Sie dürfen gerne meine Predigten benutzen und den Gegebenheiten anpassen. Wenn Sie einen meiner Predigtvorschläge in einem Gottesdienst verwenden wollen, teilen Sie es mir bitte mit. Eine Genehmigung müssen Sie dafür aber nicht abwarten.
Jegliche andere Form der Vervielfältigung, auch im Internet, ist nur mit meiner ausdrücklichen, schriftlichen Zustimmung erlaubt. Weisen Sie bei der Verwendung des Materials bitte auf die Quelle hin.
Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe III - Jes 38, 9-20
Liebe Gemeinde!
Die Krankheit des Königs Hiskia war keine Strafe. Hiskia war vielmehr ein König, der
auf die Worte Gottes hörte und der darum von Gott reich belohnt werden müsste.
Andererseits war er natürlich auch Politiker, der in einer unruhigen Zeit lebte
und darum immer wieder politisch kluge Entscheidungen treffen musste – meist
waren es Kompromisse, denn das kleine Volk Juda war nicht mehr stark genug, um
sich gegen die großen Mächte der Umgebung durchzusetzen. Aber es blieb das Volk
Gottes, und daran hielt dieser König fest.
Die Assyrer hatten weite Teile des Nahen Ostens erobert, manche ehemals
unabhängige Staaten waren Vasallen geworden, andere erkannten die Macht der
Assyrer durch die Zahlung von Tributen an. Dazu gehörte auch das Volk Juda,
das sich anfangs nicht an dem Aufstand der umliegenden Völker gegen die Assyrer
beteiligt hatte. Es war aber zu erwarten, dass Sanherhib, der König der Assyrer,
sich das ganze Gebiet unterwerfen würde, sollte es zu weiteren Aufständen kommen.
Im Jahre 701 machte sich Sanherib zu einem Feldzug auf, in dem er die Stadt
Jerusalem lange belagerte. Wie einen Vogel in einen Käfig habe man den König
Hiskia eingeschlossen, so berichten die Geschichtsschreiber der Assyrer und
beschreiben damit die lange Belagerung der Königsstadt Jerusalem.
Der Rabschake, der der Feldherr der Assyrer war, verhöhnte den Gott Israels.
Hiskia wandte sich an den Propheten Jesaja und zu Gott. Er betete:
„Herr, neige deine Ohren und höre doch, Herr, tu deine Augen auf und sieh doch!
Höre doch alle die Worte Sanheribs, die er gesandt hat, um den lebendigen Gott
zu schmähen.“
Gott verheißt daraufhin die Errettung Judas und verspricht durch den Propheten
Jesaja, dass die Assyrer die Stadt Jerusalem nicht erobern werden.
Als die Bedrohung dann tatsächlich vorüber ist, wird Hiskia todkrank (Jes 38,1).
Jesaja sagt ihm dazu noch: „Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben und nicht
am Leben bleiben.“ Wenn der Prophet Gottes so überzeugt ist vom kommenden Ende,
was bleibt dann noch zu tun als sein Haus zu bestellen?
Aber Hiskia wollte dieses Schicksal nicht einfach so hinnehmen. Er betete weinend
auf seinem Lager: „Gedenke doch, Herr, wie ich vor dir in Treue und ungeteilten
Herzens gewandelt bin und habe getan, was dir gefallen hat.“
Daraufhin sagt Gott ihm durch den Propheten Jesaja noch fünfzehn weitere
Lebensjahre zu.
Hiskia wird wieder gesund und singt das Lied, das wir eben gehört haben.
Er stellt in diesem Gebet dar, was er erfahren hatte. In der Mitte seines Lebens
sollte er sterben, und er deutet dies aus der Sicht dessen, der in seinem Leben
immer auf Gott vertraut hat:
Ich werde den Herrn nicht schauen im Lande der Lebendigen.
