das Kirchenjahr

7. Sonntag nach Trinitatis

Am Tisch des Herrn

Predigtbeispiele

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Zu den Perikopen

Predigtvorschläge zu Reihe I - Joh 6, 30-35

Liebe Gemeinde,
Als meine Frau und ich 1987 das erste Mal in Indien landeten, mussten wir natürlich auch Lebensmittel für uns einkaufen. Den ersten Einkauf besorgte ein Freund für uns, und da er wusste, wie gerne Europäer Brot essen, brachte er uns auch eines mit. Unsere Enttäuschung ließen wir natürlich nicht erkennen, als wir das strahlend helle Weißbrot auspackten, aber wir nahmen uns vor, bei unserem ersten eigenen Einkauf „richtiges” Brot zu besorgen. Voller Vorfreude steuerten wir dann auch auf die Bäckerei zu, von der wir bereits erfahren hatten, dass sie so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann, anbieten würde.
Doch als wir dort ankamen, sahen wir in der Auslage nichts weiter als Kuchen, auf die verschiedensten Arten mit Zuckerguss verziert. Meist bestand der Kuchen aus immer dem gleichen, hellem Teig, und unterschied sich wirklich nur durch die Farbe und das Design des Zuckergusses. Manchmal war der Teig auch dunkler, aber man erkannte, dass das nicht etwa durch Kakao oder dunkleres Mehl verursacht war, sondern einzig und allein durch irgendeinen Farbstoff, den man dem Mehl beigemischt hatte.
Die schon fast zaghafte Frage nach „braunem Brot” wurde dann natürlich auch abschlägig beantwortet. Die einzige Sorte Brot, die es zu kaufen gab und die auch frisch zubereitet wurde, war Amerikanisches Sandwich Brot.
Da merkten wir erst, dass der Begriff „Brot” ganz unterschiedliche Bedeutung haben kann. Für Inder ist das Weißbrot nicht gerade ein Leib- und Magengericht, sie haben viele andere Speisen, die sie aus den zur Verfügung stehenden Nahrungsmitteln zubereiten und dann morgens oder abends essen. Reis steht auf ihrem täglichen Speiseplan, und das, was man vielleicht als Brot bezeichnen kann, ähnelt mehr einem Fladenbrot.
Für uns hatte Brot, also das Brot, das es hier beim Bäcker zu kaufen gibt, immer wenigstens zum Abendbrot gehört, und dass es dann mindestens zwei verschiedene Sorten auf dem Tisch gab, verstand sich eigentlich von selbst.
Ich glaube, ich vertue mich nicht, wenn ich behaupte, dass es in Deutschland die größte Brotvielfalt überhaupt gibt. Vom normalen Graubrot über Weißbrot bis hin zum herzhaften Vollkornbrot, gibt es in allen möglichen Variationen sicherlich mehrere tausend verschiedene Brotsorten, die Brötchenarten noch gar nicht mal mitgezählt.
Diese Vielfalt hat wohl hauptsächlich mit dem Versuch, den Umsatz zu steigern, zu tun. Ich glaube aber, dass unser Predigttext dabei durchaus auch eine Rolle spielt.
Denn durch unseren Predigttext erhält Brot eine ganz besondere Bedeutung. Nicht nur, dass es als tägliche Nahrung immer vor Augen ist, sondern auch und gerade, dass Gott dabei seine Hand im Spiel hat, gibt dem Brot einen besonderen Stellenwert. Vielleicht hat es sich darum bis heute als unser Standard-Nahrungsmittel erhalten. Brot als Lebensspender - das ist ja schon ein erheblicher Anspruch, aber wahr! Manche Brotsorten sind so nahrhaft, dass man kaum noch etwas dazu essen muss, um die nötigen Nahrungsstoffeaufzunehmen.
Der Predigttext aber führt uns viel weiter in die Welt des Brotes hinein. Das Brot wird zum Symbol, zum Zeichen.
Da sind zunächst all die Menschen, die sich für Jesus interessieren. Sie haben von dem sonderbaren Mann gehört, der Wasser in Wein verwandelt und der Tausende gespeist hatte. Sie hatten davon gehört, dass er Kranke wieder gesund gemacht hatte, einen sogar, ohne ihn gesehen oder berührt zu haben. Aber das alles reicht ihnen nicht. Man weiß ja, wie schnell solche Berichte aufgebauscht werden können, man neigt ja doch zur Übertreibung, und was kann man dann schon glauben von dem, was man am Ende hört?
Sie wollen es selbst sehen, sie wollen es erfahren, dass dieser ein besonderer, von Gott begabter Mensch ist. Darum fordern sie ihn auf, ein Zeichen zu geben, so wie es Mose gegeben hat.
Doch Jesus ist schon mit der Art, wie sie ihre Forderung begründen, nicht zufrieden. Mose hat ja nur im Auftrag Gottes gehandelt. Alles, was er tat, hatte er Gott zu verdanken und kam von Gott. Nichts kam aus ihm selber.
Wie schnell vergisst man, dass sich Mose, als er von Gott berufen wurde, am liebsten aus diesem Auftrag heraus gemogelt hätte. Er hatte weder Lust noch den Mut dazu gehabt, das zu tun, wozu Gott ihn auserwählt hatte. Doch Gott hatte durch Mose gewirkt, und so war Mose zu dem großen Führer geworden, den das Volk nun zum Vorbild nahm.
Die Menschen, die Jesus bedrängen, wollen etwas ähnliches sehen: sie wollen Gewissheit, dass er sie ernähren, dass er ihnen eine sichere Zukunft bieten kann.
Das Manna war nur gut für einen Tag. Tagtäglich waren die Israeliten auf ihrem Zug durch Ägypten auf die Gnade Gottes angewiesen, konnten es nicht als selbstverständlich hinnehmen, dass sie am nächsten Tag zu essen haben würden.
Genau dieses Problem nimmt Jesus auf. Im Grunde sagt er nichts anderes als: das Manna war von der Erde. Es war kein Brot vom Himmel. Denn es verging, es wurde stinkend und madig, schon am nächsten Tag. Das Brot, das vom Himmel kommt, ist noch anders.
Wie selbstverständlich redet Jesus dabei von Gott als seinem Vater, und es scheint die Menschen gar nicht zu stören. „Gib uns solches Brot”, bitten sie. Gib uns Brot, das Leben erhält, für immer!
Noch immer denken sie daran, dass er Brot austeilen würde, das ihren Hunger für immer stillen würde.
Erst mit seinem letzten Satz in unserem Predigttext gibt Jesus dem Brot eine ganz neue Bedeutung: „Ich bin das Brot des Lebens”, sagt er. „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.”
