das Kirchenjahr

9. Sonntag nach Trinitatis

Anvertraute Gaben

Predigtanregungen

Der 9. Sonntag nach Trinitatis wird durch das Evangelium von den anvertrauten Zentnern bestimmt. Gott hat uns etwas gegeben, das zu vermehren durch unseren eigenen Einsatz möglich ist. Wir werden daran gemessen werden, wie wir diese "Gaben" fruchtbar einsetzen. Der Sonntag soll uns auch daran erinnern, dass was wir sind und haben, wir unserem himmlischen Vater zu verdanken haben.

Zu den Perikopen

  • I: Phil 3, (4b-6)7-14

    folgt später

  • II: Jer 1, 4-10

    Diese Berufungserzählung des Propheten Jeremia unterscheidet sich von der des Jesaja vor allem durch das Fehlen der himmlischen Vision. Zwar sieht Jeremia offenbar den Herrn, aber der "Hofstaat" wird an keiner Stelle beschrieben. Nach dieser Erzählung geht es dann gleich los mit dem Wirken des Jeremia.
    An dieser Berufung fallen verschiedene Dinge auf: Gott macht deutlich, dass er Jeremia "im Mutterleibe bereitete", was nicht heißt, dass er ihn gezeugt, sondern aus den kleinen Zellen den Menschen geschaffen hat. Diese Stelle mag schon ein Argument in der Diskussion um die Abtreibung liefern. Wichtiger ist wohl der Aspekt, dass hier deutlich gemacht wird, dass jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist und dessen volle Aufmerksamkeit hat.
    Schon im Mutterleibe hat Gott offenbar den Jeremia auserwählt, dass er Prophet werden sollte, hat ihm also den Beruf (->Berufung) offenbar in die Wiege gelegt. Jeremia wehrt sich dagegen, er hält sich für zu jung. Tatsächlich stand zu erwarten, dass er nicht ernst genommen würde aufgrund seines geringen Alters. Damals galt hohes Alter noch als Garantie für großes Wissen aufgrund des umfangreichen Erfahrungsschatzes.
    Gott lässt dieses Argument nicht gelten, denn er selbst sendet ihn ja, und die Autorität Gottes kann letztlich keiner anzweifeln. Wie bei Jesaja wird auch hier der Mund des Berufenen berührt, aber nun nicht mit Kohle. Offenbar soll damit die Berufung zum Propheten tatsächlich erfolgen.
    Die Verantwortung des Jeremia ist groß. Nicht nur Israel, sondern allen Völkern und Königreichen soll er das Wort Gottes sagen. Dass es Jeremia da etwas mulmig wird, ist gut zu verstehen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist deutlich: Gott legt Jeremia seinen Beruf in die Wiege, es ist die Gabe, die Gott ihm anvertraut hat und mit der er nun umzugehen lernen muss. Die Aufgabe ist überwältigend, er hat noch nicht den Mut dazu, aber er fügt sich letztlich.
    Die Predigt sollte deutlich hervorheben, dass Gott jedem Menschen Gaben mitgibt, die er entfalten kann und soll. Angesichts unserer Konsumgesellschaft werden einem oft die eigenen Gaben gar nicht mehr bewusst. Diese Gaben können vielfältig sein; letztlich wird Gott bei der Entfaltung dieser Gaben mithelfen, niemand wird damit alleingelassen.
    Es ist durchaus auch angemessen, darauf einzugehen, dass Gott jedes Menschenleben schon vor der Geburt kennt und bis zum Tod begleitet. Diese Tatsache ist heute vielen Menschen nicht mehr bewusst.

