das Kirchenjahr

7. Sonntag nach Trinitatis

Am Tisch des Herrn

Predigtanregungen

Der 7. Sonntag nach Trinitatis geht nun auch auf die körperlichen Bedürfnisse des Menschen ein, wobei die Symbolhandlung des Abendmahls allerdings auch eine wichtige Rolle spielt. Jesu Handeln in unserem Leben macht uns frei von irdischen Bedürfnissen dadurch, dass wir sie immer erfüllt bekommen, indem wir teilhaben am Brot des Lebens. Der 6. und der 7. Sonntag nach Trinitatis könnten auch als „Sakramentssonntage” bezeichnet werden, denn an ihnen wird der Taufe und des Abendmahls in ihrer Bedeutung für das Leben des Christen gedacht.

Zu den Perikopen

  • I: Joh 6, 30-35

    Jesus, das Brot des Lebens. Eine große Zusage, die leider durch die Wirklichkeit immer wieder „überholt” wird. Die Armut in der Welt ist groß, sie macht auch vor Christen nicht halt. Die Zusage, dass der, der zu IHM kommt, nicht hungern wird, wird durch die Realität Lügen gestraft. Man ist leicht dabei und interpretiert diesen Text auf geistlicher Ebene, was wohl auch richtig ist, denn Jesus transzendiert ja auch das Manna, das allerdings handgreiflich und sattmachend gewesend war. Das Brot, das Jesus zu bieten hat, ist noch nicht mal sichtbar.
    Als Theologen wissen wir, dass Johannes mit dem dem Satz Jesu „Ich bin das Brot des Lebens” auf die Abendmahlspraxis, wie sie sich bis dahin entwickelt hatte, anspielte. Darin wurde gegessen, und es handelte sich wohl um eine richtiggehende Mahlzeit. Vermutlich war es mehr ein gemeinschaftliches Abendessen geworden, als eine Feier des Todes und der Auferstehung Jesu Christi. Vielleicht will Johannes mit seinen Worten darauf hinweisen, dass das Sattwerden nicht viel zum Leben nützt, wenn man nicht auch bewusst Jesus als das Brot des Lebens empfängt. Vielleicht hat dieser Text schon zur Vergeistlichung des Abendmahls beigetragen.
    Wie dem auch sei: die große Kluft zwischen geistlicher Zusage mit Bildern, die eigentlich direkt in unsere Realität sprechen, muss überbrückt werden. Die Gottesdienstbesucher, die in der Regel satt zum Gottesdienst erscheinen, sollten vielleicht daran erinnert werden, dass sie als Empfänger dieses Brotes des Lebens ihre Bereitschaft zu teilen beweisen müssen. Denn das ist es ja, worauf die anderen Texte dieses Sonntags hinzielen: die Bereitschaft zu Teilen. Sie folgt allerdings nicht aus einem Gebot, sondern ist einfach Ausdruck unserer Dankbarkeit für das Brot des Lebens, das wir empfangen haben. Dadurch, dass wir es weitergeben, wird es auch anderen zuteil.
    In diesem Sinne sollte die Predigt zunächst klarstellen, dass die Hörer Empfänger dieses Brotes des Lebens sind, und damit auch in der Lage, die Lebensgrundlage weiterzugeben. Offensichtlich will der Hinweis, dass es keinen Hunger und „nimmermehr” Durst geben wird, ja auch deutlich machen, dass diese Dinge nun im Überfluss vorhanden sind. So erfahren wir es auch. Aus Dankbarkeit für diese Gabe können wir mit anderen das Brot teilen.
    Auch wenn es in der Gemeinde einen großen Anteil von Menschen gibt, die aus verschiedenen Gründen auf einen Überfluss verzichten müssen, so geht es ihnen doch relativ gut: verglichen mit Menschen, die in den sogenannten Entwicklungsländern leben, die z.B. noch nicht einmal ein Haus über dem Kopf haben und nicht wissen, ob sie am nächsten Tag etwas zu essen haben werden, haben es Menschen, die in einer wenn auch beengten Wohnung leben und wissen, dass sie den Monat hindurch genug zu essen haben werden oder können, doch wesentlich besser. Dies ist kein Trost, aber es ist wichtig, die Relationen zu verstehen. Wenn in Deutschland von „neuer Armut” geredet wird, dann würden Menschen aus den Entwicklungsländern noch von Reichtum reden. Es gilt jedenfalls, Menschen in solch einer Situation mit dem Segen zu konfrontieren, der ihnen zuteil wurde in Jesus Christus. Diesen Segen als etwas Gutes zu erkennen, selbst wenn man in seinem Leben rückläufige Entwicklungen durchgemacht hat, ist wichtig und hilft, die derzeitige Krise durchzustehen.