Jesus setzt sich mit dem Brot gleich, er hebt das Brot des Lebens damit ab von dem Brot, das wir im Bäckerladen kaufen können. So lecker es auch schmecken mag, es ist nicht das Brot, das vom Himmel kommt.
Das Brot des Lebens: es ist dauerhaft, es hält an, es kann nicht zerkaut werden und irgendwann zu Ende gehen. Das Brot des Lebens reicht immer, egal, wie viele Menschen davon essen wollen. Und es macht satt - nicht so, dass man träge wird, sondern so, dass man keinen Hunger mehr verspürt.
Jesus hat seinen Zuhörern damit erstmal wieder ein Rätsel aufgegeben. Sie konnten es sich nicht so recht vorstellen, was er da sagte. Wie kann er Brot des Lebens, das vom Himmel kommt, sein? Vielleicht wirkte er auf sie mehr wie einer, dessen Verstand nicht mehr ganz richtig tickt. Sie konnten ja nicht wissen, was wir wissen: dass Jesus der Christus ist, der den Tod besiegt und uns die Tür zur Ewigkeit aufschließt.
Für uns ist klar: Jesus redet in diesem Abschnitt vom geistlichen Hunger. Und er macht deutlich, dass es letztlich nur darauf ankommt, dass man seiner Seele die nötige Nahrung gibt, die sie am Leben erhält und ihr Kraft und Ausdauer verleiht. Dazu braucht man nicht mehr als dieses Brot des Lebens. Wenn man das hat, wird alles andere zur Nebensache.
Es ist klar: natürlich muss man auch für das leibliche Wohl sorgen. Aber wenn man einmal versucht, eine längere Zeit auf Nahrung zu verzichten, dann spürt man, wie man frei wird für das Wesentliche, Wichtige im Leben. Plötzlich hat man Zeit - man kann zur Ruhe kommen und auf Gott hören, der sich viel lieber in der Stille hören lässt als in dem Lärm und der Hektik unserer Welt.
Das Brot des Lebens: es stillt den Hunger der Seele. In der Feier des Abendmahls essen wir Brot, aber es ist geschmacklos, denn es soll nicht dem Gaumen schmecken. Was wir dort zu uns nehmen, das ist für die Seele bestimmt. Das ist das Brot des Lebens, das ist Jesus Christus.
Wenn wir so die Nähe Jesu suchen, dann werden die anderen Dinge unbedeutend, die uns sonst belasten. Die Sorgen des Alltags sind zwar noch da, aber wir können anders, entspannter mit ihnen umgehen. Wir müssen nicht auf Biegen und Brechen dies oder jenes erreichen. Unser Leben hängt nicht mehr von Äußerlichkeiten ab, weil wir erkennen, dass das Wesentliche bereits vollendet ist. Denn: „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.”, sagt Jesus.
Stattdessen können wir uns ohne hochstrebende Erwartungen unserer Umwelt zuwenden. Wir erkennen die Not unserer Mitmenschen und können Ihnen helfen, die Not zu überwinden. Wir können sie einladen, selbst vom Brot des Lebens zu kosten.
Doch nun zurück nach Indien, für einen kurzen Augenblick: wir hatten also das köstliche Brot nicht mehr, das wir in Deutschland so selbstverständlich genossen hatten. Wir haben schnell gemerkt, dass man es nicht zum Leben braucht, und schon gar nicht zum Überleben.
Viel wichtiger wurde uns die Gemeinschaft mit den anderen Christen, die dort lebten und mit denen wir unsere Erfahrungen teilen konnten. Die selbstverständliche Art und Weise, in der dort der Glaube zum Ausdruck gebracht wurde, hat uns durch schwere Zeiten hindurch getragen. Das himmlische Brot gab es natürlich auch dort zu essen, denn es ist überall da, wo sich die christliche Gemeinde versammelt. Und so haben wir immer die Kraft bekommen, die wir für unsere Arbeit brauchten.
Und so geht es überall, in jeder christlichen Gemeinde.
Nun sind wir hier in Wolfenbüttel angekommen, vor wenigen Tagen umgezogen, aber noch nicht ganz eingezogen. Es gibt viel zu entdecken, und wir freuen uns darauf. Am wichtigsten ist aber, dass wir auch hier zu einer Gemeinde Christi gehören, die das Brot des Lebens untereinander teilt und daraus ihre Kraft gewinnt. Was ich dazu beitragen kann, das will ich tun. Was daraus wird: das liegt in Gottes Hand. Dass wir nicht aufhören, darauf zu vertrauen, das wünsche ich uns allen, und das soll auch unser Gebet sein.
Amen

oder:

Liebe Gemeinde,
Ein Zeichen! Nur ein kleines, aber dafür deutliches Zeichen! Dann wird das alles wenigstens handfest, greifbar. Wie anders könnte die Welt aussehen, wenn es solch ein Zeichen gäbe.
Dabei hatte es gerade erst ein solch handfestes, greifbares Zeichen gegeben. Wir haben davon in der Evangeliumslesung gehört: fünf tausend Menschen waren von fünf Broten und zwei Fischen satt geworden.
Aber genau dieses Zeichen hatte die Menschen erst einmal nur verunsichert. Denn sehr wahrscheinlich hatten nicht alle mitbekommen, woher nun das Brot und die Fische gekommen waren. Sie hörten nur, dass Jesus ein Wunder vollbracht hätte. Und das reicht eben nicht, so ein Hörensagen.
Sie wollten mehr. Ein Zeichen. Noch ein Zeichen. Ein Zeichen, das alle sehen können. Das glaubhaft macht, was er ihnen gesagt hatte.
Am nächsten Tag hatten sie ihn erst suchen müssen. Er war nicht mehr an dem Ort, wo er am Tag zuvor gepredigt und die 5000 gespeist hatte. Als sie ihn schließlich an der anderen Seite des Sees fanden, fragten sie ihn, wie er dorthin gekommen sei. Aber Jesus antwortete nicht auf diese Frage, sondern auf eine andere, die niemand gestellt hat: warum suchten sie Jesus?
Denn das ist eigentlich die Frage, um die es geht. Wenn Jesus nicht in irgendeiner Weise außergewöhnlich gewesen wäre, hätten sie ihn auch nicht gesucht. Wanderprediger hat es damals viele gegeben. Was hob Jesus von ihnen ab? Was machte ihn besonders? Warum also suchten sie ihn?
Jesus gibt auf diese Frage Antwort, obwohl diese Antwort ja eigentlich die Menschen selbst geben müssten: sie sind satt geworden. Jesus hatte ihnen für einen Tag lang die Sorgen genommen. Darum sind sie nun hier und bedrängen ihn aufs Neue.
Jesus ist mit dieser Antwort aber nicht zufrieden. Der Beweggrund, warum die Menschen ihn suchen und zu ihm kommen, ist zu oberflächlich. Den ganzen Tag lang hatte er gepredigt und ihnen den Willen Gottes dargelegt. Und sie kamen nur wegen dieses Zeichens.
