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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe III - Lk 8, 4-8 (9-15)
Liebe Gemeinde!
Möchte jemand von Euch Konfirmandinnen und Konfirmanden Bauer werden? Ich meine
natürlich »Landwirt«, denn so nennt man das heute.
So ein Landwirt muss am besten eine kaufmännische Ausbildung haben, und er muss
natürlich wissen, wie man die diversen Pflanzenarten anbaut, die dann als Gemüse
oder in verarbeiteter Form als Brot in den verschiedensten Sorten, als Mehl, Zucker
usw. verkauft werden. Außerdem muss ein Landwirt wissen, wie man die Tiere pflegt,
die dann über die Fleischerei und den Supermarkt den Weg zum Kunden finden.
Er muss was von Geologie verstehen, und er muss Be- und Entwässerungstechniken kennen
und beherrschen. Es ist ein überaus vielseitiger Beruf. Wer heute Landwirt sein will,
muss sich auf einem schwierigen Markt behaupten, und das geht nur, wenn man effizient
arbeitet. Das bedeutet: man darf nichts vergeuden, jede Ecke muss genutzt werden,
nichts darf verloren gehen.
Zu der Zeit, als Jesus lebte, war das anders. Da gab es solch einen Beruf natürlich
nicht. Jeder war ein bisschen Landwirt, denn jeder hatte ein paar Tiere und Felder,
die für die Versorgung mit Nahrung zur Verfügung standen. Selbst die, die Fischer waren,
hatten meist noch enigstens einen kleinen Garten und etwas Vieh zu Hause. Es wurde aber
nicht solch ein vielseitiges Wissen wie heute gefordert, denn vieles war natürlich nicht
bekannt.
Jeder wusste aber, wie man Ziegen, Esel und Rinder pflegen musste. Jeder wusste, wie man
das Feld für die Saat vorbereitet, damit es möglichst viel Ertrag gibt, und wie man das
Feld dann pflegt.
Die Felder waren damals viel kleiner als heute, und natürlich gab es keine Traktoren,
die helfen, das Feld tief umzupflügen. Es konnte nur die Oberfläche aufgebrochen werden,
und größere Felsbrocken konnten natürlich auch nicht beiseite geschafft werden. Sie
blieben einfach dort liegen, und man streute den Samen um sie herum. Es wurde ja auch
nicht mit großen Mähdreschern geerntet, sondern mit der Hand und mit einer Sichel. Und
dann war da noch das Unkraut - Unkrautvertilgungsmittel gab es nicht, man musste es mit
den Händen herausreißen, und es würde natürlich immer wieder nachwachsen. Wer ein kleines
Stück Garten hat, kennt das Problem.
Wenn man nun den Samen aussäte - und auch das geschah mit der Hand - dann nahm man automatisch
in Kauf, dass nicht alles nur auf das vorbereitete Feld fallen konnte. Das Unkraut war direkt
daneben, und würde auch wieder ins Feld hineinwachsen. Die Wege, die am Feld entlangführten,
waren nicht abgegrenzt, und so fiel auch dort Same hin. Und wo Felsbrocken im Feld lagen,
fiel zwar Same hin, aber er konnte nicht wachsen.
Was Jesus also damals den Menschen beschrieb, war nichts anderes als ihr Alltag. Ich will es
noch einmal, diesmal mit eigenen Worten, vortragen:
Ein Bauer ging, um den Samen auf das Feld zu säen. Und einige der Samen fielen auf den Weg
und wurden zertreten. Auch kamen die Vögel herbei geflogen und pickten die Samen auf. Einge
der Samen fielen auf felsigen Grund, und weil sie keinen Halt in der Erde hatten, und darum
keine Feuchtigkeit aufsaugen konnten, vertrockneten sie. Und einige der Samen fielen mitten
zwischen das Unkraut, so dass die Saat nicht aufgehen konnte, denn das Unkraut wuchs
schneller und entzog dem Boden alle Nährstoffe. Doch die übrigen Samen fielen auf gutes
Land. Dort gingen sie auf und wuchsen und reiften, so dass sie schließlich hundert mal so
viel einbrachten, wie ausgesät worden war.
Das ist ja trotz allem noch ein erstaunliches Ergebnis. Aber warum sagt Jesus das? Es ist doch
wirklich nichts Außergewöhnliches, das weiß doch jeder, dass es bei der Saat so abläuft. Die
Menschen, die bei Jesus waren, seine Jünger, hatten genau das Problem. Und darum fragten sie
ihn: was soll das denn bedeuten? Warum sagst du uns das?
Jesus antwortet. Er vergleicht den Samen mit dem Wort Gottes. Und dann kann man sich auch schon
gleich vorstellen, wo der Same hingeworfen wird: es soll das Herz der Menschen sein. Denn das
Wort Gottes wird nicht mit dem Verstand aufgenommen, sondern mit dem Herzen. Da gehört der Same
hin.
Und nun gibt es Herzen, die sind wie Felsen, steinhart. Da kann nichts Halt finden, das Wort
Gottes prallt ab, es ist unwirksam. Das Herz nimmt einfach nichts auf. Es ist verschlossen.
Alles, was sich in einem solchen Herzen ereignet, bezieht sich nur auf dieses Herz. Man nennt
Menschen mit solchen Herzen auch Egoisten oder auch Egozentriker: sie stellen sich selbst in
den Mittelpunkt. Alles andere muss so sein, wie sie es wollen. Und wenn es nicht so ist, dann
wird es einfach nicht zugelassen. Man muss ein image bewahren, man muss cool sein, und darum:
ich bin ich, alles andere zählt nicht.
Und dann gibt es Herzen, die sind leicht beeinflussbar. Sie machen alles mit, sie hören sich
auch das Wort Gottes an und finden es gut, aber bei nächster Gelegenheit haben sie es schon
wieder vergessen, denn dann gibt es was anderes, was genauso toll ist. Das sind modebewusste
Herzen - sie richten sich nach der Mode und machen mit, was gerade dran ist.
