Das Fest hat seinen Ursprung in der Ostkirche, wo es seit dem 4.
Jahrhundert zunächst als Märtyrer-Gedenktag begangen wurde. Etwa seit
dem 9. Jahrhundert wurde Allerheiligen von der römischen Kirche (Gregor IV.,
828-844, veranlasste Ludwig den Frommen dazu) eingeführt und durchgesetzt. Schon
im 8. Jarhundert taucht das Fest in England und Irland auf, aber noch nicht auf
dem Festland. In der lutherischen Agende gibt es einen spezifischen Allerheiligentag
erst seit 1955.
Da dieses Fest einen der wesentlichen Streitpunkte der Reformation darstellte (Heiligenverehrung
und -anbetung, wozu dieses Fest letztlich veranlasste), wurde es verständlicherweise
nicht in den Ländern gefeiert, deren Herrscher den lutherischen Glauben angenommen
hatten.
Dieser Festtag hat im „protestantischen Lager” kein sonderlich
gutes Ansehen, erinnert er doch an die uns (mit Recht) so übertrieben erscheinende
Heilgenfrömmigkeit der römischen Kirche. Mag aber dort auch manches zu
hinterfragen sein, so müssen wir uns doch mit Ernst fragen lassen, warum die
„Heiligen”, wie Paulus in seinen Briefen alle Christusgläubigen nennt,
bei uns in so niedrigem Ansehen stehen. Selbst das Evangelium schließt das
Gedächtnis der durch Gott Geheiligten nicht aus, wenn Jesus
über Maria, die ihn in Bethanien salbt, sagt: Wo dieses Evangelium gepredigt
wird in der ganzen Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie
getan hat. (Mt 26, 13). Der Hebräerbrief mahnt uns: Gedenkt
an eure Lehrer, die euch das Wort gesagt haben; ihr Ende schaut an und folgt ihrem
Glauben nach. (Hebr 13, 7)
Beide Worte zeigen uns, dass das Gedächtnis der Heiligen
uns auch das Wirken Gottes in der Geschichte vor Augen führt. Wir sehen,
welche Gnade Gott auf uns Menschen ausgießt, welche Gaben er schenken kann,
wie sein Wort durch Predigt und Werke verbreitet und geglaubt wird. Wir fühlen
uns hineingenommen in eine nicht enden wollende Kette aller Heiligen und in die
Gemeinschaft der "triumphierenden", der himmlischen Kirche, denn auch
wir sind Heilige, vom Herrn berufen und zu seinem Dienst auserwählt. Mit der
himmlischen Kirche singen wir auch immer wieder im Gottesdienst: "Heilig,
heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth!"
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I - Offb 7, 9-12Danach sah ich, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren Händen, 10 und riefen mit großer Stimme: Das Heil ist bei dem, der auf dem Thron sitzt, unserm Gott, und dem Lamm! 11 Und alle Engel standen rings um den Thron und um die Ältesten und um die vier Gestalten und fielen nieder vor dem Thron auf ihr Angesicht und beteten Gott an 12 und sprachen: Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Wenn wir heute von „Heiligen” reden, denken wir meist an den Kanon der römischen Kirche.
Dort werden Menschen als „heilig” bezeichnet, deren Heiligkeit durch ein aufwendiges Verfahren festgestellt
wurde. Die Vorstufe zur Heiligsprechung, wie dieser Vorgang genannt wird, ist die Seligsprechung; auch hier findet
zuvor ein aufwendiges Verfahren statt, aufgrund dessen dann eine Seligsprechung erfolgt - oder auch nicht.
Die protestantische Kirche hat sich vor allem gegen die Praxis gewandt, dass die Heiliggesprochenen dann auch
angebetet wurden. D.h. man hat von ihnen Hilfe erwartet. Für Martin Luther und andere Reformatoren stand dies
im Widerspruch zum Evangelium. Denn demnach gibt es nur einen, der helfen und darum auch angebetet werden kann,
und das ist Gott (bzw. sein Sohn Jesus Christus, der mit dem Vater und dem Heiligen Geist ein wahrer Gott ist).
