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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe I - Phil 3, (4b-6)7-14
Liebe Gemeinde!
Paulus ist bekannt, ja, man kann sogar sagen: er ist berühmt. Die christlichen
Gemeinden in der Welt des römischen Imperiums hatten alle schon von ihm gehört.
Sicher machte auch manche Wundererzählung ihre Runde. Aber was wusste man schon
wirklich? Nur die Gemeinden, die er auf seinen Missionsreisen besucht hatte,
kannten ihn, und das eigentlich auch nur dürftig. Zwar war er meist längere Zeit
an einem Ort geblieben, aber dann auch lange Zeit nicht, und was in dieser
übrigen Zeit so alles geschah, darüber rätselte man und war dankbar für jeden
Bericht oder Brief, der einem von anderen Orten gebracht wurde.
Man hoffte, z.B. von Wundertaten zu hören, oder von Bekehrungen einflussreicher
Leute. Denn solche Menschen konnten vielleicht helfen, dass die Christen sicherer
wohnten und nicht immer wieder dem Spott und den Anfeindungen der Heiden ausgesetzt
waren.
Und es gab ja wirklich einiges vorzuweisen: er hatte einen Lahmen in Lystra geheilt,
im selben Ort wurde er gesteinigt, überlebte diese Steinigung aber wie durch ein
Wunder. Viele hatten den christliche Glauben durch die Verkündigung des Paulus
angenommen. In Philippi begegnete ihnen die Purpurhändlerin Lydia, die sich dann
taufen ließ und wohl in der frühen christlichen Gemeinde eine bedeutende Gestalt
geworden ist. Dort trieb Paulus einen Wahrsagegeist aus einer Frau aus, was wieder
einigen Ärger verursachte. Später bekehrte sich einer der Stadträte Athens mit Namen
Dionysius, und so könnte man wohl immer weiter erzählen von den Großtaten des Paulus.
Man kann sich schon vorstellen, dass die Christen gespannt waren auf Neuigkeiten von
ihm.
Und nun schreibt er einen dieser lang ersehnten Briefe an die Gemeinde in Philippi,
die er selbst gegründet hatte. Er schreibt von seiner Gefangenschaft, und wenn man
die Worte liest, scheint es fast, als erwarte er seinen baldigen Tod. Aber diese
Erwartung mündet nicht in einen Hilferuf, sondern in die Worte: Christus ist mein
Leben und Sterben ist mein Gewinn. Ja, er ist sich sogar unsicher, was er ersehnen
soll: die Befreiung aus dem Gefängnis oder den Tod.
Die folgenden Mahnungen erscheinen fast wie eine Art Testament, das er an die junge
Gemeinde schreibt, ein Vermächtnis. Lebt in der Gemeinschaft mit Christus, schafft,
dass ihr selig werdet, ruft er ihnen zu.
Und schließlich erinnert er an die Vergangenheit der jungen Christen: nehmt euch in
Acht vor der Zerschneidung! Ganz bewusst verdreht er das Wort „Beschneidung“, weil
sich an ihr immer wieder die Geister schieden. Muss man sich nun beschneiden lassen
oder nicht?
Werdet nicht gesetzlich, sagt Paulus. Es gibt keinen Zwang mehr. Lebt in der Freiheit,
die Gott uns schenkt! Lasst euch allein vom Geist Gottes leiten und führen.
Und schließlich wendet er sich seiner eigenen Geschichte zu, weist hin auf die Bekehrung
vom Saulus zum Paulus, vom Verfolger der Christenschar zur Nachfolge Christi.
Als Dreck bezeichnet er seine Vergangenheit, in der er sich als glaubenstreuer und für
Gott eifernder Pharisäer erwies, es war völlig unnütz, ja, es war ihm sogar zum Schaden
geworden. Das hat er inzwischen erkannt durch Jesus Christus.
Bis dahin hatte er immer geglaubt, dass er vor Gott durch seine Taten Gerechtigkeit
erlangen könne. Doch als er die Liebe Gottes durch Jesus Christus erkannte, wusste er,
dass er auf dem Holzweg gewesen war. Die Taten können nicht gerecht machen. Also ist
es eine Zerschneidung, wenn man dem Gesetz folgt, weil es die von Gott gewollte Freiheit
des Menschen behindert.
Aber es gibt natürlich doch eine Regel, nur ist die einzig von der Liebe Gottes her
definiert. Wer diese Liebe erfasst und begreift, der zieht seine Konsequenzen daraus
und wird zum Spiegel der Liebe Gottes, indem er selbst liebend handelt. Wenn man so will,
ist dieses Leben im Grunde noch viel unfreier, denn persönliche Ziele wie die eigene
Selbstverwirklichung oder die berufliche Karriere treten hinter dem Verlangen, seinen
Mitmenschen in Liebe, Demut und Fürsorge zu begegnen, zurück. Aber dies wird nicht als
Unfreiheit empfunden, sondern es wird wahrgenommen als die höchste Bestimmung menschlicher
Existenz: das Ziel ist im Grunde schon erreicht: das Leben in der Liebe Gottes.
Dennoch scheint noch immer etwas im Dunkeln zu sein. Und das ist es ja in der Tat. Woher
nehmen wir die Gewissheit, dass es so richtig ist und nicht anders? Genügt uns dazu das
biblische Wort?
Wenn wir uns in die Zeit des Paulus zurück versetzen, dann erkennen wir, dass es damals
das, was wir heute das Neue Testament nennen, noch gar nicht gegeben hat. Bestenfalls
kursierten einige Schriftstücke, auf denen Erzählungen aus dem Leben Jesu oder seine
Worte niedergeschrieben waren. Aber sie hatten keinerlei Verbindlichkeit, und so musste
man sich so manchen Spott und Hohn gefallen lassen. Denn das, was für Christen wichtig
war, entsprach eben nicht dem Gesetz.
So wie damals verspotten uns heute viele wegen unseres Glaubens. Das Internet macht
das ganz einfach. Wenn man manche Kommentare zu Berichten, bei denen es um den
christlichen Glauben geht, liest, kann man das Gefühl bekommen, so wie die Christen
damals in einer heidnischen Umgebung zu leben. Wäre es nicht doch besser, die Seiten
zu wechseln? Dann haben wir wenigstens was davon in diesem Leben und warten nicht auf
eine zukünftige Welt.
Paulus weiß von diesem Zweifel, denn er durchlebt ihn selbst. Immerhin: er ist gefangen.
Würde er sagen: das ist alles Quatsch, was ich damals gesagt habe, dann würden seine
Überlebenschancen sicher deutlich besser stehen, vielleicht würde er sogar postwendend
freigelassen. Immerhin ist er römischer Bürger, den hält man nicht einfach nur so
gefangen.
Aber Paulus geht kein Stück zurück. Er sagt vielmehr:
„Ihn, Christus, möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft
seiner Leiden und so seinem Tod gleich gestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung
von den Toten.“ (Phil 3, 10f)
Der Weg führt durch den Tod. Da gibt es keine Alternative. Nur wenn ich sterbe, kann
ich auch die Auferstehung erfahren – und das eben nur, wenn ich daran glaube, dass
Christus den Tod überwunden hat.
Wir waren im Urlaub in Rom und haben uns dort auch eine der vielen Katakomben angeschaut.
Der Führer war ein Mönch, dessen Fröhlichkeit beeindruckend und ansteckend war. Die
Katakomben waren keine Zufluchtsstätte, sondern dienten einzig dem Begräbnis. Allerdings
war das nicht alles: die Katakomben waren auch Stätten der Hoffnung. Was man heute immer
weniger auf unseren Friedhöfen wahrnimmt, gab es dort in Hülle und Fülle: Zeichen der
Hoffnung auf das ewige Leben. Familienangehörige stiegen immer wieder dort hinunter, um
Kraft zu schöpfen für ihr Leben. Zahlreiche Symbole weisen darauf hin, dass wir zwar
irdisch sind, aber im Grunde schon Himmelsbürger.
Darauf will Paulus hinaus, dass wir das begreifen. Unser Leben kommt in Gott zur Vollendung.
Darum muss kein Gesetz erfüllt werden, außer das Gesetz der Liebe, die uns offenbart wurde
durch Jesus Christus, der sich selbst entäußerte und Knechtsgestalt annahm und den Menschen
gleich wurde.
Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tode am Kreuz. Darum hat
ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem
Namen Jesu sich beugen sollen aller der Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der
Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes,
des Vaters. (Phil 2, 7-11)
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Such, wer da will, ein ander Ziel (EG 346)
Christi Blut und Gerechtigkeit (EG 350)
Ich habe nun den Grund gefunden (EG 354)
Es ist in keinem andern Heil (EG 356)
Valet will ich dir geben (EG 523)
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Predigtvorschläge zu Reihe II - Jer 1, 4-10
Liebe Gemeinde!