Andere Herzen sind fixiert auf bestimmte Dinge - sie wollen unbedingt ein Mofa, einen Scooter,
eine tolle Stereoanlage, Playstation, und später dann ein Auto, ein Haus, usw. Dabei macht
man dann auch schon mal Schulden - Ratenkauf ist ja so einfach - und damit wachsen dann die
Sorgen. Irgendwann wachsen die Schulden, und mit ihnen die Sorgen um die Zukunft. Dabei hat
dann das Wort Gottes keine Chance mehr.
Und schließlich gibt es noch die Herzen, die das Wort Gottes aufnehmen, ohne Vorbehalt. Es
ist, was sie schon lange gewollt hatten. Das Wort erfüllt sie, gibt ihnen ein Ziel, eine
Aufgabe, einen Sinn. Das Wort wirkt in ihnen, es macht ihnen Hoffnung, lässt sie Vertrauen
gewinnen. Irgendwann ist dann auch der Punkt erreicht, wo diese Herzen das Wort, das sie in
sich tragen, weitersagen wollen. Der Same, der dort hineingefallen ist, bringt Frucht. Aber
bis es soweit ist, braucht er auch Zeit, denn der Reifungsprozess geht nicht von heute auf
morgen.
Das Wort Gottes - was ist das eigentlich? Jesus hat es mit einem Samen verglichen - das
bedeutet, es ist etwas lebendiges, auch wenn es zunächst einmal tot aussieht. Denn der
Same, wenn er in die richtige Umgebung eintaucht, beginnt ja, zu einer neuen Pflanze zu
werden. Und was aus einem kleinen Samen wachsen kann, ist schon erstaunlich.
So sollen wir also das Wort Gottes verstehen: äußerlich ist es tot, langweilig, belanglos.
Aber sobald man es an sich heranlässt, beginnt es, lebendig zu werden.
Das Wort Gottes kann auch in der Form des Abendmahls zu uns kommen. Äußerlich ist es nur Brot
und Traubensaft. In Wahrheit aber ist es das Brot des Lebens - das Brot, das die Seele satt
macht - und der Kelch des Heils - der Saft, der alle Wunden heilt, der Frieden macht da, wo
Uneinigkeit und Streit ist.
Das ist das Wort Gottes, auch wenn es gar nicht nach Worten aussieht. Wir lassen es heute auf
uns und in uns wirken. Gott gebe dazu das Gedeihen.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Mache mich zum guten Lande (EG 166, 4-6)
O Gott, du höchster Gnadenhort (EG 194)
Herr, für dein Wort sei hochgepreist (EG 196 - Wochenlied!)
Herr, öffne mir die Herzenstür (EG 197)
Es wolle Gott uns gnädig sein (EG 280)
O Lebensbrünnlein tief und groß (EG 399)
Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht (KHW-EG 572)
Ich möchte Glauben haben (NB-EG 596)
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Predigtvorschläge zu Reihe IV - Hebr 4, 12-13
Liebe Gemeinde,
Das Wort Gottes - was ist das eigentlich? Viele würden wohl spontan antworten: Das hier
(Bibel hoch halten) ist das Wort Gottes! Die Bibel! Gott hat sie uns gegeben, die Worte
darin sind durch den Heiligen Geist den Menschen, die sie aufschrieben, eingegeben.
Doch die das behaupten müssen sich fragen lassen: wie kommt es dann, dass z.B. die Berichte
von Jesus, die vier Evangelien, nicht in allen Dingen miteinander übereinstimmen? Warum
ist es überhaupt notwendig, 4 verschiedene Berichte aufzuschreiben und festzuhalten?
Weiter müssen sie sich zum Beispiel fragen lassen: Warum gibt es zwei verschiedene
Erzählungen von der Schöpfung, die sich teilweise deutlich widersprechen?
Die Reihe der sich widersprechenden oder zumindest nicht miteinander übereinstimmenden
Berichte in der Bibel ist recht lang und lässt uns zumindest an der Aussage zweifeln, dass
die Bibel vom Heiligen Geist gewissermaßen diktiert wurde.
Es gibt weitere Fragen:
Warum macht Paulus in seinem 1. Brief an die Korinther im 7. Kapitel die Unterscheidung,
dass einmal er selbst gebietet und nicht der Herr, also Jesus, und ein andermal der
Herr das Gebot ausspricht?
Allein dies müssten ja schon ausreichend Gründe sein, von der Bibel als Ganzem nicht als
dem Wort Gottes zu reden.
Aber es geht noch weiter: Offenbar haben die Menschen, die die Worte in der Bibel aufgeschrieben
haben, sie selbst gar nicht als Wort Gottes angesehen, denn sonst hätten sie viel mehr Sorgfalt
beim Abschreiben verwendet. Jedoch unterscheiden sich die verschiedenen Abschriften, die uns
überliefert sind, teilweise erheblich, so dass es oft gar nicht möglich ist, heraus zu bekommen,
was nun ursprünglich im Original geschrieben wurde – denn von den Originalen, den ersten
Handschriften, sind uns keine erhalten geblieben.
Zwar versuchen wir mit wissenschaftlichen Methoden heraus zu bekommen, welche der überlieferten
Abschriften nun am ehesten dem Original. Aber es bleibt immer ein Rest Ungewissheit. Wir finden
den Weg zum Original nicht mehr. Wenn es also das Wort Gottes wäre, dann müssten wir sagen,
dass wir das Wort Gottes gar nicht mehr haben, sondern nur mehr oder weniger genaue Abschriften
davon.
Und schließlich: die meisten können die Bibel nur in einer Übersetzung lesen. Jede Übersetzung
verändert das Original je nachdem, wie der Übersetzer die Worte verstanden und gedeutet hat.
Deswegen gibt es auch zahlreiche verschiedene Übersetzungen, die die Worte der Bibel teilweise
auf recht unterschiedliche Weise wiedergeben.
