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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe II - 2. Kor 1, 18-22
Liebe Gemeinde!
Unser Predigttext geht auf eine ganz besondere Situation in Korinth ein: Die Gemeinde hatte den angekündigten Besuch des Apostels erwartet. Sein Ja war schon vor langer Zeit
ausgesprochen worden, auf seine Zusage hatten sie sich verlassen, denn es gab bedeutende
Probleme zu lösen, auch gerade Probleme mit der Glaubwürdigkeit, die in der jungen
Gemeinde entstanden waren. Und nun muss er, der große Apostel und Gemeindegründer,
ihnen schreiben, dass er nicht kommen kann. Das Ja hat sich in ein Nein verwandelt.
Natürlich musste man an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln. War er vielleicht doch nur ein Versager,
ein Schwächling, ein Angsthase, der den Problemen, an denen sich schon andere
die Zähne ausgebissen hatten, aus dem Weg gehen wollte?
Wir kennen das:
wenn das Kind gebeten wir, zu helfen, und es dann doch nicht kommt, obwohl es schon gesagt hatte, dass es gleich kommen wird.
Oder wenn ein Besuch versprochen wird, und dann doch nicht stattfindet.
Oder wenn Politiker ein Programm anlässlich der Wahl aufstellen, das sie dann doch nicht einhalten.
Das Ja, das zu einem Nein wird, gibt es recht häufig.
Vielleicht ist es deswegen heute so schwer, eine Ehe einzugehen und zu erhalten, weil im Ja,
das vor dem Standesbeamten oder gar vor dem Angesicht Gottes gesprochen werden
soll, schon das Nein mitschwingt, die Bedingung, die man eigentlich nicht stellen darf, weil es ein bedingungsloses Ja sein soll?
Ein klares Ja, auf das man sich verlassen kann, das gibt es nicht so häufig. Misstrauen wird groß geschrieben -
zu oft wurde die Gutgläubigkeit der Menschen schon ausgenutzt.
Vielleicht war das auch damals schon so, zu den Zeiten des Paulus. Vielleicht war es auch
damals schon eine Grundhaltung, dass man dem Ja eines anderen nicht trauen konnte.
Umso wichtiger war es doch, dass Paulus zu seinem Ja stand, es nicht verwässerte. Aber
nun musste sich den Korinthern die Frage stellen, ob vielleicht auch Paulus zu denen
gehörte, die unglaubwürdig sind.
Paulus kündigt erst mit diesem Brief an, dass er nicht kommen wird. Aber er weiß schon, was für
Zweifel er wecken wird, und nimmt darum ausführlich Stellung dazu. Er verteidigt
sich gegen den Vorwurf der Unglaubwürdigkeit auf eine, wie uns scheinen will, recht anmaßende Art und Weise:
er beruft sich auf Gott als Zeugen. Und dabei ruft er dann auch
gleich noch die ganze Heilsgeschichte mit auf den Plan: In dem Ja Gottes, das in Jesus
Christus offenbart wurde, ist auch das Ja des Paulus begründet.
Darum, weil dieses von ihm verkündigte Evangelium in der Gemeinde in Korinth lebendig
geworden ist, kann auch an seiner Glaubwürdigkeit nicht gezweifelt werden.
Paulus ruft das Ja Gottes über der Gemeinde aus. Es ist ein unverbrüchliches Ja,
ein Ja, das niemals in ein Nein verwandelt werden kann.
An dieser Stelle beginnt der Predigttext, nicht nur von der Spannung, die sich zwischen
dem Apostel Paulus und der Gemeinde in Korinth aufgebaut hat, zu handeln, sondern auch
uns anzusprechen. Denn dieses Ja Gottes gilt natürlich auch uns.
Wir stecken tief im Advent. Advent, das bedeutet Vorbereitung, Innehalten, sich besinnen, zurückbesinnen,
aber auch vorausschauen: der Advent stellt unser Leben in Frage, denn
es geht hier um die Ankunft des Allmächtigen, des Herrschers aller Herren,
in einer Gestalt, die uns eigentlich so gar nicht gefallen will.
Das heißt, gefallen tut sie uns wohl, denn es ist natürlich süß, das Jesulein im Kripplein:
das geht ans Herz, und darum ist ja auch in dieser Zeit die Spendefreudigkeit und
Versöhnungsbereitschaft so groß, was weidlich ausgenutzt wird, wie die
Briefeflut in dieser Zeit beweist.
Aber darum ist Gott ja nicht in die Welt gekommen, damit wir in sentimentalem Rausch
alle Jahre wieder ein versöhnliches und friedvolles, ein idyllisches Christfest im
Kerzenschein unter dem Tannenbaum feiern können in einer Welt, in der auch an dem
Tag, am Christtag, wie an jedem anderen Tag wieder zigtausende von Menschen
verhungern, durch Kriege heimatlos oder getötet werden oder schlicht nichts
wissen wollen von der Liebe Gottes, weil ihnen ihr Geldbeutel wichtiger ist.
Diese sentimentale, idyllische Weihnachtsfeier ist nicht das Christfest, auf das wir uns in der Adventszeit vorbereiten.
Gott wurde Mensch, damit wir uns mit ihm versöhnen lassen, indem er den Tod auf sich nimmt, den wir verdient hätten.
Das Kind in der Krippe ist schon vom Tod gezeichnet, das Kreuz ist über der Krippe aufgerichtet,
und es wird grausam spürbar, wie nötig das ist, wenn am 28. Dezember der
unschuldigen Kinder gedacht wird, die Herodes töten ließ und die uns erinnern an all die
Millionen von Kindern, die Opfer unserer weltweiten Wirtschafts- und Machtpolitik
geworden sind.
Wenn man nicht völlig abgestumpft ist angesichts der Medienflut, die uns tagtäglich
überschwemmt, dann bleibt da nichts von der Idylle übrig, die uns das Weihnachtsfest
so lieb und wert macht. Im Christfest geht es um den, der die Welt überwindet, und das ist kein billiger Sieg.
Gott spricht sein Ja zu uns, das haben wir im Predigttext vernommen. Aber was machen wir mit diesem Ja?