Mit vielen Worten malt er diese Tatsache aus:
„meine Hütte ist abgebrochen“ - dabei ist natürlich nicht der königliche Palast
gemeint, sondern Hiskias Leben. Es ist schon bemerkenswert, dass er sein Leben
nur als eine Hütte bezeichnet
Aber so ist es ja auch. Was ist das Werk eines Menschen vor Gott? Was man in seinem
Leben geschaffen, ja, gebaut hat – es kann nicht mehr als eine Hütte sein in den
Augen des Allmächtigen. Aber Hiskia als König: hat er nicht viel erreicht? Hat er
nicht Großes gebaut?
Demütige dich vor deinem Gott
„Zu Ende gewebt habe ich mein Leben wie ein Weber; er schneidet mich ab wie ein
Faden.“ So banal, so einfach, so bedeutungslos ist das Ende. Es ist für den Weber
ein alltäglicher Handgriff, nichts Außergewöhnliches. Aber: nicht der Faden ist
das Leben, sondern das Tuch, das daraus gewebt wurde. Wer weiß, wozu es gut ist?
Doch Hiskia sieht es nicht so – denn er kann nicht auf ein vollendetes Lebenswerk
zurückschauen. Er sieht nur Fragmente, Bruchstücke, die ihm letztlich bedeutungslos
zu sein scheinen.
„Ich zwitschere wie eine Schwalbe und gurre wie eine Taube“. Diese Töne sind in
seinen Ohren ein Lob Gottes. Wozu sollen die Geschöpfe denn sonst Stimmen haben,
wenn nicht, um ihren Schöpfer damit zu loben?
So hatte auch Hiskia seine Stimme erhoben – wie das Zwitschern einer Schwalbe oder
das Gurren einer Taube. Nichts anderes als das Lob des Schöpfers wollte er damit
singen, und nun bettete er darin eine Bitte ein: Herr, ich leide Not, tritt für
mich ein! Herr, lass mich wieder genesen und leben!
Zwischen diesen beiden Rufen erklingt das scheinbar Unwiderrufliche: „Er hat's
getan!“ Gott hat es getan. Wer kann sich dem in den Weg stellen? Ist es nicht doch
richtig, sich dem Schicksal zu ergeben?
Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei
gelobt – diese Worte, die wir aus Hiob's Mund kennen, könnten auch die Worte
des Hiskia sein. Es ist die Hingabe zu Gott im tiefen Leid, die hier spürbar wird.
Alles aus seiner Hand nehmen, Gutes wie Böses. Denn wir können ja doch nicht tiefer
fallen als in Gottes Hand.
Aber etwas anderes klang an, am Anfang, als Hiskia vom Lande der Lebendigen sprach.
Können die Toten überhaupt noch Gott loben? Die meisten Menschen glaubten damals,
dass die Toten nur von Finsternis umgeben wären.
„Im Tode gedenkt man deiner nicht; wer wird dir bei den Toten danken?“, (Ps 6, 6)
heißt es im 6. Psalm. Wie können Tote mit Gott in Verbindung treten?
Konnte Hiskia also eine solche Hoffnung haben, wie wir sie haben können durch die
Auferstehung Jesu Christi?
Wohl kaum. Wenig später wird er selbst ganz ähnliche Gedanken äußern: „die Toten
loben dich nicht.“
Und darum nimmt er sein Schicksal ja auch nicht widerstandslos hin. Er akzeptiert
nicht die Endgültigkeit der Worte des Propheten. Und so wie wir daran glauben,
dass wir auch im Tode noch in den Händen Gottes geborgen sind, so glaubte Hiskia,
dass die Hand Gottes ihn vom Tod erretten könnte.
Und dennoch hören wir noch die verzweifelte Feststellung:
„Siehe, um Trost war mir sehr bange.“
Kein Wunder eigentlich, nachdem der Prophet Jesaja so kühl und distanziert den
Willen Gottes offenbart hatte. „Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben und
nicht am Leben bleiben.“ Daran ist nichts Trostvolles. Und Jesaja scheint auch
keinen Trost zu haben. Er ist ja auch nur der Überbringer, er ist der Prophet,
der Bote Gottes – er ist kein Seelsorger.
