In der Stunde vor Damaskus geschah etwas für die christliche Kirche in einzigartiger
Weise Bedeutungsvolles: Saulus, der Pharisäer, nach dem Gesetz ohne Fehl und
Tadel, der die christliche Gemeinde, die sich unter den Juden gebildet hatte, verfolgte,
wird zum Apostel der Heiden, zum Verkündiger des Evangeliums berufen.
Paulus wurde als Saulus von jüdischen Eltern in Tarsus, einem Ort im Südosten
Kleinasiens, als römischer Bürger geboren und streng im Glauben der Väter
erzogen. Wahrscheinlich bedienten sich seine Eltern der griechischen Übersetzung
des "AT", der Septuaginta (=LXX), da Griechisch die Umgangssprache an
allen Orten war und Paulus stets nach der LXX zitiert. Ihn zog das Pharisäertum
besonders an, so dass er noch jung nach Jerusalem kan und dort bei dem gelehrten
und berühmten Gamaliel in die Schule ging. Er lernte die rabbinische Auslegungskunst,
beschäftigte sich mit der Schrift in ihrer Ursprache, dem Hebräischen,
und erlernte außerdem das Aramäische, die Sprache Jesu.
Zu Lebzeiten Jesu muss Paulus wohl auch von Jesus als einem großen
Wunderheiler und -täter gehört haben, wurde aber in keiner Weise von der
christlichen Botschaft innerlich berührt. Seine Einstellung zur wachsenden
Christengemeinde aber kennen wir von der Erzählung über den Tod des Stephanus:
Er (Saulus) hatte Wohlgefallen an seinem Tod. (Apg 8, 1)
Paulus wollte die Lehre und Überlieferung des Gottesvolkes rein erhalten.
Deswegen reiste er nach Damaskus, ausgerüstet mit der Vollmacht des Synhedrin,
Christen gefangenzunehmen und nach Jerusalem zum Verhör zu bringen. Als aber
Paulus auf dem Weg in einer Vision dem Herrn begegnete, erblindete er. Ananias,
ein Christ aus Damaskus, heilte Paulus von seiner Blindheit, indem er ihm die Hände
auflegte. Allerdings tat Ananias dies nicht aus Liebe zu Paulus, sondern aus Liebe
zu seinem Herrn, der dies von ihm forderte. Ananias kannte Paulus nämlich aus
Erzählungen und fürchtete ihn (Apg 9, 1-18).
An dem Beispiel des Paulus erkennen wir, wie konkret und mit welcher Macht Gott
in das Leben dieser Welt eingreifen kann. Den größten Verfolger der Gemeinde
ließ Gott nicht umkommen, sondern machte ihn zum Streiter für das Evangelium
unter den Völkern.
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V - Mt 19, 27-30Da fing Petrus an und sprach zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns dafür gegeben? 28 Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, werdet bei der Wiedergeburt, wenn der Menschensohn sitzen wird auf dem Thron seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels. 29 Und wer Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlässt um meines Namens willen, der wird's hundertfach empfangen und das ewige Leben ererben. 30 Aber viele, die die Ersten sind, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein.
Die Frage Petri ist vielleicht berechtigt, aber sie zeigt auch, dass er von der Verkündigung Jesu nicht
viel gelernt hat. Man könnte aus der Position des Textes kurz vor dem Einzug in Jerusalem sogar vermuten, dass hier
so eine Art Torschlusspanik die Motivation für die Frage ist. Jesus hatte seinen Tod bereits zweimal angekündigt, und
irgendwie war Jerusalem schon immer ein Ort, in dem für Jesus durch die Häufung der Pharisäer und Schriftgelehrten eine
besondere Gefährdung bestandt. Wenn sich nun die Ankündigungen bewahrheiten sollten, was bliebe dann für die Apostel?