Ich kenne dich! Wenn mir das jemand sagt, spüre ich Unbehagen. Ich kenne
dich! Wie meint er das? Kennt diese Person mich wirklich? Weiß sie, was
ich gestern getan habe? Weiß sie vielleicht sogar meine geheimsten Wünsche?
Kann sie in mein Innerstes schauen? Hat sie mich durch-schaut? Oder ist
es einfach nur dass sie sich an mich erinnert, dass wir uns vor einiger
Zeit mal getroffen haben und sie nun mein Gesicht wiederer-«kennt«? Das
Unbehagen wird erst weichen, wenn diese Person mit mir redet, denn dann
werde ich schnell erfahren, wieviel sie von mir weiß. Und wenn sie nur
mein Gesicht kennt, werde ich erleichtert sein, denn mein Gesicht - ja,
das kann ja auch eine Maske sein, die ich mit mir herumtrage und die
mich davor bewahrt, wirklich erkannt zu werden.
Ich fände es aber auch schlimm, wenn durch einen Blick in mein Gesicht
alles über mich offenbar würde. Mein Innerstes, meine geheimsten Wünsche
will ich ja wirklich nur ganz wenigen Menschen offenbaren. Es gehört zu
meiner Würde, dass ich mich wehre, zu einem gläsernen Menschen zu werden.
Das Recht auf eine Privatsphäre ist mir grundrechtlich verbürgt, und ich
will dieses Recht in Anspruch nehmen.
Denn wenn ich mich wirklich zu erkennen gebe, wenn ich mein Innerstes
wirklich preisgeben will, dann doch nur einem Menschen, dem ich vollends
vertrauen kann, von dem ich weiß, dass er das Wissen über mich nicht missbrauchen
wird, sondern bewahren, so wie ich es selbst bewahre. Und solches Vertrauen
muss sich einer erst einmal verdienen.
Und da kommt Gott und sagt: Ich kannte dich schon, bevor du geboren wurdest,
und ich weiß genau, wer du bist! Es ist offensichtlich: Vor Gott kann ich mich
nicht verbergen, ich kann vor Gott keine Maske aufsetzen, vor Gott gibt es keine
Privatsphäre. Er durchschaut mich, schon bevor ich geboren bin! Manchmal frage
ich mich, ob das so sein muss. Ich fühle mich nicht wohl dabei, dass Gott all
die Fehler kennt, die ich begangen habe. Es behagt mir nicht, dass er mich
durchschaut und über alle meine Schwächen Bescheid weiß. Wird er mir da nicht
irgendwann einen Denkzettel verpassen für all das, was ich falsch gemacht habe?
Gott kennt mich... Aber muss das denn nur schlecht sein? Wenn Gott mich kennt,
wenn er weiß, wie ich auf bestimmte Situationen reagiere und wo ich Fehler
machen könnte, dann wird er mir vielleicht ja helfen, dann wird er mir vielleicht
auch Wegweiser setzen, anhand deren ich erkennen kann, wo's langgeht, wie
ich Fehler vermeiden kann. Da hat es doch sein Gutes, dass Gott mich kennt,
schon bevor ich geboren wurde. Er hilft mir, meine Schwächen zu überwinden.
Aber damit ist es eben nicht genug. Weil Gott mich kennt, weiß er auch, wie
er mich einsetzen kann. Damit hatte Jeremia damals zu kämpfen. Gott kannte
ihn und wusste, wie sich Jeremia entwickeln würde. Lange ließ er ihn in Ruhe,
aber dann, eines Tages, hieß es: 'Ich, Gott, habe dich schon damals, bevor
du geboren wurdest, dazu bestimmt, dass du mein Prophet sein solltest, der
den Völkern meinen Willen kundtut.' Jeremia ist davon nicht begeistert,
er hält sich für zu jung, was ein legitimes Argument ist, denn auf junge Leute,
ob sie nun 20 oder 30 oder 40 Jahre alt waren, hörte man einfach nicht - ihnen
fehlte die Lebenserfahrung, die das Alter mit sich bringt, und darum haben sie
auch keine Autorität. Da muss Gott sich doch vertan haben, wenn er diese
gesellschaftlichen Grundregeln nicht berücksichtigt.
Aber Gott lässt dieses Argument nicht gelten, denn Jeremia wird ja nicht
Prophet, weil er es will - dann wäre er zu einem anderen Propheten in die
Schule gegangen und über das Studium alt genug geworden, um schließlich als
Prophet auftreten zu können - sondern weil Gott es will. Gott wird ihm schon
die nötige Autorität verleihen. Gott wird durch Jeremia reden, und die
Menschen, die es hören, werden es erkennen, dass hier nicht nur ein Mensch
zu ihnen spricht.
Es ist schon wichtig, zu beachten, dass Gott Jeremia die Wahl lässt; Jeremia
hätte auch weghören können, er hätte schlicht und einfach »Nein« sagen können,
wie er es auch zunächst versuchte. Letztlich aber ist das Argument Gottes
überwältigend: »ich bin bei dir und will dich erretten«, sagt Gott, wenn du
tust, wozu ich dich berufe, wozu ich dich schon vor langer Zeit, schon vor
deiner Geburt, auserwählt habe. Es war Jeremias eigene, freie Entscheidung,
Gottes Ruf zu folgen. ---
Jede und Jeder von uns ist solch ein Jeremia. Gott kennt uns, schon bevor wir
geboren werden, und weiß schon, wozu er uns berufen will. Dazu hat er uns befähigt,
lange bevor wir erahnten, was auf uns zukommen würde. Schon vor unserer Geburt hat
er uns Gaben gegeben, die uns für diese Aufgabe fähig machen. Er erwählt jeden
einzelnen von uns und ruft uns, oder richtiger: er beruft uns. Wir können diesem
Ruf getrost entgegenschauen, denn die Aufgabe, die Gott uns stellen wird, wird nicht
größer sein als unsere Kräfte. Und das eine wissen wir sicher: wenn wir seinem Ruf
folgen, dann ist er bei uns und errettet uns auch, wenn es mal ganz hart kommt.
Wenn wir in unserem Leben zurückschauen, werden wir erkennen, wo Gott uns gerufen
hat. Wir werden sehen, wann er uns geholfen hat, weil uns sein Ruf in Bedrängnis
brachte. Dadurch, dass wir seinem Ruf gefolgt sind, haben wir Teil am Reich Gottes,
das mit zu bauen die Lebensaufgabe jedes Christen ist.
So wird es auch Jost ergehen, den wir heute getauft haben. Gott kennt ihn, er weiß
bereits, welche Aufgabe er ihm eines Tages antragen wird, und bereitet ihn schon
jetzt darauf vor. Das Kind wird dann auf den Ruf Gottes antworten. Wie, wissen wir
jetzt noch nicht. Aber es ist wichtig, dass wir die Herzen unserer Kinder öffnen
für die Worte und Taten unseres großen Gottes, damit sie bereit werden zu hören,
wenn Gott redet.
Wenn ich dies sage, frage ich mich selbst sogleich: bin ich denn bereit, auf Gott
zu hören? Ich denke, wenn wir uns nicht verschließen vor der Möglichkeit, dass Gott
uns ruft und beruft, dann werden wir seine Stimme nicht überhören können. Er ruft
uns wohl in der Stille, also begeben wir uns in die Stille. Gott schenke uns allen
offene Ohren für seinen Ruf.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
O komm, du Geist der Wahrheit (EG 136)
Nicht wir haben dich erwählet (EG 256, 2)
Fürchte dich nicht (EG 612, NB-EG 595)
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Predigtvorschläge zu Reihe III - Mt 7, 24-27
Liebe Gemeinde!
Ich denke, dass es uns allen klar ist: ein gutes Fundament ist das A und O eines
jeden Hausbaus. Je größer der Bau, desto massiver muss das Fundament sein. Und
wenn der Untergrund nicht stabil ist, sollte man am besten gar nicht erst beginnen,
zu bauen, oder entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen.
Hierzulande ist das wohl keine Frage, aber anderswo sieht das dann gleich ganz
anders aus. Wir sehen es immer wieder in den Nachrichten, wie z.B. Wassermassen
eines starken Monsunregens reihenweise Häuser wegschwemmen. Manchmal ist die
Macht des Wassers so groß, dass das stärkste Fundament nicht mehr helfen kann.
Am ehesten sind aber solche Häuser betroffen, die kein Fundament haben – die
Häuser der Armen.
Aber können sie etwas dafür? Sie können sich ein Fundament nicht leisten, und
ein Dach über dem Kopf brauchen sie doch wenigstens. In Ländern, wo es kein
Sozialhilfesystem gibt, baut man sich dann eben Hütten aus Wellblech oder
anderen Materialien, die einen dürftigen Schutz vor Wind und Wetter bieten,
aber das nächste Unwetter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nicht überstehen werden. Deswegen investiert man auch nicht viel in solch
eine Behausung. Das Dach über dem Kopf genügt.
