das Kirchenjahr

Invokavit

Versuchung

Predigtanregungen

Der Name des Sonntags Invokavit leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: „Invocavit me, et ergo exaudiam eum” (Ps 91, 15; deutsch s. unten, wörtliche Übersetzung von „Invokavit” hervorgehoben).
Der Sonntag Invokavit hat die Geschichte der Versuchung Jesu zum Thema. Versuchung ist inzwischen zu einem altertümlichen Begriff geworden, vor allem deshalb, weil die Frage nach dem Versuchenden immer deutlicher gestellt wurde und wird. Gibt es ihn überhaupt? Entspringt die Versuchung nicht ausschließlich in einem selbst? Diese Entwicklung muss auf jeden Fall berücksichtigt werden, wenn wir von Versuchung sprechen. Die Vorstellung eines leibhaftigen Versuchers als des Teufels ruft höchstens noch ein müdes Lächeln hervor; das Arbeiten mit solchen Bildern in der Predigt ist heutzutage ausgesprochen schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Die Frage nach dem Versuchenden bleibt, sei es nun die Person selbst oder eine von außen wirkende Kraft. Und immerhin finden wir den Begriff noch in der deutschen Sprache, wenn z.B. gesagt wird: „Ich bin versucht, das und das zu kaufen.” Aber hier hat es gewiss nicht mehr den Sinn, den es in der Bibel hat.

Zu den Perikopen

  • I: Hebr 4, 14-16

    folgt später

  • II: Gen 3, 1-19(20-24)

    Dieser Text nimmt eine kritische Stellung in der christlichen Theologie ein, denn er legt den Grundstein für unser Sündenverständnis. Die Sünde wird aus dieser Geschichte heraus zum Erbgut erhoben (Röm 5, 12), das in jedem Menschen schon vor der Geburt existiert. Ohne diese Geschichte hätte es Paulus wohl schwer gehabt, die Notwendigkeit des Todes und der Auferstehung Jesu zu begründen.
    Heute wissen wir, dass diese Geschichte eine reine Etiologie ist, um den Ursprung verschiedener Gegebenheiten zu begründen: die Angst des Menschen vor der Schlange, die Tatsache, dass dem Menschen nichts in den Schoß fällt, oder dass die Frau bei der Geburt große Schmerzen hat. Die wichtigste Beobachtung der Menschen, die mit dieser Geschichte begründet werden soll, ist aber die Gottesferne, die Tatsache, dass Gott nicht mit den Menschen unmittelbar redet. Dafür hat der Mensch etwas wunderbares erhalten, nämlich die Fähigkeit, Gut von Böse zu unterscheiden, damit aber auch die Möglichkeit, das Böse zu wählen und zu tun.
    Im Kontext dieses Sonntages geht es bei dieser Geschichte wohl vor allem um den kurzen Abschnitt 1-6. Hier wird von der Versuchung gesprochen. Unglücklicherweise, aber wohl durch seine Kultur so geleitet, entschied der Autor, die Frau zur Person zu machen, die sich zunächst verführen lässt und dann den Mann verführt. Dass der Mann Gelüste nach der Frucht dieses Baumes gehabt haben könnte, wird weder erwähnt noch angedeutet. Es ist die Frau, über deren Gelüste elaboriert wird.
    Feministische Theolog(inn)en dürften mit dieser Stelle arge Probleme haben, ich habe sie auch, zumal das Ergebnis dieser „Versuchung” ja dem Menschen durchaus nützlich war, zumindest in der Hinsicht, dass er nun nicht mehr nur wie ein Haustier von Gott gehalten wird, sondern dazu befähigt und gezwungen wird, für sich selbst zu sorgen und selbst Entscheidungen zu treffen. Nur durch diese Befähigung hat sich die Menschheit (nicht immer zum Besseren) entwickeln können.
    Auf der anderen Seite steht natürlich die Gottesferne als Ergebnis dieses Handelns. Noch immer denke ich, dass dieser Preis durchaus akzeptabel ist, solange die neu gewonnenen Fähigkeiten nicht dazu benutzt werden, an Gottes Stelle zu treten. Der Versuch wurde schon unzählige Male gemacht, und immer wieder waren die Folgen katastrophal.
    Eine Predigt über diesen Text wird wohl einer Gratwanderung gleichen. Hier müssen beide Ergebnisse des Handelns des Menschen bedacht werden, der Gewinn an Entscheidungsfähigkeit und der Verlust der Gottesnähe. Es lässt sich nicht abwägen, was wichtiger ist, denn beides hat einen ebenso hohen Wert. Es ließe sich auf verschiedene Entwicklungen unserer Zeit, wie z.B. die Gentechnologie, hinweisen, die zugleich Versuchung wie auch Fluch ist, denn mit ihr erst kommen die Fragen auf, die uns langsam zu Unmenschen machen: sollte nicht von jedem Embrio eine Genanalyse gemacht werden, um dann zu entscheiden, ob das Kind überhaupt leben sollte? Sollte man nicht beginnen, Organe zu „züchten”, um im Notfall sofort ein Transplantat zur Verfügung zu haben? Sollte man nicht die Genmasse verschiedener Zuchttiere so verändern, dass sie das liefern, was der Mensch konsumieren kann, während alles andere einfach nicht mehr wächst? Die Liste kann unendlich fortgesetzt werden, und es gibt andere Bereiche, wie z.B. die Rüstung, wo der Mensch schon lange seine Grenzen überschritten hat, weil er meint, alles, was Gottes Aufgabe ist, selbst in die Hand nehmen zu müssen.
    Aber auch im persönlichen Bereich gibt es Beispiele: der „Konsum” von Partnern, der heutzutage schon so üblich ist, dass die Regierung die Anerkennung nichtverheirateter Paare erwägt oder sogar schon teilweise umgesetzt hat. Der Verzicht auf Kinder um der Karriere willen, die Karriere als das Ziel schlechthin sind weitere Beispiele der Gottesferne, in die uns die materielle Versuchung unserer Tage treibt.
    Ein Aufruf zum Stillehalten wäre angebracht. Einen Rückblick und einen Vorausblick wagen: worauf kann ich stolz sein, weil ich damit geholfen habe, diese Welt ein Stück liebenswerter zu machen? Worauf kann ich mich freuen in meiner Zukunft, weil ich damit den Grundstock für eine bessere Welt lege?