Abgesehen davon: waren sie selbst oder zumindest Petrus nicht davon ausgegangen, mit Jesus zu sterben? Unter solcher
Perspektive kann man schon verstehen, dass es zu einer Abwägung des Nutzens all dessen geht, was sie bisher durchgemacht
hatten. Schließlich hatten sie alles verlassen und erwarteten evtl. sogar den Tod (was Petrus allerdings nicht anspricht).
Jesu Antwort bestätigt zunächst die drohende Gefahr, indem er die Nachfolge schon in die Vergangenheit einordnet. Damit
ist sicher die Zeit gemeint, in der sie Gemeinschaft mit Jesus hatten. Denn die Nachfolge geht ja dann doch über die
Kreuzigung, den Tod und die Auferstehung hinaus. Nur gestaltet sie sich dann anders, denn jede/r geht seinen oder ihren
Weg im Vertrauen darauf, dass Jesus gemäß seiner Zusage bei ihnen sein wird. (Mt 28, 20b)
Jesus verspricht zunächst das Richteramt über die zwölf Stämme Israels. Hier zeigt sich noch einmal, dass
Jesus sich zunächst nur zum Volk Israel gesandt verstand. Vielleicht kann man die 12-Zahl nun aber auch als Bezug
auf die gesamte Menschheit verstehen, eben als Zahl der Gesamtheit, aber da stellt sich dann doch der klare Hinweis
auf die Stämme Israels sperrig dagegen.
Jesus weist dann noch einmal darauf hin, dass die Nachfolge Opfer verlangt. Das Verlassen der Familie gehört genauso dazu
wie die Aufgabe des eigenen Besitzes (um ihn den Armen zu geben). Das hört sich für uns sehr radikal an, aber das ist
es, was die Apostel getan haben. Es ist ein Merkmal ihrer Nachfolge. Vermutlich weist deswegen Jesus auch darauf hin.
Aber es ist wohl zu vermuten, dass er damit auch alle anderen, die sie in seine Nachfolge begeben, anspricht.
Beruhigend (und damit auch die Frage beantwortend) fügt er dann hinzu, dass alle, die diese Opfer gegeben haben,
sie hundertfach empfangen werden.
Das scheint dann aber doch merkwürdig. Kann Jesus hier wirklich eine Vermehrung des Besitzes meinen? Oft wird dieser
Vers so gedeutet, dass Jesus das meint, was man empfängt, indem man sich der christlichen Gemeinde anschließt. In der
Apostelgeschichte wird die Urgemeinde beschrieben als eine Gemeinschaft, in der Gütergemeinschaft herrschte, d.h. alles
gehörte allen. Dazu kommt, dass in der Gemeinde Jesu Christi alle Geschwister sind, und manche geistliche Leiter vielleicht
dann auch die Rolle von Vater oder Mutter übernehmen. Insofern verwirklicht sich dieses Versprechen tatsächlich, aber
eigentlich ist ja trotz der Gütergemeinschaft eigentlich eine Besitzlosigkeit angestrebt (haben, als hätten wir nicht).
Nachdenklich sollte der letzte Satz des Predigttextes stimmen. In Petri Frage klingt an, dass es hier auch um eine
Rangfolge geht. Wir sind die ersten - sollte uns da nicht etwas Besonderes zustehen? Jesus warnt in seiner Antwort vor
einem solchen Streben. Die Ersten werden die Letzten sein, ist seine Antwort, wobei es eine leichte Abschwächung durch
das Wort „Viele” gibt, denn das bedeutet, dass es nicht für alle gilt (also vielleicht auch nicht für die
Apostel?). Das Beste ist wohl tatsächlich, sich nicht mit Fragen der Rangfolge zu beschäftigen. Es nützt ja doch nichts.
Wir sollten immer darauf vertrauen, dass Gott um uns weiß und uns unseren Platz zuweist, der genau der richtige sein
wird.
Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist nicht ersichtlich. Paulus, um den es an diesem Tag geht,
kommt in der Evangeliumslesung nicht vor. Das liegt natürlich auch daran, dass er zur Zeit der Evangelien noch nicht
präsent war (die Evangelisten werden ihn zwar schon gekannt haben, aber seine Person kam erst nach Jesu Himmelfahrt
in den Blick, und so weit reichen die Evangelien nicht). Auch gehört Paulus ausdrücklich nicht zu den Zwölfen (anstelle
von Judas Iskarioth wird Matthias zu den Zwölfen hinzu gelost). So muss man sich eine Brücke bauen. Paulus zählt
sich selbst zu den Aposteln, weil er nicht durch Predigt, sondern durch Jesus Christus selbst bekehrt und berufen
wurde. Er hat alle Brücken hinter sich abgerissen und sein Leben ganz in den Dienst Jesu gestellt. Insofern kann
er für sich den gleichen Anspruch erheben wie Petrus für sich und die übrigen Apostel. Was ihm definitiv eigen ist,
ist das Bewusstsein, dass er zahlreiche Brüder und Schwestern gewonnen hat und dass er nie Mangel leiden musste. Ob
er auch Vater und Mutter unter der Christengemeinde fand, ist eher unwahrscheinlich, er selbst wurde aber vielen zum
geistlichen Vater. Ob er der Letzte oder der Erste sein wird, steht uns nicht zu zu beurteilen. Wohl aber können
wir in Verbindung mit diesem Predigttext darauf hinweisen, dass genau diese Frage völlig irrelevant ist für jeden
Menschen, der glaubend sein Vertrauen auf Jesus Christus setzt.
Insofern mag die Predigt neben eines Blickes auf die Bekehrung des Paulus selbst vor allem bedenken, dass Gott
ganz eigene Wege geht, die völlig konträr zum Augenschein stehen. Paulus war Pharisäer, der mit glühender Leidenschaft
die Christen verfolgte. Er wurde der erste christliche Heidenmissionar und zudem ein hervorragender Theologe.
Niemand hätte das für möglich gehalten. Es ist wichtig zu betonen, dass wir das Wirken Gottes auch in unserer Zeit nicht
ausschließen, sondern stets für möglich halten, wobei nicht unser Wollen der Maßstab ist, sondern der Plan Gottes,
den wir in Demut annehmen.
Man lobt dich in der Stille (EG 323)
Lasset uns mit Jesus ziehen (EG 384)
Mache dich, mein Geist, bereit (EG 387)
Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (EG 397)
O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens (EG 416)
Allmächtiger Gott, wir danken dir für das Wirken des Apostels Paulus. Durch ihn wurde
das Evangelium hinausgetragen in die Welt. Durch dein Wort sind viele Menschen gerettet worden.
Wir bitten dich: schenke uns den Willen und den Mut, dein Wort weiterzusagen den Menschen, die
unsere Wege kreuzen. Hilf, dass der Same deines Wortes auf fruchtbaren Boden fällt.
Wecke die Sehnsucht, die du den Menschen ins Herz gelegt hast, neu, dass sie hungern nach deinem
Wort der Liebe und der Versöhnung.
Gib, dass alle, die nur auf ihre eigene Macht und Fähigkeit vertrauen, ihre Grenzen erkennen. Hilf
ihnen, ihr Vertrauen auf dich zu setzen, damit sie nicht verloren gehen.
Lass dein heilendes Wort erklingen über denen, die krank sind. Lass es erklingen über denen,
die sich nicht zu helfen wissen, die einsam sind oder verzweifelt, die niemanden an sich heran
lassen. Schenke ihnen, dass sie deine Liebe erkennen und annehmen und sich öffnen für die
Boten deiner Liebe.
Schenke allen Menschen, die sich nach Frieden sehnen, die Erfüllung ihrer Sehnsucht. Wehre all denen,
die versuchen, mit Gewalt ihre Ziele durchzusetzen. Wo Türen verschlossen sind, öffne du sie, damit
niemand, der Hilfe braucht, ohne Hilfe bleibt.
Dein Segen sei bei den Boten, die dein Wort hinaustragen.
Das bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, der mit Dir und dem Heiligen Geist herrscht und
lebt in Ewigkeit.
Amen
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