  • II: Hebr 13, 1-3

    Paulus möchte gerne, dass es friedlich in den Gemeinden zugeht. Darum fordert er dazu auf, dass alle eines Sinnes sind, gleiche Liebe haben, einmütig und einträchtig sind (Vers 2). Dazu tritt der Aufruf, sich dem anderen unterzuordnen. Wenn jeder dies tun würde, wäre die Gemeinde sicherlich das Beispiel perfekter Harmonie, aber... es widerstrebt mir, dieses Ideal hochzuhalten. Es hat wohl seine Berechtigung, wenn sich die Gemeinde in einer Verfolgungssituation bewähren muss, denn Uneinigkeit hätte in dieser Situation sicher fatale Folgen. Aus Neid oder Zorn würde der eine die anderen verraten, und so würde die Gemeinde schnell aufgerieben.
    Offenbar hat es funktioniert, die Gemeinde blieb ja erhalten. Aber als der Aufruf zur Demut zum Dogma erhoben wurde, weil die Bedrohung geschwunden war, erstanden einzelne, die sich diese Demut zunutze machten und sich selbst erhöhten. Es entstand, Verse 3+4 missachtend, eine Hierarchie in der christlichen Gemeinde, die einzelne zu Herren, viele aber zu Untergebenen machte. Und aus diesem Grunde widerstrebt mir dieser Aufruf zur Demut. Wer sich daran hält, wird oft nur ausgenutzt. Er oder sie gibt sich selbst ein Stück weit auf, was zwar in gewissen Situationen durchaus angemessen sein kann, aber oftmals zu einer Verkümmerung des Selbstbewusstseins führt. Immerhin hat uns Gott ja als freie Individuen geschaffen, die in Gemeinschaft miteinander, aber in Freiheit, leben sollen.
    Paulus weiß Gutes über die Gemeinde zu sagen: Ermahnung in Christus, Trost der Liebe, Gemeinschaft des Geistes, herzliche Liebe und Barmherzigkeit, all dies sind Qualitäten, die man oft suchen muss. Dadurch aber zeichnet sich die christliche Gemeinde aus, nicht so sehr durch die Demut, die manchen das Rückgrat gebrochen hat.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang kommt allerdings in diesem Predigttext gar nicht zum Tragen. Wo wird hier das „Brot des Lebens” sichtbar? Vielleicht da, wo Paulus dazu ermahnt, das Wohl des Anderen nie zu vergessen: das Brot des Lebens ist allen zugänglich, nicht nur einer Elite. Es ist jedenfalls das, was die Gemeinde zusammen und am Leben erhält und dazu befähigt, so zu sein, wie sie von Paulus in dieser Perikope dargestellt wird.
    Für die Predigt würde ich vorschlagen, die Qualitäten der Gemeinde, die die Predigt hört, aufzuzeigen. Zugleich aber muss sichtbar werden, woher diese Dinge kommen und wodurch sie erhalten werden. Das Zentrum christlicher Gemeinde ist die Versammlung um das Wort Gottes und das Sakrament des Altars. Von dort kommt die Kraft, der Sinn und Zweck allen Bemühens. Bastelkreise und andere Gruppen können gut auch unabhängig von der christlichen Gemeinde entstehen. Christliche Gruppen unterscheiden sich von solchen Gruppen. Wenn sie es nicht tun, brauchen sie nicht den kirchlichen Raum.

