Der Name des Sonntags Reminiszere leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon
ab: "Reminiscere miserationum tuarum, Domine, et misericordiarum tuarum
quae e saeculo sunt." (Ps 25, 6; deutsch s. unten, wörtliche Übersetzung von "Reminiszere" hervorgehoben)
Am Sonntag Reminiszere geht es um das Verhältnis
zwischen Gott und Mensch. Das Evangelium weist hin auf die Notwendigkeit des
Menschen, sich Gott zuzuwenden und sich von der „Macht der Finsternis” zu lösen.
Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern (Reihe V) verdeutlicht die Konsequenzen,
die beim Verbleiben in der Finsternis, d.h. der Ich-Bezogenheit, zu erwarten sind.
Wohl wissend, was sie tun, bringen die Weingärtner
den Sohn des Besitzers um, hoffend, dass sie dann den ganzen Besitz für
sich einstreichen können. Ganz offensichtlich soll das Gleichnis darauf hindeuten,
dass die Menschen, die eine Verantwortung von Gott übertragen bekommen
haben (jeder), das ihnen Anvertraute lieber als ihr Eigentum ansehen wollen und
dabei die Rechte und den Anspruch Gottes zu missachten (und damit auch seine Macht).
Die Frage dieses Sonntags und dieser Woche ist daher die, wie wir uns zu Gott stellen
wollen. Die Antwort muss jede Person für sich geben, wobei durch das Evangelium schon
klar sein dürfte, dass eine Veränderung, ja, eine Neugeburt vollzogen werden muss,
um die von Gott erwartete Antwort geben zu können.
Klicken Sie hier für die Anregungen für alle Predigtreihen (soweit vorhanden)
III - Jes 5, 1-7Wohlan, ich will meinem lieben Freunde singen, ein Lied von
meinem Freund und seinem Weinberg.
Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. 2 Und
er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen
Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte;
aber er brachte schlechte. 3 Nun richtet, ihr Bürger
zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg!
4 Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan
habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf
wartete, dass er gute brächte? 5 Wohlan, ich
will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen
werden, dass er verwüstet werde, und seine Mauer soll eingerissen werden,
dass er zertreten werde. 6 Ich will ihn wüst
liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln
und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf
regnen. 7 Des HERRN Zebaoth Weinberg aber ist das Haus
Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete
auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei
über Schlechtigkeit.
Dieser Text ist schon von seiner Gestaltung her etwas eigenartig.
Während er wie ein Lied eingeleitet wird (1a), geht er alsbald in ein Gleichnis
über (1b-2), dann in eine direkte Ansprache der Bürger Jerusalems und
der Männer Judas (3) mit einer Personalisierung des Gleichnisses: nun ist plötzlich
nicht mehr der Freund, sondern der Erzähler (Gott?) der Besitzer des Weinbergs.
Er fragt anklagend, es sind rhetorische Fragen, denn jeder weiß, dass es nichts
mehr zu retten gibt (4). Dementsprechend gibt der Erzähler dann auch gleich
selbst die Antwort: der Weinberg wird zerstört und vermichtet werden (5-6).
Vers 7 löst auf, was noch aufzulösen ist: Gott gehört der Weinberg,
der Weinberg sind die angesprochenen Männer Judas und das Volk Israel. Der
letzte Satz konkretisiert, worin der "Weinberg" gefehlt hat, nämlich
Recht zu üben.
So stehen wir vor einem radikalen Urteilsspruch, der so unzweideutig ist, dass es
schwerfällt, darin eine Spur der Gnade zu erkennen. Sollte sie vielleicht doch
darin zu finden sein, dass der Anfang so zögerlich, so freundlich ist? Man
könnte darin eine Liebe spüren, die Liebe Gottes zu seinem auserwählten
Volk, die, je mehr er der Vergehen des Volkes bewusst wird, von Zorn - oder Enttäuschung?
- überdeckt wird. Darum stößt er, wie ein liebender Vater, dann
diese massive Drohung aus, von der wir heute wissen, dass sie wahr wurde (angemerkt
sei die übliche Auslegung, dass dem Verfasser bereits bekannt war, dass ein
solches Gericht verübt wurde oder gerade zu seiner Zeit verübt wird -
er schreibt also diese Androhung als Interpretation des Geschehenen oder Geschehenden).
Jesaja erklärt: das, was euch widerfährt, ist nur recht und billig. Kommt
endlich herunter von euren hohen Rössern und gebt zu, dass ihr eure Berufung
missbraucht habt! Gott will doch nicht euren Untergang! Er will euch doch erhalten!
Aber ihr wollt es offenbar nicht.
Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird schnell deutlich:
es geht hier um das spannungsreiche Verhältnis Gottes zum Menschen genauso
wie des Menschen zu Gott. Während Gott eine schreckliche Drohung ausspricht,
um seinem Volk - den Menschen - eine letzte Chance zu geben, kümmert sich der
Mensch kaum darum. Die Gottesbeziehung, wenn sie überhaupt existiert, manifestiert
sich in mechanisierten Vorgängen des Opfers und Gottesdienstes, die nicht ins
Leben der Menschen hineinreichen.
Für die Predigt wäre es wichtig, auch und gerade den
gnadenreichen Aspekt mit hineinzunehmen. Immerhin hat Gott sein Volk nicht gänzlich
verworfen. Im Gegenteil: er hat es wieder gesammelt und zurückgeführt
in das heilige Land, wo dann noch einmal ein Tempel errichtet wurde. Aber darüber
hinaus hat Gott ja die ganze Menschheit im Blick, was durch seinen Sohn Jesus Christus
sichtbar wird. Auch wenn das nicht explizit im Predigttext deutlich wird, halte
ich es doch für angemessen, hier auf Christus zu verweisen, denn Gottes Verhältnis
zum Menschen hat ja einen Wandel erfahren: vom zornigen, strafenden zum erbarmenden
Gott. Denn Gott achtet die Freiheit des Menschen, und diese Freiheit kann sich nur
dann voll entfalten, wenn es keine Züchtigungen mehr gibt. Anstelle dessen
stellt Gott das Kreuz vor unsere Augen und beschämt uns.
Auf keinen Fall darf die Predigt darauf hinauslaufen, das Volk Israel abzuwerten
gegenüber den Christen, denn grundsätzlich sieht es ja so aus, dass die
Christen keinen Deut besser sind. Wir durchleben die gleichen Erfahrungen, die die
Israeliten lange vor uns machten, nur unter anderen Vorzeichen.
Ehre sei dir, Christe (EG 75)
Aus tiefer Not lasst uns zu Gott (EG 144)
Wach auf, wach auf, du deutsches Land (EG 145)
Nimm von uns, Herr, du treuer Gott (EG 146)
Herr Jesu, Gnadensonne (EG 404)
Es kommt die Zeit (KHW/HN-EG 560)
Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen (KHW/HN-EG 640)
Allmächtiger Gott, du hast dich mit uns versöhnt. Wir vertrauen auf
deine Liebe und Gnade, die durch das Kreuz Jesu Christi offenbar wurden. Wir bitten
dich:
Lass uns die Tiefe deiner Weisheit erkennen, die im Kreuz deines Sohnes sichtbar
wird. Vergib uns allen Kleinmut, den Mangel an Selbstvertrauen und die Sehnsucht
nach Anerkennung, Erfolg und Macht.
Wir bitten dich:
sei du bei denen, die Unrecht erfahren um ihres Glaubens willen: lass sie in deiner
Gemeinde Zuflucht finden, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt; stärke ihren Glauben.
Sei du bei denen, die nichts aus der Geschichte lernen wollen, und führe sie zu deiner
Gemeinde, damit sie das Geschenk deiner Liebe erkennen und annehmen.
Sei du bei denen, die durch Naturkatastrophen zu Schaden gekommen sind.
Falle denen in den Arm, die meinen, mit Waffengewalt ihre Interessen durchsetzen zu
können. Schenke Bereitschaft, einander mit Vertrauen zu begegnen und für ein friedliches
Miteinander einzutreten.
Offenbare dich denen, deren Wünsche und Hoffnungen im Laufe ihres Lebens nicht erfüllt
wurden und die darüber verbittert sind: lass sie durch deine Gemeinde Anerkennung und
Trost erfahren, damit sie frei werden von aller Enttäuschung und von allem, was sie
bedrängt und ängstigt.
Offenbare dich denen, die vor sich selbst und vor der Welt Angst haben, die sich scheuen
vor der Erkenntnis der Wahrheit, die du uns durch das Evangelium offenbarst, und lass
sie durch deine Gemeinde Ermutigung und Stärkung erfahren.
Offenbare dich denen, die fern von uns sind, und doch so nah – verbunden im Glauben: wir
denken an die Christen in der ganzen Welt, vor allem die, die verfolgt werden: lass
sie ihren Mut nicht verlieren. Sei ihnen nahe, stärke sie durch deinen Geist.
Stärke die Kranken und lass die Einsamen in unserer Gemeinde erfahren, dass sie nicht
allein sind. Offenbare ihnen dein Heil.
Herr Gott, du willst uns gebrauchen. So rufe du uns an den Ort, wo wir helfen können,
und segne du unser Reden und Tun.
Nimm dich unser gnädig an. Rette und erhalte uns, denn dir allein gebührt Ruhm, Ehre
und Anbetung, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen
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