In dieser Situation, da es dem Hiskia um Trost so sehr bange war, da wendete er
sich Gott zu. Denn woher sonst konnte er Trost erwarten, wo selbst der Prophet
Gottes kein Wort des Trostes mehr für ihn hatte? Von Gott erhoffte und erbat er
nun Barmherzigkeit. Und er bekam sie.
Das Lied wendet sich:
„Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen“ - herzlich angenommen. Da
spürt man plötzlich eine Nähe und Wärme, die so ganz anders ist als das „Bestelle
dein Haus.“
„Herzlich“, das heißt von Herzen, und man könnte auch sagen: aus Liebe, zumindest
aber: in liebevoller Hinwendung hat sich Gott seiner Seele angenommen.
So wenig wie die Krankheit als Strafe verstanden wurde, so wenig wurde die Genesung
als Belohnung empfunden – denn wofür?
Hiskia sieht sich als einen Menschen, der vor Gott nicht bestehen kann, und stellt
fest: „Du wirfst alle meine Sünden hinter dich zurück.“ Das hätte er selbst nie
schaffen können.
Gott macht uns rein, er lässt uns in seinem Licht stehen.
Hiskia ist sich bewusst, dass er ein sündiger Mensch ist, auch wenn er sich stets
zu Gott gehalten hat. Kein Mensch kann „nur gut“ sein. Und selbst wenn er es zu
sein scheint, dann kann auch in diesem Gutsein noch Falsches liegen, das wir nur
im Moment nicht erkennen.
Wir brauchen nur ein wenig nachforschen, unter welchen Bedingungen viele der Dinge,
die wir kaufen und täglich benutzen, hergestellt wurden, dann werden wir erkennen,
dass wir schon im Alltäglichen schuldig werden an unseren Mitmenschen, seien sie
nun nah oder fern. Niemand ist ohne Schuld.
Noch einmal erinnert Hiskia an das, was er vielleicht doch im Geheimen als ein gutes
Argument gebraucht hat: „Die Toten loben dich nicht, der Tod rühmt dich nicht, und
die in die Grube fahren, warten nicht auf deine Treue; sondern allein, die da leben,
loben dich so wie ich heute.“ (Jes 38, 18)
Wir sehen das etwas anders. Im 1. Petrusbrief heißt es: Christus „ist hingegangen,
zu predigen den Geistern im Gefängnis“ (1. Petr 3, 19), und etwas weiter lesen wir:
„Dazu ist auch den Toten das Evangelium verkündigt, dass sie zwar nach Menschenweise
gerichtet werden im Fleisch, aber nach Gottes Weise das Leben haben im Geist.“ (1. Petr 4, 6)
Die Toten haben das Leben im Geist und können darum auch Gott loben. Sie bleiben
nicht stumm, sondern wenden sich Gott zu und bitten, dass er komme, um sein Reich
zu vollenden. Das glauben wir.
Hiskia lebt, und so bleibt für ihn nur, alle Menschen aufzufordern, mit ihm zu
singen und zu spielen im Hause des Herrn!
Wie schnell neigt der Mensch dazu, die Güte Gottes zu vergessen. Für Hiskia war
die Genesung ein Wunder. Noch 15 Jahre wurden ihm geschenkt.
Abgesehen davon, dass wohl niemand gerne so genau wissen möchte, wann sein Tod
kommt, war diese Botschaft Grund zur Freude, und diese Freude wollte Hiskia Gott
gegenüber zum Ausdruck bringen. Denn die Ursache der Freude kam von Gott her.
Wir leben unser Leben nicht nur für uns. In allem, was wir tun, haben wir ein
Gegenüber, und das ist der lebendige Gott.