Warum wollten sie es nicht verstehen? „Schafft euch Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die bleibt zum ewigen Leben. Die wird euch der Menschensohn geben; denn auf dem ist das Siegel Gottes des Vaters.“ (Joh 6, 27) Mit diesen Worten forderte er sie auf, noch einmal nachzudenken über das, was hier vor sich ging.
Die Menschen, die ihn gefunden hatten, dürften ziemlich verdutzt gewesen sein. Was ist das für eine merkwürdige Antwort. Was ist das für eine merkwürdige Rede! Speise, die nicht vergänglich ist – so etwas gibt es doch nicht. Höchstens das Manna – aber das hielt ja nur einen einzigen Tag. Die Unvergänglichkeit des Manna ergibt sich daraus, dass es eine Gabe Gottes ist. Gott gibt – immer genug, damit alle satt werden können. Aber auch nicht mehr.
Das Manna war Brot vom Himmel – aber seit sie sesshaft geworden waren, gab es diese himmlische Speise nicht mehr. Wie also kam Jesus dazu, auf dieses Manna hinzuweisen?
Jesus beeindruckte die Menschen. Seine manchmal rätselhaften Worte erschlossen sich ihnen nur langsam, und manchmal verschlossen sich ihnen die Menschen. So auch jetzt.
Denn Jesus wagte einen Gedankensprung. In gewisser Weise stellte er an sie eine neue Frage: erkennt ihr mich denn nicht? Seht ihr nicht, wer ich bin? Und dann redete er plötzlich ganz offen von seinem Vater im Himmel.
Das wollten sie nicht hören. Das ging etwas zu weit. Ein Prophet, ja, aber Sohn Gottes – das geht nicht.
Der Menschensohn – damit konnten sie damals schon etwas anfangen. Das ist der Mensch, der Gottes Heil sichtbar und erfahrbar macht. Der die Welt wieder nach Gottes Plan ausrichtet und richtet. Aber er ist nicht Gottessohn, sondern, eben, Menschensohn.
„Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben?“ so fragten sie ihn. Sie wollten es wissen: ist er der Menschensohn? Denn auf mehr wollten und konnten sie sich nicht einlassen.
Aber Jesus bejahte nicht nur diese Frage, sondern er wollte ihnen den Schleier von den Augen reißen. Ich bin der Sohn Gottes! Seht es doch endlich! Ich gebe euch das himmlische Brot, das der Welt das Leben gibt.
Dieses Brot: wer will es eigentlich nicht haben? Vielleicht diejenigen, die Tag für Tag satt werden und den Vorratskeller voll haben. Vielleicht diejenigen, die, sobald sie Hunger verspüren, hingehen und sich etwas zu essen holen können. Menschen, die den Hunger im Grunde gar nicht mehr kennen. Die können mit dem Brot des Lebens wohl auch nicht so viel anfangen.
Aber damals kannte man Hunger. Nahezu jeder Mensch hatte schon einmal erfahren, was es bedeutete, zu hungern. Und in vielen Teilen der Erde kennt man Hunger auch heute.
Die schrecklichen Bilder aus Ostafrika zeigen uns erneut, in was für einer grausamen Welt wir leben: wenige Flugstunden von uns entfernt verhungern täglich tausende Menschen, obwohl wir Essen im Überfluss haben. Ein Drittel der produzierten Lebensmittel wird in Europa wieder weggeworfen. Es würde genügen, um alle verhungernden Menschen satt zu machen.
Obwohl diese Hungerkatastrophe doch eigentlich recht nah ist, scheinen uns die verhungernden Menschen unendlich weit entfernt.
Brot des Lebens. Lebensbrot. Brot, das für immer sättigt. Brot, das nicht vergeht. Die Menschen wollten es natürlich haben, denn sie kannten den Hunger. Und da sagt Jesus diese Worte: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ (Joh 6, 35)
„Was tust du für ein Zeichen?“ War die anfängliche Frage unseres Predigttextes. Diese Frage geht ins Leere. Denn das Zeichen ist längst schon geschehen. Es ist da, sichtbar vor uns auf dem Tisch des Herrn. Das Brot des Lebens.
Menschen haben es weiter gegeben, von Generation zu Generation. Und wir haben es vor Augen, jedes Mal, wenn wir in der Gemeinschaft des Mahles am Tisch des Herrn zusammen kommen.
Brot des Lebens! Brot, das nicht vergeht, das allen Hunger stillt.
Aber wir wissen auch: von so einer Oblate wird man nicht satt. Jesus sprach vom Hunger der Seele, und die Reaktion der Menschen damals zeigte nur, dass sie ihn noch immer nicht verstanden hatten. Es geht um mehr als darum, sich den Bauch zu füllen. Es geht um das Leben schlechthin. Es geht darum, dass dieses Leben einen Sinn bekommt, der über das Geborenwerden und Sterben hinausgeht.
Gott nimmt uns an als seine Kinder. Im Wochenspruch haben wir es gehört: Wir sind nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen! Wir sitzen mit am Tisch Gottes!
Und wer hier seinen Platz gefunden hat, sieht die Not der Welt auch mit anderen Augen. Denn Menschen, die sich am Tisch des Herrn versammeln, können teilen. Sie sind bereit, zu helfen, wo es nötig ist. Sie horten nicht, sie sammeln nicht in Scheunen, sondern sie geben von dem, was sie im Überfluss haben, ja eigentlich noch mehr: sie teilen alles, was sie haben.
Indem wir bereit sind, unseren Mitmenschen zu helfen, machen wir deutlich, dass wir das Brot des Lebens bereits haben.
Wir sind Kinder Gottes, die sich auf seine Fürsorge und Hilfe immer verlassen können. Möge uns dies jeden Tag aufs Neue bewusst sein.
Amen


Liedvorschläge zur Predigt:
Herr Jesu Christ, du höchstes Gut (EG 219)
Im Frieden dein, o Herre mein (EG 222)
Wir danken dir, Herr Jesu Christ (EG 462)
Das Weizenkorn muss sterben (KHW-/HN-EG 579)
Jesus Brot, Jesus Wein (KHW-/HN-EG 581)
Er ruft die vielen her (KHW-/HN-EG 583)


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Predigtvorschläge zu Reihe III - 1. Kön 17, 1-16

Liebe Gemeinde,
Der Prophet Elias ist uns vertraut. Wenn wir an ihn denken, dann haben wir einen wortgewaltigen, beeindruckenden Mann vor Augen, der sich durch nichts erschüttern lässt. Gott ist mit ihm. Und damit klar ist, welcher Gott gemeint ist in einer Welt, in der jedes Volk andere Götter verehrt, wird dies in seinem Namen zum Ausdruck gebracht: mein Gott ist Jahwe, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der lebendige Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat.