Im Evangelium haben wir von einer Frau gehört, die dieser Kirche ihren Namen
gegeben hat: die selige Jungfrau Maria. Der Engel Gabriel war zu ihr gekommen, hatte sie
angesprochen, ihr von dem Willen Gottes berichtet, dass sie den Sohn Gottes gebären
sollte. Gottes Ja wird in dieser Anrede spürbar: das Ja zu dieser niedrigen Magd,
ein Ja, das Maria zunächst erschrecken lässt: Wie kann das sein? Warum ich?
Gott spricht sein Ja zu Maria. "Du bist die Frau, die ich brauchen will". Bist du dazu bereit?
Es ist wichtig, dass Gott sich nicht über sie hermacht, ohne ihr die Chance zu geben, Nein
zu sagen. Sie hat diese Chance, und er hätte ihr Nein akzeptiert. Denn die Freiheit
des Menschen ist ihm wichtig, darin erkennen wir die Ebenbildlichkeit, zu der Gott uns geschaffen hat.
Maria könnte "Nein" sagen, aber sie tut es nicht. Ihre Antwort auf das bedingungslose
Ja Gottes ist ein ebensolches Ja. "Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe,
wie du gesagt hast."
Maria wird ein Teil der Heilsgeschichte, ein wesentlicher Teil. Ohne sie wäre das Wunder der
Menschwerdung Gottes nicht möglich gewesen; ohne ihre freie Entscheidung,
sich selbst ganz Gott anzuvertrauen, gäbe es kein Christfest.
Gott spricht sein Ja zu uns. "Du bist es, dich will ich brauchen. Bist du dazu bereit?"
Gottes Ja fordert eine Antwort. Und diese Antwort kann nicht allein darin bestehen,
dass wir uns der Illusion einer Idylle hingeben, die es so ja nie gegeben hat. Diese Antwort
kann auch nicht in einem Schuhkarton verpackt werden und hat ebenso wenig mit roten Nasen zu tun.
Diese Antwort muss aus dem tiefsten Herzensgrund kommen. Kein "Ja, heute, aber
morgen nicht", und auch kein "Ja, morgen, aber heute nicht.",
sondern: "Ja, ich bin bereit. Mir geschehe, wie du gesagt hast."
Wenn wir uns so bereiten, wenn wir unsere Herzen so öffnen für das Ja Gottes, dann wird
das Wunder der Christnacht lebendig, nicht nur in uns, sondern auch durch uns.
Denn das JA Gottes kann nur durch die, in denen es lebendig geworden ist, auch zu denen
gelangen, die es nicht vernommen haben oder die längst aufgegeben haben, es für
möglich zu halten.
Aber das ist kein Auftrag, den auszuführen eine Last wäre, sondern es ist die natürliche
Reaktion auf das Wunder, mit dem Gott uns nahe kommt. Wer könnte schon schweigen,
wer könnte schon so tun, als sei nichts passiert, wenn dieses uneingeschränkte JA, das
in der Geburt des Kindes sichtbar wird, erklungen ist und gehört wurde, wenn es nicht
abprallte an einem selbsterrichteten Schutzwall aus Eigenliebe und Ignoranz.
Gott stellt sein JA an den Anfang, damit unser JA leicht werden kann. Darum: "Freuet euch
in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: freuet euch! Der Herr ist nahe!"
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Gottes Sohn ist kommen (EG 5)
Es kommt ein Schiff, geladen (EG 8)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)
Gott sei Dank durch alle Welt (EG 12)
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Predigtvorschläge zu Reihe IV - Lk 1, 26-38(39-56)
Liebe Gemeinde,
Wir haben gerade die Erzählung aus dem Lukas-Evangelium gehört, wie der Erzengel Gabriel
einer Jungfrau mit Namen Maria verkündet, dass sie den Sohn Gottes gebären wird.
Dies ist die Zeit der Engel: Da ist der Erzengel Gabriel, der mehrfach Maria und Josef
begegnet und ihnen den Willen Gottes kundtut. Da ist der Engel, der den Hirten die
frohe Botschaft von der Geburt Jesu überbringt. Und dann ist da die Menge der himmlischen
Heerscharen – vermutlich auch alles Engel.
Die Bibel beschreibt Engel auf recht unterschiedliche Weise: mit zwei Flügeln, manchmal
auch mit sechsen, und manchmal ganz ohne. Immer sind es himmlische Wesen, manchmal aber
auch erscheinen sie ganz menschlich, so, als hätten sie mit dem Himmel, dem Reich Gottes,
gar nichts zu tun. Nur ein weißes Gewand mag noch von ihrer besonderen Aufgabe zeugen,
so wie die Männer am Grab des auferstandenen Herrn.
Wir verstehen Engel meist als Bindeglieder zwischen Himmel und Erde, und da kann man schon
verstehen, dass wir ihnen in unserer Vorstellung Flügel geben, denn wie sonst sollen sie
die Wegstrecke bewältigen.
Dabei vergessen wir, dass der Himmel über uns nichts zu tun hat mit dem Himmel, in dem Gott
lebt. Denn das Reich Gottes ist mitten unter uns, nur dass wir es nicht mit den uns gegebenen
Sinnen wahrnehmen können. Aber es ist da. Und darum brauchen auch Engel keine Flügel (ganz
abgesehen davon: wenn sie fliegen müssten, könnten sie das sicher auch ohne Flügel tun, denn
bei Gott ist kein Ding unmöglich).
Auch die Bibel kennt Engel ohne Flügel. Da gibt es die Geschichte von Tobias und dem Erzengel
Raphael: in der Erzählung weiß bis zum Ende niemand, dass es sich bei Raphael um einen Engel
handelt. Er erscheint als ein Wandersmann, der zufällig dem jungen Tobias begegnet.
Aber auf allen künstlerischen Darstellungen dieser Geschichte hat Raphael selbstverständlich
auch Flügel, und man muss sie sich eigentlich wieder weg denken, um der Geschichte gerecht zu
werden. Engel müssen keine Flügel haben.
Das wird auch deutlich in der Aufforderung zur Gastfreundschaft aus dem Hebräerbrief, wo es
heißt: „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel
beherbergt.“ (Hebr 13, 2)
In unserer Erzählung aus dem Lukas-Evangelium wird nichts davon gesagt, ob Maria den Engel
auch als Engel erkennt. Ob Gabriel dort mit Flügeln auftaucht, wird gar nicht beschrieben.
Das muss ja auch nicht das Erkennungszeichen von Engeln sein. Er identifiziert sich allerdings
als Engel, indem er eine Botschaft von Gott übermittelt.