  • III: Mt 7, 24-27

    Dieser Abschnitt ist uns wohlvertraut und auch vielfältig in Liedform gefasst worden. Das Gleichnis ist sprichwörtlich geworden, wobei der Bezug auf Jesu Worte allerdings nicht mehr hergestellt wird.
    Diese Parabel schließt die Bergpredigt ab und hat darum eine ganz besondere Bedeutung, denn sie will den Worten, die Jesus zuvor gesprochen hat, noch einmal Wichtigkeit verleihen.
    Offensichtlich sind die Worte Jesu wichtig für die gesamte Lebensführung, und nicht nur für einen Lebensabschnitt. Sonst wäre der Vergleich mit einem Hausbau, der ja immer für lange Zeit geschieht, etwas übertrieben.
    Ohne die Bergpredigt hätte dieses Gleichnis allerdings kaum eine Bedeutung. Es würde zum Sprichwort verfallen - "Ein kluger Mann baut sein Haus auf Fels, ein dummer auf Sand". Es diente nur noch der Unterscheidung zwischen einem dummen und einem klugen Menschen. Warum der Mensch dumm oder klug ist, warum er nun so oder so handelt, ist damit nicht mehr klar und spielt auch keine Rolle mehr.
    Daher ist der Bezug zur Bergpredigt so wichtig. Wer die Rede Jesu hört und sie tut, der ist wie ein Mann, der sein Haus auf einen Felsen baut. Ganz deutlich wird, dass es zunächst mal darum geht, die Rede Jesu "zu hören und zu tun", so merkwürdig sich das anhört. Hörer und Täter des Wortes sind klug.
    Das Gleichnis weist darauf hin, dass die Bergpredigt Jesu die Grundlage für ein solides Leben darstellt. Das Leben ist das Haus, das sich der Mensch errichtet, die Worte Jesu sind das Fundament.
    Die Predigt über diesen Text kann freilich kaum die ganze Bergpredigt wieder aufrollen. Das wäre wohl zu viel des Guten. An dieser Stelle kann aber der kirchenjahreszeitliche Bezug hilfreich sein. Zunächst einmal scheint es schwierig, für diesen Text einen solchen Bezug überhaupt zu erkennen. Wo sind die "anvertrauten Gaben"? Wo gibt es etwas, womit man mehr hinzugewinnen kann? Das können doch eigentlich nur die Worte Jesu selbst sein. Sie sind uns ja schon gegeben, sie sind der Gemeinde und uns geläufig. Es gilt, sie als Fundament für unser Leben zu nutzen und nicht wie ein Buch, das man durchgelesen hat, zur Seite zu legen. Die Worte Jesu sind unsere ständigen Begleiter, wir können sie nicht fortwischen, höchstens unterdrücken. Sie sind die Gabe, die Gott uns anvertraut hat und mit der wir wuchern sollen.

  • IV: Mt 25, 14-30

    Das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern ist meist vertraut, es ist auch sprichwörtlich geworden. Meist wird es auf die Begabungen eines Menschen bezogen. Vielleicht wäre es aber auch angebracht, das Gleichnis ganz materiell zu betrachten und nicht zu vergeistigen.
    Die Knechte werden aufgefordert, aus dem Besitz des Herrn, der ihnen anvertraut ist, mehr zu machen. Dabei ist eindeutig: es ist nicht ihr Besitz, es ist auch kein Geschenk, das ihnen da gegeben wird. Sie wissen alle, dass sie das Geld wieder werden zurückgeben müssen. Es ist im Grunde so wie mit "Aktienbrokern", denen eine bestimmte Menge Geld von ihren Klienten zur Verfügung gestellt wird und die daraus möglichst viel machen sollen.
    Nun sind die Knechte sicher keine Finanzexperten, aber in der damaligen Zeit brauchte man das auch nicht sein. Es gab nur wenige Wege, um Geld zu vermehren. Einer war der klassische Weg zur "Bank", die hier von sogenannten Wechslern betrieben wird - sie verleihen und verwahren Geld gegen Zinsen. Der andere Weg war der der Spekulation. Waren einkaufen und teurer verkaufen. So konnte man das Geld unter Umständen bedeutend schneller vermehren als durch den Gang zum Wechsler.
    Während die ersten beiden Knechte nun den lukrativeren, wenn auch riskanteren, Weg einschlugen, kommt der dritte mit leeren Händen und begründet dies auf merkwürdige Weise. Im Grunde klagt er seinen Herrn an, das Geld auf unrechtmäßige Weise erworben zu haben - auf diese Weise will er es nicht auch noch vermehren. Aber dann wäre doch wenigstens der Gang zur Bank möglich gewesen? Eigentlich doch nicht, denn auch die Wechsler spekulieren mit dem Geld.
    Letztlich aber bleibt ein großes Fragezeichen. Was soll diese Begründung des einen Knechts? Offenbar hat er nicht richtig gehandelt, denn sonst würde er nicht in die Finsternis hinausgeworfen werden. Seine Begründung ist also falsch. Es steht aber auch die Frage im Raum, warum den Knechten unterschiedlich viel gegeben wurde? Hätte er nicht allen gleich viel geben müssen? Hat der Herr nicht dadurch schon eine ungerechte Vorbestimmung ausgeführt? DIese Fragen werden vielleicht im weiteren Verlauf noch etwas geklärt werden.
    Sicher sollen wir in dem Herrn Gott selbst wiedererkennen. Die Knechte sind wir. Aber was ist das Geld, das den Knechten anvertraut wurde? Vielleicht ist es genau das: Geld, Vermögen, Reichtum. Denn wir wissen, dass die Reichtümer dieser Welt ungleichmäßig verteilt sind. Wir verfügen über sehr viel, andere über sehr wenig. Wenn wir nun noch mehr daraus machen, dann wofür? Für wen? Für uns selber? Genau das wohl nicht. Wir machen daraus mehr für unseren Herrn, dem wir den Besitz wieder zurückgeben müssen. Denn er ist uns nur anvertraut.
    Doch was macht unser Herr, wenn wir ihm den Besitz - möglichst vermehrt - zurückgeben? Wenn der Herr im Gleichnis mit Gott gleich zu setzen ist, dann dürfte wohl einleuchten, dass dieser Herr den Besitz nicht für sich haben will. Im Gegenteil, er wird ihn neu verteilen. Das Gleichnis lässt dabei den Eindruck entstehen, dass diese Verteilung die bereits zu Beginn erkennbare Ungerechtigkeit fortsetzt. Aber das, so denke ich, steht erst am Ende einer Zeit, in der wir leben und handeln.
    Momentan sind wir schlicht aufgefordert, unseren "Besitz" klug zu verwalten und dabei mehr daraus zu machen. Was alles dieser Besitz ist, muss wohl jeder für sich selbst erkennen. Die Frage ist, wie wir ihn so vermehren, dass unser Herr am Ende sagt: Recht so! In meinen Augen kann das nur dann gelingen, wenn wir den "Besitz" verteilen, d.h. an andere Menschen weitergeben.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang entsteht durch dieses Evangelium. Nur wird mit dem Thema dieser Woche zugleich auch eine gewisse Festlegung wahrgenommen. Obige Ausführungen versuchen einen anderen Weg, nämlich nicht von abstrakten Gaben, sondern tatsächlich von Besitz und Reichtum zu reden. Eins wird im Gleichnis auf jeden Fall deutlich: Der Herr fordert das, was er uns anvertraut hat, wieder von uns zurück. Was haben wir dann vor zu legen? Die Antwort kann sicher nicht lauten: "ich habe mir ein Haus gebaut, ein Auto, dies und jenes." Diese Fragestellung sollte die Predigt auf jeden Fall aufnehmen.

