das Kirchenjahr

Septuagesimae

Lohn und Gnade

Predigtanregungen

Der Sonntag Septuagesimä läutet die Vorfastenzeit ein. Der Name deutet auf die 70 Tage hin, die mit dem Sonntag nach Ostern, Quasimodogeniti, vorüber sind. Dies umschließt also die Osterzeit und macht schon so sehr deutlich, dass die (Vor)fastenzeit nicht dazu dient, sich zu peinigen, sondern eher, im Leiden Gott zu erkennen. Das Thema „Lohn und Gnade” leitet sich vom Evangelium ab, dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Der Schwerpunkt liegt auf der Unterscheidung von Lohn und Gnade: Während Lohn verdient wird und somit berechenbar ist, ist Gnade weder verdient noch berechenbar.

Zu den Perikopen

  • I: Pred 7, 15-18

    folgt später

  • II: Mt 20, 1-16

    Dieses Gleichnis hat es in sich. Es liegt darin ein ungeheures Konfliktpotential. Der Besitzer des Weinberges will also geben, „was recht ist”. Und was recht ist, das weiß nun jeder selbst am besten. Mit den ersten war ihr Lohn schon vereinbart, nämlich ein Silbergroschen, und so würden die, die später dazu kamen, entsprechend weniger bekommen. Das wäre recht. Aber so geschieht es nun nicht, sondern jeder bekommt die gleiche Summe ausgezahlt.
    Nur mal angenommen, es gäbe einen nächsten Tag. Der Weinbergbesitzer würde am Morgen zum Markt gehen und nach Arbeitern suchen, aber keine vorfinden. Auch am Mittag wäre niemand da, sondern erst am Abend, eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit, würden plötzlich alle bereit stehen, denn sie wüssten ja: der Lohn bliebe der eines ganzen Tages. Daran wird schon deutlich, dass man dieses Gleichnis, wie jedes Gleichnis, nicht übermäßig strapazieren darf. Es hat einen Punkt, auf den es hinauswill, und diesen Punkt zu treffen, sollte Ziel der Predigt sein.
    Es geht auf jeden Fall um ein einmaliges Ereignis. Es ist das Himmelreich, das hier mit dieser Situation verglichen wird. Und es wird deutlich, dass dem Himmelreich offenbar eine ganz eigene Dynamik innewohnt. Es ist in Bewegung, es steht nicht still. Jesus vergleicht das Himmelreich nicht mit einer wunderschönen Wiese unter der warm leuchtenden Sonne, mit zwitschernden Vögeln, bunten Schmetterlingen und Blumen und einem herrlichen Frühliongsduft, der einem die Lebenskräfte ganz neu bewusst macht, sondern er vergleicht das Himmelreich mit diesem Vorgang des „Auf-Arbeit-Wartens” und des „Angestellt- Werdens”.
    Er tut dies, um noch einmal die schon zuvor gemachte Aussage zu untermauern: die Letzten werden die Ersten und die Ersten die Letzten sein (19, 30), denn darauf läuft dieses Gleichnis hinaus, bzw. mit diesem Satz wird es zusammengefasst (20, 16a). Von daher müssten wir uns auch bemühen, das Gleichnis zu verstehen. Und wenn wir die zuvor erfolgten Ausführungen zur Frage nach dem Lohn der Nachfolge betrachten, dann sollte es eigentlich recht deutlich werden. Doch ist es das nicht. Gerne deutet man das Gleichnis auf das Verhältnis zwischen dem Volk des ersten Bundes (Israel) und dem Volk des zweiten Bundes (Christen) - das Volk des ersten Bundes ist schon lange dabei und müht sich lange ab, die Christen sind erst später dazugekommen (an welcher Stelle in diesem Gleichnis eigentlich? gegen Mittag, gegen Nachmittag oder erst eine Stunde vor Arbeitsschluss?). Dann wäre alles klar und einfach. Aber es geht wohl eher, gerade im Blick auf den vorangegangenen Text, um die „Rangordnung” unter den Christen selbst. Es gibt da wohl solche, die sich im Recht wähnen, einen besseren Lohn zu empfangen als die, die sich nicht so profilieren konnten, weil sie erst später dazu kamen. Gott macht da keinen Unterschied. Alle bekommen sie den gleichen Lohn. Und in dem Sinne sind die Letzten die Ersten, denn sie haben - beurteilt nach unserem Gerechtigkeitsgefühl - mehr als die anderen.

