das Kirchenjahr

8. Sonntag nach Trinitatis

Früchte des Geistes

Predigtbeispiele

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Zu den Perikopen

Predigtvorschläge zu Reihe I - Jes 2, 1-5

Liebe Gemeinde!
Jerusalem – vielleicht ist der eine oder die andere schon mal dort gewesen, in dieser Stadt, von der die Bibel uns so vielfältig zu erzählen weiß. Ich kenne die Stadt nur von Berichten Reisender und aus den Medien. Deswegen ist meine Vorstellung von dieser Stadt recht verschwommen.
Was ich über sie weiß, ist dies: sie hat wohl herzlich wenig von dem, was Jesaja hier über sie schreibt. Der Tempel, den Salomo gebaut hatte und den Jesaja auch noch kannte, steht längst nicht mehr. Auch die nachfolgenden Bauten sind zerstört.
Jerusalem war seit der Prophezeiung des Jesaja Schauplatz grausamer Gemetzel und ist heute eine Stadt, in der sich die Vielfalt und Komplexität der Konflikte zwischen den Religionen, aber auch zwischen den Völkern widerspiegelt.
So stelle ich mir Jerusalem vor. Mit unzähligen Menschen, die unterschiedlicher kaum sein können, die aber eines wohl doch verbindet: die Sehnsucht, in Freiheit und vor allem in Frieden dort leben zu können.
Das legt auch der Name nahe, denn in ihm steckt das Wort „Schalom“, dessen Bedeutung uns vertraut ist: Friede. „Burg des Friedens“ könnte der Name bedeuten, oder „Friedensstadt“ oder „Wohnung des Friedens“ - ganz sicher ist man sich nicht, da es sich ja um einen sehr alten Namen handelt.
Zur Zeit ist die Stadt wieder in den Schlagzeilen mit den Spannungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften. Die Hoffnung auf Freiheit und Frieden scheint längst gestorben, denner wieder eskaliert die Gewalt.
Dennoch haben wir diese Worte des Propheten Jesaja, die von Jerusalem sprechen und gerade den Frieden für die Stadt voraussagen.
Zur letzten Zeit, so sagt es die Lutherübersetzung, wird der Berg fest stehen. Gemeint ist der Berg Zion, um den sich die Stadt Jerusalem bildete und in der das Haus des Herrn, der Tempel, errichtet wurde.
Es scheint uns heute höchst unwahrscheinlich, dass die Prophezeiung von Jesaja jemals Wirklichkeit werden kann, denn das Haus des Herrn, den Tempel, gibt es ja längst nicht mehr, und ein Neubau ist undenkbar. Die Al-Aksa-Moschee steht auf dem, was damals die Römer vom Tempel übrig ließen.
Aber wollen wir so mit den Worten des Propheten umgehen?
Viele haben schon die Worte der Propheten abgewiesen und gemeint, das sei Unsinn, was sie da erzählten. Und dann wurden sie doch eines besseren belehrt. Wir sollten den Worten der Propheten Beachtung schenken, denn ihre Worte sind, auch heute, nach weit über 2000 Jahren, durchaus noch relevant.
„Zur letzten Zeit“, damit beginnt die Prophezeiung. Wann ist das eigentlich, diese „letzte Zeit“?
Wörtlich übersetzt heißen die hebräischen Worte, die an dieser Stelle stehen, etwa: „auf der Rückseite der Tage“.
Unsere Bibelübersetzungen sind geprägt von einem Zeitverständnis, das dem Volk Israel so nicht vertraut war. Die Wendung „Auf der Rückseite der Tage“ macht es deutlich:
Eigentlich liegen nicht die künftigen Tage vor uns, sondern die vergangenen. Sie breiten sich vor uns aus, sie erzählen die Geschichte, die uns prägt und gestaltet, die unser hier und jetzt bestimmt, ja eigentlich erst ermöglicht und gebildet hat.
Im Rücken haben wir dagegen die Zukunft. Wir kennen sie nicht, bis zu dem Augenblick, in dem sie Gegenwart wird. Man könnte vielleicht sagen, dass uns die Zukunft im Hier und Jetzt umströmt und sich endlich als Vergangenheit vor uns ausbreitet.
Es fällt uns wohl schwer, sich auf diese Vorstellung einzulassen, denn oft möchten wir die Vergangenheit ja hinter uns lassen, zurücklassen. Wir möchten uns frei machen von allem, was uns belastet, um neu anfangen zu können. Wir denken Zeit genau anders herum, als es in der hebräischen Bibel der Fall ist: die Zukunft, das Unbekannte, vor uns, und das Vergangene, das Bekannte, hinter uns, im Rücken, bereit, vergessen zu werden.
So gerne wir dieses Vergangene manchmal los werden wollen: wir werden es doch nie abschütteln können. Und wenn das so ist, dann ist die Vorstellung doch allemal besser, ihr ins Auge zu sehen und sich nicht von ihr irgendwann wieder einholen oder gar überraschen zu lassen, weil sie eben doch immer Teil unseres Hier und Jetzt bleibt.
Und tatsächlich, wenn wir uns die Geschichte der Menschheit anschauen, dann erkennen wir wohl, dass es immer wieder zu Ereignissen kommt, die man durchaus hätte vermeiden können, wenn man sich der eigenen Vergangenheit zugewandt hätte, wenn man sie sich bewusst gemacht hätte.
Anstelle dessen wollte man die Zukunft formen, ihr ein anderes Gesicht geben, eines, das uns gefällt – und machte dabei die gleichen oder zumindest ähnliche Fehler wie unsere Vorfahren.
„Auf der Rückseite der Tage“, das bedeutet nun: hier geht es um die Vollendung der Geschichte, und nicht um ihr Ende. Und das heißt: Alles wird zur Vollendung geführt, und diese Vollendung hat einen Mittelpunkt, den Jesaja als die Stadt Jerusalem identifiziert.
Darauf läuft alles hinaus, hier laufen die Fäden gewissermaßen zusammen. Angesichts dessen, was wir vorhin über Jerusalem gehört haben, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Der Berg, wo des Herrn Haus ist, wird fest stehen – das ist Utopie. Den Berg gibt es zwar noch, aber nicht das Haus des Herrn.
Aber was können wir schon wissen über das Handeln Gottes? Er vollendet die Geschichte – nicht wir. Und hatte nicht schon Salomo gesagt, dass der Himmel und aller Himmel Himmel Gott nicht fassen können? Was bedeutet da solch ein Tempel? Vielleicht braucht es gar kein Gebäude, keinen Tempel, und wenn doch, warum sollte dann Gott nicht selbst eins bauen?
Auch wenn es für uns kaum zu glauben ist: der Berg, da des Herrn Haus ist, wird fest stehen, er wird allen Stürmen standhalten. Das ist der Berg, um den im Grunde die ganze Welt kämpft – denn niemand kann über diesen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hinwegsehen. Die Völker sehen schon jetzt dorthin, wenn auch aus einem anderen Grund, als bei Jesaja beschrieben. Der Berg wird stehen bleiben.
Jesaja stellt dies nur fest. Alle Völker werden dorthin ziehen und von dort Weisung empfangen. Alle Völker werden sich Gott zuwenden, schreibt er.