  • III: Joh 13, 21-30

    Wenn es um Judas geht, dann sind wir - auch dank der Bibelübersetzungen - schnell dabei, vom „Verräter” zu sprechen. Wir sehen in ihm nur noch das Negative, ja, verabscheuungswürdige, und merken gar nicht, dass wir den Balken in unserem eigenen Auge nicht wahrnehmen. Dabei müssen wir die Vielschichtigkeit des ursprünglichen Wortes mit bedenken, das anders als das stark negativ belastete Wort „Verräter” auch mit „Auslieferer” übersetzt werden kann. Allein wenn wir dies bedenken, wird uns vielleicht auch deutlich, dass es mit dem „Verdammen” gar nicht so einfach ist. Ja, wir werden vielleicht sogar auf den Weg geführt, der uns zeigt, dass in Gottes Plan auch dies inbegriffen war und darum Judas gar nicht anders handeln konnte. Im letzten Schluss könnte man dann sogar dahin gelangen, dass ohne Judas Jesu Tod am Kreuz nicht hätte geschehen können, und damit wir immer noch die Verdammten wären.
    Es ist an der Perikope besonders interessant, dass sich alle Jünger irgendwie angesprochen fühlen. Sie sind freilich entsetzt und „ihnen wurde bange”, weil sie sich selbst nicht auszuschließen vermochten. In diesem Verhalten können uns die Jünger noch zu Vorbildern werden, denn wir sollten uns immer neu die Frage stellen, ob wir nicht drauf und dran sind, unseren Herrn Jesus Christus zu verraten nzw. auszuliefern.
    Es lohnt sich, in der Predigt diesem Gedanken nachzugehen. Jedes Gefühl der Selbstsicherheit mag zwar persönlichkeitsbildend sein, es führt uns aber von Gott weg, weil wir seine Gnade dann nicht mehr (zu) brauchen (meinen). Die Predigt kann versuchen, die Gemeinde mit hineinzunehmen in diesen Kreis der 12, und dabei nicht so sehr auf Judas schielen, sondern auf das „Bin ich's?”, das allerdings in unserem Predigttext nicht ausdrücklich anklingt.
    Wir dürfen davon ausgehen, dass sich zwischen der Ankündigung Jesu und dem „Was du tust, das tue bald!” etwas ereignet hat, was die Aufmerksamkeit der Jünger so stark ablenkte, dass sie nicht mehr an die Frage dachten, wer Jesus nun ausliefern würde. Nur so erklärt sich jedenfalls die anschließende Ausführung, dass sich die übrigen Jünger fragten, was Jesus wohl mit diesen Worten gemeint hat. Diese erneute Ahnungslosigkeit lässt uns auf unsere eigenen Gedächtnislücken einen Blick werfen. Gerne vergessen wir, wo wir an anderen schuldig wurden, während es uns sehr schwer fällt, die Schuld anderer an uns zu vergessen.
    So bietet die Perikope einigen „Stoff”, an dem man sich in der Predigt abarbeiten kann. Zu beachten bleibt der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang, der sich nicht so leicht ergibt. Denn was hat diese Erzählung mit der Versuchung Christi zu tun? Man könnte aufgrund der obigen Ausführungen natürlich ableiten, dass wir selbst auch immer neu der Versuchung ausgesetzt sind. Vielleicht haben die Ersteller der neuen Perikopenreihe auch gedacht, dass Judas selbst versucht wurde und dieser Versuchung nachgegeben hat. Ich würde es anders angehen und auf die übrigen Jünger schauen, die sicher versucht waren, die Schuld der bevorstehenden Auslieferung einem anderen anzuhängen als sich selbst. Dabei haben sie ja alle Jesus verlassen, als es drauf ankam, und Petrus konnte sein Versprechen nicht einhalten, Jesus niemals zu verleugnen. Wir reihen uns demütig ein in diese Gruppe von Versagern, die der Gnade Gottes bedürfen und sie auch dankbar annehmen.