  • III: 1. Kön 17, 1-16

    folgt später

  • IV: Joh 6, 1-15

    Die Liebe zum Detail kann bei den Erzählungen des Johannes schon begeistern. Hier ist es das Gras, auf dem sich die Menge lagert. Nur merkwürdig, dass es nur Männer sind - sicher waren auch Frauen dabei, die gar nicht mitgezählt wurden. Es ist aber auch denkbar, dass die meisten Frauen wenigstens der Hausarbeit nachgingen und darum nicht dabei waren (dann müsste man wohl von pflichtvergessenen Männern reden).
    Jesus provoziert seine Jünger. Nicht nur, dass nicht genug Geld da ist, um Brot zu kaufen, sondern es wäre ein weiter Weg, und wer wollte die Mengen Brot dann tragen? Eine rhetorische Frage also, auf die die Jünger auch anders hätten antworten können. Dem Leser müsste schon klar sein, dass die Frage so nicht beantwortet werden kann - die Erklärung des Johannes, dass Jesus die Jünger nur prüfen wolle, ist überflüssig.
    Was Jesus dann tut, mündet in eine ausgesprochen praktische Lösung des Problems. Man braucht nicht viel, um alle satt zu kriegen - es bedarf nur des Dankes gegen Gott, und schon hat jede(r) genug. Der Überfluss ist enorm. Schwach ist die Begründung, warum alles eingesammelt wird: diese Mengen könnten die Jünger niemals verzehren, bevor sie verdorben sind. Vielleicht aber wird hier darauf angespielt, dass das Übriggebliebene anderen zugute kommen soll.
    Natürlich spielt hier viel Symbolik hinein. Die Zahl Zwölf symbolisiert die Vollkommenheit des Gottesvolkes. Brot und Fisch sind Elemente, die an die Gemeinschaft des Abendmahls erinnern - auch wenn dort nicht von Fisch die Rede ist, so hat der Fisch doch selbst die symbolische Bedeutung der Gemeinschaft mit dem Herrn. Insofern könnte hier eine Anspielung auf das in der Gemeinde gepflegte Abendmahl zu finden sein, das bei Johannes ja keine direkte Erwähnung findet. Aber dass das nicht alles sein kann, wird schon aus der Menge, die übrig bleibt, deutlich. Beim Abendmahl würde nichts überbleiben.
    So stellt dieses Speisungswunder ein Symbol der überfließenden Gnade Gottes dar. Das, was überbleibt, kann weitergegeben werden - es scheint fast, als ob hier eine Beauftragung der Jünger geschieht, obwohl diese nicht explizit ausgesprochen wird. Der Ursprung dieser Beauftragung könnte dann im Abendmahl gesehen werden, wo die Jünger selbst die Gnade Gottes empfangen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang legt die Assoziation zum Abendmahl nahe. Diese Assoziation wird noch dadurch gestärkt, dass es Johannes offenbar nicht um das Wunder als solches geht. Hier wird nicht Jesu Macht und Herrlichkeit in den Vordergrund gerückt - er selbst entzieht sich dann ja auch dem Wunsch der Menge, König zu werden - sondern sein Handeln an den Menschen, das Ausgießen der Gnade Gottes über die Menschen.Von dort kommend, und die Gnade Gottes im Überfluss empfangend, kann die Gemeinde diese dann weitergeben an andere Menschen, die nicht an der Gemeinschaft des Mahles teilnehmen.
    Die Predigt könnte mit dem Abendmahl selbst verwoben werden. Teile der Abendmahlsliturgie in die Predigt einzubeziehen, dabei auf das Gnadenwirken Gottes hinzuweisen, und die Elemente der Gnade sichtbar zu machen, wäre sicher ein guter Weg, die Predigt im Sinne des Predigttextes zu gestalten. Denkbar wäre, das Abendmahl selbst zur Predigt werden zu lassen.