Ich finde es tröstlich und wohltuend, dass die Vollendung der Geschichte nach dieser Prophezeiung nicht durch einen gewaltigen Eroberungskrieg vollzogen wird, indem alle himmlischen Heerscharen über die Erde hinwegfegen, sondern im Gegenteil, dass sie Frieden und Freiheit für alle Menschen bringt, indem sie alle Weisung vom lebendigen Gott empfangen und annehmen.
„Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen.“ Denn niemand braucht mehr Angst zu haben, niemand muss sich vor fremden Mächten verteidigen. Keiner wird die Hand gegen einen anderen erheben. Sie werden noch nicht einmal mehr lernen, Krieg zu führen.
In den letzten Tagen, d.h. jetzt in den vergangenen Tagen, habe ich immer wieder darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, wenn wir genau das täten: keine Waffen mehr produzieren und keine Soldaten mehr ausbilden. Auf einen Schlag könnten wir den Hunger in der Welt ausradieren. Es wäre möglich, Hilfe auf ganz andere Weise zu leisten als durch militärischen Beistand, wie man das so schön nennt. Wir würden Leben ermöglichen, anstatt daran teilzuhaben, Leben zu vernichten.
Aber das bleibt wohl Utopie. „Auf der Rückseite der Tage“ soll es geschehen.
Doch das heißt nicht, dass wir darüber gleichgültig werden können. Im letzten Vers fordert Jesaja vielmehr seine Leser auf: „Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des Herrn.“ (Jes 2, 5)
Hier könnte man einwenden, dass wir ja eigentlich nicht dazu gehören zum Haus Jakob. Wir sind im biblischen Sinne Heiden, aber durch Christus dann doch hinzugezählt zum Volk Gottes. Und darum dürfen wir uns auch das sagen lassen: Kommt, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!
Und das bedeutet zunächst einmal, dass wir uns einlassen auf Gottes Handeln, dass wir gegen allem Augenschein damit rechnen, dass es so kommen wird, wie uns der Prophet Jesaja sagt, und dass wir unseren Beitrag dazu leisten können, um es bekannt zu machen: Gott ist, er hat ein Plan für uns, einen Plan des Friedens.
Letztlich ist es durch Jesus Christus ja noch einmal bestätigt worden: Freiheit und Frieden erlangen wir nicht durch Gewalt, sondern durch Friedfertigkeit, durch die Bereitschaft und den Willen, Frieden zu machen.
Sicher, angesichts von Terrorismus und fortwährenden Spannungen und Kriegen in vielen Ländern scheint es wieder ganz schwer zu werden, von Frieden ohne Waffengewalt zu reden. Welche Rolle spielen wir, wenn Menschen um ihre Freiheit kämpfen? Sollten wir lieber die Hände in den Schoß legen und die Diktatoren, die ihre Macht missbrauchen, weiter gegen ihre eigene Bevölkerung kämpfen lassen, wie wir es ja ohnehin jahrzehntelang getan haben, oder sollten wir mit helfen, sie zu stürzen? Gibt es noch andere Alternativen?
Eine Alternative liegt auf der Hand: wir können beten. Vielleicht ist das sogar unsere einzige Möglichkeit, denn wir sind ja nicht die Politiker, die letztlich die entsprechenden Entscheidungen fällen müssen. Aber es ist vielleicht sogar die beste Möglichkeit, die wir haben. Denn durch das Gebet nehmen wir Gott mit hinein in unsere Erwartungen und Hoffnungen für die Zukunft.
Und vielleicht versuchen wir auch, umzukehren und unsere Zeit auf andere Weise wahrzunehmen: vor uns die Vergangenheit, im Rücken die Zukunft. Vielleicht erhalten wir dann eine Antwort auf die Frage, was wir tun sollen.
Wenn wir die Zukunft im Rücken haben und mit dieser Einstellung zum Abendmahl gehen, wird uns vielleicht auch deutlicher bewusst, was die Gemeinschaft der Heiligen bedeutet, die mit uns das Abendmahl feiert. Denn wir sind Teil einer großen, wunderbaren Gemeinschaft: wir sind das Volk Gottes, nicht nur räumlich eine sich über den ganzen Erdkreis erstreckende Gemeinschaft, sondern auch zeitlich!
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Der du in Todesnächten (EG 257)
Sonne der Gerechtigkeit (EG 262/263)
Herr, der du vormals hast dein Land (EG 283)
Es wird sein in den letzten Tagen (EG 426)
Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen (EG 640)


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Predigtvorschläge zu Reihe II - Joh 9, 1-7