Er ist der gnädige und barmherzige Gott. Und so dürfen wir auch in unserem Leben
und Sterben auf seine Gnade vertrauen.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Nun lob, mein Seel, den Herren (EG 289)
Morgenglanz der Ewigkeit (EG 450)
Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen (EG 518)
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig (EG 528)
Wer weiß, wie nahe mir mein Ende! (EG 530)
Zurück zum Anfang
Predigtvorschläge zu Reihe IV - Mk 2, 1-12
Liebe Gemeinde,
Jesus hat Erfolg. Kaum hat er begonnen, das Evangelium zu verkündigen, und kaum hat
er die ersten Wunder getan, da strömen die Menschen schon zu ihm, sobald sie nur davon
hören, dass er da ist.
So stellt es uns der Evangelist Markus dar.
Nun war Jesus schon einmal in Kapernaum gewesen – dort hatte er die Schwiegermutter von
Simon Petrus geheilt, und darauf dann noch viele Kranke. Er hatte böse Geister ausgetrieben
und das mit Vollmacht das Wort gepredigt.
Er war von dort gewissermaßen geflohen, weil es zu viele Menschen wurden, die ihn
bedrängten und geheilt werden wollten. Und so zog er durch Galiläa, von einem Ort
zum anderen, predigte in den Synagogen, trieb böse Geiste aus und heilte Kranke.
Warum war er von Kapernaum geflohen? Und warum kehrte er nun wieder zurück?
Ich könnte mir denken, dass Jesus gemerkt hatte, dass die Menschen wenigstens
überwiegend nur deswegen zu ihm kamen, weil sie körperliche Heilung begehrten.
Er konnte ihnen diese Heilung geben, das war kein Problem, aber eigentlich wollte
er etwas anderes. Die körperlichen Heilungen waren nur ein Zeichen, die auf das
wahre Heil, die wahre Heilung, hinweisen sollten.
Für Jesus stand das Evangelium im Mittelpunkt, die Botschaft, dass die Zeit
erfüllt und das Reich Gottes herbeigekommen ist. Er wollte die Menschen zur
Buße und zum Glauben an die unergründliche und unendliche Liebe Gottes rufen.
Doch waren wohl viele, die nur an ihre körperliche Gesundheit dachten, und so könnte
das der Grund sein, warum Jesus Kapernaum verlassen hatte.
Aber nun kam er zurück, gab ihnen noch eine Chance. Schnell sammelten sich die
Menschenmengen wieder, wer weiß, vielleicht wollte ganz Kapernaum ihn sehen.
Für Jesus ging es nun in erster Linie darum, die Botschaft von der Liebe Gottes
tief in die Herzen der Menschen zu pflanzen. Er predigte das Heil für die Seele.
Doch auch dieses Mal genügte das den Menschen nicht. Wieder sollte auch körperliches
Heil erfahrbar werden. Doch diesmal ist es anders als beim ersten Mal.
Der Kranke, der da zur Heilung gebracht wird, kann sich selber gar nicht bewegen.
Er muss gebracht werden. Es gibt kein Durchkommen durch die Menschenmengen, also kommen
sie von hinten, steigen auf das Dach des Hauses und machen ein Loch darein, um den
Kranken herunterzulassen, direkt vor Jesu Füßen. Das war kein einfaches Unternehmen,
eher im Gegenteil. Aber sie waren überzeugt, dass Jesus dem Gelähmten helfen könnte,
und darum nahmen sie diese Mühe auf sich.
Aber Jesus heilt diesmal nicht den Körper, sondern die Seele: „Deine Sünden sind dir
vergeben!“, sagt er zu dem Gelähmten.
Ob das Enttäuschung hervorrief?
Ich stelle mir den Gelähmten vor und die, die sich so viel Mühe gemacht hatten. Vom
Sündenvergeben kann man doch nicht wieder laufen.
Aber die Worte Jesu lösten noch etwas anderes aus, nämlich Entsetzen unter denen,
die in der Schrift gelehrt waren. Nur Gott kann Sünden vergeben! Das wussten sie,
und dass Jesus Gott wäre, das konnte nicht sein.