Er tritt den Kampf an gegen den Baal, dem fast das ganze Volk Israel nachläuft, vor allem aber die regierende Oberschicht. Das ist natürlich eine besondere Herausforderung, denn dadurch hat er alle gegen sich, niemand ist da, der sich auf seine Seite stellt.
Alles beginnt mit der Ankündigung der Dürre, die als Strafe Gottes zu verstehen ist für die Abgötterei, die das Volk Israel treibt. Wie schön ist es für die Mächtigen des Landes, wenn sie einen Sündenbock haben, auf den sie alle Schuld abwälzen können. So war es schon damals, und so ist es auch heute – im Großen wie im Kleinen. Gut, wenn man die Schuld auf andere schieben kann.
Elia hat's gesagt, also ist er Schuld an unserem Elend! So verlautet es von offizieller Seite. Und so hört es auch das Volk.
Und es mag ja wirklich so erscheinen, wenn man sich die Ankündigung der Dürre genau betrachtet: „So wahr der Herr, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe: es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.“
Offenbar hängt alles von Elia ab. Wenn er sagt, dass es wieder regnen soll, so wird es regnen, und just mit diesem Wort hat er gesagt, dass es nicht mehr regnen wird.
Vielleicht war das ungeschickt von ihm, aber andererseits zeichnet ja gerade dieses Selbstbewusstsein den Propheten aus. Es ist ein Selbstbewusstsein, das ganz von Gott her seine Stärke und Kraft bezieht. Elia weiß, dass er ein Prophet Gottes ist, von Gott gesandt, und so kann er auch sagen, dass auf sein Wort hin Gott sowohl die Dürre als auch den Regen kommen lässt. Denn er kann sich darauf verlassen, dass Gott ihm zur rechten Zeit sagen wird, was er tun soll.
Aber, eben, es ist doch ungeschickt, denn nun hat er alle gegen sich – mit Ausnahme von Gott. Der wendet sich ihm zu und weist ihn zu einem Bach, an dem er genug zu trinken und zu essen haben wird – auch in der Dürre. Zugleich ist es ein Zufluchtsort vor den Verfolgern, denn wo sollte er noch wohnen können? Sobald er gesehen wurde, hoben die Menschen Steine auf, um ihn zu steinigen.
So geht Elia dorthin, an einen Ort in der Wüste, wo trotz allem ein Bach fließt. Der Prophet ist ganz allein, abgeschieden von allen Menschen. Wie oft mag er sich in dieser Einsamkeit gefragt haben, ob seine Worte irgendeine Veränderung in den Menschen hervorgerufen haben? Und wie oft mag er in den Geräuschen, die die Wüste von sich gibt, seine Verfolger gehört haben?
Doch er ist sicher, niemand verfolgt ihn. Aber es ändert sich auch nichts im Volk Israel. Schließlich ist er ja der Sündenbock, auf den man alles schieben kann. Die Menschen in Israel brauchen sich nicht zu ändern.
Doch dann versiegt der Bach. Wenn Gott eine Dürre kommen lässt, dann kann es keine Ausnahme geben, auch nicht für den großen Propheten. Aber wieder hilft Gott. Er lässt die, die seine Gebote halten, nicht allein.
„Geh nach Zarpat“, heißt es, und er geht. Eine Witwe soll ihn versorgen. Eine Witwe mit einem Kind, die genauso unter der Hungersnot leidet wie alle anderen auch. Es gibt keine Ausnahme.
Und im Grunde leidet sie ja mehr als die anderen, denn Witwen hatten es damals nicht leicht. Sie hatten oft keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, weswegen viele von ihnen betteln mussten und von den Almosen anderer abhängig waren.
Elia begegnet dieser Witwe, die Gott auserwählt hatte, und bittet um Wasser. Wasser! Das kostbarste Gut in dieser Zeit. Das wenige, das sie von irgendwoher gesammelt hatte, sollte sie nun noch mit einem Fremden teilen.
Doch nicht genug damit: dieser Fremde, der Prophet Elia, ruft hinter ihr her: Gib mir auch zu essen!
Als ob es davon die Fülle gäbe! Nun, die Gastfreundschaft gebietet es, das Erbetene auch zu geben, und doch: sie hat einen Sohn, ein Kind noch, und nicht genug, weder zu trinken noch zu essen, für ihn und sich selbst. Und das wenige noch teilen? Vom Mangel noch abgeben?
Mutig schildert sie ihre Lage, wohl in der Hoffnung, dass Elia seine Bitte um Wasser und Brot zurücknehmen würde, und setzt dann doch schon einen Schlussstrich für sich selbst und ihren Sohn: „... wir essen – und sterben.“
Es war das letzte Mal, dass sie Nahrung und Wasser gesucht hatte, es war kaum mehr was zu finden gewesen. Ein weiteres Mal würde vergeblich sein.
Doch da erklingen die Worte des Propheten wieder: Fürchte dich nicht! Habe keine Angst, Gott ist da, er wird dich, deinen Sohn und auch mich versorgen. Denn das ist sein Wille. Es wird immer genug da sein. Mach nur zuerst mir etwas. ----
Was, wenn sie gezweifelt hätte? Was, wenn sie gesagt hätte: nein, ich will erst, dass mein Kind satt wird, und dann sollst Du etwas zu essen bekommen?
Was veranlasst sie, so zu handeln, wie sie es tat? War es das Gebot der Gastfreundschaft? War es eine Ahnung, dass dieser ein Prophet, ein Mann Gottes, des Allerhöchsten, war? Vertraute sie etwa dem Gott dieses Mannes mehr als dem Gott, der von ihrem Volk verehrt wurde? Oder hatte sie schlicht ihren Glauben an eine Rettung aufgegeben, und darum nicht mehr das Bedürfnis, das Ende wenigstens um einen Tag weiter hinaus zu zögern?
Sie tat, wie Elias ihr gesagt hatte, und fand das Wort des Propheten bestätigt: Tag um Tag hatten sie genug zu essen, nichts fehlte ihnen.
Gott sorgt, er kümmert sich um die, die ihm dienen. Es ist eine wunderbare Erfahrung, die heute viel zu wenige Menschen machen.
Es fällt uns schwer, in einer Welt, die nach allen Seiten hin materiell abgesichert ist, diese unmittelbare Abhängigkeit von Gott noch nach zu empfinden. Es ist ja alles da.
Uns fehlt die Erfahrung des Mangels. Nur ältere Menschen erinnern sich noch daran, an die Kriegs- und die Nachkriegsjahre. Brauchen wir wieder solch eine Not, um uns zu erinnern, welch große Wunder Gott tun kann?