Wir sehen, so einfach ist das mit dem Wort Gottes nicht. Die Bibel kann jedenfalls nicht pauschal
als Wort Gottes bezeichnet werden. Sie berichtet vielmehr von den Erfahrungen, die die Menschen
mit Gott gemacht haben.
Nun stehen im Hebräerbrief in unserem Predigttext Aussagen zum Wort Gottes. Wenn wir davon
ausgehen wollten, dass damit die Bibel gemeint sei, hätten wir auch hier arge Probleme,
denn zu der Zeit, als der Hebräerbrief geschrieben wurde, gab es die Bibel in dieser Form
und Zusammenstellung noch gar nicht. Ja, manche Bücher aus dem Buch des zweiten Bundes waren
noch gar nicht geschrieben. Und der Schreiber des Hebräerbriefes hat sicher nicht daran
gedacht, dass sein Brief einmal Bestandteil unserer Bibel sein würde.
Was ist also mit dem Wort Gottes gemeint? Der Schreiber des Hebräerbriefes gibt die Antwort
selbst:
Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt
durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und
Sinne des Herzens.
Das Wort Gottes ist lebendig. Niedergeschriebenes Wort hingegen ist nicht lebendig, denn es
ist fixiert, es ist hunderte von Jahren alt.
Was bedeutet es, wenn von einem „lebendigen Wort“ die Rede ist? Muss das Wort Gottes mündlich
an uns ergehen? Wie soll das dann geschehen? Sage ich jetzt und hier das Wort Gottes weiter?
Oder muss erst ein Engel kommen, der uns das Wort Gottes sagt? Und man darf natürlich auch
fragen, ob gesprochenes Wort wirklich lebendiger ist als geschriebenes Wort!
Nicht immer kann man diese Frage bejahen. Denn auch gesprochenes Wort kann tot sein. Z.B.: wenn
niemand da ist, um es zu hören, hat es überhaupt keine Wirkung. Es ist sinnlos, das Wort
überhaupt zu sprechen.
Oder wenn die Hörer sich dem gesprochenen Wort verschließen, ihre Ohren auf Durchzug stellen,
ist das Wort tot, wirkungslos. Und selbst wenn sie es hören und aufnehmen, bleibt das Wort
zunächst tot.
Es wird erst dann lebendig, wenn die Menschen, die es aufnehmen, die es also hören, das Wort
auch in sich wirken lassen. Wenn sie zulassen, dass das zu ihnen gelangte Wort in sie anrührt
und sie verwandelt, sie antreibt und unruhig macht.
Dann wird das Wort lebendig, so lebendig, wie es der Verfasser des Hebräerbriefes, dessen Namen
wir übrigens nicht kennen, schreibt. Das lebendige Wort dringt durch, bis es Seele und Geist
scheidet, und die Gedanken und Sinne des Herzens richtet. Das ist das lebendige Wort Gottes.
Es begeistert uns für Gott, es reißt uns aus unserer Schuld heraus, es packt uns und führt uns
auf einen Weg, der uns und die Welt um uns herum verändert.
Doch es bleiben natürlich immer Zweifel: wann ist es nun Wort Gottes, und wann nicht? Denn es
gibt zahlreiche Menschen, die sich für eine Sache begeistern, so wie man es erwarten müsste,
wenn sie vom lebendigen Wort Gottes ergriffen sind. Mit aller Kraft, mit ihrer Seele vertreten
sie die Sache, für die sie sich stark machen. Da könnte man z.B. an die Anhänger der AfD denken,
oder an die Neo-Nazis.
Wir würden sofort sagen: das kann nicht das Wort Gottes sein, was sie da packt und treibt. Aber
woher können wir das wissen? Wir wissen es daher, weil sie sich selbst für diejenigen halten,
die alles richtig machen, die Recht haben, die erwählt sind, während sie die anderen verdammen,
wenn sie sich ihnen nicht anschließen.
Es ist diese exklusive Haltung, die uns erkennen lässt, dass sie nicht vom Wort Gottes getrieben
werden. Denn das Wort Gottes ist immer einladend, und zugleich demütigend. Es hält uns selbst
immer den Spiegel vor. Es macht uns klar, dass wir von der Gnade und Vergebung Gottes genauso
abhängig sind wie jeder andere. Es zeigt uns, dass nicht wir über die anderen zu richten haben,
sondern dass Gott selbst durch sein Wort richten wird und uns dabei nicht ausnimmt.
Das Wort Gottes ist lebendig. Es kommt zu uns auf vielfältige Weise, auch natürlich dann, wenn
wir in der Bibel lesen. Denn die Bibel erzählt davon, wie Gott handelt, und öffnet uns damit auch
für sein Handeln in uns.
Das Wort Gottes kommt zu uns auch dadurch, dass wir von den Erfahrungen anderer lesen, die
Gottes Wort begegnet sind, die durch Gottes Wort vor eine Entscheidung gestellt wurden.
Aber wenn wir die Bibel oder andere Erzählungen lesen, sollen wir nicht automatisch annehmen,
dass wir damit das Wort Gottes konsumiert haben. Das lebendige Wort kann zwar durch dieses Lesen
in uns zu wirken beginnen, aber es kann auch auf ganz andere Weise zu uns kommen:
Etwa durch die Begegnung mit einem anderen Menschen, vielleicht sogar durch die Begegnung mit
einem, von dem wir sicher wissen, dass sie oder er nichts mit Gott zu tun haben will.
Es kann auch sein, dass durch ein Ereignis in unserem Leben plötzlich Gott zu uns spricht.
Oder wir hören seine Stimme, wenn wir uns einmal die Zeit nehmen, still zu werden, wenn wir beten
oder gemeinsam mit anderen Gottesdienst feiern. Immer kann Gott zu uns sprechen, und der
Wochenspruch weist uns darauf hin, dass er es auch heute tut.
Das Wort Gottes beginnt in uns zu rumoren, es rüttelt uns auf, es setzt uns in Bewegung. Denn es
gibt sich nicht zufrieden, wenn wir nur da sitzen und unser Leben so wie es ist genießen. Wir
spüren diese Kraft und wissen: Gott spricht zu uns.