Auch Wirbelstürme können ganze Häuser einreißen, wie man immer wieder in den
USA beobachten kann.
Ein gutes Fundament, dazu wohl eine stabile Statik, dann hat man ein Haus, das
den meisten Naturgewalten standhalten kann. Ein kleiner Vorbehalt wird immer
bleiben, denn die Macht der Natur neigen wir ja doch eher zu unterschätzen,
wie z.B. das Atomkraftwerk in Fukushima auf gefährliche Weise deutlich gemacht
hat.
Jesus erzählt von zwei Hausbauern. Da ist einer, der klug ist und sein Haus auf
einen Felsen baut (ich denke mal, er hat es auch gut am oder im Felsen verankert),
und da ist der andere, der töricht ist und sein Haus auf Sand baut. Klar, der
Regen spült den Sand weg, das Haus rutscht, und wenn der Sand nur an einer Ecke
weg ist, dann bricht alles zusammen.
Ein kluger Mensch steht demnach einem törichten, also dummen, Menschen gegenüber.
Dieses Muster taucht in den Gleichnissen Jesu öfter auf. Es dient dazu, den
Hörer oder die Hörerin zu animieren, sich für eine Seite zu entscheiden.
Ich glaube, wir alle möchten uns gerne auf der Seite des klugen Bauherrn stehen
sehn. Schon weil er klug ist. Aber auch, weil sein Haus Bestand hat. An diesem
Haus kann nichts und niemand rütteln.
Und wir stimmen seinem Verhalten ja auch zu. Nichts ist stabiler als ein auf
Felsen gebautes Haus. Aber was macht uns nun zu solch einem klugen Bauherrn?
Es ist das Hören und das Tun des Wortes Jesu.
Jesus nimmt mit diesem Gleichnis Bezug auf die Bergpredigt, die unmittelbar
vor unserem Predigttext steht. Und das umfasst eine ganze Menge von Dingen,
die ich uns in Erinnerung rufen möchte. Ich benutze dazu Worte aus einem Buch,
das wir dem Internet zu verdanken haben.
Es heißt „Gott chillte“ und stellt eine Zusammenfassung der ganzen Bibel auf
nur 330 Seiten dar in Form von Kurznachrichten, wie man sie sich heute gerne
per Handy oder auf Twitter, einer Internet-Plattform, schickt:
(Gott chillte, S. 239-240)
(Der Text darf aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht wiedergegeben werden)
Das war so etwa die Kurzfassung der Bergpredigt, an deren Ende unser Predigttext steht.
Es sind da eine ganze Menge von Grundregeln niedergeschrieben, an denen wir wohl fast
alle scheitern oder irgendwann in unserem Leben gescheitert sind.
Und von diesen Grundregeln sagt Jesus: Wer diese meine Rede hört und tut, der
gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute.
Und dann: Wer diese meine Rede hört und nicht tut, der gleicht einem törichten
Mann, der sein Haus auf Sand baute.
Es geht darum, die Worte Jesu aus der Bergpredigt nicht nur zu hören, sondern
auch zu tun!
Also müssten wir doch, wenn wir ehrlich sind, eher unseren Platz bei dem
törichten Bauherrn suchen. Denn hören tun wir die Rede wohl, aber tun... das
fällt manches Mal ungeheuer schwer oder scheint gar völlig unmöglich.
Das haben auch die Zuhörer damals empfunden. Matthäus beschreibt es so: „Und
es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte
über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten.“ (Mt 7, 28-29)
Das Volk entsetzte sich, weil sie von dem Wort getroffen waren. Sie erkannten
schlagartig, worum es geht: die eigene Existenz. Denn wenn sie diese steilen
Thesen nicht befolgen würden, dann wären sie verloren. Aber so zu handeln, war
auch damals eine ungeheure Herausforderung und kaum möglich.
Darum meinen auch viele, die Bergpredigt sei nicht geeignet für das menschliche
Zusammenleben; andere aber sehen in ihr tatsächlich die Grundlage für ein
menschliches Miteinander. Ich schließe mich dem an, auch wenn die Ansprüche
der Bergpredigt sehr hoch sind und ich sie meist doch nicht erfüllen kann.
Aber es sind Ideale, denen ich nacheifern und die ich nicht nur einfach zur
Kenntnis nehmen will.
Der törichte und der kluge Mann – diese Gegenüberstellung kann leicht zu
Polarisierungen führen. Man grenzt sich ab, wird fundamentalistisch, wir
brauchen ja auch ein Fundament. Alle, die sich nicht dran halten, sind
verloren und werden links liegen gelassen oder gar angefeindet.
Aber darauf will dieses Gleichnis nicht hinaus.
Wir sollen es vielmehr als Ermutigung verstehen, uns ans Werk zu begeben.
Denn so sehr wir darauf vertrauen dürfen, dass all unsere Schuld durch die
Gnade Gottes und das Blut Jesu Christi vergeben wird, so sehr sind wir
aufgefordert, dieses Geschenk der Gnade Gottes in unserem Leben sichtbar
werden zu lassen und eine völlig neue Lebenswirklichkeit für alle Menschen
zu schaffen.
Denn wenn wir mit Gott versöhnt sind, brauchen wir nichts weiter. Das ist
nach biblischem Verständnis das Wesentliche menschlicher Existenz, dass wir
mit Gott versöhnt werden. Alles andere, alles, was mit dem menschlichen
Miteinander-Leben zu tun hat, ergibt sich dann aus dieser Tatsache:
als mit Gott versöhnte
sind wir bereit, für Frieden einzutreten;
wir sind das Licht und das Salz der Welt;
wir sind bereit, unser Hab und Gut mit anderen Menschen zu teilen;
wir achten unsere Mitmenschen als geliebte Geschöpfe Gottes;
wir sind bereit, unserem Feind mit Liebe zu begegnen;
wir urteilen nicht über andere und vor allem: wir verurteilen sie nicht;
wir sorgen uns nicht um das Morgen, weil Gott für uns sorgt;
wir vertrauen darauf, dass Gott unsere Gebete erhört.
Luthers wesentliche Wiederentdeckung war, dass wir allein aus Gnade gerechtfertigt
werden. Da helfen keine Werke. Und damit hat er auch Recht. Aber er hat diese
Erkenntnis zu einer Zeit gewonnen, als die Menschen alles taten, um ein Gott
wohlgefälliges Leben zu führen, aus Angst, die Gnade Gottes zu verwirken. Also
betonte er den Aspekt des „ohne Werke“ ganz besonders.
Leider hat diese Betonung dazu geführt, dass viele angenommen haben, es sei
ja egal, was man tut, Gott vergibt einem, und damit ist es gut.
Heute geht es häufig noch weiter. Viele Menschen meinen: es ist egal, was ich
tue, Hauptsache, es macht mir Spaß.
Wer so denkt, gleicht dem Menschen, der sein Haus auf Sand baut, denn sein
Leben hat keine Grundlage, kein Fundament. Ein solches Leben ist Ich-bezogen,
es ist egoistisch. Und das widerspricht dem Willen Gottes.
Die Gnade Gottes, die uns durch Jesus Christus zuteil wird, bringt uns in
Bewegung – nicht für uns selbst, denn da ist ja alles getan. Sie ist
gewissermaßen der Anlasser, so wie bei einem Motor, damit wir tun können,
was wir gehört haben.
Beim Bau eines Domes wurden drei Steinmetze gefragt, was sie tun. Der
eine sagte: „Ich haue Steine.“ Der andere sagte: „Ich verdiene Geld.“
und der dritte sagte: „Ich baue am Dom.“
Es geht darum, dass wir unser Leben im Ganzen des Planes Gottes zu sehen
versuchen. Wir haben unseren Platz in einem Plan, dem Plan Gottes, der ein
Plan der Liebe ist für alle Menschen. Stellen wir es uns vor als die Stadt
Gottes, an der wir mitbauen dürfen.
So tun wir nicht nur einfach irgend etwas, und es ist vor allem nicht egal,
was wir tun, sondern wir beginnen, am Reich Gottes zu bauen, indem wir den
Worten Jesu folgen. Und das ist doch eine große, eine lohnende Aufgabe, über
die wir uns eigentlich nur freuen können!
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Gott der Vater steh uns bei (EG 138)
Herr, für dein Wort sei hochgepreist (EG 196, 1.2.5.6)
Ich weiß, woran ich glaube (EG 357)
Was mein Gott will, gescheh allzeit (EG 364)
Wer nur den lieben Gott läßt walten (EG 369)
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun (EG 497)
Wohl dem, der auf ihn trauet (EG 527, 10)
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Predigtvorschläge zu Reihe IV - Mt 25, 14-30
Liebe Gemeinde!