Denn das Wort Engel, das sich vom griechischen „αγγελος“
(gespr. „angelos“) ableitet, bedeutet
nichts anderes als „Bote“. Und so sind Engel in erster Linie auch Boten, die den Willen Gottes
den Menschen auf verschiedene Weise kundtun.
„Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!“ (Lk 1, 28b)
Maria hört diese Botschaft mit Verwunderung, ja, eigentlich sogar mit Schrecken.
„Begnadete...“ - wie kommt dieser Fremde auf solch eine Bezeichnung? Sie ist noch jung, für
unsere Begriffe wohl sehr jung, denn damals heiratete man früh, viel früher als heute. Maria
war ein Teenager, sie mochte so um die 16 Jahre alt sein.
Noch wohnt sie bei ihren Eltern, denn die Ehe mit dem Zimmermann Josef ist zwar vorbereitet,
aber noch nicht geschlossen.
Maria hat bis dahin nichts Außergewöhnliches getan. Die Bezeichnung „Begnadete“ hat sie also
nicht verdient. Und darum erschrickt sie. 'Was geht hier vor? Was wird mit mir geschehen?'
Der Engel überbringt eine Botschaft, die in der Tat für eine so junge Frau beängstigend sein muss.
Aber am Anfang dieser Botschaft steht das beruhigende „Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade
bei Gott gefunden“. (Lk 1, 30) Dieses „Fürchte dich nicht“ - es ist so gemeint, wie eine Mutter
ihr Kind in den Arm nimmt, das gerade von einem schrecklichen Alptraum erwacht ist, und ihm
zärtlich über den Kopf streicht. 'Fürchte dich nicht, habe keine Angst, ich bin da und
beschütze dich'.
Dies hier ist allerdings kein Traum. Aus irgendeinem Grund hat es Gott gefallen, diese Maria,
eine unscheinbare Frau irgendwo in Nazareth, die dem Zimmermann Josef, einem Nachkommen Davids,
versprochen ist, als etwas Besonderes anzusehen. „Was kann aus Nazareth Gutes kommen!“,
(Joh 1, 46) sagt Nathanael zu Philippus, als der ihn einlädt, Jesus aus Nazareth nachzufolgen.
Nazareth ist sprichwörtlich bedeutungslos gewesen damals.
Wie kommt Gott also nur darauf, diese Maria auszuwählen? Es gab sicher hunderte, vielleicht
sogar tausende andere Marias. Der Name war jedenfalls sehr geläufig. Und vermutlich gab es
auch welche, die nach unseren Vorstellungen geeigneter gewesen wären als Gottesmutter.
Aber Gott braucht keinen Grund für sein Handeln. Er ruft immer wieder Menschen in seinen Dienst,
die selber nicht recht wissen, wie ihnen geschieht, und die das „warum“ nicht beantworten
können, weil es nichts gibt, das sie vor anderen auszeichnet.
Nur eins ist da: sie überhören den Ruf Gottes nicht. Und das mag das Entscheidende sein.
Vielleicht hatte Gott ja schon andere angesprochen, die schlicht nicht hingehört haben.
Und deswegen ist es sicher angebracht, dass wir uns selbst fragen: würden wir die Stimme
Gottes hören, wenn er uns etwas mitteilen will? Oder hören wir einfach weg? Geben wir uns
die Gelegenheit, auf Gottes Stimme zu hören?
Jeden Tag kommen Menschen in diese Kirche, nicht, um ihre Schönheit zu bewundern, sondern
um Gott zu begegnen. Zugegeben, das ist etwas kurz gegriffen, denn diese Kirche kann Gott
genauso wenig fassen wie damals der Tempel in Jerusalem, aber sie ist ein Ort, in dem es
leichter fällt, still zu werden und hin zu hören. Hier kann man sich befreien von der Last
des Alltags, alle Sorgen und Ängste ablegen und still werden vor unserem Gott.
Das ist der Zweck dieser Kirche, dies zu ermöglichen, und darum ist es auch gut, dass wir
sie täglich geöffnet haben, auch wenn es manchmal zu unschönen Ereignissen kommt.
Gott ruft, und Maria folgt diesem Ruf mit den Worten: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir
geschehe, wie du gesagt hast.“ (Lk 1, 38)
Aber das, was für sie bestimmt ist, ist natürlich wenigstens beunruhigend: sie soll
schwanger werden mit einem Kind, das „Sohn des Höchsten“ - also „Sohn Gottes“ - genannt
werden wird. Dieses Kind wird ein „König ... in Ewigkeit“ sein, „sein Reich wird kein
Ende haben“, so sagt ihr der Engel.
Maria bleibt aber erst einmal auf dem Boden der Tatsachen. Sie hat mit noch keinem Mann
geschlafen, wie also soll das möglich sein?
Schon damals wusste man, dass es Mann und Frau braucht, um Kinder zu zeugen, und nicht
Störche das Kind auf die Türschwelle legen. Man musste den Kindern nichts vorlügen.
Darum ist die Frage Marias auch nur zu verständlich. Die Antwort hätte sie sich aber denken
können: Bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Das Kind wird vom Heiligen Geist gezeugt werden, so offenbart es ihr der Erzengel Gabriel:
„Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich
überschatten.“ (Lk 1, 35a)
Während das Wort „überschatten“ für uns heute meist einen negativen Beigeschmack hat,
gewinnt es in diesem Zusammenhang positive Bedeutung. Man wird an das Wort „Beschirme
mich unter dem Schatten deiner Flügel“ (Ps 17, 8b) aus dem 17. Ps erinnert, oder an
„unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich!“ (Ps 63, 8b) aus dem 63. Psalm.
„Überschatten“ bedeutet 'geschützt sein'.
Aber es bleibt doch alles etwas nebulös.
Nun wird an dieser Stelle eine Sache angesprochen, die in den vergangenen Jahrzehnten
zunehmend in Zweifel gezogen wurde. Was hat es mit der Jungfrauengeburt auf sich? Ist
das damals wirklich so gewesen? Ist nicht doch Jesus das Kind der ehelichen Gemeinschaft
von Maria und Joseph? Oder hatten sie gar vorehelichen Geschlechtsverkehr?