  • V: 1. Kön 3, 5-15(16-28)

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  • VI: Mt 13, 44-46

    Dieses Gleichnis vom Himmelreich muss man mit Vorsicht genießen, denn es vergleicht einen Zustand mit einer Aktion. Mit solch einem Vergleich müssen wir unsere Schwierigkeiten haben, denn er ist eigentlich nicht möglich, es sei denn, das Himmelreich ist eben kein Zustand, sondern eine Bewegung, eine Aktion. Das ist zwar nicht leicht vorstellbar, aber so müssten wir das Himmelreich wohl sehen. Und das ist gut so. Denn unsere Vorstellungskraft wäre sicher schnell erschöpft, wollten wir uns nur so etwas wie das Paradies vorstellen. Nein, das Himmelreich ist ein atemberaubendes Erlebnis, das andauert.
    Jesus sagt diese Worte offenbar seinen Jüngern in vertraulicher Runde (s. 14, 36). Das mag uns zu denken geben: ist das Himmelreich etwas, was nur ernsthafte Jünger Jesu erleben können? Ist es nur bestimmt für die, die mit großer Ernsthaftigkeit nach diesem Himmelreich suchen?
    Zu beachten bleibt, dass nicht die Perle oder der Schatz im Acker mit dem Himmelreich verglichen wird, sondern die Freude über den Fund: Freude ist das Himmelreich!
    Worin der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang besteht, ist schwer, wenn überhaupt, zu erkennen. Vermutlich meinte man eben doch, der Schatz oder die Perle sei dem Himmelreich zu vergleichen. Dann ginge es wohl um Gaben, die einem anvertraut werden. Aber diesen Gedankengang kann ich nicht nachvollziehen. Vielleicht können wir einen Bezug darin erkennen, dass wir, indem wir unsere Gaben einsetzen, dem Himmelreich näher kommen. Aber das ist weit hergeholt und sicher nicht im Sinne des Predigttextes. Vielleicht weiß ein Leser eine Verbindung herzustellen?
    Die Predigt sollte die Zuhörer zum Staunen bringen, einem Staunen, das die Ahnung der größeren Wahrheit, von der wir zu reden versuchen, aufkeimen lässt. Mit diesem Staunen wird dann auch das Himmelreich erfahr- und spürbar.

  • Marginaltexte: Lk 16, 10-13

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