Es ist schon ein interessantes Gleichnis, das von den anvertrauten Zentnern.
Es fängt schon damit an, dass von diesem Gleichnis unser Wort „Talent“ herrührt.
In anderen Übersetzungen wird hier nämlich meist von Talenten gesprochen, auch
in älteren Luther-Übersetzungen finden wir es, und tatsächlich steht genau
dieses Wort auch im griechischen Urtext.
Aber dort meint es eigentlich nur eine Maßeinheit, deren Umfang man nicht
mehr genau feststellen kann. Man weiß nur: es ist sehr viel. Und so ist man
später dann dazu übergegangen, anstatt von Talenten von Zentnern zu reden,
wobei unklar bleibt, was hier eigentlich zentnerweise verteilt wird. Die
Vermutung liegt aber nahe, dass es sich um Geld handelte.
Tatsächlich stammt das uns bekannte Wort „Talent“ genau von diesem Gleichnis
her. Schon früh bezeichnete man in der deutschen Sprache eine von Gott gegebene
Gabe als Talent, so wie wir es auch heute tun, wobei viele Menschen wohl nicht
mehr an Gott denken, wenn sie einem anderen Menschen zugestehen, dass er
Talent habe.
Unser Gleichnis aber stellt eine unmittelbare Verbindung zu Gott her. Denn
Jesus will uns mit seinen Gleichnissen immer etwas über das Verhältnis von
Gott und Mensch vermitteln, und auch hier steht ja am Anfang die
Formulierung: „Das Himmelreich gleicht einem Menschen...“
Und dann wird die Geschichte erzählt als Sinnbild für das Himmelreich. Hier
geht es also um uns und um Gott.
Die Knechte, das sind wir. Soweit kann man sich noch gut zurechtfinden.
Offenbar sind die anvertrauten Talente derart, dass sie sich vermehren,
wenn man sie einsetzt, wenn man sie benutzt – so wie eben Geld, das man
zur Bank bringt, wobei das heute ja nicht mehr viel einbringt, oder mit
dem man selber spekuliert, indem man was auch immer billig ein- und teuer
verkauft.
Im Gleichnis, also im Bild, wenn man so will, geht es dann auch ganz
gewinnorientiert weiter. Der Eigentümer – und das dürfte wohl Gott sein –
erwartet von seinen Knechten, dass sie ordentlich Rendite erwirtschaften.
Da wir nicht wissen, wie viel Zeit ihnen gegeben ist – nach langer Zeit,
heißt es, kam der Herr (Mt 25, 19) zurück – kann man daraus nur schwer
ableiten, wie hoch die Rendite tatsächlich war und ob die Erwartungen des
Herrn im Grunde überzogen waren. Aber einen Betrag zu verdoppeln, das
schafft man nicht eben mal in einem Jahr, es sei denn, man geht ein sehr
hohes Risiko ein, bei dem man auch alles verlieren könnte.
Warum geben sich die beiden ersten Knechte so viel Mühe?
Nun, es gibt so etwas wie eine Beförderung, die ihnen aber auch mehr
Verantwortung überträgt und damit das Risiko, dass sie ihren Job
verlieren könnten, wenn sie versagen, erhöht.
Man stelle sich nur mal vor, unsereiner bekommt eine Million Euro in
die Hand gedrückt mit dem Auftrag, es gut zu verwalten, macht daraus
zwei Millionen und kriegt am Ende nichts davon ab, außer vielleicht
einer Beförderung, die mit mehr Arbeit und Verantwortung einhergeht.
Mehr Geld gibt es übrigens nicht – Knechte bekamen Kost und Logis,
das war alles in der damaligen Zeit, ganz unabhängig davon, wie viel
sie tatsächlich leisteten. Denn sie waren das ihrem Herrn schuldig.
Nach damaliger Vorstellung war es Aufgabe des Knechtes, stets den
Vorteil seines Herrn zu suchen und nichts für sich selbst zu erwarten.
Und da das Gleichnis für Menschen in solch einer Zeit entstanden ist,
mag das also auch in Ordnung sein.
Es weist auch hin auf unser Verhältnis zu Gott, das zunächst einem
solchen Verhältnis von Knecht und Herr entspricht, so dass wir am Ende
eigentlich immer nur sagen können: „Wir sind unnütze Knechte – wir
haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“ (Lk 17, 10)
Das Gleichnis ist damit aber noch nicht zu Ende. Da ist noch der dritte,
der brav den Zentner vergrub aus Angst, bei Spekulationen Geld zu verlieren.
So richtig verstehen kann man den Knecht auch nicht. Er hätte ja
tatsächlich, wie sein Herr ihm dann ja auch vorhält, das Geld zu
den Wechslern geben können. Da wäre eine gewisse Rendite garantiert
gewesen. Er hätte nichts falsch machen können!
Aber nein, er hat Angst, dass vielleicht auch die Geldwechsler pleite
gehen oder sich vielleicht aus dem Staub machen, und vergräbt das
Talent, das ihm gegeben war. Ganz Unrecht hat er damit nicht – auch
heute können Banken pleite machen, und sogenannte Sicherungsfonds,
die wenigstens den Betrag sichern, den man eingezahlt hat, gab es
damals noch nicht und reichen auch heute manchmal nicht zur Deckung
aus.
Die Konsequenz ist: er muss den Zentner, das Talent abgeben. So, als
ob ihm der Zentner je gehört hätte. Dabei ist das gar nicht der Fall.
Er hatte es ja nur verwalten dürfen.
Nnun wird jedenfalls das Talent dem gegeben, der schon 10 Talente hat.
Natürlich gehört diesem Knecht nun nicht etwa das Geld, sondern er darf
weiterhin die 10 Talente verwalten und bekommt nur noch ein Elftes dazu.
Eine große Menge Geldes, mit der er schalten und walten kann, wie er es
für richtig hält, aber immer zum Wohl dessen, dem das Geld gehört: zum
Wohl seines Herrn.
Ein Broker ist er, um mal dieses Wort aus unserer Zeit zu gebrauchen,
dem es so lange gut geht, wie die Konjunktur stimmt und wie er selbst
den richtigen Riecher hat für die Veränderungen auf dem Markt.
Doch wehe, wenn er einmal die falsche Entscheidung trifft. Da geht es
dann nicht zu wie mit den Managern in unseren Banken, die trotz
zahlreicher Fehlentscheidungen immer noch einen Bonus ausgezahlt
bekommen.
Nein, hier wird Tacheles geredet. Wer versagt, fliegt raus! Und er
darf natürlich auch nichts mitnehmen! Von einer Abfindung ganz zu
schweigen. So ergeht es jedenfalls dem Knecht, der mit dem einen
Zentner nichts unternommen hat.
Soweit können wir uns eigentlich noch ganz gut zurechtfinden in diesem
Gleichnis, solange es nur um die Banker geht. Aber es geht in diesem
Gleichnis um uns. Um jeden einzelnen von uns.
Und da ist die Quintessenz des Gleichnisses beängstigend: wer nicht
Gewinn erwirtschaftet, fliegt raus, und das Draußen ist dabei nicht
etwa ein halbwegs gesichertes Dasein mit Arbeitslosengeld oder wenigstens
Hartz IV. Es ist vielmehr die Verdammnis, die Finsternis, der Ort, wo
man nur noch heulen kann und an dem man auf keinen Fall sein möchte.
Und das darf erwarten, wer nichts vorzuweisen hat, wer das, was ihm
anvertraut wurde, verbarg und es nicht zum Einsatz brachte, aus Angst,
er könne bestraft werden.
Doch was sind nun diese Talente?
Es geht hier sicher nicht um Begabungen, auch wenn man das aus diesem
Wort natürlich gerne ableiten wollte. Aber es ist ja umgekehrt: unser
Wort leitet sich von diesem Gleichnis ab – es hatte diese Bedeutung
noch nicht, als Jesus das Gleichnis erzählte.
Und wir wissen ja auch: Nicht jeder Mensch hat eine Begabung, aus der
sich etwas machen lässt. Oder die Begabung wurde bereits in jungen
Jahren derart unterdrückt, dass sie auch später nicht mehr zur Entfaltung
kommen kann. Und dann kann man es diesem Menschen doch wirklich nicht
vorwerfen, nichts aus der Begabung gemacht zu haben.
Nein, es muss schon etwas anderes sein, und da es hier um das Himmelreich
geht und damit um Jesus und die Botschaft von der Liebe Gottes, liegt
die Vermutung nahe, dass es sich bei den Talenten um gerade diese
Botschaft handelt.
So wie im Gleichnis mutet Gott uns dabei nie zu viel zu. Er teilt aus,
so wie es den Fähigkeiten entspricht. Der eine kriegt eine größere
Verantwortung übertragen als der andere. Das ist alles, was die
unterschiedliche Menge der Talente vermitteln will.