Eine andere Möglichkeit wäre, den Blick zu schärfen für die Menschen, die in solch einer Not leben. Denn es gibt sehr viele Menschen, die wissen, was Mangel ist, die es Tag für Tag an ihrem eigenen Leib erleben.
Täglich verhungern tausende von Menschen, während wir vom Überfluss leben. Gott will das nicht. Er will, dass alle Menschen leben – und dazu können auch wir einen guten Teil beitragen.
So öffne er unsere Augen – damit wir die Not der Menschen in der Welt sehen – und gebe uns ein offenes Herz, damit wir mithelfen, Gottes Güte sichbar werden zu lassen in dieser unserer Welt.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Jesus lebt, mit ihm auch ich (EG 115)
Der Herr ist mein getreuer Hirt (EG 274)
Singet dem Herrn ein neues Lied (EG 287)
Auf meinen lieben Gott (EG 345)
Befiehl du deine Wege (EG 361)
Wer nur den lieben Gott lässt walten (EG 369)
Was Gott tut, das ist wohlgetan (EG 372)
Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen (EG 518)


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Predigtvorschläge zu Reihe V - Apg 2, 41-47

Liebe Gemeinde!
Solche Texte aus der Apostelgeschichte, wie wir einen vorhin als Epistellesung gehört haben, kann man auf verschiedene Weise betrachten.
Manche werden sagen: das sind ja alles tolle Geschichten, aber sie sind sicher übertrieben. Man hat da Idealvorstellungen hinein gepackt. Man hat die Anfänge so beschrieben, wie man sie gerne hätte, aber nicht so, wie sie tatsächlich waren.
Andere werden mit Wehmut darauf schauen und sagen: Ach, wenn doch wir heute auch solche Gemeinde sein könnten, wie sie damals gewesen ist. Eine Gemeinde, in der die Menschen füreinander da sind und ihren Glauben frei und offen bekennen.
Wenn man diese beiden Positionen betrachtet, merkt man schon, dass es überhaupt schwierig ist, mit diesen Erzählungen aus den Anfängen der Christenheit umzugehen. Denn sie berichten aus einer Zeit, die fast 2000 Jahre zurück liegt. Reiht man Menschenleben aneinander und setzt voraus, dass jedes Menschenleben 70 Jahre dauert, dann wären es immerhin schon fast 29 Menschenleben – und keiner wüsste vom anderen. Zählt man Generationen, die einander auch berichten können und weitergeben, was ihnen gesagt wurde, dann käme man schon auf rd. 67. Das hört sich gar nicht so viel an, aber es ist schon eine lange Zeit, und es sind viele Köpfe, durch die das, was der 67. dann weiter gibt, zuvor gegangen ist.
Von Augenzeugenberichten kann man da also nicht mehr reden.
Nun wurde die Apostelgeschichte natürlich viel früher aufgeschrieben, aber auch da liegt in etwa eine Generation dazwischen, und sicher hatte Lukas beim Schreiben nicht alles ganz getreu wiedergeben können.
Von uns kann jedenfalls niemand genau sagen, was von dem, was Lukas aufgeschrieben hat, tatsächlich der Realität entspricht und ob er vielleicht sogar etwas dazu erfunden hat.
Man kann auch fragen, warum dieses aufgeschrieben wurde und jenes nicht – denn ich bin sicher, dass vieles von dem, was sich damals ereignete, keinen Widerhall gefunden hat in den Schriften der Bibel. Es wäre sicher spannend, auch davon zu erfahren.
Aber es ist müßig und wenig hilfreich, darüber nachzudenken.
Wenn wir die Bibel lesen, dann sollten wir uns ohnehin nicht von solchen Fragen beeinflussen oder gar leiten lassen. Denn die Bibel ist ein Zeugnis des Glaubens. Und darum eröffnen sich uns die Worte der Bibel erst, wenn wir Gott darum bitten, dass er uns durch seinen Geist leitet. Denn der Geist ist es, der Glauben schenkt. Er ist es, der uns hilft, den Glauben bzw. die Zeugnisse des Glaubens zu verstehen.
So war es auch damals: es war ja das Pfingstfest. Gerade erst hatten die Jünger den Geist Gottes empfangen, der ihnen gewissermaßen die Augen auftat und den Glauben schenkte, der die Welt veränderte. Da berichtet uns Lukas das Folgende:
Die nun die Worte des Petrus annahmen, ließen sich taufen; und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen.
Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber Furcht über alle Seelen, und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nach dem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden. (Apg 2, 41-47)
Es begann alles recht einfach – ohne Landeskirchenamt, ohne Kirchensteuer, ohne Eintragung der Religionszugehörigkeit im Melderegister. Es gab auch nicht mehrere Konfessionen, sondern eigentlich verstanden sich die Christen nach wie vor als Juden, was wir auch daran erkennen, dass gesagt wird: „Sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel.“ Gemeint ist natürlich der Tempel in Jerusalem.
Sie nahmen am Gottesdienst des jüdischen Volkes teil, und es gab nur eines, was sie von den übrigen Juden unterschied: sie glaubten, dass Jesus der Christus ist, der Messias. Genau dieser Glaube ist es, der durch den Heiligen Geist gewirkt wird und nicht durch den Verstand, weswegen es dann auch später durchaus zu Anfeindungen und Trennungen kam – denn nicht alle öffneten sich für das Wirken des Geistes Gottes.
Aber es wird deutlich gesagt: sie fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. (Apg 2, 47a) Sie waren beliebt, weil sie niemanden anfeindeten, weil sie sich nicht absonderten, sondern offen waren für die Anliegen eines jeden Menschen und sich allen in Liebe zuwendeten.
Es ist schon beeindruckend: Am ersten Tag wurden 3000 Menschen zur Gemeinde hinzugefügt. Was bedeutet das? Es ging kein Taufunterricht voraus, sondern es genügte das schlichte Bekenntnis: ich glaube an Jesus als den Messias. Ich will getauft werden.
Kann es wirklich so einfach sein? Ich glaube schon. Das Entscheidende ist: nicht Menschen kontrollieren, wer zur christlichen Gemeinde gehört, sondern Gott selbst. Er ist Richter, er allein, er prüft die Herzen. Darauf verließ man sich damals.
Ob der Glaube Bestand hatte, zeigte sich in der Art und Weise, wie man sich zur Gemeinde verhielt. Denn zum christlichen Glauben gehört auch die Gemeinde. Das wird deutlich in den Worten: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ Dieser eine Satz fasst zusammen, wie sich Christsein äußerlich sichtbar zeigt.
Er bedeutet mit anderen Worten:
Sie hörten die Predigt, sie ließen sich von Jesus erzählen und von den Propheten, die auf das Wirken Jesu hindeuteten.