  • IV: 2. Kor 6, 1-10

    Diese Perikope gehört wohl zu den bekanntesten aus den Paulusbriefen. Wenn Paulus die Gemeinde mahnt, die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfangen, kann man ins Fragen kommen: wird die Gnade grundsätzlich allen zuteil? Das könnte man daraus ableiten, dass sie vergeblich empfangen werden kann. Es würde bedeuten, dass sie zunächst ohne Vorbedingung ausgeteilt wird. Was heißt „vergeblich empfangen”? Bedeutet es, dass man sie nicht in Anspruch nimmt? Oder dass man sich gegen sie stellt, d.h. sie ablehnt? Der nachfolgende Vers 2 legt nahe, dass es das bloße Nicht-In-Anspruch-Nehmen ist, das hier gemeint ist. Jedenfalls ist wichtig, dass Paulus jetzt die Zeit der Gnade ausruft. Jetzt ist der Zeitpunkt, und nicht die Zeitspanne. In der Tat meint Paulus wohl damit, dass in jeder Situation die Gnade erfasst wird, als wäre sie gerade erst präsent geworden. Das Leben eines Christen ist nicht christlich, wenn er sich immer wieder neu der Gnade Gottes vergewissert und diese Vergewisserung dann auch zur Tat führt.
    Im Folgenden rechtfertigt dann Paulus seine Mahnung: er ist dazu berechtigt, weil er (sie) sich als Diener Gottes erweist (erweisen). Diese Verse bringen eine neue Perspektive in die Perikope, die ganz eigenständig behandelt werden könnte. Denn hier wird der Aspekt des Duldens in den Vordergrund gestellt, das Dulden, das im Leiden die Herrlichkeit des Kreuzes erkennt. Paulus schreibt von dem, was er erduldet hat, und stellt ab Vers 8b dar, wie ihnen trotz aller schlechten Erfahrung die Gnade zuteil wurde. Insoweit kann man vielleicht doch eine Verbindung zum ersten Abschnitt herstellen. Denn trotzdem sie traurig wurden, konnten sie - aus Gnade - fröhlich sein. Trotzdem sie arm waren, konnten sie - aus Gnade - viele reich machen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird vage deutlich: Wir werden immer wieder versucht, die Gnade nicht zu ergreifen. Gerne versinken wir in den Trübsalen, die uns befallen, und geben uns dem Selbstmitleid hin. Paulus setzt dagegen, dass zu jedem Zeitpunkt, also auch in größter Betrübnis, die Gnade empfangen wird. Sie muss nur auch genutzt werden.
    Es wäre für die Predigt wohl zu banal, Erlebnisse der Gnade aufzuzählen, wie Paulus das tut. Es geht darum, den Menschen nahezubringen, dass die Zeit der Gnade kein Zeitraum ist; denn das meint Paulus. Vielmehr ist sie zwar immer greifbar nahe, wird aber erst dann wirksam, wenn sie auch ergriffen wird. Wenn sie nicht ergriffen wird, geht sie ungenutzt vorüber, um bei der nächsten Gelegenheit wieder präsent zu sein. Man kann aber auch nicht von ihr Besitz ergreifen, denn sie entzieht sich dem, der sie besitzen will, weil sie immer situationsabhängig ist. Es geht also darum, der Gemeinde bewusst zu machen, dass sie die Gnade in den jeweiligen Situationen ergreifen muss, damit sie wirksam werden kann.