Liebe Gemeinde!
Es ist eine merkwürdige Erzählung, die uns der Evangelist Johannes da vorlegt. Merkwürdig, weil sie theologisch zumindest fragwürdig sein dürfte.
Zum Beispiel die Frage danach, wer gesündigt hat, so dass der Mensch blind geworden ist.
Es ist zwar richtig, dass, wie Jesus dann wohl sagt, kein direkter Zusammenhang hergestellt werden kann zwischen dem sündhaften Tun eines Menschen und dessen Ergehen, aber kann es denn andererseits sein, dass Gott einen Menschen leiden lässt, nur damit die Werke Gottes an ihm offenbar werden? Ist Gott so selbstsüchtig?
Außerdem schließt Jesus den kausalen Zusammenhang zwischen Sünde und Leid ja nicht grundsätzlich aus, sondern nur für diesen einen Fall. Kann man – und das ist sicher oft geschehen – also aus der Erzählung schließen, dass es eigentlich doch so ist, dass Gott die Strafe den Sünden folgen lässt? Das stünde im krassen Widerspruch zu unseren eigenen Erfahrungen, aus denen wir gelernt haben, dass es so ja nicht ist. Bösen geht es gut, und Guten geht es schlecht. Das ist nicht immer so, aber häufig, und die Redewendung „Die Strafe folgt auf dem Fuß“ bewahrheitet sich eher selten.
Sicher muss man diese Äußerungen nur auf den Einzelfall beziehen, aber wohl ist einem beim Lesen dann doch nicht.
Und was soll dann der ganze Hokuspokus, der sich da um die Heilung des Blinden ereignet: ein Brei aus Spucke und Erde gemischt, das Waschen im Teich Siloah – das ist doch alles merkwürdig und erinnert an Schilderungen von Wunderheilern aus dem Mittelalter, die aus möglichst ekligen Substanzen angeblich heilsame Salben und Tinkturen mischten. Es passt nicht zur Souveränität Jesu, solche Mittel nötig zu haben.
Vielleicht kommen wir auf diese Dinge noch einmal zurück. Jetzt will ich mich auf die Mitte des Textes konzentrieren, die Worte Jesu, die auch etwas Merkwürdiges an sich haben:
„Wir“, sagt Jesus, „müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. 5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.
„Wir“ - das ist schon merkwürdig. Besteht nicht ein deutlicher Unterschied zwischen ihm und uns? Vor allem dann, wenn es um das Tun der Werke dessen geht, der Jesus gesandt hat. Jesus kann wohl Blinde heilen und Lahme gehend machen, aber wir? Spricht er vielleicht im Pluralis majestatis?
Und wenn nicht (was ich für wahrscheinlicher halte): Wie kann Jesus uns – genauer zwar seine Jünger, aber da dürfen wir uns wohl mit einbeziehen – so freimütig auf eine gleiche Ebene mit ihm stellen?
Nun, wir sind wie er mit einem Auftrag in dieser Welt. Zwar ist der Auftrag, der uns erteilt wurde, nicht so geartet wie der, den Jesus zu erfüllen hat, aber die Quelle unserer Kraft ist die selbe: es ist Gott selbst, der durch seinen Geist in uns mächtig werden kann.
Jesus kann also auch „Wir“ sagen, und er tut es wohl ganz bewusst, denn er überträgt seinen Jüngern und uns damit eine große Verantwortung. Wir sind nicht nur Mitläufer, Menschen, die hinter ihm her laufen und dem zuhören, was er so alles sagt. Wir sind Berufene, Beauftragte, Gesandte. Wir haben das Werk Gottes zu wirken, wir sollen im Dienst Gottes handeln.
Doch dann kommt eine zeitliche Einschränkung, die wohl auch der Erklärung bedarf: „solange es Tag ist“, sagt Jesus.
Damit ist durchaus gemeint: solange es hell ist. Aber es bezieht sich nicht auf den Tag, den wir mit der Uhr abmessen – dann wäre die Zeit ja längst vorüber. Es bezieht sich auf die Zeit, die Gott uns geschenkt hat, um sein Werk in dieser Welt zu tun. Das ist der Tag, von dem Jesus redet. Geschenkte Zeit.
Und ihr entgegen steht dann logischerweise die Nacht, in der kein Werk Gottes getan werden kann. Genommene Zeit, könnte man diese Nacht nennen. Es geht nichts mehr, die Zeit steht still.
Geschenkte Zeit – sie dient dazu, dass wir die Werke Gottes tun. Werke, die längst nicht so spektakulär sein müssen wie die, die Jesus getan hat, sondern schlichte Werke, die aber die Liebe Gottes sichtbar werden lassen.
Das kann ganz unauffällig sein, sogar unbemerkt von denen, die sie tun – ganz so, wie Jesus es selber in dem Gleichnis vom Gericht deutlich macht, als die Gerechten feststellen, dass sie das Gute, das sie getan haben, gar nicht bemerkten. Es gehört selbstverständlich zum Leben der Jüngerinnen und Jüngern Jesu dazu, dass sie Fremde aufnehmen, Nackte kleiden, Hungrige sättigen, Kranke pflegen, Gefangene besuchen oder sonstwie Menschen Gutes tun.
Aber, und davor warnt uns Jesus: es wird eine Zeit kommen, da wird all das nicht mehr möglich sein. Die Nacht, die genommene Zeit, wird kommen.
Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass wir bereits in dieser Nacht leben, denn so oft hindern mich sogenannte Sachzwänge daran, das Gute zu tun, das ich tun will. Manchmal ist es auch mein innerer Schweinehund, wie man so schön sagt, und ich könnte fragen, ob das nicht auch Nacht bedeutet, wenn ich dadurch daran gehindert werde, Gutes zu tun.
Aber dann brauche ich mich nur um zu schauen, und ich sehe, dass Gutes geschieht, immer und immer wieder, dass Menschen einander helfen, dass sie die Not anderer sehen und zu lindern versuchen, dass eben nicht jeder nur auf sich selbst bedacht ist.
Es ist also noch Tag. Die Werke Gottes werden getan, Menschen werden neue Chancen geschenkt. Gott hält auch für uns vielfältige Möglichkeiten bereit, sein Werk zu tun in dieser Welt, die nach wie vor geplagt ist vom Leid.
Da ändert sich auch nichts daran, wenn Jesus sagt, er sei das Licht der Welt, solange er in der Welt ist. Denn das bezog sich sicher nicht auf seine körperliche Existenz in dieser Welt.
Er ist in der Welt, auch heute. Wir haben seine Worte gerade gehört in der Taufe. „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Er ist mitten unter uns.
Die Nacht wird kommen, aber sie ist noch nicht da.
Wenn sie kommt, dann brauchen wir uns allerdings auch nicht davor zu fürchten. Denn wir sind Kinder des Lichts, Menschen, die dem Licht der Welt nachgefolgt sind und auch dann noch nachfolgen. Und so wird auch die Finsternis dieser Nacht uns nicht orientierungslos machen können. Wir kennen unseren Weg.
Und der ganze Hokuspokus um die Heilung des Blinden? Nun, vielleicht brauchen wir Menschen das. So eine Art Placebo-Effekt: es muss etwas Greifbares geben, das die Heilung auslösen kann. Denn das Wort allein genügt uns oft nicht.
Doch da gilt es umzulernen. Es ist das Wort allein, das Leben schenkt und erhält, das fleischgewordene Wort, das am Anfang war und auch am Ende sein wird, das Wort Gottes – nicht geschrieben, sondern gesprochen aus dem Mund Gottes.
Daraus schöpfen wir Kraft, aus diesem Wort erfahren wir Heilung, und durch dieses Wort können wir selbst auch heilen. Das ist etwas Besonderes, das uns als Gemeinde Jesu Christi auszeichnet. Darauf dürfen wir stolz sein.
Dass das Wort zu uns und durch uns gesprochen wird in dieser Welt, und dass es dann auch gewirkt wird, das sei uns geschenkt durch die Gnade Gottes.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
O Jesu Christe, wahres Licht (EG 72)
Von Gott will ich nicht lassen (EG 365)
Du höchstes Licht, ewiger Schein (EG 441)
Gottes Wort ist wie Licht (HN-EG 572)
Ich lobe meinen Gott (HN-EG 638; NB-EG 585)


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Predigtvorschläge zu Reihe III - 1. Kor 6, 9-14(15-18)19-20

Liebe Gemeinde!
Der Tempel ist ein heiliger Raum... Warum eigentlich? Die spontane Antwort lautet: weil Gott darin wohnt.
In Indien war das ganz offensichtlich, die Tempel waren ja alle mit einer Statue des Gottes, der darin verehrt wurde, bestückt. Erst wenn diese Statue durch eine Zeremonie gewissermaßen zum Leben erweckt worden war, war auch der Tempel, in dem der Gott angebetet werden sollte, ein heiliger Ort. Und dann muss ein Priester für das Wohl dieses Gottes sorgen, ihn morgens mit Liedern aufwecken, ihm oder ihr Kleider anziehen, Speise vorsetzen, Gebete sprechen, und schließlich die Verehrer empfangen und ihre Opfer darbringen. Abends wird der Gott dann gewissermaßen zur Nachtruhe gebettet... Da hat man in der Tat das Gefühl, dass der Tempel die Wohnung dieses Gottes ist, und natürlich ist dann auch dieser Ort heilig.
In der jüdischen Tradition, in der Paulus ja gelebt hat, ist das schon etwas anders. Als damals, vor fast 3000 Jahren, der Tempel durch Salomo gebaut wurde, hat der Erbauer gleich eingeräumt, dass Gott gar nicht in dem Tempel wohnen kann, weil er so unfassbar groß ist, dass die ganze Erde eigentlich nur den Schemel seiner Füße darstellt. Wie könnte dann ein winziger Tempel, der zwar für Menschenaugen beeindruckend groß war, diesen Gott fassen? Und darum war der Tempel zwar ein besonderer Ort, an dem die Israeliten ihre Opfer darbringen konnten und sollten, aber er wurde nicht unbedingt als Wohnung Gottes verstanden. Man sah in ihm eher eine Garantie dafür, dass Gott mit dem Volk Israel ist.
Als der Tempel zerstört wurde, glaubten jedenfalls viele Israeliten, dass Gott sie verlassen habe, und erst langsam begriffen sie wieder, dass Gott ja gar nicht diesen Tempel brauchte, um gegenwärtig zu sein.