Jesus erkennt ihr Entsetzen, und spricht sie an. Nun ist er bereit, den Beweis
anzutreten, der eigentlich kein Beweis ist: er heilt den Kranken und sagt ihm
noch dazu, er solle sein Bett nehmen und heimgehen.
Nun darf man sich das Bett nicht vorstellen als ein großes Holzgestell, sondern die
Betten damals bestanden nur aus schlichten Bastmatten, bestenfalls noch mit etwas
Tuch bedeckt.
Jesus forderte den ehemals Gelähmten also nicht zu einem Kraftakt auf. Aber es ist,
als ob die Zeit des Unheils nun vorüber wäre. Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt,
und nun muss das Bett nicht mehr ihn tragen, sondern er kann das Bett tragen.
So ist es, wenn Jesus in unser Leben tritt. Er ruft uns mit seinem Wort immer wieder,
und es ist sicher gut, wenn wir neugierig sind und wissen wollen, was es damit auf sich
hat. Es erfordert schon etwas Mut, noch einen Schritt weiter zu gehen und Gott um
Heilung zu bitten. Aber durch den Glauben werden wir auch diesen Mut bekommen.
Es ist, und das wird wohl aus der Geschichte deutlich, sicherlich besser, wenn wir
zuerst an das Heil für unsere Seele denken und darum um Heil für unsere Seele bitten.
Das andere, das Heil für unseren Körper, das kommt dann automatisch nach, wenn wir
uns ganz Gott anvertrauen und in seine Barmherzigkeit begeben. Das wird geschehen,
wenn unsere Seele heil geworden ist, wenn Verletzungen, die wir erlitten haben,
heilen durften.
Wenn das körperliche Heil ausbleibt, dann darf uns das andererseits nicht verbittern.
Denn Jesus hat mit den Heilungen, die er vollbrachte, Zeichen gesetzt. Zeichen in
einer Welt, die noch von Krankheit und Leid gefangen ist.
Noch eins lerne ich aus der Geschichte, was ich vielleicht noch wichtiger als alles
andere finde:
Der Gelähmte wird zu Jesus gebracht. Vom Gelähmten selbst erfahren wir eigentlich
überhaupt nichts. Er bittet Jesus gar nicht um Heilung – das tun die anderen für
ihn. Und darauf reagiert Jesus: auf den Glauben derer, die den Gelähmten zu Jesus
gebracht haben.
So wird diese Geschichte zum Sinnbild für die Fürbitte. Denn nichts anderes haben
die Gefährten ja getan: sie haben im Glauben diesen Menschen vor Jesus gebracht,
so wie wir es in der Fürbitte tun können.
Wenn wir unseren Blick von uns selbst auf unsere Mitmenschen lenken und für sie
beten, dann werden auch wir die Kraft Gottes und sein Heil erfahren.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Allein zu dir, Herr Jesu Christ (EG 232)
Nun lasst uns Gott, dem Herren (EG 320)
Such, wer da will (EG 346)
Jesus nimmt die Sünder an (EG 353)
Mir ist Erbarmung widerfahren (EG 355)
Wenn wir in höchsten Nöten sein (EG 366)
Du Gott stützt mich (
Zurück zum Anfang
Predigtvorschläge zu Reihe V - Jak 5, 13-16
Liebe Gemeinde,
der Brief des Jakobus enthält viele Rätsel, an denen sich auch in unserer Zeit
noch die Wissenschaftler abmühen. Es ist schwierig, ein Schriftstück, das vor
etwas weniger als 2000 Jahren geschrieben wurde, in seiner Ganzheit zu verstehen.
Es hat aber seinen Grund, warum die Christen damals entschieden haben, dass
dieser Brief, an dem sich auch Martin Luther schwer tat, zu den Heiligen Schriften
der Christenheit hinzugezählt wird.
Der Text, den wir gerade als Predigttext gehört haben, stammt vom Ende des
Briefes, in dem Jakobus die Gemeinde ermahnt, bittet und warnt. Aber wer ist
dieser Jakobus, und welche Gemeinde ist es, an die er schreibt?