  • V: Hiob 2, 1-13

    Der Text ist voller Merkwürdigkeiten, während es im ganzen Buch Hiob doch eigentlich nur um eine einzige Frage geht: Warum? Es ist die Frage, die Eltern junger Kinder ratlos machen kann. Es ist die Frage, für die Gott immer wieder herhalten musste, weil man selbst keine Antwort geben konnte. Aber bei Hiob kann man so nicht antworten, denn hier geht es ja um die Frage, warum Gott Leid über die Menschen, die ihm immer treu sind, kommen lässt, während Übeltäter sich in der Sonne räkeln und des Lebens freuen.
    Natürlich finden wir die Frage auch in dieser Perikope, aber es ist durchaus legitim, auch auf die Merkwürdigkeiten einzugehen. Da ist zunächst das Gespräch Gottes mit seinen „Söhnen”. Allein die Vorstellung, dass es einen solchen himmlischen Thronsaal gibt, in dem sich Gott wie der Vorsitzende in einem Aufsichtsrat über die Vorgänge in seiner Firma informiert, wirkt äußerst befremdlich. Wenn Gott allmächtig und allwissend ist, braucht er so etwas doch nicht.
    Darüber hinaus erfahren wir hier, dass Satan seinen Platz im Himmel hatte. Dabei ist er offenbar der Versucher par excellence: er schafft es sogar, Gott dazu zu überreden, dem Frömmsten aller Frommen (Hiob) noch mehr Leid zuzufügen, als ihm bisher schon widerfahren war. Denn in Kapitel 1 des Buches Hiob wird das geschildert, was die Ursache für das bekannte Wort „Hiobsbotschaft” ist: eins nach dem andern bricht alles zusammen: seine Kinder sterben, sein Vieh kommt um, seine Ernte ist vernichtet. Satan hatte da schon einmal die Genehmigung bekommen, Hiob zu schaden, nur unter der Auflage, ihn selbst nicht anzutasten. Nachdem Satan nun feststellen musste, dass Hiob in dieser Situation noch immer sagen konnte: „der Name des Herrn sei gelobt”, will er es, anstatt sich geschlagen zu geben, noch einmal versuchen, nur diesmal, indem er sein Fleisch antastet.
    ich möchte noch etwas bei der Figur des Satans verweilen, denn es ist wichtig, dass wir uns bewusst sind, was das bedeutet: „das Böse”, was wir oft als Satan bezeichnen, hat demnach seine Legitimation (aber auch seine Kontrolle, d.h. seine Grenzen) von Gott her. Es fällt zunehmend schwerer, eine solche Beobachtung zuzulassen, denn wir wollen uns Gott so nicht vorstellen. Heute neigt man ja eher dazu, in Gott den „Ofen der Liebe” zu sehen, von dem nichts Böses ausgehen kann. Dieses Empfinden geht ja so weit, dass man die 6. Bitte des Vaterunser am liebsten umformulieren möchte. Dabei bin ich überzeugt, dass es sich bei dieser Bitte weder um einen Verständnis- noch um einen Schreibfehler handelt. Es ist tatsächlich möglich, dass Gott uns in die Versuchung hineinführt, also dem Bösen aussetzt.
    Wir müssen bedenken, dass schon vom Schöpfungsgedanken her klar sein muss: wenn Gott das Gute schuf, dann hat er auch das Böse geschaffen - oder es wenigstens durch die Schöpfung ermöglicht. Wenn wir nun diese Beobachtung akzeptieren, erkennen wir darin auch einen Vorteil: das Böse unterliegt dann nämlich der Kontrolle Gottes! Und das ist gut so.
    In unserem Predigttext wird diese Kontrolle ausdrucksvoll verdeutlicht, indem Gott dem Satan (erneut) seine Grenzen setzt. Bis dahin und nicht weiter.
    Dann begegnen wir der Frau des Hiob. Sie sagt nur zwei Sätze, die es aber in sich haben und regelrecht von Verachtung strotzen. Dass da überhaupt keine liebevolle, tröstende Zuwendung zu erkennen ist, wie man sie von einem (liebevollen und geliebten) Ehepartner erwarten können sollte, muss schockieren. Interessant ist aber eigentlich die Formulierung, mit der sie zwei Dinge deutlich macht: zum einen ist Frömmigkeit zu nichts nütze, und zum andern ist man ohne Glaube nicht lebensfähig. „Sage Gott ab und stirb.” Können solche Worte von einem Menschen kommen, der auf Gottes liebevolle Zuwendung, seine Gnade und Güte vertraut?