Das Wort Gottes dringt durch wie ein zweischneidiges Schwert. Das ist schmerzhaft. Aber es ist
auch heilsam, denn es trennt das, was uns träge macht, von dem, was uns Leben schenkt, und hilft
uns, das Geschenk des Lebens von Gott anzunehmen.
Das lebendige Wort Gottes beschönigt nichts, es deckt unsere Schuld auf, es richtet uns - und
doch spricht es uns auch die Gnade zu, die wir nur von Gott selbst empfangen können.
Dass wir das lebendige Wort Gottes hören, erkennen wir daran, dass es weh tut, wenn es uns
trifft. Es wirkt in uns, es wühlt uns auf, es zeigt uns, was fehlt, und was wir tun können. Es
deckt unseren Mangel auf - für uns, damit wir uns neu ausrichten und unser Leben neu gestalten
können, nach dem Willen Gottes.
Auch wenn es weh tut: es ist wichtig, dass wir es zulassen, dass das lebendige Wort Gottes uns
durchdringt und bloßlegt, was wir in unserem Innersten verborgen halten. Es ist sicher nicht
immer leicht, aber die Freiheit und der Friede, die uns das Wort Gottes zu schenken vermag,
wiegen allen Schmerz auf, den wir empfinden mögen, wenn es uns trifft.
Der Schmerz wird verblassen. Und dann können wir uns aufmachen, zu tun, wozu das Wort Gottes
uns auffordert: nämlich Liebe zu üben, allen Menschen mit Offenheit und Vergebungsbereitschaft
zu begegnen, zu helfen, wo Not ist, und das alles nicht, damit unsere Namen in der Zeitung stehen,
die morgen schon weggeworfen wird, sondern damit das Gesicht dieser Welt etwas freundlicher wird,
dass weniger Menschen Angst haben müssen und damit etwas sichtbar wird von dem Reich Gottes und
seiner Gerechtigkeit.
Wir brauchen Mut dazu - Gott gebe ihn uns.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
O Gott, du höchster Gnadenhort (EG 194)
Herr, für dein Wort sei hoch gepreist (EG 196 - Wochenlied!)
Herr, dein Wort, die edle Gabe (EG 198)
Sonne der Gerechtigkeit (EG 262)
Wohl denen, die da wandeln (EG 295)
Er weckt mich alle Morgen (EG 452)
Nun geh uns auf, du Morgenstern (KHW-/HN-EG 571)
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Predigtvorschläge zu Reihe V - Jes 55, (6-7)8-12a
Liebe Gemeinde!
„Und, wo geht’s jetzt lang?“
Der eine, Matthias, hat eine Landkarte in der Hand, der andere, Paul, versucht, mit
seinem Smartphone ihre Position zu bestimmen und so den kürzesten Weg zurück in das
Dorf zu finden, wo sie eine Unterkunft bekommen hatten.
Am morgen waren sie aufgebrochen zu einer Wanderung in ein Gelände, das sie nicht
kannten. Abenteuerlust nennt man das. Auf der Karte war eine Ruine eingezeichnet,
die eine Touristenattraktion sein sollte. Da wollten sie zu Fuß hin, querfeldein,
ist ja viel kürzer als den sich windenden Weg zu gehen. Über Berge und Täler waren
sie gewandert, die Höhenunterschiede waren nicht allzu groß, vielleicht 200 Meter,
aber immerhin. Es war jedesmal eine Freude, wenn sie einen Gipfel erklommen hatten,
denn sie hatten ja etwas erreicht.
Aber nicht das Ziel. Sie hatten es nicht gefunden. Eigentlich hätten sie es schon
erreicht haben können, so sah es jedenfalls auf der Karte aus. Sie waren bereits
eine viel weitere Strecke gelaufen, als es laut Karte hätte sein müssen. Aber die
Ruine war nicht dort, wo sie sie vermutet hatten.
Die Landkarte war vom Touristenbüro und nicht sehr ergiebig, vielleicht auch nicht so
genau, wie man es von einer Landkarte erwartet. Es waren mal gerade die befestigten Wege
eingezeichnet, von denen sie sich schon von Anfang an ferngehalten hatten. Topographische
Daten gab es nicht, und der Maßstab – ja, es gab eigentlich keinen Maßstab.
Das Smartphone könnte noch eine Hilfe sein. Ein paar Schritte gehen, dann weiß man, in
welcher Richtung der nächste Weg liegt, und wenn man den dann gefunden hat, müsste auch
die Landkarte wieder eine Hilfe sein. Nur muss dafür das GPS-System funktionieren. Und
das war das Problem. Paul hatte es aus irgendeinem Grund nicht zum Laufen bringen können.
Doch da gibt das Gerät ein knarzendes Geräusch von sich. „Oh Mann, der Akku“, sagt Paul
und tippt hektisch auf dem Bildschirm seines Smartphones herum.
„Was denn?“, fragt Matthias.
„Der ist gleich leer“, kommt es leicht schuldbewusst von Pauls Seite. „Das Ding
will sich einfach nicht mit dem Satelliten verbinden.“
Noch einige Male wischt er über den Bildschirm, bis er schließlich das Gerät in seiner
Hosentasche verschwinden lässt und feststellt: „So, das war's. Was jetzt?“
Ratlos sehen sich die beiden an. Sie befinden sich in einem Tal. Von einer Anhöhe aus
könnten sie vielleicht das Dorf sehen. Also klettern sie den mit Bäumen bewachsenen
Abhang hinauf, nur um festzustellen, dass es da, wo sie den Gipfel des Berges vermutet
hatten, noch längst nicht so weit ist. Abgesehen davon, dass ringsum Bäume stehen und
man darum nicht in die Ferne blicken kann: der Berg ist höher, nur der Aufstieg ist jetzt
etwas leichter.
Nach einer guten halben Stunde sind sie endlich oben angekommen.
