube ist es.
Wenn er nur auch erfahrbar wird für die Menschen, denen wir begegnen.
So mögen wir erfüllt und getrieben werden von der unendlichen Liebe und Güte Gottes,
die allen Menschen gilt und uns darum Tag für Tag aufs Neue herausfordert, aber
zugleich auch ermutigt und stärkt.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Lob, Preis und Dank, Herr Jesu Christ (EG 33, 3)
Fröhlich soll mein Herze springen (EG 36, 1.4-9)
Wunderbarer Gnadenthron (EG 38)
Herr Gott, dich loben wir (EG 191)
Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit (EG 502)
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