Der Lohn ist, was erst bei der Deutung des Gleichnisses wirklich wichtig
wird, neben der verantwortungsvolleren Stellung auch die Gemeinschaft
mit dem Herrn.
Denn beide werden eingeladen zu des Herrn Freude, was man wohl so
verstehen darf, dass sie mit dem Herrn an einem großen Festmahl
teilnehmen dürfen, dass sie ihm nahe sein werden. Und das deutet
auf die himmlische Gemeinschaft mit Gott hin, nach der wir uns
sehnen und auf die wir hoffen nach der Verheißung, die uns gegeben
ist.
Der dritte Knecht darf solchen Lohn nicht erwarten. Die Angst vor
der Strafe hat dazu geführt, dass er bestraft wird. Das scheint
paradox, aber es ist in Wahrheit nur konsequent. Denn der Knecht
hat dem Evangelium nichts zugetraut. Auch wenn er scheinbar alles
getan hat, was nötig ist, um den Bestand zu sichern, so hat er
dabei doch vergessen, dass es nicht um Geld geht, nicht um irgendeinen
Wertgegenstand, sondern um das Evangelium, das uns da anvertraut ist
und das in die Welt hinausgetragen werden will.
Und da ist solche Furcht nicht angebracht. Denn das Wissen von Gott,
diese Botschaft von der Liebe Gottes, die wir durch das Evangelium
erfahren haben, kann uns nicht schaden, wenn wir sie weitergeben.
Im Gegenteil: wir erfahren die Gemeinschaft der Heiligen, in der wir
wahrhaft gut aufgehoben sind.
Das Evangelium lebt davon, dass es unter die Leute kommt. Es kann
dadurch nicht geschmälert werden, im Gegenteil: es wird immer mehr
werden. Mehr Menschen werden es aufnehmen, mehr Herzen werden dadurch
verwandelt – wenn wir es nur weitersagen.
Es spielt dabei auch gar keine Rolle, wie viel einem anvertraut ist.
Auch ein einfältiger Glaube, vielleicht sogar gerade der, kann Wunder
wirken. Auf jeden Fall wirkt er auf die Menschen, die ihn erleben und
erfahren.
Man muss auch nicht Profi sein, um das Evangelium weiter zu sagen.
Man muss dafür keine sieben oder acht Jahre Theologie studiert haben.
Denn vieles kann man auch ohne solche Studien tun. Es geht ganz einfach.
Schon indem man nicht auf das Tischgebet verzichtet – nicht nur zu Hause,
sondern z.B. auch im Restaurant – wird deutlich, dass wir uns von der
Liebe Gottes getragen wissen.
Indem wir uns unseren Mitmenschen in Liebe zuwenden, ohne dabei zu
unterscheiden zwischen diesen oder jenen, geben wir auch die Liebe
Gottes weiter. Und wenn wir davon reden, wie Gott in unserem Leben
wirkt, dann lassen wir erkennen, dass er der Lebendige ist. Um das
zu tun, muss man nicht studiert haben.
Wir brauchen dabei keine Angst davor zu haben, was für Folgen unser
Tun haben könnte. Wir können, wie gesagt, nichts verlieren, sondern
nur gewinnen. Denn das Evangelium, die gute Botschaft von der Liebe
Gottes, wirkt selbst in den Menschen, die sie erfahren, und es wirkt
in einer guten Weise.
Es unterscheidet sich ganz fundamental vom Geld, das in diesem Gleichnis
ja auch nur als Vehikel benutzt wurde: das Evangelium kann niemals
weniger werden, sondern nur mehr. Es kann niemals an Kraft verlieren,
sondern nur stärker werden.
Letztlich belohnt Gott nicht die Vermehrung dessen, was uns anvertraut
ist, sondern den Einsatz, den wir dabei leisten.
Also fassen wir Mut, geben wir weiter, was uns Trost und Kraft gibt,
laden wir ein zur Erfahrung der Liebe Gottes, damit auch uns einst gesagt
wird: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, (oder auch: du tüchtige
und treue Magd), du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über
viel setzen; Geh hinein zu deines Herrn Freude.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Es ist gewisslich an der Zeit (EG 149)
Es ist in keinem andern Heil (EG 356)
Die ganze Welt hast du uns überlassen (EG 360)
Lass mich, o Herr, in allen Dingen (EG 414)
Hilf, Herr meines Lebens (EG 419)
Komm in unsre stolze Welt (EG 428)
Gib Frieden, Herr, gib Frieden (EG 430)
Gott gab uns Atem, damit wir leben (EG 432)
Sein sind die Güter (EG 513, 6)
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Predigtvorschläge zu Reihe V - 1. Kön 3, 5-15(16-28)
Die nachfolgende Predigt wurde über 1. Kön 3, 16-28 gehalten:
Liebe Gemeinde!
Es ist eine bedrückende Geschichte, wenn man sie aus der Sicht der beiden Frauen
betrachtet. Man bekommt durch sie einen kleinen Einblick in die Abgründe menschlicher
Existenz.
Zwei Huren sind es, die Weisung und Rat vom großen König erwarten. Huren, deren
Dienste zwar immer gerne in Anspruch genommen wurden, deren Gesellschaft man im
Alltag aber möglichst mied, weswegen sie in den einschlägigen Häusern nicht nur
ihre Dienste anboten, sondern auch dort lebten.
Aufgrund der damals unzureichenden Verhütungsmittel blieb es nicht aus, dass sie
hin und wieder schwanger wurden. Nicht immer wurden die Kinder auch geboren, aber
oft griff man zu pflanzlichen Mitteln, die dann zu einer Fehlgeburt führten, denn
eine hochschwangere Hure kann kaum mehr ihren Lebensunterhalt verdienen.
Einen Sohn zu haben, war jedoch etwas Gutes. Es bedeutete vor allem, dass der
Lebensabend gesichert sein würde. Denn auch wenn Huren nicht gerade ein hohes
Ansehen in der Gesellschaft genossen, so konnten ihre Söhne doch einem ordentlichen
Beruf nachgehen und Land erwerben.
Nun hatten die beiden fast gleichzeitig einen Sohn geboren. Sicher waren sie voller
Freude über ihre Kinder – es ist anders nicht vorstellbar. Aber dann geschieht das,
was jede Mutter fürchtet: eines der beiden Kinder stirbt. Man mag sich das Entsetzen
der Mutter, in deren Armen am Morgen das tote Kind lag, gar nicht vorstellen. Es
ist ein unerträglicher Gedanke.
Dem Entsetzen folgt die Trauer, und in der Trauer schaut sie das Kind noch einmal
an, um sich zu erinnern an die wenigen Tage und Wochen, die sie gemeinsam nach der
Geburt erleben durften. Und sie erkennt: das ist nicht mein Kind. Sie, die andere,
hat mein Kind genommen und ihr eigenes, totes Kind mir untergeschoben.
Sicher war sie zornig, sie forderte ihr Kind zurück, und als alles Verlangen und
Drohen nicht half, wird sie vorgeschlagen haben, zum König zu gehen, um sein
Urteil zu hören. Denn vor den König sollten die schwerwiegenden Dinge gebracht
werden, die die gewöhnlichen Richter nicht zu entscheiden wagten. Der Köng war
gewissermaßen der oberste Gerichtshof.
Und so traten sie vor ihn mit ihrem Anliegen. Sie erzählen nichts davon, dass
sie Huren sind, denn man erkennt sie an ihrer Kleidung und ihrem Schmuck.
Für den König Salomo ist es unmöglich, eine Entscheidung zu treffen. Er weiß
nicht, welche von den beiden Frauen die Wahrheit sagt, obwohl er vielleicht
am Minenspiel der Gesichter schon erkennen könnte, wer Recht hat. Aber das
alleine genügt nicht, um eine sichere Entscheidung zu treffen.
Er entscheidet sich, das Urteil auf eine scheinbar sehr grausame Weise
herbeizuführen – eine Weise, die das wahre Wesen der Frau, deren Kind
gestorben war, offenbaren würde. Doch das ist den Menschen am Hof nicht
bewusst, und ich kann mir vorstellen, dass manche bei sich dachten: Recht
hat er: wenn die beiden Frauen sich nicht einigen können, soll keine etwas
von dem Kind haben. Und andere werden bei sich gedacht haben: das wird sein
Ende sein. Wenn er vor den Augen aller ein unschuldiges Kind töten lässt,
hat er das Recht, König zu sein verwirkt.
Die Szene ist uns allen vertraut. Salomo lässt ein Schwert holen, um das
Kind in zwei Teile zu teilen. Was für ein grausamer Befehl! Und wie ist
es möglich, dass die Soldaten diesem Befehl nicht widerstehen! Und wie
kann die eine Frau tatsächlich den Tod des Kindes verlangen, anstatt
ihre Schuld zu erkennen und das Kind der anderen Frau zuzusprechen!