Tatsächlich gibt es dort auch eine kleine Lichtung, so dass sie über die Baumwipfel hinweg
schauen können. Das Dorf sehen sie aber nicht, so sehr sie sich auch bemühen. Schließlich
stellt Matthias resigniert fest:
„Wir haben uns verlaufen.“
Und dann sagt er: „Vielleicht hätten wir das Smartphone benutzen sollen, um Hilfe zu rufen?“
„Tolle Idee.“, erwidert Paul. „Hättest Du das nicht eher sagen können? Jetzt geht nichts mehr.
Der Akku ist leer.“
Matthias kramt in seinem Rucksack. „Ich habe doch mein altes Handy“, murmelt er vor sich hin.
„Wo steckt das Ding bloß?“
Nach einigem Suchen plötzlich ein Schrei: „Ich hab's!“
Es ist wirklich ein altes Gerät, aber es funktioniert.
„Und, wen willst Du jetzt anrufen?“ fragt Paul. Sie hatten keine Telefonnummer. Der Notruf
hatte in diesem Land bestimmt eine andere Nummer als zu Hause. Und außerdem – was sollte er
dann sagen?
Sein Blick fiel auf die Karte, die sie von der Touristeninformation erhalten hatten. Dort
standen gleich mehrere Telefonnummern. Er rief die erste an und schilderte ihre Situation.
Anhand seiner Beschreibung und mit Hilfe des Handys war es sogar möglich, ihren Standort
festzustellen.
Nach einer Stunde kam ein Führer und brachte sie sicher in das Dorf zurück, das nur eine
halbe Stunde entfernt war, aber in einer Richtung, die sie nicht vermutet hatten. Und weil
das Dorf hinter einer anderen Bergkuppe lag, hatten sie es von ihrem Standort aus auch nicht
sehen können.
Liebe Gemeinde,
das Leben ist im Grunde nichts anderes als eine große Wanderung. Wir befinden uns ständig
auf dem Weg. Darum reden wir ja auch vom Lebensweg. Schön ist es, wenn der Weg sich immer
gerade durch die Landschaft hindurch zieht, aber das ist wohl eher Wunschdenken als Realität.
Der Lebensweg führt vielmehr in der Regel über Berge und durch Täler, manchmal auch an
steilen Abhängen entlang. Der Boden ist nicht immer so, dass es leicht fällt, weiter zu
gehen. Und vor allem: wir wissen gar nicht so genau, wo der Weg hinführt und wann er endet.
Das Ziel ist nicht klar vor Augen. Es häufen sich zahlreiche Wünsche, Etappenziele
gewissermaßen, aber ob sie erfüllt werden, oder um im Bild zu bleiben, ob sie auch
erreicht werden, ist völlig unklar. Sicher gibt es immer wieder mal Höhepunkte, wo
man sich etwas entspannen und an dem freuen kann, was man erreicht hat. Aber dann muss
es weitergehen, damit man zum nächsten Ziel gelangt.
Das Leben ist eine mühsame Wanderung – für die meisten Menschen wenigstens. Denn die Wege
sind, wie gesagt, alles andere als leicht zu gehen.
Und so entscheidet man sich irgendwann vielleicht für eine Abkürzung. Die Richtung weiß man
ja schon, also sollte es nicht so schwer fallen. Doch sobald man den Weg verlässt, werden
die Unsicherheiten nur noch größer, und man begibt sich – bewusst oder unbewusst – in Gefahr.
Noch immer ist es ein Weg, den wir gehen, aber jetzt ist der Weg von uns selbst gemacht –
nur wir sehen ihn vor uns und glauben, dass er uns schon richtig führen wird, obwohl wir
unbekanntes Gelände betreten haben. Werden wir unser Ziel jemals erreichen?
Im Text des Propheten Jesaja geht es um die Lebenswege. Eure Wege sind nicht meine Wege,
sagt Gott durch den Mund des Propheten und spricht damit etwas an, was wir erst relativ
spät bereit sind, zuzugeben: Wir haben uns verlaufen.
Das Ziel ist fort, es gibt keinen Weg, bzw. der Weg, den wir meinten zu kennen, führt uns
ins Nirgendwo.
Wir brauchen jemanden, der uns führt, der uns wieder auf den richtigen Weg bringt, der, so
beschwerlich er sein mag, uns am Ende doch zum Ziel führt.
Dabei tun wir es den beiden jungen Menschen, Matthias und Paul, zunächst aber oft gleich:
wir versuchen erst einmal mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, diese Führung zu
bekommen. Es würde unseren Stolz verletzen, wenn wir fremde Hilfe erbitten würden. Und
außerdem – das kommt dann noch dazu – scheint es ja so, als ob niemand da wäre, der uns
helfen könnte. Wir sind also offensichtlich auf uns selbst angewiesen.
Aber das ist nicht wahr. Denn eigentlich war da schon immer jemand ganz in der Nähe. Bei
Matthias und Paul waren es die Telefonnummern auf der Landkarte, die sie nur anrufen
brauchten, um Hilfe zu bekommen.
Im wirklichen Leben haben wir zwar meist keine Landkarte in der Hand, aber eine Nummer ist
uns schon gegenwärtig, die wir überall verwenden können: In Zahlen lautet sie 4688, in
Buchstaben heißt sie „Gott“.
Wie ich auf die Zahl komme, will ich kurz erklären. Es ist eine Methode, die immer öfter
angewendet wird. Bei den Tastentelefonen stehen neben den Zahlen oft auch Buchstaben, mit
deren Hilfe man Text eintippen kann. Die Buchstaben G, o und t finden sich auf den Tasten
der Nummern 4, 6 und 8.
Gott ist immer erreichbar – dazu brauchen wir auch kein Handy oder Smartphone. Funklöcher
gibt es nicht, die unseren Versuch, mit ihm Kontakt aufzunehmen, behindern könnten. Wenn
es etwas gibt, dass uns an der Kontaktaufnahme hindert, dann sind das wir selbst. Unser
Stolz, unser Zweifel, unsere Angst stehen uns oft im Weg. Aber das muss nicht sein.
Denn noch bevor wir Gott anrufen, ruft er uns. Wir können seine Stimme hören, wenn wir nur
unsere Ohren öffnen, wenn wir selbst still werden und nicht mit aller Kraft versuchen, alles
selbst zu schaffen.
Wenn wir seine Stimme hören, können wir uns auch sicher fühlen, denn wo er ist, kann uns nichts
schaden.
Gott erinnert uns an das Ziel unseres Lebensweges, schon während wir noch verzweifelt nach dem
Weg suchen.
Denn das Ziel ist ja Gott selbst, die Gemeinschaft mit ihm, die wir dadurch erlangen, dass wir
einander lieben und füreinander da sind, in guten und in schweren Zeiten.
Gott lässt seine Stimme hören, damit wir ihn finden – er ist unser Wegweiser, der auch da noch
zu finden ist, wo eigentlich nichts zu sehen ist.
Eigentlich braucht es nicht viel von unserer Seite. Ein Gebet, das von Herzen kommt, genügt.
Dann wird Gott uns die Freude schenken, seine Gegenwart zu erleben, und Friede wird um uns
sein, ein Friede, den die Welt nicht geben kann.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Güldner Himmelsregen (EG 135, 4)
Wach auf, wach auf, du deutsches Land (EG 145, 1-5)
Herr, für dein Wort sei hoch gepreist (EG 196 - Wochenlied!)
Im Frieden dein, o Herre mein (EG 222)
Und suchst du meine Sünde (EG 237)
Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ (EG 246)
Was mein Gott will, gescheh allzeit (EG 364)
In Gottes Namen fahren wir (EG 498)
Nun geh uns auf, du Morgenstern (KHW/HN-EG 571)
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Predigtvorschläge zu Reihe VI - Mk 4, 26-29
Liebe Gemeinde!
Eigentlich gehen wir ja ganz selbstverständlich mit Samen um. Wer einen Garten hat, bereitet
jetzt vermutlich langsam das Frühbeet vor, oder sät den Samen im beheizten Gewächshaus aus.
So ein Samenkorn ist bemerkenswert. Aus einem winzigen Körnchen wird eine um ein Vielfaches
größere Pflanze, die dem Aussehen nach überhaupt nichts mit dem Samenkorn gemein hat. Wasser,
Nährstoffe aus dem Boden und Licht genügen, um dieses Wachstum zu ermöglichen.
Schließlich entstehen aus dieser Pflanze Blüten, die Insekten anlocken und aus denen dann
wieder Samen entstehen, so dass der Kreislauf von neuem beginnen kann.
Manche Pflanzen überdauern nur ein Jahr. Andere werden Jahr für Jahr groß und größer, bis
sie schließlich zu einem stattlichen Baum herangewachsen sind. Manche Eiche oder Linde ist
schon Jahrhunderte alt, hat viele Menschengenerationen überdauert, so auch einige der Linden,
die um den Kaiserdom herum vor vielen Jahren gepflanzt wurden.
Es ist ein unglaubliches Wunder, das man da erleben kann und an dem wir meist doch ohne
darüber nachzudenken vorübergehen.
Warum spricht Jesus immer wieder von Samen? Ich glaube, er will uns damit deutlich machen,
dass da etwas Neues ist, das sich zu unglaublicher Schönheit entfalten kann – wenn es nur
den richtigen Nährboden findet.
Dazu passt das Gleichnis, das wir vorhin als Evangelium gehört haben. Der Same kann auch
verloren sein, wenn er auf den Weg, unter die Dornen oder auf einen Felsen fällt. Aber wenn
er Halt und Nahrung findet, wie im fruchtbaren Ackerboden, wird daraus eine Pflanze, die
ihrerseits wieder viel Frucht bringt.
Das Gleichnis, das wir als Predigttext gehört haben, scheint eine etwas andere Zielsetzung zu
haben. Es geht nicht um die Frucht und auch nicht um den Boden. Es geht diesmal wohl eher um
den Bauern.
Noch ein anderes unterscheidet dieses Gleichnis von dem Gleichnis, das wir vorhin als Evangelium
gehört haben. Unser Predigttext beginnt mit den Worten:
„Mit dem Reich Gottes ist es so...“
Ein merkwürdiges Reich Gottes, wenn man es sich recht überlegt.
Samen säen, nichts tun, ernten... Jeder Bauer würde ja auch sofort widersprechen: so einfach
ist das nicht. Das Feld muss gepflegt werden, es muss genug Wasser da sein, das Unkraut muss
entfernt werden. Da gibt es eigentlich immer etwas zu tun.
Aber darauf geht Jesus nicht ein, im Gegenteil, er stellt es tatsächlich so dar, als sei es dem
Bauern völlig egal, wie es um die Saat bestellt ist – er weiß ja, dass am Ende die Frucht steht.
Wie ist es also mit dem Reich Gottes? Ich versuche mal, den Anfang des Gleichnisses auf
verschiedene Weise zu vollenden:
1. Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn es einem völlig egal wäre.
Es gibt viele, denen das Reich Gottes tatsächlich völlig egal ist. Sie glauben, dass Gott eine
Erfindung von Menschen ist, die Macht ausüben wollen. Die Geschichte bestätigt solche Ansichten,
die aber die andere Seite völlig ignorieren, nämlich die Menschen, die im Glauben an Gott Halt
und Zuflucht gefunden haben selbst in den schwersten Lebenssituationen. Es ist schon komisch,
wollte man diese Wirkung allein der Selbstsuggestion zuschreiben. Hier ist Gott selbst am Werk.
Das Gleichnis beschreibt ja das Reich Gottes. Also kann es unmöglich meinen, dass es einem völlig
egal ist.
Ein anderer Versuch:
2. Mit dem Reich Gottes ist es so wie auf dem Chefsessel.
Zwar setzt man den Anfang, man investiert etwas, aber am Ende schickt man seine Leute, um die
eigentliche Arbeit zu tun. Denn es heißt ja: so schickt er alsbald die Sichel hin. Gemeint ist
wohl, dass er Knechte hinschickt, um das Korn zu mähen. Das hört sich doch ganz gut an, so als
Boss alles zu kontrollieren. Macht hat Menschen schon immer angezogen.