Räume für den Gottesdienst aber waren immer vorhanden. Diese Räume wurden besonders respektiert, weil in ihnen Menschen zur Ruhe kommen sollten, um auf Gottes Wort zu hören. Sie wurden nicht heilig dadurch, dass Gott in diesen Räumen wohnte, sondern dadurch, dass Gott in diesen Räumen den Menschen begegnet. Natürlich tut er das nicht nur in diesen Räumen, sondern auch außerhalb, an den verschiedensten Orten. Aber der Gottsdienstraum sollte und soll es den Menschen leichter machen, Gott gegenüberzutreten, denn wir wissen ja alle, dass das im Alltag gar nicht so einfach ist.
Darum ist es für uns selbstverständlich, dass wir uns in der Kirche, dem Gottesdienstraum, anders verhalten als auf der Straße. Hier wollen wir ja den Alltag hinter uns lassen und Ruhe finden in der Begegnung mit Gott. Es wird also z.B. keiner eine Zeitung mit in die Kirche nehmen und hier anfangen, darin zu lesen. Es wird auch keiner einen Fernseher mitbringen und sich seine Lieblingssendung hier anschauen.
Wenn Paulus in unserem Predigttext davon redet, dass unser Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, dann sollen wir das so verstehen, dass unser Leib der Wohnsitz des Heiligen Geistes ist. Er ist also weit mehr als »nur« ein Raum, in dem Gott angebetet wird. In unserem Leib soll Gottes Geist gegenwärtig sein.
Das bereitet uns vielleicht doch etwas Schwierigkeiten. Es ist zwar kein Problem, sich den heiligen Geist an allen Orten und also auch in allen Menschen vorzustellen. Aber wenn wir von Glauben reden, dann verbinden wir das meist mit unserem Geist - man redet darum ja auch von »geistlichen« Dingen, denn der Glaube spielt sich nach unserem Verständnis nicht im Leib, sondern im Geist ab. Das genügt Paulus aber nicht. Es ist eben doch nicht nur eine geistliche Sache - der Glaube hat auch mit dem Leib zu tun. Der Körper gehört dazu. Und darum soll es uns nicht egal sein, wie wir mit diesem Leib umgehen.
Paulus sagt, dass wir den Leib von Gott haben, und dass dieser Leib uns nicht selbst gehört. Ich denke da an die Parole der Abtreibungsbefürworter: »Mein Bauch gehört mir!« - das kann es wohl nicht sein, wenn wir von evangelischer Freiheit reden, denn offenbar gehört mein Leib, also auch mein Bauch, ja Gott. Freiheit habe ich zwar, zu tun und zu lassen, was mir in den Sinn kommt und was ich gerade möchte, aber nicht alles dient zum Guten, nicht alles ist richtig, nicht alles erhält diesen Leib als die Wohnstätte des heiligen Geistes.
Was ist es dann? Paulus bedrängt vor allem die Tatsache, dass sich offenbar einige in der Gemeinde der Hurerei hingegeben haben. Dabei bin ich gar nicht mal so sicher, ob er das meint, was wir das »horizontale Gewerbe«, also die Prostitution, nennen. Ich könnte mir vorstellen, dass Paulus vielmehr auf die Hurerei mit anderen Göttern anspielt.
Wie oft hat Gott selbst durch die Propheten dem Volk Israel gesagt, dass es sich wie eine Hure verhält, die ihren Ehemann, also Gott, verlässt und mit unzähligen anderen Männern schläft. Gemeint ist, dass sich die Israeliten anderen Göttern zuwendeten, und dann eben nicht nur einem, sondern gleich einer ganzen Menge, die sie von den Nachbarn und Mitbewohnern des Landes einfach übernahmen.
Aber wenn Paulus diese - jetzt könnte man wohl wieder sagen: »geistliche« Hurerei meint, dann darf man natürlich zu Recht fragen, was das mit dem Leib zu tun hat. Denn dann ist es ja wohl doch Sache des Geistes, was mit unserem Glauben geschieht. Nun, anderen Göttern anhängen, das drückt sich ja auch oft mit dem Leib aus. Da nimmt man bestimmte Opferspeisen zu sich, oder man fügt sich Schmerzen zu, alles nur, um dem Gott zu gefallen. Man verweigert Speisen, die angeblich diesem Gott ein Greuel sind, oder man vollbringt Mutproben, die angeblich von diesem Gott gefordert werden. Da spielt der Leib also durchaus eine Rolle.
Wenn ich es so betrachte, fällt mir auf, wie auch heute der Leib oft anderen Göttern geopfert wird: da ist der Drogenkonsum, von dem sich viele anfangs Hilfe versprochen haben, der aber letztlich zur Zerstörung des Leibes führt. Oder da sind die Kriege, in denen unzählige, meist junge, Menschen, sterben. Ihre Leiber werden dem Gott der Herrschsucht einzelner Politiker oder Diktatoren geopfert, vielleicht auch einem System, das manche für so wichtig erachten, dass Menschen dafür sterben dürfen und müssen. Wir reden von Verkehrsopfern, wenn Menschen bei einem Verkehrsunfall sterben - meist, weil sie ihre Fähigkeiten überschätzt hatten, und erheben damit den Straßenverkehr zu einem Gott, der Opfer fordert - die Opfer sind unsere Leiber.
Wenn man in solchen Situation vom Leib als dem Tempel des Geistes Gottes redet, wird uns wohl bewusst, dass es hier um verantwortungsvollen Umgang mit diesem Leib geht - und das geht weit darüber hinaus, was z.B. auf unserem Speisezettel steht. Da geht es auch darum, wie wir anderen begegnen. Unser Leib soll im Grunde zum Spiegel Gottes werden - mit unserem Leib sollen wir Gott preisen. Das kann doch nur funktionieren, indem wir erkennen und annehmen, dass auch die Leiber der anderen Menschen um uns herum solche »Tempel des heiligen Geistes« sind, denen wir dementsprechend gebührend begegnen.
Das heißt jetzt natürlich nicht, dass wir uns voreinander verneigen sollen. Nein, sondern wenn wir uns verneigen, dann vor dem heiligen Geist, der in uns wohnt. Aber wir achten, dass dieser heilige Geist eben auch in unserem Nachbarn wohnt.
Wenn wir heute Abendmahl feiern, tun wir das beste, das wir für unseren eigenen Leib tun können: wir nehmen den Leib und das Blut Christi zu uns. Diese besondere Speise ist Nahrung, die unseren Leib reinigt, möchte ich mal sagen, und die uns stark macht, damit wir Gott mit unserem Leib loben können. Möge diese Speise uns stärken für unser tägliches Leben.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Komm, Feuer Gottes, Heilger Geist (EG 127, 4-7)
Zieh ein zu deinen Toren (EG 133)
Tu mir auf die schöne Pforte (EG 166)
Ein reines Herz, Herr, schaff in mir (EG 389)
Erneure mich, o ewigs Licht (EG 390)
Vertraut den neuen Wegen (EG 395)


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Predigtvorschläge zu Reihe IV - Mk 12, 41-44