  • VI: Mt 4, 1-11

    folgt später

  • Marginaltexte: Lk 22, 31-34
    Röm 6, 12-14
    Jak 1, 12-18

    zu Lk 22, 31-34:
    Eine merkwürdige Perikope. Nachdem sich die Jünger darum gestritten haben, wer von ihnen als der Größte gelten solle, und Jesus diesen Streit schlichtet, indem er allen „das Reich zueignen” will (Vers 29), kommt nun der Satan ins Spiel. Er will die Jünger sieben, wie man Weizen siebt. Das ist schon merkwürdig deswegen, weil höchstens einer der Jünger ausgesiebt werden könnte, es wäre also keine großartige Aktion vonnöten, und eine solche Ankündigung schon gar nicht, die im Weiteren das Gefühl vermittelt, nur Petrus würde durchhalten.
    Offenbar hat Jesus seinen eigenen Tod im Blick, und er sieht die Notwendigkeit, dass einer von den Zwölfen für die anderen da sein soll, wenn Jesus nicht mehr unter ihnen ist. Aber dieser eine, Petrus, ist in keiner Weise besser als die anderen, wenn es um das Verhältnis zu Jesus Christus geht: auch er wird seinen Herrn verleugnen, sein Glaube wird also jämmerlich versagen.
    Die Perikope dient sicherlich dazu, die Stellung eines „Primus inter pares” zu festigen. Dies darf freilich nicht zu einer überhöhung der Person dieses Primus führen, denn er ist genauso fehlbar wie die, denen er beistehen soll. Auch in der protestantischen Kirche gibt es diesen Gedanken des „primus inter pares” z.B. in der Person des Pfarrers, der die Aufgabe der geistlichen Betreuung der Gemeinde hat, dabei aber selbst nicht besser ist als die anderen, obgleich dieser Anspruch auch heute noch oft erhoben wird.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang kann nur schwer hergestellt werden. Zwar kann man durchaus die Thematik „Versuchung” erkennen, aber es handelt sich nicht um die Versuchung Jesu, sondern um die mögliche Versuchung der Nachfolger Jesu. Die ist allerdings deutlich erkennbar: den Tod, den Jesus auf sich nimmt, will ja später keiner der Jünger mit ihm teilen. Sie beobachten das ganze Geschehen höchstens aus der Ferne, sind aber noch nicht mal in der Lage, ihre Verbundenheit mit ihm zuzugeben. Es wäre kaum verwunderlich gewesen, wenn die Jünger nun wieder ihre eigenen Wege gegangen wären, zurück zu ihren Familien und ihren Berufen. Das wäre es gewesen, was der Versucher - Satan - gewollt hätte. Stattdessen bildete sich die Kirche, die Gemeinschaft derer, die an Jesus Christus glauben.
    Die Predigt kann sicherlich versuchen, auch auf den vorhergehenden Text, die Frage nach der Rangordnung, etwas einzugehen. Kirche wird darunter leiden, wenn die Gemeinden nicht in der Lage sind, die jeweiligen Fähigkeiten des einzelnen anzunehmen, zu respektieren und zu nutzen, sondern wenn es zu Machtkämpfen kommt. Die Predigt kann dieses Problem positiv angehen, indem sie dazu ermutigt, sich einzubringen, am Gemeindeleben aktiv teilzuhaben und in bestimmten Personen (allen voran wohl dem Pfarrer) nicht eine unantastabre Autoritätsperson zu vermuten, sondern einen Menschen, der genauso von der Gnade Gottes abhängig ist wie jedes andere Gemeindeglied auch.