  • III: Phil 2, 12-13

    folgt später

  • IV: Jer 9, 22-23

    Ein leicht zu verstehender Text. Man bräuchte kaum eine Auslegung dafür. Die Worte Jeremias gemahnen zu Demut, erinnern daran, dass Gott es ist, der uns gemacht hat, und nicht wir selbst, und dass wir in ihm alles haben, aber auch von ihm alles empfangen. So wird unsere Situation in das richtige Licht gerückt, nicht wir stehen im Mittelpunkt, sondern Gott.
    So einfach ist es nun aber doch nicht. Die zwei Verse beinhalten Zündstoff: Zunächst einmal wird zugestanden, dass Menschen weise, stark und reich sind, und dass dies offensichtlich auch durchaus erstrebenswerte Zustände sind. Damit widerstrebt dieser Vers schon dem Evangelium, das sich den - vorsichtig ausgedrückt - weniger weisen erschließt, in dem die Schwachen die Stärke Gottes erfahren und nicht die Starken, und in dem die Armen gepriesen werden. Aber der Vers steht nicht im Gegensatz zum Evangelium, denn er fordert ja dazu auf, sich dieser Eigenschaften nicht zu rühmen, sondern vielmehr Gottes. Interessant ist nun aber, dass im Vers 23 nicht steht: „Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der weise macht, stark und reich; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.” Vielmehr heißt es: „Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.”
    Es geht also nicht um Reichtum, Weisheit und Stärke - diese Dinge mögen zwar schön und gut sein, aber nicht wesentlich, zumindest nicht vor Gott. Vielmehr übt Gott Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit, und tut dies offensichtlich an den Weisen, Starken und Reichen vorbei.
    Rühmen soll man sich allerdings, aber nicht seiner eigenen Leistungsfähigkeit, sondern Gottes. Dabei stellt Gott der menschlichen Weisheit, Stärke und Reichtum seine Barmherzigkeit, sein Recht und seine Gerechtigkeit gegenüber. Dies sind die Qualitäten, die wesentlich sind.

  • V: Mt 9, 9-13

    Die Berufung des Matthäus ist in dieser Perikope eigentlich nur Beiwerk. Es ist noch nicht einmal klar, ob das Haus, in das sich Jesus begibt, das des Matthäus ist. Weiter wäre es sogar denkbar, dass der Matthäus nicht etwa ein Zöllner ist, sondern nur ein Mensch, der mehr oder weniger zufällig neben dem Tisch des Zöllners saß. Es war immerhin ein Platz, an dem alle Menschen vorbeikamen, die in die Stadt wollten. Diese Gedanken werfen zwar alles um, was uns die Tradition und der Vergleich mit den anderen Evangelien gelehrt hat, sie dienen aber dazu, sich bewusst zu machen, dass dieser Text ganz andere Schwerpunkte hat. Was in diesen Text hineingelegt wurde, geht jedenfalls weit über das Ziel hinaus und führt einen u.U. sogar auf falsche Pfade.
    Es ist natürlich beeindruckend, dass Matthäus ohne mit der Wimper zu zucken aufsteht und Jesus nachfolgt. Im Mittelpunkt steht aber dann das „zu Tisch sitzen mit den Zöllnern und Sündern” - Zöllner in einem Atemzug mit Sündern genannt, denn sie taten, was ein frommer Jude nie wagen würde: sie kollaborierten mit den Römern zu ihrem eigenen Vorteil.
    Bis zu Vers 12 ist der Fortgang der Geschichte leicht zu verstehen: die Frage der Pharisäer, die nicht unbedingt gleich als Vorwurf gesehen werden muss, und Jesu Antwort, der die Starken den Schwachen gegenüberstellt und sich selbst in die Position des Arztes rückt, der von den Schwachen gebraucht wird, nicht aber von den Starken. Sicher wussten die Pharisäer, dass sie mit den Starken gemeint waren. Bemerkenswert ist, dass diese Aussage Jesu ihre Position in keiner Weise schwächt, sie also nicht verdammt, sondern einfach nur feststellt, wer Hilfe braucht. Das sind nun mal die Sünder, und die Pharisäer zählen nicht dazu, zumindest nach ihrem eigenen Selbstverständnis. Würde die Perikope hier aufhören, könnte man sogar meinen, dass auch Jesus dieses Verständnis teilt. Aber er sagt weiter in Vers 13: „Geht aber hin und lernt, was das heißt: Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkiet und nicht am Opfer.” Dieser Satz ist ganz entscheidend, denn er hält den Pharisäern dann doch vor, was vor Gott wichtiger ist: Barmherzigkeit und nicht das Opfer. Daran können sie nun selbst erkennen, ob sie gerecht sind oder nicht, stark oder schwach, gerecht oder sündig.
    Der abschließende Satz schließlich wiederholt noch einmal das bereits Gesagte, nur mit klareren Worten. Eine Reaktion bleibt aus, der Leser weiß nicht, ob die Pharisäer sich diese Worte zu Gemüte führen. Es wäre interessant, dieser Frage nachzugehen, was nun aus den Pharisäern wird.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang besteht darin, dass hier erkenntlich wird, dass Gott sich denen zuwendet, die ihn brauchen. Interessant ist sicher die Beobachtung, dass er dies aus freien Stücken tut, also nicht, weil er darum gebeten wird. Gott sucht die Gemeinschaft mit denen, die nicht in die Gesellschaft hineinpassen.
    Für die Predigt kann das bedeuten, dass man auf die Suche nach Gott gehen könnte: ist er wirklich bei uns, wie wir es so selbstverständlich annehmen? Oder ist er vielmehr bei denen, vor denen wir Angst haben, die wir meiden, die wir verachten?