Es ist eine bedrückende, ja, eine düstere Geschichte, die uns von der
Weisheit des großen Königs Salomo erzählt. Sie ist gezeichnet von tiefer
Grausamkeit und Herzlosigkeit, nicht nur auf der Seite der einen Frau,
sondern auch auf der Seite des Königs.
Was hätte er getan, wenn beide Frauen nicht reagiert hätten? Konnte er
sich der Muttergefühle der einen so sicher sein?
Oder was wäre geschehen, wenn beide Frauen gesagt hätten, die andere
solle das Kind haben?
Nun, es ist weder so noch anders gekommen. Vielleicht hatte Salomo genau
das erkannt. Vielleicht wusste er, bevor die Situation eintrat, bereits,
dass die Mutter das Kind lieber der anderen Frau zusprechen würde, und
dass die andere Frau lieber das Kind tot sehen wollte, als bis ins Alter
die Schuld mit sich tragen zu müssen. Vielleicht hat er darum auf diese
Weise Klarheit schaffen wollen. Denn ein solches Urteil prägt sich ein.
Es bringt die Abgründe menschlicher Existenz zutage – aber auch die Liebe,
von der sie getragen wird – die Liebe einer Mutter.
Und das ist es vielleicht, was wir aus dieser Erzählung lernen können: dass
die Liebe am Ende, trotz aller Grausamkeit, trotz aller Abgründe, eben doch
den Sieg davon trägt.
Salomos Weisheit ist sprichwörtlich geworden, doch bleibt es bei diesem
einen Beispiel. Seine Weisheit wird aber noch an einmal deutlich erkennbar,
dann nämlich, als er anlässlich der Tempelweihe betet:
HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf
Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen
Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; 24 der du gehalten hast
deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem
Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es
offenbar ist an diesem Tage. 25 Nun, HERR, Gott Israels, halt deinem Knecht,
meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast: Es soll dir nicht fehlen an
einem Mann, der vor mir steht, der da sitzt auf dem Thron Israels, wenn
nur deine Söhne auf ihren Weg Acht haben, dass sie vor mir wandeln, wie
du vor mir gewandelt bist. 26 Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr
werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.
27 Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller
Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun,
das ich gebaut habe? 28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu
seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörst das Flehen und Gebet deines
Knechts heute vor dir: 29 Lass deine Augen offen stehen über diesem Hause
Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name
sein. Du wollest hören das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte betet,
30 und wollest erhören das Flehen deines Knechts und deines Volkes Israel,
wenn sie hier bitten werden an dieser Stätte; und wenn du es hörst in deiner
Wohnung, im Himmel, wollest du gnädig sein. (1. Kön 8, 22-30)
Gott schenkte Salomo Weisheit, so dass er Lösungen fand, wo andere keine
Lösung mehr sehen konnten. Er bat um diese Weisheit. Und ich glaube, dass
auch wir solche Weisheit empfangen können, wenn wir Gott darum bitten.
Dann wird es uns jedenfalls leichter fallen, eine Entscheidung zu fällen,
wo uns zwei oder gar mehr Möglichkeiten vorgelegt werden.
Gott schenkt uns Gaben, von denen wir oftmals nicht ahnen, dass sie in
uns schlummern. Gott will, dass wir sie gebrauchen.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Herr, wie du willst, so schick's mit mir (EG 367)
O Gott, du frommer Gott (EG 495)
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun (EG 497)
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Predigtvorschläge zu Reihe VI - Mt 13, 44-46
Für die nachfolgende Predigt wurde ein Ersttagsbrief (ETB) als „Schatz” verwendet. Da anzunehmen ist, dass dieser ETB
nicht vorliegt, kann natürlich auch ein anderer Gegenstand benutzt werden, durch den das Besondere und vor allem die persönliche Begeisterung
für diesen Gegenstand deutlich wird.
Am Ende wird auf ein für die Gemeinde besonderes Ereignis eingegangen, wozu etwas Passendes aus dem eigenen Umfeld gesucht werden müsste.
Liebe Gemeinde!
(ETB Heinrich Heine DDR 1956 sichtbar hochhalten). Ich habe hier einen ETB. ETBs sind
etwas Besonderes: die Post gibt sie nur am Erscheinungstag der Briefmarke heraus,
und die Marken werden abgestempelt mit einem Sonderstempel, der speziell für
den Anlass, für den diese Briefmarke veröffentlicht wurde, angefertigt wird.
Dieser ETB hier wurde zum 100. Todestag von Heinrich Heine in der damaligen DDR
im Jahr 1956 herausgegeben. Heute ist dieser Brief das 100-fache des Betrages,
den die Briefmarken darstellen, wert. Das ist zwar noch keine überwältigende Summe,
aber es deutet schon darauf hin, dass es sich um einen besonderen ETB handelt, den
es nicht so oft gab.
Ich habe diesen Brief für ein Zehntel seines heutigen Wertes erworben. Wäre es
da nicht richtig, wenn ich sofort versuchen würde, daraus Kapital zu schlagen?
Ich könnte den Brief sicher wenigstens für das Doppelte von dem, was ich bezahlt
habe, wieder verkaufen. Aber irgendwas hindert mich daran, diesen Schritt zu tun.
Denn ich halte selbst diesen Brief für etwas Besonderes. Zum einen ist er älter
als ich. Er dokumentiert eine Zeit, in der die DDR noch nicht durch eine Mauer von
der BRD getrennt war. Er erinnert an Zeiten, wo die Briefpost noch viel bedeutender
war, wo das Telefon noch zum Luxus gehörte und das Briefeschreiben zum täglichen
Brot. Und darum ist er natürlich auch ein Beleg aus unserer eigenen Geschichte.
Meine Eltern haben solche Briefmarken vielleicht selbst in Händen gehabt und damit
ihre eigene Post frankiert.
So gibt es viele Dinge, die mich daran hindern, diesen ETB einfach wieder zu verkaufen.
Ich würde ihn wahrscheinlich auch dann nicht verkaufen, wenn ich das hundertfache von
dem, was ich dafür bezahlt habe, bekommen würde. ...
Ganz ähnlich ging es diesem Menschen, der den Acker kaufte, oder dem, der die kostbare
Perle fand. Sie unterscheiden sich beide von mir nur dadurch, dass ich nur einen kleinen
Betrag bezahlt habe, um mein Schmuckstück zu bekommen, sie aber all ihren Besitz verkauften,
um diese eine Perle, um diesen Schatz im Acker zu besitzen. Sicher, sie hätten damit
Schätze gewonnen, wertvolle Stücke, die sie wieder hätten mit Gewinn verkaufen können,
aber das wollten sie ja nun gerade nicht. Sie wollten diese wunderschönen Schätze behalten,
um sich an ihnen zu erfreuen, so wie ich meinen ETB behalten möchte, um mich daran zu
erfreuen.
Jesus vergleicht dieses Verhalten mit dem Himmelreich. Das ist wichtig, dass wir das
richtig verstehen. Meist wird dieses Doppelgleichnis so verstanden, dass der Schatz oder
die Perle mit dem Himmelreich verglichen wird, aber so ist es gerade nicht. Es ist das
Verhalten dieser beiden Menschen, die, da sie das, was sie lange gesucht haben, endlich
fanden, alles aufgeben, um diesen Fund ihr Eigentum nennen zu können.
Dann drängt sich natürlich die Frage auf: wie kann ich ein Reich - das Himmelreich -
mit einem Verhalten vergleichen? Es ist ja auch nicht so sehr das Verhalten, also der
Kauf, sondern vielmehr das Gefühl, etwas gefunden zu haben, was so kostbar ist, dass
man es nicht wieder hergeben möchte, worum es hier geht. Das Gefühl, es zu besitzen,
es sein Eigentum nennen zu können und es nicht wieder hergeben zu müssen, dieses Gefühl
ist dem Himmelreich vergleichbar. ...
Lieber würde ich mir das Himmelreich vorstellen als einen unermesslich großen, wunderschönen
Raum, in dem es nichts mehr gibt, was mir Sorgen macht, was Menschen Schaden zufügt oder
sonstwie traurig macht. Ein Raum, in dem sich alle wohlfühlen, in dem Frieden herrscht, in
dem sich alle verstehen, es keine Missverständnisse mehr gibt. Solch einen Raum kann ich
mir vorstellen, das schafft mein Vorstellungsvermögen, aber das wäre wohl zu eng, zu klein,
und vor allem: es wäre zu weit weg. Denn von diesem Raum kann ich hier in unserer Welt nichts
erkennen. Hier ist Hass, Misstrauen, Missgunst, Eifersucht, Betrug, Ausbeutung,
Gleichgültigkeit.