Aber sie ist nicht jedermanns Sache. Mal abgesehen davon, dass nicht jeder die Chance bekommt,
Macht auszuüben, so gibt es auch viele Menschen, die gar nicht das Bedürfnis danach haben. Und
darauf will das Gleichnis wohl kaum hinaus, denn es widerspricht dem, was Jesus sonst über das
Verhalten von uns Menschen gesagt hat.
Noch ein Versuch:
3. Mit dem Reich Gottes ist es so wie Ferien.
Man muss nichts tun. Das Samenausstreuen tut sich ja fast von selbst, das ist ein Spaziergang,
bei dem man die Arme etwas bewegt.
Das Ernten wird dann vielleicht etwas Arbeit, aber in dem Gleichnis heißt es ja: er schickt
alsbald die Sichel hin. Der Bauer geht ja gar nicht selber, auch wenn sich das schon etwas
mysteriös anhört: „er schickt die Sichel hin“. Aber unterm Strich kann man schon sagen: Das
Himmelreich ist ein lauer Lenz. So richtig was für Faulenzer und Langschläfer. Alles ist bestens,
es gibt fast nichts zu tun, es ähnelt dem Schlaraffenland, oder: es ist das Paradies!
Bei all diesen Varianten haben wir immer den Bauern im Blick gehabt. Was ist mit der Saat? Sie
geht auf und wächst ohne irgend jemandes Zutun. Sie muss nur in die Erde gelegt werden, damit
daraus eine Pflanze werden kann. Regen und Sonnenschein – dafür sorgt Gott.
Sollte man also sagen:
Mit dem Reich Gottes ist es so wie mit einem Saatkorn?
Aber dann verschiebt sich wieder das Bild: der Bauer gerät völlig aus dem Blick.
Es ist also schwer, wenn nicht gar unmöglich, das Gleichnis in einem Satz zusammen zu fassen.
Es gehört alles zusammen.
Im Grunde ist das Gleichnis schon ein Aufruf zur Gelassenheit.
Jesus hat den Samen eigentlich immer als Bild für das Evangelium, für das Wort Gottes genommen.
Nehmen wir mal an, dass der Bauer für Gott steht, der dieses Wort an die Menschen – das ist der
Acker – austeilt, dann erfahren wir durch das Gleichnis:
das Wort breitet sich aus, es wächst und trägt Frucht, ohne dass irgend jemand etwas dazu tun
müsste.
Wenn wir uns als christliche Gemeinde, als christliche Kirche betrachten im Vergleich zu den
Menschen, die damals, vor fast zweitausend Jahren, gerade Christen geworden waren, dann haben
wir wohl eines mit ihnen gemeinsam:
beide stellen wir eine kleine Gruppe dar in einer Menge von Menschen, denen das, was wir tun,
nahezu gleichgültig ist. Viele zahlen zwar regelmäßig die Kirchensteuer, aber wenn man bedenkt,
dass knapp zweitausend Menschen zur Gemeinde gehören und davon weniger als 50 zu den Gottesdiensten
kommen und vielleicht insgesamt 200 sonst irgendwo in den Kreisen der Gemeinden vorkommen, dann
lässt das einen schon nachdenklich werden.
Reden wir jetzt also von uns, die wir hier versammelt sind, als Gemeinde, und denken dabei auch
an all die andern, die sich regelmäßig immer wieder in ihren Kirchen zum Gottesdienst oder auch
anderswo zum gemeinsamen Bibellesen und Gebet versammeln, um Gott zu danken, auf sein Wort zu hören
und zu ihm zu beten. Insofern sind wir der damaligen Gemeinde des Anfangs sehr ähnlich.
Aber uns unterscheidet auch Einiges:
Damals hatte man das Gefühl, zu einer wachsenden Gemeinschaft zu gehören. Fast täglich kamen
Menschen dazu. Immer mehr wurden von dem Wort Gottes ergriffen, die Gemeinden wuchsen. Noch
immer waren die Gemeinden etwas Besonderes in ihrem Umfeld, so besonders, dass man Angst vor
ihnen bekam und sie zu verfolgen begann. Aber anstatt auf diese Weise die christliche Gemeinde
zu vernichten, wurde vielmehr der Eifer und die Begeisterung geschürt, die christliche Gemeinde
wuchs weiter und weiter. Denn das Geheimnisvolle, das diese Gemeinden umgab, wirkte auch anziehend.
Das ist heute bei uns anders. Immer wieder fragen sich Menschen, warum sie in der Kirche sind,
und entscheiden sich angesichts der Kirchensteuer oder anderer Motive dann doch irgendwann, aus
der Kirche auszutreten. Sie haben ja nichts davon. Für ihren persönlichen Glauben brauchen sie
keine Steuern zu zahlen. Auch ohne die Kirchensteuer können sie gelegentlich mal einen Gottesdienst
besuchen.
Und es sterben mehr Gemeindeglieder, als Kinder getauft werden. Die Zahl der Gemeindeglieder
nimmt also stetig ab, und damit auch die Einnahmen der Kirchen.
Die Kirchenleitungen beschließen darum Sparpläne, es wird abgebaut – man müsste wohl richtiger
sagen: angepasst. In immer mehr Kirchen findet auf dem Lande nur noch unregelmäßig ein Gottesdienst
statt. Gerade vor kurzem sagte mir einer, er wollte sonntags zum Gottesdienst gehen, stand dann
aber vor verschlossenen Türen. Es gab an den Türen keinen Hinweis darauf, ob in einer anderen
Kirche in der Nähe Gottesdienst wäre oder warum heute in dieser Kirche kein Gottesdienst stattfand.
Die Tür war einfach zu. Das ereignete sich im Randbereich einer großen Stadt, wo diese Person zu
Besuch war.