    Zu Jak 1, 12-18:
    Es ist schwer zu verstehen, warum Martin Luther diesen Brief nicht mochte. Sicher finden wir hier eine Aussage, die dem Grundsatz „Allein aus Glauben” zu widersprechen scheint, aber der Brief enthält doch vieles, was für das Leben eines Christenmenschen von Bedeutung ist - eben auch diese Aussage, die in Zeiten, in denen man es sich vielleicht doch zu leicht macht, wieder an Bedeutung gewinnt.
    Der vorliegende Text befasst sich mit dem Thema der Versuchung. Zunächst einmal wird der selig gepriesen, der die Anfechtung erduldet, denn nachdem er diese durchgestanden hat, wird er die Krone des Lebens empfangen. Dass hier von einem Mann die Rede ist, soll uns nicht daran hindern, anstelle dessen „Mensch” zu sagen, was ja auch in wenigstens einigen Handschriften zu lesen ist.
    Den Hauptteil der Perikope macht aber die Frage aus: Kann Gott versuchen? Die Antwort ist klar: Nein. Die logische Schlussfolgerung, die sicher mancher dann ziehen möchte, ist: der Böse, sprich „Satan” oder „der Teufel”. Aber weit gefehlt: Jakobus weiß schon, was der Christenheit dann doch erst nach Jahrhunderten bewusst wurde: ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt. (Vers 14) Der folgende Vers will wohl zum Ausdruck bringen, dass dann, wenn wir dieser Begierde nachgeben, wir zu Sündern werden und folglich den Tod erleiden, der keine Hoffnung kennt.
    Das Wichtigste aber ist doch die Feststellung, dass Gott eben nicht die Menschen versucht, und darum bekräftigt Jakobus es hier noch einmal: Von Gott, dem Vater des Lichts, kommt nur das Gute (Vers 17).
    Der Schwerpunkt des Textes liegt offensichtlich auf der Aussage, dass Gott uns nicht versucht, sondern wir selbst. Wenn wir also einer Anfechtung widerstehen, dann widerstehen wir im Grunde nur uns selbst. So schwer dürfte das nicht fallen - vor allem nimmt es uns das Argument, jemand anderes sei für unser Handeln verantwortlich. Wir können für die Fehler, die wir machen, nicht andere, schon gar nicht ominöse Größen wie den „Teufel” oder „Versucher”, verantwortlich machen, sondern müssen die Ursache bei uns suchen. Damit wird die Tatsache ernst genommen, dass Gott uns schöpfungsgemäß die Fähigkeiten mitgegeben hat, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und entsprechend uns für das eine oder das andere zu entscheiden. Es liegt in unserer Hand. Was aber Gott angeht, so können wir von ihm nur Gutes erwarten.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist eindeutig. Es geht um die Versuchung.
    Die Predigt sollte deutlich machen, dass Versuchung nicht von außen kommt, sondern aus uns heraus. Es gibt viele Menschen, in jeder Gemeinde, die sich aber zu schwach fühlen, der Versuchung zu widerstehen. Denen - und natürlich auch denen, die sich für standfest halten (denn sie sind oft der Versuchung der Selbstüberschätzung erlegen) - sollte natürlich auch die Zusage gemacht werden, dass sich Gott allen zuwendet, die ihn suchen und die sich bemühen, auch wenn sie nicht die Anforderungen, die hier gestellt werden, erfüllen können. Denn eben, von Gott kommt alles Gute, und von ihm können wir auch die Hilfe erwarten, die wir brauchen, um uns von uns selbst zu befreien.



Buchempfehlungen:
  • Gott in der Welt feiernWenn sie auf diesen Link klicken, verlassen Sie diese Webseite und werden zu Amazon weitergeleitet! Durch den Kauf bei Amazon unterstützen Sie die Weiterentwicklung dieser Webseite!
    . Auf dem Weg zum missionalen Gottesdienst v. Johannes Reimer. Neufeld Verlag 2010, 203 S. - 1. Auflage.
    Stell dir vor, es ist Gottesdienst und alle wollen hin! Warum besuchen immer weniger Menschen die sonntäglichen Veranstaltungen der Kirchen und Gemeinden? Vielleicht weil viele Gottesdienste mit Gott selbst nur noch am Rande zu tun haben? Oftmals ist aus dem Blick geraten, was Gottesdienst bedeutet. Dies ist ein Buch über geistliche Gottesdienstleitung. Wie wird der Gottesdienst zu einem missionalen Ereignis (denn Kirche ist missionarisch von ihrem Wesen her)?