Allerdings wurde die Heiligenverehrung anfangs nicht abgelehnt. Die Heiligen - und damit waren durchaus die
kanonischen Heiligen gemeint - galten als Vorbilder des Glaubens und sollten darum in Ehren gehalten werden.
Allerdings wurde der Begriff „Heilige” anders gefasst. Heilig sind alle, die getauft sind, denn
Heiligkeit wird nicht erworben, sondern von Gott verliehen, und zwar durch die Taufe. Dabei sieht der
Protestantismus die Gefahr eines Automatismus, auf den man sich dann zu schnell verlassen könnte. Die Zuwendung
Gottes aber bedarf immer auch der Antwort dessen, dem diese Zuwendung widerfuhr. Wenn diese Antwort des Menschen
ausbleibt, hat auch die Taufe keine Auswirkung auf das Sein des Menschen, es kann also von ihm nicht als „Heiligem”
gesprochen werden.
Unser Predigttext beschreibt eine Vision des Sehers Johannes: eine große Schar, die niemand zählen konnte,
stand vor dem Thron und vor dem Lamm, und diese Schar preist Gott mit großer Stimme. Man kann
davon ausgehen, dass hier die Schar der Heiligen gemeint ist in dem Sinne, wie es die protestantische Kirche
bis heute versteht: alle Getauften, die sich Gott zuwandten, nachdem er sich ihnen zugewandt hatte.
Der Predigttext vermittelt einen Eindruck von dem, was die Aufgabe dieser Heiligen ist. Man mag sich fragen,
ob das schon alles ist, und die Offenbarung hat ja noch manche andere Vision zu bieten, wo die Heiligen auftauchen.
Aber ihre Aufgabe unterscheidet sich in diesen Visionen nicht wesentlich von der in unserem Predigttext.
Ist das nicht langweilig? Und kann man überhaupt ständig rufen oder gar singen?
Das Problem solcher Visionen ist, dass sie immer das Geschehen in einer Form zeigen, die uns vertraut ist.
Tatsächlich aber ist das, was Johannes sieht, gar nicht vorstellbar. Das Stehen der Heiligen vor dem Thron
ist nur ein Bild für etwas, das sich nicht wirklich beschreiben lässt. Ableiten lässt sich aus dem Text
eigentlich nur dies: Alle Getauften, die Gottes Liebe annahmen und daran festhielten, werden in der Gegenwart
Gottes sein. Niemand wird sie von dort entfernen können. Und sie werden einstimmen in das ewige Lob, das
in der Bibel vielfältig beschrieben wird.
Direkt auf unseren Predigttext folgt eine Art Auslegung, die eigentlich dazugehört und klarer spezifiziert,
wer die anfangs genannten Gestalten sind. Dabei wird deutlich, dass es sich bei ihnen um Märtyrer handelt,
Menschen, die also für ihren Glauben gelitten haben. Es ist nicht unwichtig, diesen Aspekt auch in der Predigt
erkennbar zu machen, denn heilig kann eigentlich nur die Person sein, die auch bereit ist, für ihren
Glauben zu leiden. Das bedeutet aber nicht, dass man um des Glaubens willen sterben muss. Dort,
wo das Christentum etabliert ist, geht es wohl eher darum, zu seinem Glauben zu stehen, vor allem dort,
wo er durch die Mitmenschen vielleicht in Frage gestellt wird. Andererseits gibt es zahlreiche Märtyrer
auch in unserer Zeit, allerdings weniger bei uns (außer man schaut zurück auf die Zeit des Nazi-Regimes)
als in muslimischen Ländern, wo mitunter Christen angefeindet werden. Auch in der DDR gab es Märtyrer,
denn das Regime strafte Menschen, die sich öffentlich zu ihrem Glauben bekannten, durch Restriktionen.