Es ist nicht nur dort so. Pfarrstellen werden gestrichen, die finanziellen Zuweisungen für ganze
Bereiche der landeskirchlichen Arbeit werden teilweise drastisch gekürzt, so dass sich diese Arbeit
völlig neu mit deutlich weniger Möglichkeiten gestalten muss – so in unserer Kirche etwa die
Kirchenmusik oder die Frauenhilfe. Die Sanierung von Gemeindehäusern wird nur noch teilweise von
der Landeskirche mit finanziert.
Andererseits wird dann auch wieder viel investiert. Es werden besondere Gottesdienste und Events
veranstaltet, die viele Menschen, vor allem auch solche, die sonst nicht in die Kirchen gehen,
anziehen. Es werden Zentren eingerichtet, die eine bestimmte Zielgruppe ansprechen.
Es werden bestimmte, touristisch interessante Kirchen mit vielen Millionen restauriert und saniert,
damit man einen Publikumsmagneten hat.
Es werden Hochglanzbroschüren gedruckt und in alle Himmelsrichtungen verschickt, um auf sich aufmerksam
zu machen: es lohnt sich doch, zu uns zu kommen!
Die Kirchen passen sich an die Bedürfnisse und Interessen der Gesellschaft an.
Um wieder zum Gleichnis zurück zu kehren: man hat den Eindruck, dass sich da Menschen auf das Feld
begeben und kräftig die sprießende Saat niedertreten, während sie andererseits versuchen, das
Wachstum der verbleibenden Halme durch Ziehen und Zupfen zu beschleunigen.
Dabei passiert genau das Gegenteil: die zarten Wurzeln reißen, und die Pflanzen sterben ab. Am Ende
bleibt gar nichts.
Martin Luther hat einmal an seine Frau geschrieben:
„Liebe Katharina, nach einem langen Tag sitze ich bei einem Maß Bier und denke mir, der liebe Gott
wird es schon machen.“
Ein langer Tag. Martin Luther hatte von morgens bis abends gearbeitet, er hatte gepredigt, er
hatte Gespräche geführt, er hatte geschrieben. Sieht er die Frucht seiner Arbeit? Nein. Er weiß
nur: Gott wird es schon machen.
Das ist es, worum es in dem Gleichnis geht. Es ist Gelassenheit, die wir gut gebrauchen können.
Wir legen zwar die Hände nicht in den Schoß. Auch der Bauer sorgt sich um die Saat, und die
Saat selbst sammelt alle Kraft, um zu wachsen und zu gedeihen, aber letztlich kommt das Gelingen
doch nur von Gott her.
Selbst Jesus hat uns gezeigt, was Gelassenheit bedeutet. Nicht immer war er für die Notleidenden
da. Zwar hat er hier und dort welche geheilt, oder er hat für Speise gesorgt, aber er hat sich
auch zurück gezogen, um zu Gott zu beten. Denn letztlich kommt es auf diese Verbindung zu Gott
an: dass wir tun, was uns zu tun aufgetragen ist, und gleichzeitig darauf vertrauen, dass Gott
daraus Gutes wachsen lässt. Dieses Vertrauen wächst durch das Gebet.
Nicht Aktionismus hilft der Kirche auf, sondern Gottvertrauen. Das Gleichnis ist in dieser
Hinsicht verräterisch: die Aktion des Bauern wird mit nur sechs Worten beschrieben: ein Mensch
wirft Samen aufs Land. Und dann folgt die ausführliche Beschreibung des Wachstums, das ganz von
selbst vonstatten geht: „der Same geht auf und wächst – er weiß nicht, wie. Denn von selbst
bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.“
Da wird es richtig eloquent. Der Bauer spielt überhaupt keine Rolle mehr, sein Handeln ist nicht
wichtig! Erst zur Ernte kommt er wieder in den Blick.
Wenn wir also uns selbst anschauen, in unsere Herzen schauen, dann ist es vielleicht angebracht,
sich diese Frage zu stellen: was hindert mich in meinem Handeln daran, auf das Handeln Gottes zu
vertrauen?
Und wenn wir da etwas finden, dann bringen wir es im Gebet vor Gott und bitten ihn, es fort zu
nehmen, damit wir wieder diese Gelassenheit gewinnen, die uns hilft, Kraft zu schöpfen für unsere
Arbeit im Reich Gottes. Denn mit dem Reich Gottes ist es nicht so, dass wir die Hände in den Schoß
legen könnten, im Gegenteil. Das Reich Gottes ist von der Verkündigung des Evangeliums erfüllt, es
hallt an allen Orten wider: Gott ist in unserer Mitte, er wischt ab alle Tränen von unseren
Angesichtern, er offenbart uns seine Liebe, er schenkt uns Leben.
Das können wir schon hier erfahren, in dieser Welt, die manchmal auch das Reich des Todes genannt
wird.
Wir alle sind Arbeiter im Reich Gottes! Aber diese Aufgabe ist nicht verbunden mit hohen Erwartungen
und Anforderungen, sondern mit der Zusage Gottes: ‚Tut ihr das Eine, verkündigt ihr das Evangelium.
Schaut nicht auf Statistiken, macht Euch keine Sorgen um das Geld – denn um all das kümmere ich
mich.‘ Mit anderen Worten: Ruhe ja, aber nicht zum Müßiggang oder Faulenzen, sondern um im Gebet
alles vor Gott zu bringen und so das Vertrauen in seine Güte und Macht zu stärken.
Denn Gott – sein Reich – ist ja mitten unter uns. Er hat alles in seiner Hand, er lenkt alles und
schenkt, was nötig ist.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Herr, öffne mir die Herzenstür (EG 197)
Herr, dein Wort, die edle Gabe (EG 198)
Herr Jesu Christ, du höchstes Gut (EG 219)
Wohl denen, die da wandeln (EG 295)
Mache dich, mein Geist, bereit (EG 387)
Kommt, Kinder, lasst uns gehen (EG 393)
Die güldne Sonne (EG 449)
Alle Knospen springen auf (KHW-EG 637)
Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn (KHW-EG 640)
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