Die Überlieferung geht davon aus, dass es sich bei Jakobus um einen der Brüder
Jesu handelt, dem bald der Beiname „der Gerechte“ gegeben wurde. Aber dass dieser
Brief tatsächlich von Jakobus dem Gerechten geschrieben wurde, ist sehr
unwahrscheinlich.
Möglich ist aber durchaus, dass sich der Verfasser von Jakobus hat inspirieren
lassen; vielleicht wollte er auch Einfluss nehmen auf das, was sich im Laufe der
Jahrzehnte aus dem Wirken des Jakobus, der bereits im Jahr 62 nach Christus
hingerichtet wurde, entwickelt hatte, und benutzte darum die Autorität, die
mit dem Namen des Jakobus einhergeht.
Über die Gemeinde lässt sich kaum etwas sagen. „An die zwölf Stämme in der
Zerstreuung“ ist der Brief gerichtet. Aber wer sind diese „zwölf Stämme“?
Manche meinen, dass sich diese Anrede auf die Judenchristen der damaligen
Zeit beziehe, aber es gibt einige Hinweise, die es eher wahrscheinlich machen,
dass Heidenchristen angesprochen werden.
Ob Judenchristen oder Heidenchristen, die meisten Christen lebten damals in
der Zerstreuung, und tun es ja eigentlich auch heute noch. Damals ging man
davon aus, dass Jerusalem das Zentrum der christlichen Kirche sei. Dort wurde
Jesus begraben, dort ist er auferstanden, dort entstand die allererste Gemeinde.
Aber nach der Zerstörung des Tempels und Jerusalems im Jahr 70 war es unmöglich
geworden, dort zu leben. Die Christen wurden mit den Juden in alle Welt verstreut.
Da es keinen weiteren Hinweis auf eine konkrete Gemeinde gibt, kann man wohl
davon ausgehen, dass alle Christen mit diesem Brief angesprochen werden. Also
können wir den Brief gewiss auch als an uns gerichtet ansehen und sind damit
nicht nur Betrachter eines historischen Schriftstücks, das einen Einblick in
die frühe Christenheit gewährt, sondern lassen uns von diesem Brief auch
persönlich ansprechen.
Jakobus denkt am Ende seines Briefes an die Kranken in der Gemeinde. Und er
beschreibt eine Verhaltensweise, die den meisten wohl doch etwas merkwürdig
erscheinen wird, vielleicht antiquiert, altmodisch bzw. unmodern.
Denn wir wissen ja alle: wer krank ist, der gehe bitte zum Arzt, lasse sich
eine Medizin – oder auch mehrere Medizinen – verschreiben, lege sich ins Bett
und kuriere seine Krankheit aus, sofern es eine Krankheit ist, die nach einiger
Zeit wieder vorüber ist.
Wenn man allein lebt, ist es mit dem Auskurieren mitunter schwierig, denn man
muss ja auch wenigstens für Essen sorgen usw. Aber dann gibt es schon mal hilfreiche
Nachbarn, die sich kümmern, wenn sie mitbekommen haben, dass es einem schlecht geht.
Bei chronischen Erkrankungen ist das zwar nicht wesentlich anders, denn auch dann
lässt man sich doch in der Regel von einem Arzt betreuen und nimmt regelmäßig
entsprechende Medikamente ein.
Viele solcher Erkrankungen erlauben dann wenigstens für einige Zeit noch ein ganz
normales Leben. Manche Krankheiten verschlechtern sich allmählich, und irgendwann
wird es dann doch nötig, dass man gepflegt wird – entweder von Familienangehörigen
oder in einem Pflegeheim. Denn dass ein Nachbar oder eine Nachbarin pflegerische
Aufgaben übernimmt, wird wohl niemand erwarten.