Liebe Gemeinde!
Mit dem lieben Geld ist es so eine Sache. „Über Geld spricht man nicht – man hat es“, so sagt man heutzutage.
Und wer es nicht – oder zu wenig davon – hat? Nun, wir brauchen Geld, das erkennen schon unsere Kinder. Taschengeld hilft ihnen, zu lernen, wie man mit Geld umgeht:
• dass man nicht mehr ausgibt, als man hat;
• dass man es spart, wenn man sich etwas Teureres kaufen möchte;
• dass man sich auch einen Vorschuss geben lassen kann – was bedeutet, dass man dann für eine Zeit lang nichts bekommt.
Manche Erwachsene haben den Umgang mit Geld dann aber wohl doch nicht so recht gelernt – sie machen Schulden, ohne zu überlegen, ob oder wann sie diese Schulden wieder zurück zahlen können. Dass Schulden mit Zinsen einhergehen, die zusätzlich zurückgezahlt werden müssen, verdrängt man am besten.
Man kann Geld auch sparen, um irgendwann dann größere Anschaffungen tätigen zu können.
Zwiespältig sind die sogenannten Stiftungen: eine große Summe Geldes wird dabei angelegt, damit der Ertrag, sprich die Zinsen, dieses angelegten Geldes dann genutzt werden kann, um verschiedene Projekte zu finanzieren. Zwiespältig sind diese Stiftungen deswegen, weil die Banken dadurch häufig mehr verdienen, als die Stiftungen unterm Strich zur Verfügung haben.
Aber so ist das nun mal in einer kapitalistischen Gesellschaft. Geld vermehrt sich nicht von selbst – dafür braucht man die Banken.
Zur Zeit Jesu war das noch etwas anders. Es gab zwar auch damals schon Geldwechsler, die, ähnlich wie heute die Banken, Kredite vergaben und auf Guthaben Zinsen zahlten, aber das Geld regierte noch lange nicht die Welt. Es diente vielmehr dazu, das, was man nicht durch Tausch oder eigene Arbeit bekommen konnte, zu kaufen.
Witwen hatten in der damaligen Zeit in der Regel kein eigenes Einkommen. Sie waren, wenn es keine Familienangehörigen gab, die für sie sorgen konnten, von der Versorgung durch die Gemeinde abhängig, und das hieß: von der Obrigkeit der Gesellschaft. Doch das klappte leider nicht immer reibungslos.
Unmittelbar vor unserem Predigttext schreibt Markus von der Warnung Jesu vor den Schriftgelehrten. Darin heißt es: „sie fressen die Häuser der Witwen.“ Damit zeigt er einen Missbrauch auf, der damals nicht unüblich war. Obwohl die Witwen eigentlich einen besonderen Schutz genossen, der von der Obrigkeit wahrgenommen werden sollte, wurde ihnen tatsächlich ihr Hab und Gut genommen.
Diese Kritik ist nicht nur bei Jesus zu finden – ein solches Vorgehen wurde immer wieder auch von anderen Zeitgenossen beobachtet.
Heute ist es kaum anders, allerdings durchaus legitimiert: wer arbeitslos ist, fällt nach einer festgesetzten Zeitspanne unter die Regelungen des sogenannten Hartz IV, das der Person nur dann Zuwendungen des Staates, also der Gesellschaft, zugesteht, wenn dessen Vermögen auf ein festgelegtes Höchstmaß reduziert wurde.
Mit dem, was verbleibt, kann man immer noch leben, aber der Standard ist nicht sehr hoch und häufig nicht mit dem zu vergleichen, den man vorher hatte, als man noch mit seiner eigenen Hände Arbeit das Geld verdiente.
Damals zur Zeit Jesu ging es den Witwern mitunter wesentlich schlechter: sie erhielten erst dann eine sehr geringe Hilfe, wenn sie alles, was sie besaßen verkauft oder aufgebraucht hatten. Und selbst um diese Hilfe mussten sie oftmals kämpfen.
Dabei muss man auch wissen, dass die Menschen damals nicht sonderlich alt wurden. Eine Witwe, die die 40 überschritten hatte, war sehr selten.
Es ist also kein altes Mütterchen, das Jesus dort am Opferkasten beobachtet, sondern eine nach unseren Maßstäben junge Frau. Aber das Leid, die Trauer um ihren Mann, und die Not, die sie danach erlitt, hatten sie gezeichnet.
Vielleicht war sie in den Tempel gegangen, nachdem sie ihre Zuwendung erhalten hatte, und nun legte sie, nachdem sie gebetet und Gott gedankt hatte, das alles wieder in den Opferkasten.
Leichtsinn, würden wir sagen. Zwei Scherflein sind es, zwei Kupfermünzen, die sie in den Gotteskasten legt – warum behält sie nicht wenigstens die Hälfte? Es wäre noch immer, zumindest aus ihrer Sicht gesehen, eine überaus großzügige Spende. Wer von uns gibt schon 50% seines Einkommens?
Aber vielleicht berührte sie nicht mehr die Frage nach dem Erhalt ihrer Existenz. Vielleicht dachte sie viemehr bei sich selbst: Es ist genug, nun will ich sterben. Sah sie vielleicht ihre Spende gewissermaßen als eine Dankesgabe dafür, dass Gott sie bald sterben lassen würde?
Es ist ihr ganzer Lebensunterhalt – so beschreibt Jesus diese Gabe. Alles, was sie zum Leben hatte. Und es ist sowieso schon sehr wenig. Das Geld reichte vielleicht für eine Handvoll Getreide, gerade genug für das tägliche, allerdings sehr kärgliche, Essen.
Darauf verzichtete die Witwe also an diesem Tag. Ob sie es auch an den folgenden Tagen tun würde, wissen wir nicht. Und ihr Handeln ist natürlich rätselhaft.
Man könnte es auch als Versuchung Gottes werten. Vielleicht sagte sie sich, dass sie kein Geld brauche, da Gott für sie sorgen würde. Das entspräche fast der Situation Jesu, als er vom Teufel versucht wurde und der ihm sagte, er solle sich von der Zinne des Tempels stürzen, denn Gott würde schon seinen Engeln befehlen, ihn auf Händen zu tragen.
Aber Jesu Reaktion legt eine andere Deutung nahe.
Er beobachtet nicht nur: er gibt diese Beobachtung auch an seine Jünger weiter. Diese Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben.
Es kommt nicht auf die Menge an, sondern auf die innere Haltung. Und die ist bei den anderen wohl nicht angemessen gewesen, allerdings bei der Witwe.
Die einen haben alle von ihrem Überfluss eingelegt. Das, was im Opferkasten gelandet ist, tat nicht weh, auch wenn es eine große Summe war. Ihre Gaben sind bedeutungslos in den Augen Gottes.
Die Gabe der Witwe aber hat eine große Bedeutung: es ist ihr Leben, das sie da in den Gotteskasten gelegt hat, nicht weniger.
Es ist schon merkwürdig, dass Jesus nichts weiter dazu zu sagen hat als diese eine Feststellung. Und es wird noch interessanter, wenn wir schauen, was darauf folgt.
Markus berichtet nur noch von der Rede Jesu vom Ende der Welt und vom Kommen des Menschensohnes. Daran schließt sich dann die Passionsgeschichte an.
Unser Predigttext ist also das letzte Ereignis, das sich vor der Passionsgeschichte, gewissermaßen vor den letzten Dingen, abspielt.
Wenn Jesus so betont seine Jünger auf das Verhalten der Witwe aufmerksam macht, dann mag das einen anderen Grund haben als den, sie dazu aufzufordern, großzügige Opfer zu geben.
Wir werden erinnert an ein anderes Wort Jesu, das wir im Zentrum des Markus-Evangeliums, im 8. Kapitel, finden. Da sagt Jesus:
Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten. Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? (Mk 8, 34-37)
Es ist die Selbstaufgabe um des Lebens willen, um die es hier geht. Und das bedeutet: alles aufzugeben, was Ich-bezogen ist. Nicht mehr nach dem Motto zu denken: „Die Menschen sind schlecht, sie denken an sich, nur ich denk an mich.“
Sondern sich ganz von der Liebe Gottes treiben zu lassen.
In dem Handeln der Witwe wird zeichenhaft deutlich, was Jesus wenig später selbst vollziehen wird: er gibt sein Leben hin, damit wir leben können.
Jesus unterstreicht noch einmal, was er früher schon gesagt hatte, und stellt fest: nur eine arme Witwe, die eigentlich gar nicht anders kann als an ihr eigenes Überleben denken, ist in der Lage, dem Heilandsruf zu folgen. „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
Es ist ein schwerer Weg, der Weg der Selbstverleugnung. Er wird leichter, wenn man erkennt: es ist der Weg der Liebe. Denn in dem Handeln Jesu, in seinem Kreuz, wird die Liebe Gottes offenbar. Wenn wir uns dieser seiner Liebe zuwenden, dann spielt es keine Rolle mehr, wie viel wir auf dem Konto haben, welches Auto wir fahren, wie groß das Haus ist, in dem wir wohnen, oder wie wir gekleidet sind.
Dann ist nur noch dies wichtig: dass es unseren Nächsten gut geht, dass niemand Not leiden muss, dass wir in Frieden miteinander leben können – nicht nur hier, sondern in der ganzen Welt.
Im Abendmahl sind wir eingeladen, die Liebe Gottes zu schmecken, sie in uns aufzunehmen. Hier empfangen wir unser Leben, und nicht auf unserem Bankkonto.
Möge uns das immer bewusst bleiben, damit wir frei sind, dem Ruf Jesu zu folgen.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
"Eins ist not!&rdquot; Ach Herr, dies eine (EG 386)
Herzlich lieb hab ich dich, o Herr (EG 397)
Ich will dich lieben, meine Stärke (EG 400)