  • V: Apg 2, 41-47

    folgt später

  • VI: Ex 16, 2-3.11-18

    Die „Fleischtöpfe Ägyptens” sind sprichwörtlich geworden. Das Verlangen, zu den Ursprüngen zurückzukehren, weil man es leid ist, unterwegs zu sein ins Ungewisse, wird so stark, dass man all das vergisst, weswegen man sich erst auf den Weg gemacht hat. Gott reagiert auf das Murren der Israeliten gelassen. Er kennt den Menschen, er weiß, dass ihm die Weitsicht fehlt und die Geduld. Es muss aber dennoch belastend sein, zu wissen, dass diese Menschen ihm nicht vertrauen. Aber als Beweis seiner Liebe und Fürsorge gibt er ihnen, wonach sie verlagen. Fleisch und Brot.
    Sehr interessant ist nun, dass niemand mehr sammeln soll, als er für einen Tag benötigt. Somit wird wieder die Abhängigkeit von Gott im positiven Sinn deutlich gemacht. „Alle eure Sorge werft auf ihn..”. Durch das Gebot, das von Mose ausgesprochen wird (es wird nicht davon berichtet, dass ihm dies von Gott aufgetragen wurde), wird vielleicht doch etwas von der Verletzung, die das Misstrauen des Volkes verursacht hat, deutlich. Man hat das Gefühl, dass Gott sich immer neu ins Gedächtnis rufen will, und er sucht dazu passende Wege. An Gott denkt man bekanntlich meist erst dann, wenn es an die eigene Existenz geht. Genau das ist hier der Fall.
    Darüber hinaus hat diese Rationierung noch eine soziale Funktion: jeder hat genug, keiner hat auf Kosten des anderen mehr als nötig. Dieser Aspekt ist vor allem im Blick auf die zunehmende Globalisierung auf Kosten der ärmeren Länder von besonderer Bedeutung.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist klar: Das Volk Israel nährt sich vom Tisch Gottes, es sitzt am gedeckten Tisch. Dabei würde die Vorstellung vom Schlaraffenland hier sicher nicht passen. Im Gegenteil: Es ist gerade genug auf dem Tisch, dass jeder satt wird. Es bleibt nichts übrig, aber es muss auch niemand hungern.
    Die Predigt sollte diesen Gedanken vertiefen. Der Tisch des Herrn ist ein für alle gedeckter Tisch, wo jeder genug bekommt und keiner benachteiligt wird. Man kann durchaus den Tisch des Herrn mit unserer Welt vergleichen: Was auf dieser Erde wächst und gedeiht, ist eine Gabe Gottes. Entsprechend ist ein gerechter Umgang mit diesen „Lebensmitteln” vonnöten: solange Menschen in dieser Welt an Hunger sterben, während andere stündliche tausende von Euro „verdienen”, ist etwas mit unserer Welt nicht in Ordnung. Man kann sicher überprüfen, was für Prioritäten wir setzen in unserem Leben, und welche dieser Prioritäten das Gleichheitsprinzip, das in diesem Predigttext zutage tritt, verletzen. Denn während damals Gott für den Ausgleich sorgte, sind heute wir dazu aufgefordert. Die Zeiten, in denen Gott uns wie kleine Kinder behandelt, sind vorbei.

  • Marginaltexte: Lk 9, 10-17
    Phil 2, 1-4
    Offb 19, 1-10

    Zu Lk 9, 10-17:
    Diese recht bekannte Geschichte ist voll von Symbolen. Zunächst will ich aber auf einen interessanten Fehler hinweisen: Die Ortsangabe stimmt nicht, denn Jesus zieht sich in die Stadt Betsaida zurück (Vers 10), und dann befinden sie sich plötzlich in der Wüste (Vers 12). Offenbar existiert hier eine ältere Geschichte, die in den Erzählstrang des Lukas eingefügt wurde. Der Hinweis auf die Wüste soll den begründen, warum sie nicht mit HIlfe von Boten Essen holen können - der Weg zu den nächstgelegenen Dörfern und Städten wäre zu weit, sie würden vor Eintreten der Dunkelheit ihr Essen nicht mehr bekommen. So müssen sie selbst gehen, obgleich es sicher besser wäre, wenn sie noch eine Weile zusammen bleiben könnten.
    Interessant ist, dass Jesus die Jünger beauftragt, ihnen Essen zu geben, und auch danach sind die Jünger weiter aktiv: sie sollen die Menschen einteilen in Gruppen zu je fünfzig, und sie sollen das Essen dann austeilen. Jesus vollzieht nur das Dankgebet, das an das Abendmahl erinnert (!) - es ist aber wohl kaum anzunehmen, dass hier eine direkte Parallele zu vermuten ist.
    Wichtig ist sicher, dass die Jünger eine so herausragende Rolle spielen. Sie sind nicht nur Handlanger, sie übernehmen Verantwortung; die Kraft dafür nehmen sie aus der Nähe ihres Herrn, der ihnen die Mittel, die sie brauchen, zur Verfügung stellt. Interagierend sind aber die Jünger mit der Menge - ein Paradigma für die Kirche, die zwar eigenständig, aber nicht unabhängig ihren Dienst an den Menschen versieht.
    Es ist sicher auch wichtig zu erkennen, dass die Menschen, die dort sind, nicht gekommen sind, um satt zu werden im physischen Sinn - sie wollen das lebendige Wort hören, das ihnen auch geschenkt wird. Das Darreichen von Brot und Fisch, zwei wichtigen Symbolen des Neuen Testaments, kann darauf hindeuten, dass hier das Leben selbst gereicht wird, das uns durch Jesus Christus geschenkt wird. An diesem Vorgang haben die Jünger, hat die Kirche teil.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang legt allerdings einen Bezug zum Abendmahl nahe. Das Thema „Am Tisch des Herrn” will ja genau das vermitteln. Und es ist vielleicht auch nicht so verkehrt, denn die Nahrung, die die Menge hier bekommt, ist ja Nahrung, die uns Leben schenkt, und was ist das Abendmahl anderes?
    Man sollte aber bei der Predigt behutsam vorgehen und nicht gleich aufs Abendmahl zusteuern. Zunächst einmal sollte man die Rolle der Jünger deutlich genug hervorheben, denn sie würden allzuleicht untergehen in dem Gedanken, dass alle in der Geschichte durch Jesus eingeladen werden. Nein, sondern Jesus macht seine Jünger, seine Gemeinde darauf aufmerksam, dass hier ein Bedürfnis besteht, dass sie selbst stillen kann. So kann die Predigt eine Ermutigung zur Aktion werden: wo sind Menschen, die das Wort des Lebens brauchen? Wie können wir es ihnen nahebringen?