Vor zweitausend Jahren war das natürlich noch etwas anders, aber nur, was die Pflege
und Fürsorge anging. Denn die Menschen lebten in größeren Familienverbänden zusammen,
wenn nicht im gleichen Haus, dann doch im gleichen Dorf. Man kümmerte sich umeinander,
besuchte sich regelmäßig, und wer Hilfe brauchte, dem wurde diese Hilfe auch gegeben.
Meist genügten die allgemeinen Kenntnisse von Heilpflanzen, um bei Infektionskrankheiten
zu helfen. Nur in schlimmen Fällen wurde ein Arzt hinzugezogen, sofern einer erreichbar
war.
Und wer auf Pflege angewiesen war, wurde natürlich von seinen Familienangehörigen
gepflegt. Es gab also eine deutliche Nähe der Menschen zueinander. Krankheit und
Gebrechlichkeit wurden nicht aus dem Alltag ausgeklammert, wie es heute oft ist,
sondern gehörten zum Alltag dazu.
Und da scheint es dann auch natürlich, dass die Menschen für ihre Kranken beteten,
denn sie erwarteten, dass Gott es ist, der Heilung schafft.
Jakobus aber beschreibt es noch etwas anders: er redet von den Ältesten, die durch
den Kranken gerufen werden sollen, damit sie für ihn beten und ihn salben. Es ist
also nicht der Familienverbund, sondern die Gemeinde, die sich um das Wohl des
Kranken kümmert.
Wenn wir die Aufforderung hören, mögen wir an die katholische Praxis der
Krankensalbung erinnert werden, die heutzutage meist unter dem Begriff
„Letzte Ölung“ bekannt ist, was aber nicht zutrifft, denn die letzte Ölung
wird nur Sterbenden angeboten.
Tatsächlich wird die Krankensalbung auf diesen Text zurückgeführt. Die
römisch-katholische Kirche hat diese Handlung allerdings zu einem Sakrament,
d.h. zu einer heiligen Handlung, erhoben, die darum auch nur vom Priester
angeboten werden kann.
Jakobus hingegen spricht von den Ältesten der Gemeinde. Das entspräche nach
unserem heutigen Verständnis dem Kirchenvorstand. Es sollen also Kirchenvorsteherinnen
oder Kirchenvorsteher diesen Dienst an den Kranken versehen: für sie zu beten und
sie mit Öl im Namen des Herrn zu salben.
In freikirchlichen Gemeinden wird diese Praxis geübt, der Kranke muss aber darum
bitten, so, wie Jakobus es beschreibt.
Und wie sieht das bei uns aus? In unseren Gemeinden gibt es den sogenannten
Krankenhaus-Besuchsdienst, der sich bemüht, Gemeindeglieder, die im Krankenhaus
sind, zu besuchen. Häufig gibt es einen Krankenhausseelsorger, der in dringenden
Fällen zur Stelle ist und auch die Gottesdienste oder Andachten im Krankenhaus
organisiert – sofern dies von der Krankenhausleitung zugelassen wird, was aber
meist der Fall ist. So etwas wie eine Krankensalbung ist da aber eher eine
Ausnahme. Warum eigentlich?
Liegt es vielleicht daran, dass wir dem Gebet oder der symbolischen Handlung der
Krankensalbung nichts zutrauen?
Die Salbung ist eine Handlung, die in der Geschichte des Volkes Israel mit dem
Königtum verbunden war, denn der König wurde gesalbt. Durch die Salbung wird
sichtbar vermittelt, was sich eigentlich im Unsichtbaren ereignet, denn es wird
eine Verbindung mit Gott hergestellt. Die Salbung macht deutlich, dass auf dem
Gesalbten der Geist Gottes ruht.
Und so hat die Salbung eines Kranken natürlich eine ganz ähnliche Bedeutung: durch
die Salbung wird sichtbar gemacht, dass der Mensch auch in der Krankheit in Gott
geborgen ist und seiner Nähe gewiss sein kann.
Darum ist die Salbung eines Kranken durchaus ein hilfreiches und gutes Mittel, um
die Nähe Gottes spürbar zu machen.