Jesus will uns mit diesem Gleichnis das Himmelreich, das Reich Gottes, ganz nahe bringen,
so nahe, dass wir schon jetzt daran teilhaben, dass wir es schon jetzt erfahren können.
Die Freude über etwas Kostbares: ein ganz klein bisschen habe ich sie empfunden, als ich
diesen ETB in Händen hielt. Aber das ist natürlich noch nicht das Himmelreich. Und darum
stellt sich mir nun unweigerlich die Frage: Was ist es, das ich finden, das ich festhalten
soll, damit ich das Himmelreich erfahren kann? - Es gibt eigentlich nur eine Antwort:
Es ist die Liebe Gottes, die mir vergibt, wenn ich anderen wehgetan habe. Es ist die
Liebe Gottes, die mir vergibt, wenn ich seinen Willen missachte und meinen eigenen
Dickkopf durchsetzen will; es ist die Liebe Gottes, die mir das Gefühl der Geborgenheit
schenkt, wenn ich mich verlassen und allein fühle. Es ist die Liebe Gottes, die mir
Mut macht, wenn ich Angst habe.
Diese Liebe Gottes ist überwältigend. Sie ist es, die ich von ganzem Herzen will.
Aber käuflich erwerben kann ich sie nicht. Das Gleichnis will uns das ja auch nicht
vermitteln. Das Himmelreich ist nicht wie der Schatz im Acker, sondern wie der
Mensch, der einen Schatz fand und dann alles hergab, um diesen Schatz zu besitzen -
wie ein Mensch, der bereit ist alles aufzugeben, weil er weiß, dass das, was er
dadurch gewinnt, viel wertvoller ist.
Wir leben in einer Gesellschaft, die es überflüssig macht, etwas aufzugeben. Es geht
uns gut, und wir können unseren christlichen Glauben leben, ohne dabei irgendein
Risiko einzugehen. Aber können wir das Himmelreich erfahren, wenn alles so einfach
ist? Vielleicht ist es gerade für uns, in unserer Situation, besonders schwer,
diese Erfahrung zu machen, etwas Einzigartiges gefunden zu haben. Vielleicht ist
es schon zu selbstverständlich geworden, dass es uns gut geht. Was brauchen wir
denn noch? Haben wir nicht alles? Vielleicht müssen wir aufpassen, dass wir die
Begeisterung, die in diesem Gleichnis angesprochen wird, nicht verlieren, dass wir
nicht zu selbstverständlich davon ausgehen, die Liebe Gottes schon gefunden zu
haben. Vielleicht müssen wir noch auf der Suche nach diesem Schatz bleiben, dessen
Fund unser Leben so gründlich verändert, dass wir uns vielleicht selbst am Ende
nicht wiedererkennen.
Einen Anfang machen wir heute dadurch, dass wir das Heilige Abendmahl feiern:
Gottes Liebe wird ja gerade darin sichtbar, dass er sich so ganz bedingungslos
mit uns vereinigt in diesem Mahl. Wir essen und trinken den Leib und das Blut
unseres Herrn Jesus Christus, ohne dass wir etwas aufgeben müssen. Ein wunderbares
Geschenk, das Gott uns hier macht, Nahrung für den Weg, den wir nicht mit den
Füßen, sondern mit dem Herzen gehen. Ein Geschenk, für das wir nichts hergeben
müssen. Aber stellen wir uns nur mal einen Moment lang vor, wir lebten in einer
Situation, in der die Feier des Abendmahls lebensgefährlich ist, in einem Land,
dessen Gesetze nur eine Religion erlauben, die nicht die christliche ist: wären
wir bereit, dieses Risiko einzugehen, um diese Erfahrung der gemeinsamen Feier zu
machen?
Immerhin: wenn wir das Abendmahl feiern, dann sind wir ja nicht nur in der Gemeinschaft
mit Gott, sondern auch mit allen, die zu Jesus Christus gehören, nicht nur in diesem
Raum, sondern in der ganzen Welt und über den Tod hinaus. Wir haben Gemeinschaft mit
denen, die vor uns heimgegangen sind. Diese Feier der Gemeinschaft und der Vergebung
ist etwas einmalig Schönes und Wunderbares, schon etwas wert. Aber würden wir wirklich
so weit gehen?
Gestern feierten wir Schulgottesdienst, aber nicht in unserer Kirche, denn es war eine
besondere Feier. Diesmal wurden Gebete gesprochen, die für unsere Ohren fremd klangen,
Gebete in türkischer Sprache. In ihnen wurde Allah angerufen, das bedeutet »Gott«,
nichts weiter. Aber in den Ohren vieler Menschen klingt das fremd, ja, bedrohlich.
Für den Imam, den Vorbeter der Muslime, der mit einigen anderen Vertretern der Moschee
an diesem Gottesdienst in der Mehrzweckhalle teilnahm und eines der Gebete sprach, war
dies auch eine ungewöhnliche, vielleicht sogar eine gefährliche Situation. Es gibt unter
den Muslimen genauso wie unter den Christen Menschen, die in dem Glauben des anderen
nur eine Bedrohung sehen können. Dabei glauben wir beide an den gleichen Gott, den
Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Unsere Wege haben sich zwar vor vielen Jahrhunderten
getrennt, aber gestern wurden sie für uns zum ersten Mal wieder einander nähergebracht.
Was mich am gestrigen Tag besonders beeindruckt hat, war die Losung, die ja immer schon
lange vorher ausgelost wird. Ich will sie Ihnen vorlesen, sie steht im 2. Buch Mose im
23. Kapitel:
Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken; denn ihr wisst um der Fremdlinge
Herz, weil ihr auch Fremdlinge in Ägypten gewesen seid.
Dieses Wort, das Gott uns für
diesen Tag schenkte, war für mich eine Bestätigung dessen, was wir vorhatten. Und dieser
Einschulungsgottesdienst, den Muslime und Christen gemeinsam gestalteten, löste in mir
ein Gefühl aus, das ich gerne festhalten möchte. Wurde hier vielleicht das Himmelreich
spürbar?
Amen
oder
Diese Ansprache wurde 2017 in einem Seniorenkreis gehalten:
Liebe Gemeinde,
Als die Perikopenordnung (so nennt man die Reihe der Predigttexte, die sich alle 6 Jahre
wiederholt) zuletzt revidiert wurde, hatte man sich noch Gedanken darüber gemacht, wie
die Texte zusammengehören können und welche Schwerpunkte sie setzen würden.
Bei der jüngsten Perikopenrevision, die 2018 in Kraft treten soll, scheint mir dieser
Aspekt in den Hintergrund getreten zu sein, weil man viele Änderungen aus Gründen der
Gefälligkeit – also was gefällt den Gottesdienstbesuchern (und Predigern) wohl am
besten? - vorgenommen hat.
Aber so weit sind wir noch nicht.
Da bin ich froh, dass wir diesen Text haben und nun
etwas darüber nachdenken können, wie er in Verbindung steht mit dem großen
Oberthema: Gaben und Begabungen.
Worum geht es in diesem Gleichnis? Womit vergleicht Jesus denn das Himmelreich?
Ist das Himmelreich der Schatz, der da im Acker verborgen ist? Das wäre doch sicher
ein bisschen billig. Ich meine, ich würde mich natürlich schon über so einen Schatz
freuen, dann könnte man etwas sorgloser durchs Leben gehen, aber was gewinnt man
damit denn wirklich?
Doch nur, dass man sich mehr kaufen kann. Irgendwann ist entweder das Geld
aufgebraucht, oder man stirbt, bevor man es ausgegeben hat. Und dann streiten
sich die Kinder darum...
Und das ist sicher kein Merkmal des Himmelreiches, dass man es ausgeben kann,
bis nichts mehr davon da ist.
Es scheint zwar so, als ob der Schatz gemeint ist, aber wenn man genauer
hinschaut, dann ist es etwas anderes, womit Jesus das Himmelreich vergleicht:
Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand
und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er
hatte, und kaufte den Acker.
Es ist ein Vorgang, der sich da ereignet.
Da ist einer, der findet diesen Schatz – wer weiß, was das ist? Vielleicht ist
es ja gar kein Geld.
Jedenfalls freut er sich dermaßen darüber, dass er alles hergibt, was er besitzt.
Er verkauft es, um genug Geld zu haben, damit er diesen Acker kaufen kann, in dem
der Schatz verborgen ist. Und dann kauft er ihn.
Jesus vergleicht das Himmelreich mit dem Handeln dieses Mannes, und noch viel mehr
mit dem, was dieses Handeln auslöst: Das Himmelreich ist gleich der Freude, die
dieser Mensch empfindet. Es ist die Freude, die einen dazu veranlasst, alles andere
als unwichtig anzusehen.