Für manche ist die diesbezügliche Zeile des Glaubensbekenntnisses ein Anstoß: „geboren
von der Jungfrau Maria“, und manche Theologen haben sich regelrecht gefreut, als offensichtlich
wurde, dass es da einen Übersetzungsfehler gegeben hatte, damals, vor 2000 Jahren, und Maria
eigentlich nur eine junge Frau ist, nicht aber eine Jungfrau, wobei das eine das andere
natürlich nicht ausschließt. Sie freuten sich, weil sie damit die Erklärungsnot loswurden,
weil immer öfter gefragt wurde, ob das denn berechtigt sei, von einer Jungfrauengeburt zu
sprechen.
Andere bemühten die Mythologie der umgebenden Völker. Dort sah man bedeutende Männer, vor
allem ihre Herrscher, häufig als Götter an, also mussten sie auch von Göttern gezeugt sein.
Dem entsprach das Bild von der Jungfrauengeburt, und so erzählte man über sie, dass sie von
einer Jungfrau geboren worden seien, obwohl man sehr wohl wusste, dass dem nicht so war.
Das sei dann von den Menschen damals auch auf Jesus angewandt worden.
So klein also ist der Glaube unter den Menschen geworden, dass sie Gott, dem Schöpfer der
ganzen Welt, noch nicht einmal solch eine Kleinigkeit zutrauen.
Aber das muss uns nicht weiter stören. Was damals genau geschehen ist, kann kein Mensch
heute mehr nachvollziehen. Der Satz im Glaubensbekenntnis ist jedenfalls zu einer Kernaussage
der christlichen Kirche geworden, weil sie verdeutlicht, dass Gott nicht nur teilnahmslos auf
uns herabsieht, sondern sich auch einmischt; dass er sich nicht zu wichtig vorkommt, um ganz
auf unsere Ebene hinabzusteigen und Mensch zu werden. Und das geht nun mal nur auf diesem Wege.
Darum betont auch das Nizänische Glaubensbekenntnis ausdrücklich: „gezeugt, nicht geschaffen“,
weil es sonst nicht die vollkommene Hingabe Gottes an uns Menschen sein könnte.
Für mich ist es jedenfalls kein Problem, diese Zeile des Glaubensbekenntnisses mitzusprechen,
denn es geht zunächst einmal nicht um historisch-biologische Fakten, sondern darum, dass Jesus
Gottes Sohn ist, der sich allerdings ganz in das Menschsein hinein begab, der sich gewissermaßen
winzig klein machte, um uns nahe sein zu können.
Und so wird der Sohn Gottes in dem Leib einer Frau gezeugt.
Diese Frau ist Maria, eine bis dahin völlig unbekannte und unbedeutende Person.
Lieschen Müller vielleicht, oder Annette Meyer – irgendjemand, ohne jede Vorgeschichte, auf
die man vielleicht verweisen und sagen könnte: ach so, deswegen!
Josef, der Arme, kommt in unserem Text nur ganz am Rande vor, ist aber auch keine bedeutende
Persönlichkeit. Ein Mann vom Hause David, das ist so ziemlich alles, was wir von ihm erfahren.
Auch an ihm kann man also das Handeln Gottes nicht begründen.
Die Anrede Gottes kann jeden treffen.
Das Gespräch des Engels mit Maria endet mit ihrer Selbstunterwerfung – so könnte man diesen
letzten Satz interpretieren: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt
hast.“ (Lk 1, 38)
Ich erkenne darin aber doch etwas anderes. Denn Gott wird sie nicht vergewaltigen. Er belastet
Maria nicht gegen ihren Willen mit etwas, das ihr ganzes Leben beeinflussen und verändern wird.
Er tut es erst und nur mit ihrem Einverständnis.
Ich stelle mir vor, dass Maria in dem Moment der Begegnung mit dem Erzengel Gabriel durchaus eine
Menge Fragen durch den Kopf gingen. Sicher wird sie überlegt haben, was für Konsequenzen diese
Schwangerschaft für ihr Leben haben würde.
Sie hatte z.B. keine Gewähr, dass Josef bei ihr bleiben würde. Er wusste, dass das Kind nicht
von ihm war, und normalerweise hätte er sie zurück lassen und sich eine andere Frau suchen müssen.
Genauso wenig konnte sie sicher sein, dass der scheinbare Ehebruch nicht mit der damals üblichen
Strafe, der Steinigung, geahndet würde.
Und sie konnte nur ahnen, was es für sie als Mutter bedeuten würde, wenn ihr erstgeborener Sohn
seiner Bestimmung, wie sie vom Engel beschrieben worden war, folgte.
Wir wissen, was ihr alles bevorstand:
• die Zweifel des Josef, der nur durch die Intervention des Erzengels Gabriel bei ihr blieb;
der 12-jährige Jesus im Tempel, der allen Respekt vor seinen Eltern mangeln ließ;
• der erwachsene Jesus, der seine ganze Familie verleugnet, der als Wanderprediger zwar einige
Nachfolger gewinnt, aber keine Familie gründet, was damals durchaus auch erbrechtlich von
Bedeutung war, und der schließlich zahlreiche mächtige Feinde gewinnt;
• und am Ende der gekreuzigte Jesus, ein grausamer Tod, den sie mit ansehen muss.
Trotz dieser durchaus erschreckenden Aussichten, die sie allerdings höchstens erahnen konnte,
signalisiert Maria ihre Bereitschaft, dem Ruf Gottes zu folgen. Sie sagt ihr eigenes, aufrichtiges
„Ja“.
Das ist bewundernswert. Und es ist darum sicher auch zu verstehen, dass in der römischen Kirche
Maria solch eine hohe Bedeutung gewonnen hat.
Wir machen bei der Marienverehrung zwar nicht ausnahmslos mit, ja, eigentlich lehnen wir sie
ja komplett ab.
Wir sollten aber bedenken, dass das Erlösungswerk Gottes ohne dieses freiwillige „Ja“ Marias
nicht möglich gewesen wäre. Gott will, dass wir mitwirken an seinem Handeln, er will uns
einbinden und uns einen Teil der Verantwortung übertragen. Wir sollen mit bauen am Reich
Gottes.
Im Übrigen hat auch Martin Luther die Verehrung Marias nicht ausgeschlossen. Ihm blieb aber
wichtig, zu betonen, dass ihre Verehrung nicht dazu führt, sie über Gott zu stellen. Denn es
ist die Gnade Gottes, die sie erhöht hat, nichts anderes. Und so rühmen wir die Gnade Gottes,
die an Maria in besonderer Weise sichtbar geworden wurde – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Gott ruft – auch heute, auch uns. Er erwartet vielleicht nicht so große Dinge von uns, wie er
damals von Maria erwartete. Aber er ist auch nicht erwartungslos. So wie bei Maria, kann der
Ruf Gottes durchaus alle unsere Lebensplanung über den Haufen werfen oder wenigstens doch
ordentlich durcheinander bringen. Manchmal will er aber auch nur Kleinigkeiten von uns.