Jakobus belässt es nicht bei der Aufforderung zum Gebet und zur Salbung des Kranken.
Er fügt eine Verheißung an, indem er schreibt:
„Das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten“.
Wenn auf dem Gebet eine solche Verheißung liegt, warum tun wir es dann so selten?
Es gibt das Sprichwort „Not lehrt beten“, und ich vermute, dass auch in unserer Zeit
besonders die Menschen, die unheilbar krank geworden sind, das Beten wieder gelernt
haben. Aber kämen sie auf die Idee, andere zu bitten, für sie zu beten?
Jakobus beschreibt in unserem Predigttext eine Kultur des Gebetes. Es ist eine
Kultur, die uns weitgehend abhanden gekommen ist. Wir beten im Gottesdienst,
bestenfalls noch zu Tisch, und das war es dann, zumindest bei den meisten Menschen.
Dabei ist das Gebet eine große Hilfe. Denn es stärkt das Vertrauen in die heilsame
Kraft Gottes. Und das besondere ist, dass eine solche Stärkung beide erfahren:
die Person, für die gebetet wird, und auch der Beter.
Es geht in dem Gebet für unsere Kranken allerdings nicht darum, Wunder herbeizuführen.
Eine Erkältung muss nicht im Nu verschwinden. Ein gebrochener Knochen muss nicht in
Sekundenschnelle wieder zusammenwachsen. Ein Krebskranker muss nicht schlagartig
gesund werden. Das Gebet dient dazu, den Kranken der Obhut Gottes anzubefehlen.
Denn Gott allein kennt die Zukunft.
Das Gebet richtet auf, sagt Jakobus. Und dann schließt er an: „wenn er Sünden getan
hat, wird ihm vergeben werden.“ Jakobus ist dieser Gedanke so wichtig, dass er ihn
im Folgesatz noch einmal als Aufforderung aufnimmt: „Bekennt also einander eure Sünden
und betet füreinander, dass ihr gesund werdet.“
Sünde und Krankheit liegen eng beieinander, allerdings nicht so, wie manche es vielleicht
vermuten würden: Eine Krankheit ist nicht die Folge von Sünde, sie ist keine Strafe
Gottes.
Vielmehr zeigt die Krankheit an, dass etwas nicht in Ordnung ist. Der Körper kann nicht
so funktionieren, wie er sollte, weil einzelne Teile des Körpers geschwächt sind. So
ähnlich ist es mit der Sünde: durch sie wird das Miteinander der Menschen untereinander,
aber auch das Miteinander des Menschen mit Gott empfindlich gestört, es funktioniert
nicht so, wie man es erwartet. Anders gesagt: Das Leben gelingt nicht.
Jakobus ermutigt uns in seinem Brief dazu, alles zu tun, damit das Leben gelingen kann.
Und das heißt: einander die Sünden bekennen und füreinander beten, damit wir gesund werden.
Am Ende unseres Predigttextes hören wir noch einmal eine Verheißung: „Des Gerechten
Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“ Ich will hier nicht die Frage stellen, wer
gerecht ist oder wann ein Gebet ernstlich ist. Denn man könnte diesen Satz im gleichen
Sinn auch so formulieren: Das Gebet vermag viel, wenn Du nur daran glaubst.
Der Glaube macht es möglich, dass das Gebet aufrichtet und dass Sünde vergeben wird. Der
Glaube macht es möglich, dass Leben gelingt. So stärke Gott unseren Glauben, damit wir
füreinander vor Gott eintreten und das Leben gelingen kann.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Er ist erstanden, Halleluja (EG 116)
Nun lob, mein Seel, den Herren (EG 289)
In allen meinen Taten (EG 368, 1-4)
Ich steh in meines Herren Hand (EG 374)
Lass mich, solang ich hier leben soll (EG 414, 3-4)
In Gottes Namen wolln wir finden (KHW/HN-EG 631)
Zurück zum Anfang