Sie achteten aufeinander, halfen einander, hörten aufeinander, suchten gemeinsam Wege für die Zukunft. Niemand handelte allein, nur für sich. Weil man sich als Gemeinschaft verstand, die füreinander da war, hatten auch alle Entscheidungen Konsequenzen für die Gemeinschaft und wurden darum auch gemeinsam gefällt.
Sie feierten gemeinsam das Heilige Abendmahl, regelmäßig, ja, sogar jeden Tag, immer in den Abendstunden, wobei sie da auch an die Armen dachten und für sie zusätzliches Essen mitbrachten.
Sie kamen regelmäßig zum Gebet zusammen. Die Gebetsgemeinschaft ist eine Form, die wir in den Gottesdiensten ansatzweise noch üben, aber damals war die ganze Gemeinde zum Gebet aufgerufen – nicht mit vorformulierten Gebeten, sondern frei, und wem ein Gebetsanliegen einfiel, der trug es als Gebet vor.
Man kann auch sagen: sie feierten Gottesdienst, Tag für Tag, denn all das sind Elemente des Gottesdienstes, die wir da wiederfinden.
Wir sind also gar nicht so weit entfernt von den Christen der ersten Stunde, und doch gibt es einen gravierenden Unterschied: Wir erleben die Gemeinschaft nicht auf die Weise, wie es die Christen damals erlebten.
Das hat sicher auch damit zu tun, dass es damals immer auch eine Diaspora-Situation war. D.h., die Christen waren in der Minderheit. Die Gemeinschaft untereinander gab einem ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit, die in solch einer Situation durchaus nötig und hilfreich ist. Meine Frau und ich haben das ganz deutlich in Indien erfahren, wo wir als Christen plötzlich auch zur Minderheit gehörten.
Da war die christliche Gemeinde ein Halt, eine Stütze. Man wusste voneinander. Man sprach nicht von „Kerngemeinde“ und dann all den anderen, die höchstens an Heiligabend mal in die Kirche kommen und ansonsten nirgends im Gemeindeleben vorkommen.
Miteinander Gottesdienst zu feiern, dazu noch heute mit einer Taufe, lässt uns spüren, was es bedeutet, Gemeinde Jesu Christi zu sein.
Was wir hier erleben, prägt dann auch unseren Alltag. Die Liebe Gottes wird spürbar, wenn wir miteinander singen und füreinander beten.
Und das können wir durchaus auch in unseren Häusern, in den Familien, mit den Nachbarn und Freunden. Denn das ist es, was gemeint ist, wenn es heißt: „hier und dort in den Häusern“ (Apg 2, 46).
Es ist schon so: Christsein wird in der Gemeinschaft am besten erfahrbar. Denn die christliche Gemeinde ist geprägt von der Bereitschaft, einander zu vergeben, so wie Gott uns durch Jesus Christus vergeben hat. Und das geht nur in Gemeinschaft und nicht, wenn man sich zurückzieht und den Glauben zur Privatsache erklärt.
So ist es gut, wenn wir uns auch darum bemühen, ein offenes Herz für unsere Mitmenschen zu haben, unsere Nachbarn links und rechts und über und unter uns, die Menschen, denen wir auf unseren Wegen begegnen, auch denen, die uns fremd sind.
Ich denke da auch an die Flüchtlinge, die schon fast zum Stadtbild gehören. Lassen wir nicht zu, dass das Verhältnis zu ihnen durch Vorurteile getrübt wird, sondern gehen wir auf sie zu und zeigen ihnen, dass sie willkommen sind, dass sie hier ein Zuhause finden können.
Als Christen sind wir zur Gastfreundschaft gerufen. Es ist einer der wesentliche Grundzüge christlicher Existenz.
Denn wir sind Kinder Gottes, Mitbürger der Heiligen und seine Hausgenossen. (Eph 2, 19) Wir genießen die Gastfreundschaft Gottes. Und das gibt uns die Freiheit, allen Menschen in Liebe zu begegnen, so wie Gott uns durch Jesus Christus in Liebe entgegen gekommen ist.
Amen
oder
Liebe Gemeinde!
Die Apostelgeschichte ist ein unglaubliches Zeugnis des Lebens der ersten Christen. Wir blicken gewissermaßen in die Kinderstube der Christenheit. Der Evangelist Lukas beschreibt uns, wie die Gemeinde entstand und wie sich das Evangelium ausbreitete.
„Bis an die Enden der Erde“ - so lautete der Titel einer Einführung in die Apostelgeschichte, die in den 70er Jahren veröffentlicht wurde.
Fairerweise muss man dazu sagen, dass auch der Evangelist Lukas in die Vergangenheit blickte, als er die Apostelgeschichte niederschrieb. D.h. er hat die Dinge, die er beschreibt, nicht persönlich erlebt. Aber es ist durchaus anzunehmen, dass er Kontakt zu den Aposteln und anderen Christen der ersten Generation hatte, die ihm von den Anfängen berichteten. Diese sind sicher zur Grundlage seiner Apostelgeschichte geworden.
Es geschieht leider immer häufiger, dass die Beschreibung der Lebensverhältnisse der ersten Christen durch Exegeten in Zweifel gezogen wird. Es sei, so sagt man, doch wohl eher die Beschreibung einer Idealsituation als die Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse.
Man kann sich nicht vorstellen, dass die Gemeinde tatsächlich so gelebt haben könne. Und daraus ergibt sich dann natürlich auch die Behauptung, dass ein solches Leben in unserer Zeit unmöglich sei, weil man in einer industrialisierten Welt so einfach nicht mehr leben kann.
Dabei, so wage ich zu behaupten, kann christliche Kirche eigentlich nur dann christliche Kirche sein, wenn sie zu diesen Urständen zurückkehren würde. Selbst wenn es sich um eine Idealisierung handelt: genau dieses Ideal ist es doch, dem die Christenheit nach dem Willen unseres Herrn nacheifern soll.
„Verherrlichte und ausgeschmückte Geschichte“ – so könnte man, wollte man der Ansicht vieler Exegeten folgen, wohl über die Apostelgeschichte urteilen.
Ich möchte dem widersprechen. Sicher mag das eine oder andere etwas übertrieben sein, aber ich glaube schon, dass das Meiste der Apostelgeschichte der Wahrheit entspricht und dies ganz gewiss auch auf unseren Predigttext zutrifft. Denn es wird, wie ich schon sagte, der Wille Christi umgesetzt, und gerade zu Beginn der Christenheit waren die Christen ja darauf bedacht, seinen Willen zu erfüllen.
Man ging nämlich, und da sind sich die Exegeten nun wieder weitgehend einig, davon aus, dass Jesus noch zu den Lebzeiten der Apostel wiederkommen würde. Und um dann für würdig befunden zu werden, zur Schar der Erlösten hinzugezählt zu werden, schien es unumgänglich, ganz nach dem Willen Jesu zu leben.