Es ist durchaus richtig, auch solche Menschen als Märtyrer zu bezeichnen, zumal das Wort zunächst schlicht
Zeuge bedeutet.
Unser Predigttext vermittelt also nichts Altertümliches, sondern ist hochaktuell. Die Vision macht erfahrbar,
dass jede Person, die ihren Glauben nicht verleugnet, gewiss sein kann, Gottes Nähe zu erfahren. Es ist
aber auch wichtig, dass, wem das nicht immer gelingt, mit der Vergebung Gottes durch Jesus Christus rechnen
kann. Das Leben ist eine tägliche Buße, also Umkehr, so hat Luther es sinngemäß gesagt, d.h. wir müssen uns
täglich Gott neu zuwenden. Wenn wir das tun, dürfen wir auch darauf vertrauen, dass Gott zu seiner Zusage
steht und uns seine Nähe niemals, auch im Tod, nicht entziehen wird.
Die Predigt wird also nicht bei dem Bild, das der Seher Johannes beschreibt, verharren, sondern die
Gemeinde ermutigen, sich selbst als durch die Taufe Geheiligte wahrzunehmen und daraus Schlüsse für das
eigene Leben zu ziehen, nämlich sich im Dienst Gottes zu wissen und sich dies immer neu bewusst zu machen.
Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist klar erkenntlich, denn am Gedenktag der Heiligen geht es um
alle getauften Christen und die Chance, die ihnen durch Jesus Christus eröffnet wurde.
Lob, Preis und Dank, Herr Jesu Christ (EG 33, 3)
Fröhlich soll mein Herze springen (EG 36, 1.4-9)
Wunderbarer Gnadenthron (EG 38)
Herr Gott, dich loben wir (EG 191)
Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit (EG 502)
Allmächtiger Gott, durch die Taufe machst du uns zu Mitbürgern der
Heiligen und zu deinen Hausgenossen. Wir danken dir für die Gnade, die du uns
durch deinen Sohn Jesus Christus gewährst, und bitten dich: erhalte uns in einem
wachen Geist, der stets nach dcinem Willen fragt und deine Wege sucht. Wir
rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Wir bitten dich für alle Getauften, besonders für die, die sich nicht mehr erinnern
wollen an den Reichtum deiner Gnade. Lass deinen Heiligen Geist unter ihnen wirken,
auf dass sie erkennen, wie gut du es mit ihnen meinst, und sie sich neu dir zuwenden.
Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Wir bitten dich für unsere Politiker, dass sie mit ihren Entscheidungen allen
Menschen, für die sie Verantwortung tragen, dienen. Vergib, wo jene begünstigt
werden, die es nicht brauchen, und andere belastet werden, die keine Kraft mehr
haben. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Wir bitten dich um Frieden für alle Menschen, denen der Friede genommen wurde.
Hilf, dass unsere Regierung nicht länger versucht, Völker und Kulturen zu ändern.
Lass uns erkennen, dass es darauf ankommt, streitende Parteien zu verstehen,
denn nur dann können Wege zum Frieden beschritten werden. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Wir bitten dich für alle Menschen, die von Krankheit geplagt sind, dass sie dein
Heil erfahren. Hilf ihnen, sich wieder aufzurichten, dass sie dir danken. Sende
uns zu denen, die deiner heilsamen Gnade bedürfen, und lass dein Wort wirken in
unseren Häusern. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Wir bitten dich für alle, die in Streit leben, um Versöhnung. Hilf, dass Mauern
fallen und Mißtrauen weicht. Öffne Wege, auf denen Versöhnung möglich ist durch
gegenseitige Vergebung. Weise uns den Weg zu den Menschen, die dein Wort der
Versöhnung brauchen. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Du rufst uns in die Gemeinschaft der Heiligen. Hilf, dass wir uns dieses Rufes
würdig erweisen. Das bitten wir durch Jesus Christus, der sich für uns hingab
und uns neues Leben geschenkt hat in deinem Geist.
Amen
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