Wichtig ist, dass wir auf seine Stimme achthaben, so wie Maria damals es tat. Und dazu ist
es gut, sich einen Ort der Stille zu suchen: nicht nur geographisch, sondern auch chronologisch.
Es ist gut, täglich eine Zeit zu bestimmen, in der wir uns öffnen können für Gottes Anrede. Und
es ist auch gut, dafür einen Ort zu haben, an dem wir frei werden können von den alltäglichen
Dingen, die uns immer wieder gefangen nehmen wollen.
Gott ruft uns, damit wir uns aufmachen, bereit, die Zumutungen Gottes – denn anders kann man
es manchmal wohl nicht nennen – anzunehmen.
Bei allen Zumutungen dürfen wir auf eines vertrauen: genauso wie bei Maria steht am Anfang immer
das „Fürchte dich nicht, der Herr ist mit dir, du hast Gnade bei Gott gefunden“. (Lk 1, 30) Auch
wenn wir es nicht mit unseren Ohren hören: diese Zusage steht da, denn so handelt Gott. Er will
uns nicht ängstigen, sondern er will alle Angst von uns nehmen, wenn wir uns auf den Weg machen,
ihm zu dienen.
Und ein anderes, das ebenso wichtig ist: wenn der Ruf an uns ergeht, wenn wir ihn hören und
unsicher sind, ob wir den Weg wirklich einschlagen sollen, dann sollen wir dies wissen: der
Weg führt immer zum selben Ziel: Gott entgegen. Und etwas Schöneres, Besseres kann es wohl
kaum geben.
So lasst uns auf die Zusagen Gottes vertrauen, damit wir ohne Vorbehalte, so wie Maria, antworten
können: „Mir geschehe, wie du gesagt hast“.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Nun komm der Heiden Heiland (EG 4)
Ihr lieben Christen, freut euch nun (EG 6)
Es kommt ein Schiff, geladen (EG 8)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)
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Predigtvorschläge zu Reihe V - Phil 4, 4-7
Liebe Gemeinde,
„Nun freu dich doch“, sagte die Mutter zu ihrem Sohn Philipp, der mit verärgerter Miene vor
dem Gabentisch stand. Es war sein zehnter Geburtstag! Und das einzige, woran er denken
konnte, war der Computer, den er sich so sehnlich gewünscht hatte und von dem er sicher
war, dass er ihn bekommen würde – weil ja sein 10. Geburtstag war!
Aber es war kein Computer da. Und das ärgerte ihn maßlos. Dass da ein funkelnagelneues
Fahrrad stand, beeindruckte ihn kein bisschen.
„Guck mal!“, sagte der Vater und wies auf die Nabe des Hinterrades, „Es hat sogar eine
Kettenschaltung. Damit kannst Du die steilsten Berge hochfahren.“
Philipp stiegen die Tränen in die Augen. „Will kein Fahrrad“, murmelte er und rannte aus
dem Zimmer.
Liebe Gemeinde,
Sie kennen das sicher auch: sie haben sich etwas sehnlich gewünscht, und dann haben Sie es
nicht bekommen. Meist erleben so etwas ja nur Kinder, und heutzutage vermutlich auch immer
seltener.
Aber auch als erwachsene Person macht man hin und wieder die Erfahrung, dass etwas nicht so
gelingt, wie man es sich wünscht. Meist geht das Wünschen der Erwachsenen allerdings in eine
andere Richtung, es geht nicht um irgendwelche Dinge, aber das Prinzip bleibt doch dasselbe:
auf den Wunsch folgt die Enttäuschung.
• Da geht etwa eine Beziehung in die Brüche, obwohl man all seine Kräfte daran setzt, sie
zu erhalten, und sich auch sehnlich wünscht, dass sie nicht kaputt geht.
• Da ist der Vorgesetzte dauernd mit einem unzufrieden, obwohl man sich viel Mühe gibt und
den Wunsch hat, dass der Vorgesetzte mit einem zufrieden ist.
• Das Haus macht mehr Ärger als Freude, denn die Wände sind feucht oder die Fenster müssten
dringend ausgewechselt werden usw.. Dabei hatte man nur den Wunsch, im Alter möglichst
unbehelligt von all solchen Dingen zu bleiben.
• Da plagt einen eine Krankheit, die nicht geheilt werden kann, obwohl man sich doch so
sehr Gesundheit für sich und alle seine Lieben gewünscht hat.
• Ein lieber Mensch ist gestorben, mit dem man so gerne noch ein paar Jahre verbracht
hätte.
Immer wieder erfahren wir, wie unser Wünschen nicht in Erfüllung geht. Dazu gehört auch ein
Wunsch, der wohl in jedem Menschen schlummert: der Wunsch nach Frieden.
Auch wenn wir in unserem Land in Frieden leben können, müssen wir erkennen, dass dieser Friede
doch recht zerbrechlich ist. Unsere Soldaten sind nun auch an dem Krieg in Syrien beteiligt,
und die Terroranschläge in europäischen Ländern machen Angst. Müssen wir fürchten, dass das
alles auch uns bald erreicht?
Wir wünschen uns wohl nichts sehnlicher als Frieden, nicht nur für uns selbst, sondern für alle
Menschen. Wenn man etwas darüber nachdenkt, stellen wir auch fest, dass im Frieden ja eigentlich
alles andere mit eingeschlossen ist. Denn das, was wir uns wünschen – sei es Gesundheit, sei es
ein sorgenfreies Leben, sei es eine gute Arbeitsatmosphäre, sei es die Freiheit von Trauer oder
auf Frieden mit dem Nachbarn, mit anderen Worten – ist nichts anderes als versöhnt sein mit allen
unseren Mitmenschen und mit uns selbst. Und das wäre die Erfüllung aller Träume.
Aber genau das ist das Problem: solche Wünsche sind nicht mehr als Träume. Von Träumen wissen
wir, dass sie nicht real sind. Sie werden es in der Regel auch nie werden. Und so ist unser
Wünschen im Grunde nicht mehr als der Traum von einer Realität, die es so nicht gibt.