Natürlich verlor persönlicher Besitz unter diesen Bedingungen dann auch an Bedeutung, denn es war klar, dass mit der Wiederkunft Jesu sämtliche weltlichen Güter bedeutungs- und nutzlos würden.
Und so ist die Freigebigkeit und die Bereitschaft zum bedingungslosen Teilen nur folgerichtig.
Es ist also mitnichten eine Utopie oder Wunschvorstellung, die hier von Lukas beschrieben wird, sondern es lässt sich selbstverständlich sagen: so war es – wenigstens in den ersten Jahren, wohl auch in den ersten zwei oder drei Jahrzehnten. Dass die Christen auch dann, als klar war, dass Jesus doch nicht so bald wiederkommen würde, noch lange zusammenhielten und einander unterstützten, lässt sich auch aus den Apostelbriefen erkennen. In Zeiten der Verfolgung war man ohnehin aufeinander angewiesen.
Dass es dabei auch schwarze Schafe gab, gehört nun wiederum zum Menschsein dazu. (Wer mit der Apostelgeschichte vertraut ist, weiß von Hananias und Saphira, die die Apostel zu betrügen versuchten und etwas von dem Verkaufserlös für sich behielten; sie mussten ihren Betrugsversuch mit dem Tod bezahlen.)
Dreitausend Menschen wurden an diesem einen, ersten Tag der christlichen Kirche, dem Tag, an dem das Pfingstwunder geschah, zur Gemeinde hinzugefügt. Mich beeindruckt jedes Mal, dass diese 3000 ohne Konfirmanden- oder Katechumenenunterricht sogleich getauft wurden – es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass sich an die Taufe ein solcher Unterricht anschloss. Es heißt ja auch: sie blieben beständig in der Apostel Lehre, und das bedeutet nichts anderes als dass sie sich täglich unterweisen ließen im christlichen Glauben.
Die Taufe selbst aber, das wird hier sehr deutlich, ist an keine Bedingung geknüpft, außer dem eigenen Ja und dem Bekenntnis, dass Christus der Sohn Gottes und um unserer Sünden willen gestorben und auferstanden ist.
Für Baptisten ist dies übrigens ein Hinweis, dass nur die Erwachsenentaufe die richtige Taufe sein könne, wenn also die Person, die getauft werden soll, selbst ihren Glauben zum Ausdruck bringen kann und das auch tut.
Luther und mit ihm viele Christen sehen in der Taufe allerdings ausschließlich Gott am Werk. Er sagt „Ja“ zu dem Menschen, der getauft wird. Und dieses „Ja“ besteht lange, bevor der Mensch selbst sein „Ja“ dazu sagen kann. Wir befürworten die Kindstaufe, weil man sonst meinen könnte, es läge am Menschen, an seinem Bekenntnis, dass er Gottes Zuwendung erfahren kann, und nicht an der Liebe Gottes.
Ich habe in Taufgesprächen immer darauf hingewiesen, dass die Taufe erst der Anfang ist. Jeder Mensch ist frei, sich auf Gott einzulassen oder auch nicht, auch wenn er getauft wurde. Die Taufe zwingt niemanden – und auch darin wird die Liebe Gottes ja erkennbar. Sie lässt dem Menschen immer die Wahl.
In dem Bericht aus der Apostelgeschichte sind es die Menschen, die sich entschieden haben, sich taufen zu lassen. 3000 an einem Tag! Und diese 3000 und mit ihnen dann die anderen, die danach noch hinzukamen, bleiben nun in der Apostel Lehre. Sie hören von den Taten Jesu, sie lassen sich das Heilswerk Gottes erklären und lassen sich darauf ein, dass Jesus, der Sohn Gottes, für ihre Sünden gestorben ist. Die Taufe war für sie gewissermaßen die Eintrittskarte zum Reich Gottes und zur Erfahrung der Liebe Gottes.
Wir erfahren durch unseren Predigttext, was die Gemeinschaft der ersten Christen, die Urkirche, wie man sie auch nennt, prägte. Das soziale Gefüge war sicher vielschichtig, es gab Reiche und Arme, angesehene Menschen und solche, die an keiner Stelle Aufsehen erregten, sondern still ihrer Arbeit nachgingen. Bauern, Arbeiter, Sklaven, Fischer, Handwerker, aber eben wohl auch Gelehrte, Adlige usw.
Diese alle bildeten nun eine Gemeinschaft, die weit über die Gottesdienstgemeinde hinausging, indem sie täglich die Eucharistie empfingen und ebenso täglich den Predigten der Apostel zuhörten. Sie achteten aufeinander. Sie teilten ihren Besitz, ja, man muss da wohl noch weiter gehen: sie gaben ihren Besitz auf, damit alle daran teilhaben konnten. Entweder verkauften sie es, um den Erlös in eine gemeinsame Kasse zu tun, oder sie verteilten die Erträge so, als ob alle Teil ihrer eigenen Familie wären.
Die Vision Marias, dass die Hungrigen mit Gütern gefüllt würden und die Reichen leer ausgingen, erfüllt sich hier, wenn auch nicht ganz so nachteilig für die Reichen, denn alle hatten genug, niemand musste hungern, niemand frieren, niemand in Regen oder Sturm ohne Obdach sein.
Ist das eine Utopie? Ist so etwas heute unmöglich?
Wir müssen nicht allzuweit schauen, um zu erkennen, dass es so etwas auch heute gibt. Es gibt Gemeinschaften, in denen Menschen unterschiedlichster Herkunft und mit unterschiedlichsten Fähigkeiten alles miteinander teilen.
Im protestantischen Bereich gibt es unter anderen die Jesus-Bruderschaft, die Christus-Bruderschaft, den Casteller Ring und die Christusträger Bruderschaft. Die meisten von ihnen folgen der Armutsregel, was bedeutet, dass sie keinen eigenen Besitz haben, sondern alles allen gehört, ganz so, wie es in der urchristlichen Gemeinde war.
Im katholischen Bereich gibt es die Klöster, bei uns zwar immer weniger, aber in anderen Ländern durchaus zunehmend. Auch hier leben die Menschen ganz nach dem Vorbild der urchristlichen Gemeinde, oder besser: sie versuchen, so zu leben. Denn nicht immer gelingt es.
Und leider scheint überall der Ruf nach Modernisierung und Anpassung an die Zeitverhältnisse zu Veränderungen zu führen, die diese Gemeinschaften immer weiter vom Urbild christlicher Gemeinde, wie es uns der Evangelist Lukas malt, entfernen.
In den meisten Gemeinden scheint es heute mehr darum zu gehen, wie man sich selbst verwirklichen oder in Szene setzen kann, als darum, wie die Liebe Gottes durch mich anderen Menschen vermittelt werden kann.