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Predigtvorschläge zu Reihe V - Mt 5, 13-16

Liebe Gemeinde!
Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.

Die Seligpreisungen gehen unserem Predigttext unmittelbar voraus, und so ist es nicht nur vorstellbar, sondern auch sehr wahrscheinlich, dass sie aufeinander bezogen sind. Deswegen habe ich sie an den Anfang dieser Predigt gestellt.
Jesus preist selig, wer eine bestimmte Geisteshaltung aufweist. Es werden verschiedene Tugenden aufgezählt: Demut, Sanftmütigkeit, Barmherzigkeit, Lauterkeit, Friedfertigkeit, dazu Streben nach Gerechtigkeit.
Christliche Gemeinde vereint solche Eigenschaften. Sie sollte es wenigstens, damit das mit dem Selig sein auch funktionieren kann.
Es ist nicht unbedingt ein Idealbild, das da gezeichnet wird. Es ist nichts, wovon man sagen könnte: schön wär's, aber das ist unmöglich. Denn natürlich können Menschen so sein.
Niemand muss mit Gewalt seine Ziele durchsetzen.
Niemand muss unbarmherzig sein.
Niemand muss andere übervorteilen.
Niemand muss Krieg führen.
Wer an dieser Stelle daran denkt, dass doch nichts über die Freiheit geht und man alle die, die die Freiheit einschränken wollen, notfalls auch mit Waffengewalt in ihre Schranken weisen müsste, bedenke, dass zu den Seligpreisungen auch dies gehört:
selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden – und nicht, die um der Freiheit willen Krieg führen. Es gehört natürlich Mut dazu, sich bewusst in Gefahr zu begeben, ja auch zuzulassen, dass die eigene Freiheit eingeschränkt wird, nur weil man den Prinzipien treu bleibt, die hier aufgestellt werden. Aber es ist möglich, solchen Mut zu haben. Das wurde oft genug in der Geschichte der Christenheit bewiesen.
Nun kennen nicht alle Menschen in dieser Welt die Seligpreisungen und leben also auch nicht danach, aber das befreit uns als Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu nicht von der Pflicht, dass wir uns um solche Eigenschaften bemühen.
Und es ist doch erstaunlich, dass manchmal sogar Angehörige anderer Religionen sich die Seligpreisungen zu eigen machen, wie z.B. Mahatma Gandhi, der Initiator des gewaltlosen Widerstandes gegen die Kolonialmacht in Indien.
Nun wieder zum Predigttext. Ich lese ihn noch einmal vor. Jesus sagt:
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es weg schüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Ihr – Gemeinde Jesu Christi – Ihr seid das Salz der Erde. Nicht irgend jemand anders.
Mit der Erde ist natürlich nicht die Erde gemeint, die wir mit Füßen treten, sondern der Erdkreis, die Menschen, die darauf wohnen, alles Leben. Ihr seid das Salz der Erde.
Man kann eine Suppe versalzen, indem man zu viel von dem Salz nimmt. Das schmeckt man deutlich. Aber daran wird hier nicht gedacht sein. Vielmehr taucht die Möglichkeit auf, dass das Salz nicht mehr salzen kann. Das wäre fatal. Es bedeutete, dass das Salz – also wir – weggeschüttet und von den Leuten zertreten werden. Wir sind dann bedeutungslos. Unser Leben hat dann keinen Sinn – bzw. es verfehlt seinen Sinn und Zweck.
Auf die Dosierung kommt es zwar beim Suppekochen an, aber nicht beim Christsein. Hier gibt es nur: Salzsein oder nicht. Und was für eine angenehme Wirkung Salz hat, das wissen wir, glaube ich alle. Es macht die Nahrung schmackhafter, das Fade wird genommen.
Das ist auch die Wirkung der Art und Weise, wie wir unser Leben führen – gemäß den Seligpreisungen. Als solche, die barmherzig sind, sanftmütig, nach Gerechtigkeit strebend, friedfertig usw. Auch wenn viele andere so nicht leben: die Tatsache, dass wir es tun, führt dazu, dass die ganze Welt davon berührt ist und dadurch verwandelt wird– so wie eben eine kleine Menge Salz in der Suppe nicht an einem Ort und in einem Haufen beisammen bleibt, sondern sich in der ganzen Suppe gleichmäßig verteilt.
Salz hat auch eine bewahrende Funktion. Wir kennen die konservierenden Fähigkeiten von Salz, die gerade in der damaligen Zeit sicher sehr häufig genutzt wurden – schließlich gab es noch keine Konservendosen, Kühlschränke oder Gefriertruhen. Wenn man diesen Aspekt mit einbezieht, kann man folgern, dass uns auch die Aufgabe zukommt, die Menschheit zu bewahren und zu erhalten – durch die Art und Weise, wie wir leben. Eine große Aufgabe!
In den Worten Jesu kommt aber noch etwas anderes zum Ausdruck: es gibt keinen Ersatz für das Salz. D.h. also, wenn wir, die christliche Gemeinde, als Salz der Erde ausfallen, dann gibt es keine andere Möglichkeit der Würzung. Da gibt es kein Maggi, keine Küchenkräuter oder sonst irgendwas, das dem Essen vielleicht doch noch etwas Geschmack geben kann. Womit soll man salzen? Allein wir können das. Es ist also eine große Verantwortung, die uns da übertragen wird und die wir nicht anderen überlassen können.
Nun kommt noch das andere dazu: Ihr seid das Licht der Welt. Was damit gemeint ist, verdeutlicht Jesus zunächst mit dem Bild von der Stadt auf dem Berge. Man sieht sie von weitem. Tags erkennt man ihre Silhouette, nachts sieht man die Lichter schon von weitem leuchten.
Beides impliziert, dass das, was die Gemeinde Jesu Christi tut, allen Menschen offenbar ist – oder sein sollte. Es ist weithin sichtbar. Nichts davon soll verborgen sein, und kann auch nicht verborgen werden, denn wie will man eine Stadt auf dem Berg unsichtbar machen?
In dem Sinn ist der zweite Hinweis dann auch zu verstehen: man zündet kein Licht an, um es unter den Scheffel zu stellen. Es soll ja allen Menschen als Licht dienen, damit man sieht, was man tut.
Wenn Jesus uns sagt, dass wir das Licht der Welt sind, dann erinnert das auch daran, dass im Matthäus-Evangelium nur kurz vor Beginn der Seligpreisungen von Jesus gesagt wird: „Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.“ (Mt 4, 16) Dort wird Jesus selbst mit den Worten des Propheten Jesaja als das Licht der Welt bezeichnet.
Hier nun wird das Gleiche von seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern gesagt. Wir haben also Teil am Auftrag Jesu, wozu er uns dann auch ermutigt, indem er sagt: „Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Mt 5, 16)
Nun bedarf das aber keiner besonderen Anstrengung. Denn mit dem Licht ist es wie mit der Stadt auf dem Berge: man sieht es. Je dunkler die Umgebung ist, desto deutlicher ist das Licht erkennbar. Seefahrer kennen das von den Leuchttürmen her, die ihnen den sicheren Weg in den Hafen weisen.
Allerdings ist ein kleines Licht, so wie das, das in einem Haus angezündet wird, nicht davor geschützt, verdeckt zu werden. Die Mahnung Jesu, dass wir unser Licht leuchten lassen sollen, heißt mit anderen Worten: verdunkelt es nicht. Stellt keinen Scheffel darüber. Denn das würde unweigerlich das Licht verlöschen lassen, weil es keine Nahrung mehr bekommt. So etwas geschieht, sobald wir meinen, dass unser Christsein nur unsere persönliche Sache sei und niemand anderen etwas anginge. Jüngerin oder Jünger Jesu zu sein, bedeutet, Licht zu sein. Da gibt es keine Unterscheidung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit. Was wir glauben, und welche Konsequenzen das für unser Leben hat, soll immer offenbar sein durch die Art und Weise, wie wir unser Leben gestalten.
Zumindest damals war das nicht ungefährlich. Wer sich als Christ zu erkennen gab, musste zunächst einmal fürchten, als Sektierer zum Außenseiter abgestempelt zu werden. Später kam dann noch die Verfolgung dazu: als Christ war man Schuld an allem – so wie Christen es später mit den Juden machten.
Für uns ist heute wohl die größte Gefahr, dass wir uns gar nicht recht von den anderen unterscheiden können. Zumindest fällt es schwer.
Wir leben in einer über die Jahrhunderte von christlichen Grundsätzen geprägten Gesellschaft. Allerdings gibt es in dieser Gesellschaft durchaus Entwicklungen, die mit Christsein nichts zu tun haben. Dazu gehört das Verlangen nach Sicherheit und Freiheit, das sich meist in der Anhäufung von Geld und Eigentum auf die ein oder andere Weise Ausdruck verschafft. Dieses Verlangen nach Sicherheit und Freiheit hat zur Unterdrückung und Ausbeutung ganzer Völker geführt, die heute noch nicht aufgehört hat. Hier geschieht große Ungerechtigkeit. Sich ihr entgegenzustellen, ist Aufgabe der Jüngerinnen und Jünger Jesu, denn es ist das Hungern nach Gerechtigkeit, das selig macht.
Dem Verlangen nach Sicherheit durch materielle Güter widerstrebt ohnehin alles, was Nachfolge Jesu bedeutet. Wenig später heißt es ja, auch in der Bergpredigt, im 7. Kapitel des Matthäus-Evangeliums: „Niemand kann zwei Herren dienen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon... Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles, was ihr zum Leben braucht, zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.“ (Mt 7, 24.33-34a)
So lasst euer Licht leuchten: denn ihr seid das Licht der Welt. Ihr habt Teil an dem Licht, das Jesus Christus selbst ist: Licht für die Völker. Lasst dieses Licht leuchten, damit alle Menschen es sehen und Gott, unseren Vater im Himmel, preisen.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
*Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt (EG 154)
Halleluja, Suchet zuerst Gottes Reich (EG 182)
Gleichwie mich mein Vater gesandt hat (EG 260)
*Sonne der Gerechtigkeit (EG 262/263)
*"Mir nach", spricht Christus, unser Held (EG 385)
Lass mich, o Herr, in allen Dingen (EG 414)
Hilf, Herr meines Lebens (EG 419)


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Predigtvorschläge zu Reihe M - Spr 4, 18-27
Mk 7, 14-23
Röm 6, 19-23

zu Röm 6, 19-23:
Liebe Gemeinde!
Ich glaube, wenn ich solch einen Brief erhalten hätte, hätte ich wohl gleich am Anfang den Kopf geschüttelt und mich gefragt: was bildet der sich eigentlich ein? Was soll das heißen: Ich muss menschlich davon reden um der Schwachheit eures Fleisches willen? Wie anders sollte er denn sonst reden? Was hat das mit der Schwachheit meines Fleisches zu tun? Und überhaupt: ist er etwa so ein Superchrist, dass er über allen anderen erhaben ist?
Dieser Widerstand, der sich da regt, macht es schon schwer, sich dem Abschnitt aus dem Römerbrief zu nähern, der uns als Predigttext heute aufgegeben ist.
Es wird danach nicht leichter: Paulus macht immer wieder Feststellungen, zu denen viele Menschen sagen würden: das stimmt so nicht. Wer will schon über sich sagen lassen, dass er seine Glieder hingegeben hatte an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit? Ist es nicht so, dass wir uns immer wenigstens um einen reinen Lebenswandel bemühen, sagen wir mal: ein unbescholtenes Leben führen wollen, und dass wir natürlich auch Gerechtigkeit üben, soweit es uns möglich ist?
Warum kann Paulus so selbstverständlich Schubladen öffnen und seine Adressaten so pauschal in eine solche Schublade packen?
Und was soll das heißen: „Denn als ihr Knechte der Sünde wart, da wart ihr frei von der Gerechtigkeit.“?
Bin ich wirklich ein Knecht der Sünde gewesen?
Das Menschenbild des Paulus geht jedenfalls davon aus: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten. (Röm 3, 23)
Und das bedeutet: Wir können nichts ausrichten, um Gerechtigkeit vor Gott zu erlangen. Das ist allein Gottes Werk. Erst wenn wir im Glauben die Gerechtigkeit durch Jesus Christus annehmen, ist unsere Sünde von uns genommen.
Wenn Paulus schreibt, dass wir als Sünder frei von der Gerechtigkeit waren, dann muss es auch das andere geben: Wenn ich nicht mehr ein Knecht der Sünde bin, bin ich ein Gefangener der Gerechtigkeit!
Das klingt etwas merkwürdig, aber so ist es, wobei wir immer daran denken müssen: hier geht es um die Gerechtigkeit vor Gott, um unseren Status als Gotteskinder. Und da sind wir Gefangene der Gerechtigkeit, oder man könnte auch sagen, um bei dem Bild zu bleiben: Wir sind Knechte der Gerechtigkeit.
Doch wie kommt Paulus zu solchen Feststellungen? Es geht im 6. Kapitel des Römerbriefes um die Taufe, und auf all das, was Paulus zuvor über die Taufe gesagt hatte, baut unser Predigttext auf.
Wenn er von dem früheren Leben als Knechte der Sünde spricht, dann meint er damit das Leben, bevor wir getauft wurden. Und er geht natürlich auch ganz selbstverständlich davon aus, dass man als Erwachsener getauft wurde. Denn die Christen in Rom gehörten wie Paulus selbst zur ersten Generation – sie sind keine Kinder christlicher Eltern, die als Säuglinge getauft wurden. Sie hatten die Predigt des Evangeliums gehört und eine Entscheidung getroffen: sie wurden getauft, weil es ihr Wunsch war.
Das ist heute anders: die meisten Menschen wurden als Säuglinge getauft und können beim besten Willen nicht sagen, was für ein Leben sie vor ihrer Taufe geführt hatten, auch wenn das vielleicht 6 Monate oder ein Jahr gedauert hatte.
An diese Zeit kann man sich nicht mehr erinnern, und das ist auch gut so. Aber darum fehlt uns andererseits die Erfahrung, auf der die Worte des Paulus aufbauen. Und das macht das Verstehen schwierig. Und es führt zu der Frage, wie wir uns eigentlich zu diesem Text verhalten sollen.
Als getaufte Menschen sind wir gewissermaßen Knechte der Gerechtigkeit, und damit ist nun nicht die Gerechtigkeit des Gesetzes gemeint, wo für jede Straftat auch ein bestimmtes Strafmaß vorgesehen ist, sondern es ist die Gerechtigkeit Gottes gemeint, die durch Jesus Christus offenbart wurde: Wir sind gerecht geworden allein durch das Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus. Er hat unsere Sünde von uns genommen, er hat sich in die Waagschale geworfen, damit uns der Zugang in das Reich Gottes nicht verwehrt bleibt.
Darum kann Paulus auch sagen, dass wir Knechte Gottes geworden sind.
Aber ist das tatsächlich durch die Taufe geschehen? Sind wir nicht hineingewachsen in ein Leben, das geprägt ist von allen möglichen Dingen, nur nicht vom Glauben an Jesus Christus?
Zugegeben, für uns, die wir heute hier versammelt sind, mag das nicht ganz zutreffen, denn viele von Ihnen gehören wohl zu einer Generation, die durchaus auch Elemente christlicher Frömmigkeit in ihrem Elternhaus erlebt haben. Aber ich glaube doch, dass einige von Ihnen durchaus dieses „Vorher“ und „Nachher“ in ihrem Leben erfahren haben. Es unterscheidet sich nur geringfügig von dem, was Paulus beschreibt. Denn die Umkehr, der Wandel kam nicht durch die Taufe, sondern erst viele Jahre danach.
Ich kann es jedenfalls für mich sagen, dass ich viele Jahre alles andere als der Taufe gemäß gelebt habe, und das, obwohl ich sehr kirchennahe Eltern hatte. Aber das hat mich nicht davon abgehalten, ganz andere Wege zu versuchen, die man wohl durchaus als Wege der Unreinheit und Ungerechtigkeit bezeichnen könnte, weil ich auf ihnen immer nur das Meine suchte.
Dass ich heute hier bin und diese Predigt halte, hat damit zu tun, dass ich von Gott angesprochen wurde, dass er mich gerufen und berufen hat.
Und erst da hat auch die Taufe für mich Bedeutung gewonnen. Aber das geschah wie ein Erinnern. Ich bin getauft – das bedeutete dann plötzlich für mich: ich bin ein Knecht Gottes, der gerecht wurde durch Jesus Christus.
Die Taufe im Säuglingsalter macht eins ganz deutlich: hier handelt Gott. Der Mensch muss nichts dazu tun. Das „Ja“ Gottes kommt ganz ohne jede Bedingung. Der Mensch muss nichts tun, damit Gott „Ja“ sagen kann. Gottes „Ja“ steht immer an erster Stelle – es ist ein Ruf, der immer wieder hörbar wird: ich will für dich da sein, ich will dich auf deinem Lebensweg begleiten und dir die Kraft geben, die du brauchst.
Darum ist die Säuglingstaufe eine gute Praxis. Aber das „Ja“ Gottes genügt dann doch nicht – es muss noch das „Ja“ des Menschen dazu kommen, sonst wäre es allzu billig. Ja, ich will dein Kind sein – das ist die Antwort, die nichts kostet, aber die uns reich beschenkt. Erst mit solch einer Antwort entfaltet sich die Kraft der Taufe, erst dann wird spürbar, was es bedeutet, nicht mehr Knecht der Sünde, sondern Knecht der Gerechtigkeit oder, vielleicht besser, Knecht Gottes zu sein.
Doch dieses „Ja“ des Menschen kommt mitunter gar nicht. Zwar soll die Konfirmation dieses „Ja“ herbeiführen, aber immer mehr Jugendliche gehen gar nicht mehr zum Konfirmandenunterricht und werden darum auch nicht konfirmiert, obwohl sie getauft wurden, und ob das „Ja“ bei der Konfirmation dann wirklich aufrichtig ist, bleibt uns verborgen. Dabei will ich nicht ausschließen, dass Menschen auch ohne Konfirmandenunterricht ihr „Ja“ zum „Ja“ Gottes sagen können.
Aber es gibt wohl doch eine Menge getaufter Menschen, für die die Taufe nichts ausrichten kann, weil die Antwort darauf ausbleibt. Und da ist es auch kein Wunder, dass immer wieder Menschen aus der Kirche austreten, weil ihnen die Taufe nichts bedeutet.
Umso wichtiger ist, dass wir uns die Berufung, die mit der Taufe einhergeht, bewusst machen. Paulus beschreibt es mit dem Bild der Knechtschaft, ein Bild, das uns heute kaum mehr vertraut ist, außer vielleicht aus historischen Büchern oder Filmen.
Dennoch glauben wir, es zu verstehen: ein Knecht oder eine Magd dient seinem Herrn, ohne zu hinterfragen, was da getan werden soll. Knechte und Mägde sind von ihren Herren abhängig, die ihnen Nahrung und Unterkunft zur Verfügung stellen.
Wichtig ist, dass ein Knecht oder eine Magd nicht einfach kündigen kann. Sie gelten als leibeigen, und das bedeutet: sie gehören dem Herrn, für den sie arbeiteten.
Solch ein Verhältnis hat Paulus vor Augen. Wenn man das auf unseren Predigttext überträgt, bedeutet es: wir waren Leibeigene der Sünde, und jetzt sind wir Leibeigene Gottes. Wir müssen seinen Auftrag ausführen – wenn wir das nicht täten, wären wir verloren, weil es keine Alternative für uns gibt. Aber wir haben einen Herrn, der uns beschenkt, der uns reich macht, der uns auf sein Niveau hebt – eigentlich für uns Menschen etwas Undenkbares. Aber so großartig ist das Handeln Gottes an uns, so undenkbar, unvorstellbar gut.
Im Dienst Gottes zu stehen: ich kann mir kaum etwas Schöneres vorstellen. Dabei meine ich nicht nur den Beruf des Pfarrers – jeder Mensch, der die Berufung durch die Taufe annimmt, steht im Dienst Gottes. Es spielt keine Rolle, welchen Beruf man ausübt: immer ist man Knecht der Gerechtigkeit, und das bedeutet: immer ist man gerufen, die Liebe Gottes allen Menschen zu vermitteln, das „Ja“ Gottes hinauszurufen, damit alle es hören:
Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. (1. Tim 2, 4)
Da will Gott uns gebrauchen, das ist unser Auftrag, dass wir anderen Menschen helfen, damit sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, die wir bereits angenommen haben: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.
Dabei nutzen wir nur die Waffenrüstung Gottes: umgürtet an unseren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt, bereit einzutreten für das Evangelium des Friedens. Vor allem aber ergreifen wir den Schild des Glaubens, mit dem wir auslöschen können alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmen den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes. (Eph 6, 14-17)
So sind wir gerüstet, zu tun, was als Knechte Gottes unsere Pflicht ist. So sind wir geheiligt und dürfen dann auch getrost und mit Freuden unseren Sold empfangen: das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Zu Röm 6, 19-23:
Ich rief zum Herrn in meiner Not (EG 326, 4-6)
*Mir ist Erbarmung widerfahren (EG 355)
Lass mich, o Herr, in allen Dingen (EG 414)
Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn (EG 640)


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