Denn es ist kein Friede, weder im Kleinen noch im Großen. Die Beziehung wird nicht geheilt, die
Krankheit hört nicht auf, der Vorgesetzte hat immer was rumzunörgeln, Das Haus muss immer
wieder instandgestetzt werden, die Trauer um den lieben Menschen bleibt.
Und da wird uns nun durch den Apostel Paulus zugerufen: „Freuet euch!“ Ja, worüber sollen
wir uns denn freuen?
Kindern fällt es noch etwas leichter, sich auch über ganz kleine Dinge zu freuen. Aber an
dem 10-jährigen Philipp haben wir schon festgestellt, dass auch Kinder Enttäuschungen erleben,
selbst dann, wenn sie eigentlich Grund zur Freude hätten.
Aber das ist ja auch bei dem Wünschen Erwachsener der Fall.
Selbst wenn wir von der Freude des Christfestes reden, müssen wir da wohl auch an die denken,
die das erste Mal das Christfest ohne den Menschen feiern, mit dem sie es viele Jahrzehnte lang
gemeinsam gefeiert haben. Haben sie Grund zur Freude? Und dann gibt es andere, die irgendwie
versuchen, dem Christfest die Freude abzuringen, aber es beim besten Willen nicht schaffen.
Paulus scheint das alles gar nicht zu stören, obwohl es auch zu seiner Zeit ja immer wieder Unruhe
und Unfrieden gab. Er selbst wurde verfolgt und hatte in der Stadt Philippi einiges erleiden
müssen. Seine Erfahrung war weit weg von dem Wunschtraum Frieden.
Zur Zeit, als er diesen Brief verfasste, war er sogar selbst Gefangener – vermutlich in Rom,
aber sicher lässt sich das nicht sagen. Er hatte also allen Grund, traurig zu sein, denn das,
was ihm am Wichtigsten war, konnte er nicht tun: er konnte das Evangelium nicht hinaustragen
in die Welt.
Und dennoch schreibt er und ruft zur Freude auf. Und er sagt, dass es ihm überhaupt nichts
ausmacht, gefangen zu sein, im Gegenteil: durch seine Gefangenschaft würden andere ermutigt,
um so eifriger das Evangelium weiterzusagen und auf diese Weise Christus zu verherrlichen.
Was mit ihm selbst geschehen kann – es bestand durchaus die Möglichkeit, dass ihn der Tod
erwartete – beunruhigt ihn nicht. Aus diesem Brief stammen vielmehr die Worte: „Christus ist
mein Leben, Sterben ist mein Gewinn.“ (Phil 1, 21) Und damit bringt Paulus zum Ausdruck, dass
der Tod ihn nicht schrecken kann, im Gegenteil: wenn er stirbt, dann verherrlicht er Christus,
und es ist ja nur die wahrhaftigste Art der Nachfolge, wenn er durch die Gewalt anderer den Tod
erleidet, genau so wie Christus selbst.
Paulus ist, so kann man sagen, ganz in Christus versenkt.
Und darum kann er auch solche Worte schreiben: „Freuet euch!“
Denn er wünscht es auch für uns, dass wir ganz in Christus versenkt sind. Dass wir diese Erfahrung
machen, geborgen zu sein. Es braucht ja nicht viel: wir müssen nur los- und uns fallenlassen.
Aber das ist leichter gesagt als getan. Loslassen heißt ja, ohne das, was einem bisher eine gewisse
Sicherheit und Halt gegeben hat, sein zu müssen. Und es bedeutet, sich ins Ungewisse hinein zu
begeben.
Und wenn man das Gefühl hatte, ohnehin nur noch an etwas zu hängen, während sich unter einem ein
tiefer Abgrund auftut, dann will man gar nicht loslassen, denn das würde doch nur das Ende bedeuten.
Aber woran halten wir uns eigentlich fest? Sind es nicht gerade die Dinge, die uns belasten, die uns
Sorgen machen?
Lasst los, ruft uns Paulus zu, „sorgt euch um nichts,“ (Phil 4, 6a), denn Gott sorgt für euch. Aber
was können wir dann tun, wo es doch guten Grund für unsere Sorgen gibt, weil das, was uns belastet,
nicht einfach verschwindet?
„In allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“
(Phil 4, 6b) Bringt Eure Sorgen zu Gott. Oder anders: Betet. Und bittet dabei nicht nur, sondern
dankt auch. Denn Gott hat Euch das größte Geschenk gemacht, das er machen kann: er gab uns seinen
Sohn. Er lieferte sich uns aus, damit wir mit ihm wieder versöhnt sein können.
Was wir nicht leisten können, aber eigentlich müssten, das hat er getan.
Weil Gott so an uns gehandelt hat, darum kann Paulus uns auch zur Freude auffordern. Da mag die Welt
um uns zusammenbrechen: die Liebe Gottes kann dadurch nicht zerstört werden. Und darum: Freuet euch!
Die Liebe Gottes relativiert all das, worum wir uns sorgen. Sie macht uns bewusst, dass das, woran wir
uns klammern, nutzlos ist und uns nicht helfen kann. Und sie gibt uns den Mut, Dinge zu tun, die
eigentlich unmöglich erscheinen.
Nur: lasst uns dazu am Gebet mit Danksagung bleiben. Denn das Gebet ist der Weg, wie wir uns immer
wieder seiner Liebe vergewissern können. Es ist der Weg, auf dem wir unsere Sorgen loslassen können.
Denn durch das Gebet versenken wir uns gewissermaßen in Christus, wir empfinden die tiefe Geborgenheit,
die er für uns bereit hält.
Dann wird auch wahr, was am Ende unseres kurzen Predigttextes steht und in der Regel am Ende jeder
Predigt der Gemeinde zugerufen wird:
Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus
Jesus. (Phil 4, 7)
Der Friede Gottes, das ist nicht der Friede dieser Welt. Es ist vielmehr der Friede, der entsteht durch
die Erkenntnis, dass Gott kommt, um diese Welt von allem Unfrieden zu befreien. „Der Herr ist nahe!“
(Phil 4, 5b), das könnte man kindlich naiv auf das Christfest hin deuten, aber gemeint ist: seine
Wiederkunft ist nahe. Er wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten – dieser Satz des
Glaubensbekenntnisses spiegelt sich in diesen vier Worten wider.