Aber genau darum ging es damals, in diesen Anfängen. Die Liebe Gottes, die die Menschen an sich selbst erfahren hatten, konnten sie nicht für sich behalten und allein für sich in Anspruch nehmen. Sie musste weitergegeben werden, und das drückte sich eben in der beschriebenen Form der Gemeinschaft, in der alle alles gemeinsam hatten, aus.
Es ist wohl anzumerken und kommt auch in unserem Predigttext zur Sprache, dass es damals noch keine christlichen Kirchenbauten gab. Die Christen gingen in den Tempel in Jerusalem, denn das war der Ort der Anbetung. Und die erste Gemeinde entstand nun mal in Jerusalem.
Dort im Tempel gab es Räume, in denen man sich in kleineren Gruppen versammeln und die Schrift auslegen konnte. Wohlgemerkt, die Schrift bestand damals nur aus dem, was wir heute als Altes Testament kennen. Die Christen lasen die Propheten und deuteten sie auf Jesus hin, so dass deutlich wurde, dass Gott durch Jesus sein Heilswerk fortgeführt hat.
Es ist vielleicht auch interessant, zu bedenken, dass die ersten Christen alle aus dem jüdischen Volk stammten. Erst viel später kamen auch die Heiden, also die Nicht-Juden, dazu. Die Urgemeinde war also zutiefst vertraut mit den Schriften der Propheten.
Meist lernte man die biblischen Texte ja auswendig, weil sie für das ganze Leben von Bedeutung sein konnten. Und so stellte man schnell Verbindungen her. Man erkannte in Jesus den Messias, auch wenn er nicht dem Bild entsprach, das man sich bis dahin vom Messias gemacht hatte.
Die Erwartung der meisten Menschen in Israel ging ja dahin, dass der Messias das politische Reich Israel wieder herstellen würde. Man erwartete, dass er die Unterdrücker, die römische Besatzung, vertreiben würde. Man sah in ihm einen Feldherrn und König, der Macht ausübte und Israel zur alten Blüte des davidischen Königreichs führen würde.
Die Christen aber erkannten, dass das nicht Gottes Weg ist. Sie erkannten, dass irdische Macht nicht das erstrebenswerte Ziel ist, zu dem Gott uns ruft, sondern die Versöhnung mit Gott. Sie hatten erkannt, dass die Opfer im Tempel niemals ausreichen würden, um die Sünden zu tilgen. Das kann vielmehr nur durch Gottes großen Akt der Liebe, die Hingabe seines Sohnes Jesus Christus, geschehen.
Gottes Weg ist ein Weg der Liebe und nicht der Macht, wobei man allerdings wohl sagen muss, dass auch die Liebe außerordentlich mächtig sein kann. Aber sie nutzt ihre Macht nicht aus, um anderen Menschen Schaden zuzufügen. Die Liebe nutzt ihre Macht, um anderen Menschen zu zeigen, wie sehr sie geliebt sind.
Das ist wohl auch der Grund, warum diese ersten Christen beim ganzen Volk Wohlwollen fanden. Sie waren freundlich, ja, gütig, sie suchten nicht Streit, sondern Versöhnung, sie waren voller Liebe. Denn ihr ganzes Leben war geprägt von der Erfahrung der Liebe Gottes, die sie nicht für sich behalten konnten. Es ging und geht ja um die Rettung eines jeden Menschen. Es geht darum, dass Gott die Menschen zu Mitbürgern der Heiligen und seinen Hausgenossen machen will.
Dass dieser Wille Gottes nicht aufgezwungen wird, ist dabei ganz wichtig, denn Gott will unser „Ja“ zu seinem „Ja“. Wenn diese Antwort des Menschen nicht vom Herzen her gesprochen wird, dann ist auch das „Ja“ Gottes unwirksam. Es bleibt zwar, aber es nützt dem Menschen nicht, wenn er nicht selbst „Ja“ dazu sagt und sich und sein ganzes Leben damit dem Willen Gottes unterordnet.
Manche meinen, hinter solch einer Aussage verbirgt sich dann ja doch wieder die Werkgerechtigkeit, und das könne es doch nicht sein. Gottes Liebe sei doch bedingungslos!
Jesus allerdings widerspricht dieser Ansicht unzählige Male. Wir kennen die Gleichnisse von der Einladung zum Hochzeits- oder Festmahl, in denen deutlich zum Ausdruck kommt, dass nur diejenigen, die die Einladung aktiv annehmen, auch teilnehmen dürfen. Oder das Gleichnis von den zehn Jungfrauen, deren fünf nicht genug Öl für ihre Lampen dabei hatten und darum von der Hochzeitsfeier ausgeschlossen wurden.
Solche Gleichnisse können wir nicht einfach ignorieren. Sie gehören zum Wort Gottes, sie sprechen uns an und fordern uns auf, uns zu bereiten für die Gemeinschaft mit Ihm, dem allmächtigen Gott. Dieses Bereiten ist eine Lebensaufgabe, solange, bis der Herr kommt.
Und darum ist es keine Utopie, was Lukas uns da über die Urgemeinde berichtet, sondern es ist die Umsetzung des Willens unseres Herrn. Hier wird wahr, was später bis heute viel zu oft vergessen wurde. Denn Glaube hört nicht beim persönlichen „Ja“ zu Gottes „Ja“ auf, sondern wirkt darüber hinaus und ruft uns in die Gemeinschaft aller Heiligen.
Und wer jetzt etwas zurück scheut, weil man die Bezeichnung „Heilige“ nicht gerne auf sich selbst anwenden möchte, sei daran erinnert: Gott heiligt uns schon in der Taufe. Und das bedeutet nichts anderes, als dass er uns zu Heiligen macht.
Dass wir dieser Heiligung nicht immer (vermutlich sogar meistens) nicht gerecht werden, steht auf einem anderen Blatt. Gerade darum ist ja Jesus Christus am Kreuz gestorben, damit wir Vergebung unserer Sünden haben und uns nicht ängsten müssen, sondern das Haupt erheben und dem entgegensehen können, der unser Heiland und Erlöser ist. Er heiligt uns, und nicht wir selbst!
Und im Vertrauen auf diesen Heiland und Erlöser können wir dann auch auf die Weise zu leben versuchen, zu der Gott uns berufen hat: als Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Nun bitten wir den Heiligen Geist (EG 124)
Jauchz, Erd, und Himmel, juble hell (EG 127)
O Heiliger Geist, o heiliger Gott (EG 131)
Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen (EG 221)
Dank sei dir, Vater (EG 227)
Herz und Herz vereint zusammen (EG 251)
Ach, bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ (EG 347)
Lass mich, o Herr, in allen Dingen (EG 414)
Wenn das Brot, das wir teilen (KHW/HN-EG 632)


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