  • VI: 1. Kor 9, 19-27

    folgt später

  • Marginaltexte: 1. Sam 15, 35b-16, 13
    Lk 17, 7-10
    Röm 9, 14-18

    zu Lk 17, 7-10:
    Mit diesem Text wird der Aspekt des Lohnes weiter beleuchtet. Jesus beschreibt unser Verhältnis zu Gott wie das des Knechtes zu seinem Herrn. Zunächst werden wir als die Herren dargestellt, die ihren Knechten nicht erlauben, sich auf die Ebene des Herrn zu stellen, dann weist er uns an, wie Knechte zu handeln, nämlich zu sagen, dass wir ja nur unsere Pflicht und Schuldigkeit tun und keine besondere Leistung erbringen, was immer wir tun.
    Dieser Ansatz lässt fragen nach der Schlüssigkeit des Textes. Hätte Jesus nicht sagen müssen: So wie Ihr Euren Knechten befehlt, Euch zu dienen, so befiehlt auch Gott Euch, ihm zu dienen? Warum dieser plötzliche Wechsel der Perspektive? Den Übergang zwischen den beiden Abschnitten schafft der Evangelist, indem er Jesus die Worte „Dankt er (der Herr) etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war?” in den Mund legt. Aber schon dieser Satz steht eigentlich nicht in direktem Zusammenhang zu dem vorher gesagten: dass der Herr den Knecht nicht mit sich essen lässt, sondern ihm befiehlt, zu dienen, bis der Herr ihn nicht mehr braucht. Es ist ein eher unbeholfener Versuch, die Kurve zu schaffen zu dem eigentlich wichtigen Satz: „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.” (Vers 10)
    Betrachtet man diesen letzten Satz alleine, so fällt auf, dass sich die Knechte, also wir, als unnütz bezeichnen sollen, obwohl wir ja wohl doch unsere Pflicht und Schuldigkeit getan haben. Jeder Arbeitgeber wäre wohl dankbar, wenn seine Angestellten das täten, was ihnen aufgetragen wurde. Es wird deutlich, dass Jesus hiermit darauf hinaus will, dass wir eben mehr tun sollen als nur unsere Pflicht und Schuldigkeit. Das tut ja jeder, aber wir als Christen haben den Auftrag, über dieses Minimum hinaus zu gehen und mehr zu tun. Freilich haben wir auch dann keinen Anspruch darauf, einen besonderen Lohn zu erwarten.
    Der Text läuft also auf das „ehrenamtliche Engagement” hinaus. Wie vielfältig dies sein kann, weiß wohl jeder Pastor. Konkrete Nennungen sind in einer Predigt durchaus erlaubt, man sollte Aufdringlichkeit jedoch vermeiden. Es könnte in der Predigt allerdings auch eine Art des ehrenamtlichen Einsatzes ganz konkret beschrieben werden, z.B. indem man einen Menschen bei solchem Einsatz beschreibt.