Das erwarten wir also, und darauf vertrauen wir, und darum haben wir Frieden in einer Welt, die
von Unfrieden gezeichnet ist.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Ihr lieben Christen, freut euch nun (EG 6)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)
Was hast du unterlassen (EG 11, 3.6-7)
O komm, o komm, du Morgenstern (EG 19)
Das Volk, das noch im Finstern wandelt (EG 20)
Freuet euch, ihr Christen alle (EG 34, 1)
Freut euch, ihr Christen alle (EG 129)
In dem Herren freuet euch (EG 359)
In dir ist Freude (EG 398)
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Predigtvorschläge zu Reihe VI - Jes 62, 1-5
Die nachfolgende Predigt wurde 2014 am Christfest II gehalten
Liebe Gemeinde!
Zugegeben, es ist ein schöner Text. Gott redet mit seinem Volk wie der Mann mit seiner
geliebten Ehefrau. Das ist schon ein schönes Bild, in das man sich auch versenken
kann so wie in das Bild der Krippe!
Aber welchen Bezug können wir zum Christfest herstellen?
Ich finde es schon grundsätzlich problematisch, einen Text aus den Propheten für uns
Christen in Beschlag zu nehmen, denn immer wurde er ja zuerst dem Volk Israel zugesprochen.
Die Brücke lässt sich meist nur dadurch herstellen, dass wir durch die Taufe auch zum Volk
Gottes hinzu gezählt werden, aber die Bezüge zu Ereignissen in der Geschichte des Volkes
Israel sind oftmals sehr deutlich und dürfen nicht einfach ignoriert werden.
Ich stelle mir darum auch jedesmal bei der Vorbereitung der Predigt die Frage, wie weit
ich eigentlich gehen darf bei der Übertragung des Textes in unsere Situation, die nicht
die Situation des Volkes Israel ist.
Und bei diesem Text sehe ich klare Grenzen, auch und gerade wegen des eigentlichen Inhalts
des Christfestes.
Darum habe ich mir überlegt, einmal das Lied vorzunehmen, das wir um die Predigt herum
singen, und von dort Verbindungen herzustellen zu unserem Predigttext (EG 34).
Das Lied beginnt mit einem fortwährenden Halleluja, immer wieder erklingt das „Halleluja“ in
fast tänzerischem Rhythmus. Wie oft eigentlich? Haben Sie es gezählt? Genau zwölf mal.
Diese Zwölf stellt schon einmal eine Verbindung zum Volk Israel her: dort sind es zwölf
Stämme, die die Gesamtheit des Volkes Israel darstellen. Obwohl am Ende nur der Stamm Juda
übrig zu bleiben scheint, bleibt die Zwölfzahl als Symbol für die Vollkommenheit des
Gottesvolkes bestehen.
Sie begegnet uns darum auch wieder in der Zahl der Jünger Jesu. Und als der Apostel Judas
Iskarioth ausscheidet, da wird ein anderer nachgewählt, der auch zu den engen Vertrauten
Jesu gehört hatte, aber zunächst nicht in den Apostellisten aufgeführt worden war, damit
die Zwölfzahl wieder hergestellt ist.
Die zwölf Apostel lösen allerdings nicht die zwölf Stämme Israels ab, sondern stellen im
Gegenteil eine enge Verbindung mit ihnen her.
Genau das tut auch das zwölfmalige Halleluja, das uns daran erinnert, dass Jesus aus dem
Volk Israel hervorging, und dass hier unsere religiösen Wurzeln liegen.
Auch das Halleluja selbst ist ja eine hebräisches Wort, das mit „Lobt Jahweh“ übersetzt
werden kann, und stellt somit eine enge Verbindung zum Volk Israel her. Denn Jahweh, das
ist der Name, den Gott damals dem Mose im brennenden Dornbusch offenbarte.
Sicher wollten Komponist und Dichter mit diesem zwölfmaligen Halleluja den Chor der Engel
gewissermaßen zum Klingen bringen. Es konnte doch nicht anders sein, als dass zur Geburt
des Gottessohnes die Engel Gott loben, der in diesem Kind die Menschheit mit sich versöhnt.
Und dieses Lob kann sich nicht nur auf das „Ehre sei Gott in der Höhe“ beschränken, es
muss darüber hinaus reichen und andauern.
Nachdem das zwölfmalige Halleluja verklungen ist, beginnt gleich die erste Strophe mit der
Aufforderung zur Freude. Freude kann man schlecht befehlen, weswegen sich wohl auch der
Einschub findet: „Freue sich, wer immer kann“. Die so gewissermaßen verordnete Freude
gründet in den Wundertaten Gottes und vor allem darin, dass Gott sich mit uns „befreundet“
hat, also unser Freund geworden wird.
Er hat uns „hochgeachtet“, obwohl wir es nicht verdient haben – es ist einzig das Werk Gottes,
dass wir seine Freunde sein können, und darum wahrhaftig ein Grund zur Freude.
An dieser Stelle können wir auch tatsächlich eine Verbindung zu unserem Predigttext herstellen.
Denn auch dort ist von der Freude die Rede, und es ist auch dort das Handeln Gottes, das diese
Freude auslöst.
Allerdings soll sich nach Jesaja nicht die Gemeinde freuen, sondern Gott selbst freut sich,
wenn es heißt:
„wie sich ein Bräutigam freut über die Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen.“ (Jes 62, 5)
Dem geht das Handeln Gottes voraus, so wie in der ersten Strophe unseres Liedes. Gott selbst,
Jahweh, wird das Volk aus dem Elend des Exils herausführen und erheben, es wird wahrhaftig
und sichtbar Volk Gottes sein – weithin sichtbar in aller Herrlichkeit, die gewissermaßen
von Gott ausgehend durch dieses Volk auf alle anderen Völker ausstrahlt.
Man könnte hier an die Freude denken, die das Wunder des Christfestes in uns auslöst und
ebenfalls gewissermaßen ausstrahlt, aber diese Freude geht von uns aus, ist Antwort auf
das Handeln Gottes.
Bei Jesaja sieht das etwas anders aus: Gott selbst stellt das Strahlen her, er schenkt
seinem Volk die Herrlichkeit, er hebt es heraus und hoch auf den heiligen Berg.
Gewiss, nach dem Lied von Christian Keimann, das in der Mitte des 17. Jahrhunderts entstand,
werden auch wir erhoben, wir werden hochgeachtet – aber das scheint mir dann doch etwas
anderes zu bedeuten.
Denn Gottes Handeln an uns ist erst einmal nicht unsere Erhöhung: im Gegenteil. Er wird
Mensch, er erniedrigte sich selbst, und erst durch diese Selbsterniedrigung bringt er uns
auf seine Ebene, lässt er auch für uns eine Begegnung mit ihm zu.
Das Lied geht weiter mit dem Refrain, der sich in allen vier Strophen wiederholt:
Freude, Freude über Freude: Christus wehret allem Leide. Wonne, Wonne über Wonne, Christus
ist die Gnadensonne.
„Christus wehret allem Leide“ - da mag mancher nachdenklich werden, denn das Leid bleibt
ja, auch wenn hin und wieder von Wunderheilungen erzählt wird. Die Pauschalierung, dass
Christus „allem Leide“ wehrt, widerspricht also all unserer Erfahrung.
Ich möchte diese Worte so verstehen: Durch Christus haben wir eine neue Möglichkeit
bekommen, mit dem Leid, das sich immer und überall findet, umzugehen. Wir dürfen darauf
vertrauen, dass er bereit ist, die Last des Leids mit uns zu teilen, ja, sie von uns
zu nehmen. Er kann unsere Last leicht machen.
Das alles geschieht durch die Gnade Gottes – „Christus ist die Gnadensonne“. Nichts
davon geht auf unser Konto – es ist alles das Handeln Gottes.
Das kann man wohl auch für das Volk Israel sagen, denn am Anfang steht ja die Erwählung
dieses Volkes durch Gott selbst. Es ist also Gott, der den ersten Schritt tut, indem er
Abraham herausruft aus der Fülle der Völker und ihn zum Stammvater des Volkes Israel
erhebt.
Aber das ist noch nicht Alles, denn mit der Erwählung geht die Zusage einher, dass
Gott seinem Volk eine besondere Stellung inmitten der Menschheit gibt. Er macht es
zum Zentrum der Welt. Zion ist der heilige Berg, zu dem die Völker wallfahren werden,
und Zion ist kein Selbstzweck: er liegt im Zentrum des Volkes Gottes. Auch wenn das
über viele Jahrhunderte nicht so war: jetzt ist es wieder so.
Dagegen sehen wir blass aus, auch wenn bis heute diese zentrale Stellung des Volkes
Israel kaum erkennbar ist. Die Christenheit hat viel an Anziehungskraft verloren,
zumindest in den sogenannten Industrieländern wird das deutlich spürbar.
Die Reaktion darauf ist meist ein ausgeprägter Aktionismus, man will die Attraktivität
der Kirche steigern. Dabei werden Instrumente verwendet, die von Marketingstrategen
empfohlen werden und in der Wirtschaft Anwendung finden. Ob das der richtige Weg ist?
Kirche ist jedenfalls kein Wirtschaftsunternehmen, auch wenn sie dem von den Strukturen
her sehr ähnlich ist. Hinter ihrer Produktpalette, wenn ich mal mit diesen Begriffen
aus der Wirtschaft reden darf, stehen nämlich nicht Menschen, die die Produkte
herstellen, bewerben und verkaufen, sondern Gott selbst, der sie durch seinen
Heiligen Geist umsonst unter die Leute bringt.
Die Menschen, die daran beteiligt sind, sind nur Werkzeuge in der Hand Gottes,
nicht mehr, aber auch nicht weniger. Selbst Menschen, deren Persönlichkeit uns
äußerst fragwürdig erscheint, können solche Werkzeuge sein. Dass es so ist, kann
ich jedenfalls aus eigener Erfahrung bestätigen.
Gott hat uns allein aus Gnade hinzugefügt zum Volk Gottes, was auch in der zweiten
Strophe des Liedes erkennbar wird. Das Blut des Christkindes ist es, das uns erlöst –
wir können nichts dazu tun als es annehmen – mehr bleibt uns nicht.
Wenn wir das Handeln Gottes für uns annehmen können, dann können wir es natürlich auch
ablehnen. Diese Option gibt es bei unserem Predigttext aber nicht. Wer zum Volk Israel
gehört, gehört zu Gott und ist Teil dieser Verheißung: „du sollst heißen „meine Lust“
und dein Land „Liebe Frau“; denn der Herr hat Lust an dir, und dein Land hat einen
lieben Mann.“ (Jes 62, 4) Da kann man nicht ausscheren, es ist immer das ganze Volk
gemeint, alle Nachkommen Abrahams.
Auch die dritte Strophe unseres Liedes macht noch einmal deutlich, dass es einzig Gott
ist, der an uns handelt: „Ich bekenne, dass von dir meine Seligkeit herrührt.“
Auch die Möglichkeit, sich abzuwenden, kommt in den Blick, wenn der Dichter bittet: „so
lass mich von dir nicht wanken.“ Im Zentrum steht das Verlangen, bei Jesus zu bleiben,
wozu aber Gottes Hilfe nötig ist.
Und die vierte Strophe schließlich wendet sich erneut Jesus zu und bittet ihn, den Weg
der christlichen Gemeinde zu begleiten, sie zu erquicken und ihr zu geben, was nötig
ist.
Dabei verwendet Christian Keimann das Bild vom Leib Christi, den die Gemeinde darstellt –
und das ist nicht nur eine Gemeinde wie etwa die Stiftskirchengemeinde, sondern die
weltumspannende Gemeinde aller Christen.
Auch hier finden wir Parallelen zu unserem Predigttext, wo das ganze Volk Israel als
Gemeinde Gottes angesprochen ist. Für uns bleibt dies: Gott hat uns sich selbst geschenkt,
damit wir seine Kinder heißen können. Er vollendet in Jesus Christus, was er damals mit
Abraham begonnen hat, und zieht die ganze Menschheit zu sich. Er bekräftigt diese
Gemeinschaft im Heiligen Abendmahl, das wir auch in diesem Gottesdienst feiern.
So mögen wir die Nähe Gottes spüren und dankbar sein Werk an uns annehmen.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Ihr lieben Christen, freut euch nun (EG 6)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)
Mit Ernst, o Menschenkinder (EG 10)
Wie soll ich dich empfangen (EG 11)
Gott sei Dank durch alle Welt (EG 12)
Wachet auf, ruft uns die Stimme (EG 147)
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