    Zu Phil 2, 1-4:
    Paulus möchte gerne, dass es friedlich in den Gemeinden zugeht. Darum fordert er dazu auf, dass alle eines Sinnes sind, gleiche Liebe haben, einmütig und einträchtig sind (Vers 2). Dazu tritt der Aufruf, sich dem anderen unterzuordnen. Wenn jeder dies tun würde, wäre die Gemeinde sicherlich das Beispiel perfekter Harmonie, aber... es widerstrebt mir, dieses Ideal hochzuhalten. Es hat wohl seine Berechtigung, wenn sich die Gemeinde in einer Verfolgungssituation bewähren muss, denn Uneinigkeit hätte in dieser Situation sicher fatale Folgen. Aus Neid oder Zorn würde der eine die anderen verraten, und so würde die Gemeinde schnell aufgerieben.
    Offenbar hat es funktioniert, die Gemeinde blieb ja erhalten. Aber als der Aufruf zur Demut zum Dogma erhoben wurde, weil die Bedrohung geschwunden war, erstanden einzelne, die sich diese Demut zunutze machten und sich selbst erhöhten. Es entstand, Verse 3+4 missachtend, eine Hierarchie in der christlichen Gemeinde, die einzelne zu Herren, viele aber zu Untergebenen machte. Und aus diesem Grunde widerstrebt mir dieser Aufruf zur Demut. Wer sich daran hält, wird oft nur ausgenutzt. Er oder sie gibt sich selbst ein Stück weit auf, was zwar in gewissen Situationen durchaus angemessen sein kann, aber oftmals zu einer Verkümmerung des Selbstbewusstseins führt. Immerhin hat uns Gott ja als freie Individuen geschaffen, die in Gemeinschaft miteinander, aber in Freiheit, leben sollen.
    Paulus weiß Gutes über die Gemeinde zu sagen: Ermahnung in Christus, Trost der Liebe, Gemeinschaft des Geistes, herzliche Liebe und Barmherzigkeit, all dies sind Qualitäten, die man oft suchen muss. Dadurch aber zeichnet sich die christliche Gemeinde aus, nicht so sehr durch die Demut, die manchen das Rückgrat gebrochen hat.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang kommt allerdings in diesem Predigttext gar nicht zum Tragen. Wo wird hier das „Brot des Lebens” sichtbar? Vielleicht da, wo Paulus dazu ermahnt, das Wohl des Anderen nie zu vergessen: das Brot des Lebens ist allen zugänglich, nicht nur einer Elite. Es ist jedenfalls das, was die Gemeinde zusammen und am Leben erhält und dazu befähigt, so zu sein, wie sie von Paulus in dieser Perikope dargestellt wird.
    Für die Predigt würde ich vorschlagen, die Qualitäten der Gemeinde, die die Predigt hört, aufzuzeigen. Zugleich aber muss sichtbar werden, woher diese Dinge kommen und wodurch sie erhalten werden. Das Zentrum christlicher Gemeinde ist die Versammlung um das Wort Gottes und das Sakrament des Altars. Von dort kommt die Kraft, der Sinn und Zweck allen Bemühens. Bastelkreise und andere Gruppen können gut auch unabhängig von der christlichen Gemeinde entstehen. Christliche Gruppen unterscheiden sich von solchen Gruppen. Wenn sie es nicht tun, brauchen sie nicht den kirchlichen Raum.



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