Vielleicht kennen Sie das ja auch: Sie haben beim Aufräumen ein Bild gefunden oder
ein anderes Erinnerungsstück, das sie längst verloren glaubten. Dieses Erinnerungsstück
wird Ihnen so wichtig, dass alles andere an Bedeutung und auch an Wert verliert. Und
sie hören mitunter auf mit dem, was Sie gerade getan haben, setzen sich hin und freuen
sich an diesem Gegenstand.
Genauso ist es mit dem Kaufmann, der gute Perlen suchte. Auch hier ist nicht so sehr
die kostbare Perle das Wesentliche, sondern der Vorgang, das Handeln des Kaufmanns.
Wichtig ist hier auch, dass er sich auf die Suche begibt. Das muss der andere ja auch
getan haben, der den Schatz im Acker fand.
Das Himmelreich gleicht der Freude, die ein Mensch empfindet, wenn er einen Schatz
findet und für den er alles aufgibt. Das Himmelreich gleicht der Freude, die ein Mensch
empfindet, wenn er eine köstliche Perle findet, für die er alles hergibt.
Vielleicht ist das Entscheidende tatsächlich die Bereitschaft, alles herzugeben.
Eins lerne ich aus diesem Gleichnis: bei Gott gibt es keinen Grund zur Sorge. Er sorgt
für uns, er beschenkt uns mit unermesslichen Gaben. Und wenn wir dies erst einmal so
als Geschenk wahrgenommen haben, dann hat die Suche ein Ende, und es ist unendliche Freude, die
wir darüber empfinden.
Diese Freude wünsche ich uns allen; die Freude, die das Unwesentliche verblassen
lässt und das, was Leben bedeutet, in den Vordergrund stellt.
Gott will uns diese Erfahrung schenken, darauf dürfen wir uns freuen.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Wie schön leuchtet der Morgenstern (EG 70)
Du meine Seele, singe (EG 302)
Er ist dein Schatz, dein Erb und Teil (EG 324, 14)
Such, wer da will, ein ander Ziel (EG 346)
Jesu, meine Freude (EG 396)
Ich will dich lieben, meine Stärke (EG 400)
Meinem Gott gehört die Welt (EG 408)
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Predigtvorschläge zu Reihe M - Lk 16, 10-13
Liebe Gemeinde,
„Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu, und wer im Geringsten
ungerecht ist, der ist auch im Großen ungerecht.“ Etwas merkwürdig ist dieser
Vergleich schon, den Jesus da anstellt. Fast wie der Vergleich zwischen Äpfel
und Birnen. Auf der einen Seite geht es um Treue, auf der anderen um Gerechtigkeit.
Die Treue, von der Jesus spricht, bezieht sich im Wesentlichen auf die
Vertrauenswürdigkeit: Z.B. so: Man soll einen Brief vor der Leerung zum
Briefkasten bringen. Wenn der Brief zu spät eingeworfen wird, erreicht er
den Empfänger nicht zu seinem Geburtstag, sondern kommt einen Tag später an.
Das wäre schade.
Wenn man den Brief dann später einwirft, nachdem die Leerung des Briefkastens
bereits erfolgt ist, gilt man in diesem Sinn als untreu. Denn man hat sich das
Anliegen des Briefschreibers nicht zu eigen gemacht. Es genügt doch, wenn der
Brief im Briefkasten landet.
Es ist einleuchtend, dass man sich dann natürlich fragt, ob man einem Menschen,
der sich in einer solch kleinen Sache schon als unzuverlässig, oder auch untreu,
erwiesen hat, größere Verantwortung übertragen kann, etwa das Hüten eines Hauses
für mehrere Tage, oder den Transport wertvoller, zerbrechlicher Dinge – auch wenn
der Wert nur ideeller Natur ist. Lieber übergibt man solche Verantwortung einem
Menschen, der sich auch in kleinen Dingen als zuverlässig erwiesen hat, der
bewiesen hat, dass er Verständnis hat für die Gefühle und Bedürfnisse des anderen.
Und was hat das nun mit Gerechtigkeit zu tun? Vermutlich gar nichts. Es ist nur
so, dass es nicht nur um Verlässlichkeit geht, sondern auch darum, gerecht zu
sein. Denn das, was uns anvertraut ist, sind nicht unbedingt Güter eines anderen.
Es ist vielmehr der Umgang mit unseren Mitmenschen. Und der drückt sich darin aus,
wie gerecht wir sind.
Dabei ist es mit der Gerechtigkeit nicht gerade einfach. Denn was der eine als
gerecht empfindet, erfährt der andere als große Ungerechtigkeit. Das ist im
Großen wie im Kleinen schwierig. Nicht ohne Grund haben die Gerichte ständig
mit Auseinandersetzungen zu tun, bei denen beide Parteien behaupten, im Recht
zu sein, und darum Gerechtigkeit erwarten, die für sie spricht.
Immer wird der andere sich als ungerecht behandelt fühlen.
Die Gerechtigkeit, um die es hier geht, ist da etwas anders gelagert. Es geht um die
Gerechtigkeit Gottes. Und die ergibt sich nicht aus einer gleichmäßigen Machtverteilung,
wie sie durch die Gesetzgebung und Gerichte angestrebt werden sollte, sondern einzig
aus der Liebe Gottes.
Man kann es auf einen kleinen Nenner bringen:
Wer in seinem Handeln gegenüber seinen Mitmenschen bedenkt, dass sein Gegenüber
von Gott geliebt ist, und dementsprechend handelt, der übt Gerechtigkeit.
Da spielt Geld nur eine untergeordnete Rolle, denn Geld, so sagt Jesus, ist an
sich schon ungerecht. Es löst im Menschen immer das Verlangen nach mehr aus –
und wer mehr will, nimmt es den anderen weg. Das ist eindeutig ungerecht.
Gerecht sein bedeutet also, den Mitmenschen als von Gott geliebt wahr zu nehmen.
Problematisch wird das nur, wenn man seine Mitmenschen gar nicht mal sieht. Das
passiert uns wohl immer wieder, da wir zwar Nutznießer eines ausbeuterischen
Wirtschaftssystems sind, aber nicht wirklich sehen können, wo und wie die
Ausbeutung nun wirklich stattfindet. Wir erwarten vielleicht, dass die Menschen,
die hier Verantwortung tragen, auch darauf achten, haben aber dafür keine
Gewähr, denn natürlich wäre eine Kontrolle für uns viel zu aufwendig.
Wie können wir dann gerecht sein? Wir sind ja eingebunden in dieses System.
Der faire Handel bietet nur begrenzte Möglichkeiten – vieles wird nach wie
vor auf Kosten der Ärmsten produziert, etwa elektronische Geräte.
Es ist wichtig, dass wir uns aus gründlich informieren, um selbst gerecht
handeln zu können. Denn eins ist wohl sicher: wir können und dürfen das
nicht anderen überlassen. Gerechtigkeit fängt in der eigenen Küche an.
Doch Jesus macht weiter merkwürdige Vergleiche. Da ist der Mammon, und ihm
stellt Jesus „das wahre Gut“ gegenüber. Was aber ist das wahre Gut?
Sicherlich etwas, das man mit Geld nicht kaufen kann. Doch bleibt es unklar.
Nur eins ist gewiss: dieses wahre Gut wird von Gott selbst kommen. Es wird
uns gegeben.
Eine Vermutung dürfen wir anstellen: das wahre Gut kann das Evangelium sein,
die Botschaft von der Liebe Gottes. Dann würden diese Worte bedeuten, dass
wir nur dann gute Verwalter des Evangeliums sein können, wenn wir auch
gerecht mit den Dingen umgehen, die uns nicht gehören, die uns nur
anvertraut sind.
Aber dann heißt es: Ihr könnt nicht Gott dienen und zugleich dem Mammon.
Mammon, das ist die verächtliche Bezeichnung für das Geld. Und es ist wieder
merkwürdig, dass nun offenbar gefordert wird, die Finger vom Geld zu lassen,
wenn wir Gott dienen wollen, wo doch gerade vorher gesagt wurde, dass wir
erstmal unsere Treue und Gerechtigkeit mit dem Mammon unter Beweis stellen
sollen..
Doch kann man mit dem Mammon auch in einer Weise umgehen, die gerecht ist.
Dann nämlich, wenn man es hat, als habe man es nicht. D.h. also, was man
hat, steht stets anderen zur Verfügung. Ich habe es nur, um andere daran
teilhaben zu lassen, und nicht, um es zu horten und zu vermehren nur zu
meinem eigenen Vorteil und Nutzen.
Dann kann auch, trotzdem man Geld hat, der Dienst an Gott möglich sein.
Aber es ist ein schwerer Weg. Das Abendmahl mag uns helfen, ihn zu gehen.
Nicht nur im Blick darauf, dass wir daraus Kraft gewinnen, sondern auch,
weil im Abendmahl deutlich wird, dass vor Gott alle Menschen gleich sind,
und dass Gott die Person nicht ansieht, sondern allein das Herz.
Amen
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