    Zu Röm 9, 14-18:
    Dieser Abschnitt aus dem Römerbrief ist außerordentlich schwierig und mit Vorsicht zu behandeln. Es geht im größeren Zusammenhang um das Volk Israel und um die Frage, warum Israel, das Volk Gottes, nicht an Jesus Christus glaubt. Auf diese Frage antwortet Paulus mit dem Hinweis darauf, dass es in Gottes Hand liegt, wen er erwählt und wen er verwirft. Die Zugehörigkeit zum Volk Gottes ist kein Geburtsrecht, sondern ein Ergebnis der Gnade Gottes.
    Unser Predigttext beginnt im Grunde an dieser Stelle, die sofort die Frage aufwirft, ob Gott ungerecht ist, da er doch die einen verwirft (obwohl sie die gleichen Vorfahren haben) und die anderen annimmt. Paulus kann dazu nur sagen: es ist Gottes freie Entscheidung, wen er erwählt und wen er verwirft. Der Mensch selbst kann daran nichts ändern, sein Weg ist vorherbestimmt. Mit diesem Gedanken begibt sich Paulus in sehr gefährliches Gewässer, denn er kann dazu führen, dass man den Wunsch, sein Leben zu ändern, aufgibt, da alles Bemühen ja umsonst sein dürfte - denn Gott hat den Weg ja schon vorherbestimmt. Es könnte sich ein gefährlicher Fatalismus breitmachen.
    Paulus erkennt diese Gefahr und versucht, den Gedankengang zu Gott selbst zu lenken. Wenn es auch allein von ihm abhängt, wer erwählt ist und wer nicht, so hat sich Gott doch dazu entschlossen, gnädig zu sein. Zwar gab es immer wieder Situationen, in denen die Menschheit kurz vor dem Untergang war und diesen auch verdient hätte, aber jedesmal hat sich Gott zurückgehalten. Nun, durch Jesus Christus, hat er seine wahre Intention gezeigt: sich als der Barmherzige zu erweisen (Verse 22-23).
    Dazu erwählt er neben den Juden, die ja nun sein Volk sind, auch die Heiden hinzu. Er erzeigt ihnen allen seine Barmherzigkeit, nur dass nicht alle diese auch annehmen. Das liegt nun aber nicht an Gott, sondern an den Menschen, die sich schon lange von Gott getrennt haben und eigentlich den Tod verdient hätten.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird erkenntlich darin, dass es hier darum geht, ob es irgendetwas gibt, was wir verdient hätten, oder ob wir tatsächlich ganz von der Gnade Gottes abhängig sind. Und da ist die Antwort klar: nur Gottes Gnade ist es, die uns rettet und erhält, und nicht unser eigenes Handeln. In dem Sinne ist die Prädestination, die Vorherbestimmung, tatsächlich gegeben: wir neigen immer dazu, unseren eigenen Vorteil vor allem anderen zu suchen. Selbstlosigkeit ist auch immer begleitet von dem Gedanken, wenigstens dafür irgendwo irgendwann einmal ein Lob zu erhaschen.
    In der Predigt kann zum Ausdruck kommen, dass unser Leben nicht in unserer Hand liegt. Gott hält es in seiner Hand. Dabei ist unser Recht auf Selbstbestimmung zwar gegeben, aber es hat Konsequenzen. Interessanterweise nun nicht die dies Verderbens, sondern die der Vergebung, der Gnade. Dieser Gedankengang darf nicht dazu führen, dass man sich das Leben leicht macht, denn die Gnade ist nicht frei verfügbar - sie ist eine Gabe Gottes, der sie jederzeit wieder zurückziehen kann.



Buchempfehlungen: