das Kirchenjahr

12. Sonntag nach Trinitatis

Die große Verwandlung

Predigtanregungen

Am 12. Sonntag nach Trinitatis denken wir nach über die Veränderungen,die mit Jesus in diese Welt gekommen sind. Es wird uns deutlich, dass eine neue Zeit angebrochen ist, die aber noch nicht ihre Erfüllung gefunden hat. Darum leben wir in einer Spannung, die uns antreibt, alles zu tun, was dem Kommen des Reiches Gottes dient.

Zu den Perikopen

  • I: Apg 3, 1-10

    Man kann bei dieser Perikope leicht in nostalgisches Schwärmen geraten. So war das also damals: Gold und Silber habe ich nicht, aber die Kraft zum Heilen habe ich schon...
    Im Blick auf diesen (und andere) Texte wurde und wird vielen der Glaube abgesprochen, denn diese wunderheilende Kraft kann wohl kaum jemand so souverän wie dieser Apostel Petrus für sich in Anspruch nehmen. Dabei wird dann oft die eigene Mangelhaftigkeit in diesem Bereich vergessen oder getarnt. Die detaillierte Beschreibung der Umgebung dieses Ereignisses vermittelt schnell die Glaubwürdigkeit des Berichtenden; es sei dahin gestellt, ob es sich wirklich so zugetragen hat. Denn darauf kommt es in dieser Geschichte wohl kaum an. Auch Petrus ist an unzähligen Menschen, die seine Hilfe gut hätten brauchen können, vorbei gegangen, ohne ihre Not zu lindern.
    Worauf es in diesem Text ankommt, macht uns der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang deutlich: es ist das, was mit dem Lahmen geschieht, und nicht die Frage, durch wen oder wie es geschieht. Es ist die Verwandlung seiner ganzen Person, von einem, der sich auf die Barmherzigkeit der Menschen verließ, die ihrer religiösen Pflicht nachgingen, zu einem, der Gott tanzend und singend Gott lobt. Man kann wohl fragen, warum dieser ehemals Gelähmte nicht zu seiner Familie geht (vermutlich existierte Verwandtschaft, die ihn auch täglich zum Tempeltor brachten und von dort wieder abholten), um sich dort zu präsentieren. Er lobt Gott und denkt nicht einmal an seine Verwandtschaft.
    Das bedeutet natürlich nicht, dass er sich von seinen früheren Gefährten lossagt. Er setzt nur klare Prioritäten. Wenn man diese Einstellung betrachtet, kann man freilich bezweifeln, dass er sich dort am Tempeltor nur auf die Barmherzigkeit der Menschen verließ. Es ist wohl eher zu vermuten, dass er ein frommer Mann war, der sich von der Nähe zum Tempel auch die Nähe Gottes versprach und vielleicht im Stillen immer ein Gebet auf den Lippen hatte, dass Gott ihn heilen möge. Als das geschieht, wendet er sich dann selbstverständlich dem zu, von dem er diese Hilfe erhofft hatte.
    Für die Predigt kann diese Erkenntnis hilfreich sein. In der Regel kommen mehr ältere Menschen in den Gottesdienst, die oft durch verschiedene Gebrechen an ihr Alter erinnert werden. Zwar sind sie nicht gelähmt, d.h. also völlig bewegungsunfähig geworden. Auch wissen sie, dass ihr Leben in nicht allzu weiter Ferne zu einem Abschluss kommen wird. Und doch wollen sie ihren Lebensabend genießen, wozu sie sich Gesundheit und Kraft erhoffen und auch erbitten.
    Diese Hoffnung kann thematisiert werden. Es bedarf keines Petrus oder Johannes (oder gar beider), um gesund und kräftig zu werden. Aber es ist gut, sich im Leiden auf Gott einzulassen in der Gewissheit, dass er verwandeln kann.

  • II: 1. Kor 3, 9-17

    Paulus geht in diesem Abschnitt auf seine eigene Arbeit und die anderer Missionare (hier vor allem Apollos, der offenbar versuchte, eine Front gegen Paulus zu errichten) ein, die zu seiner Zeit nicht gerade wenig durch die Lande reisten und das Evangelium verkündigten. Nicht ohne Stolz weist er darauf hin, dass er die Gemeinde gegründet hat. Diese Grundlage, die Grundmauern gewissermaßen, ist Jesus Christus, also ein fester, stabiler Grund, auf dem nun aber noch ein Gebäude gebaut werden muss. Denn noch ist die Gemeinde jung und ungestüm, die christliche Lehre wird nicht vollständig erfasst und ohne Anleitung würde die Gemeinde schnell in die Irre gehen. Da Paulus seine Aufgabe aber in der Gründung von Gemeinden sieht und nicht so sehr in ihrem Aufbau, überlässt er die Aufgabe der Gemeindebildung anderen.
    Interessant ist, dass er die von ihm gegründete Gemeinde anspricht: passt ihr auf, dass die anderen Missionare ihre Arbeit richtig machen. Es soll ein stabiles Bauwerk werden, das lange hält, und keine Seifenblase, die schnell zerplatzt. Er traut der Gemeinde, die ja noch ganz jung ist, zu, die erfahrenen Missionare, die sie besuchten und noch besuchen werden, zu beurteilen.
    Damit hat er natürlich recht. Denn wollte er die Missionare entsprechend ermahnen, müsste er fürchten, dass diese aus Neid oder Missgunst seine Hinweise missachten. Die Gemeinde selbst muss also entscheiden, wie sie die Verkündigung annimmt, was sie von der Verkündigung übernimmt. Paulus setzt allerdings Maßstäbe: es sollen die Dinge sein, die von Dauer sind, die durchtragen, und keine Eintagsfliegen, die zwar vielleicht zunächst begeistern, aber letztlich nichts für das Gemeindeleben austragen.
    Dabei weist Paulus auf das bevorstehende Gericht hin. Dieser Hinweis diente der römischen Kirche als Grundlage für die Lehre vom Fegefeuer. Alles, was durch das Feuer verbrennt, ist unbrauchbar. Nun wird natürlich die Gemeinde nicht mit Holz oder Stroh oder Gold oder Edelsteinen gebaut. Dies sind alles Metaphern für dauerhaftes oder vergängliches Baumaterial. Wofür diese Metaphern stehen, bleibt offen. Es dürfte klar sein, dass dauerhaftes Baumaterial die Liebe ist. Vergängliches, kurzlebiges Baumaterial lässt sich schon schwerer definieren. Es liegt in jedermanns eigenem Ermessen, zu beurteilen, worum es sich dabei handelt.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist nicht leicht erkennbar. Die Gemeinde ist gegründet, und in unserem Predigttext wird versucht, eine Front abzubauen. Hier kommt keine große Verwandlung vor, es sei denn, es ist das Gericht gemeint, aus dem jede(r) geläutert hervorgeht. Dann stehen wir aber vor einem Dilemma. Die protestantische Theologie hat eigentlich versucht, dieses Machtinstrument der Kirche abzubauen und Hölle und Fegefeuer einen geringen Stellenwert beizumessen. Sicher müssen wir auch diese Begriffe nicht übernehmen. Wohl aber bekennen wir im Glaubensbekenntnis, dass Jesus Christus kommen wird, "zu richten die Lebenden und die Toten" - dem Gericht können wir kaum entgehen. Es ist nur die Frage, wie es aussieht.
    Das Ergebnis des Gerichtes ist für den Zusammenhang wohl das Entscheidende: wer sich auf Christus verlässt, wird gerettet werden - wie, das hängt dann doch davon ab, wie er gelebt hat. Darüber zu spekulieren oder gar zu richten, steht uns allerdings nicht zu.
    In der Predigt sollte das Gericht durchaus angesprochen werden. Denn das Gericht ist der Auslöser der Verwandlung, die wir durchmachen. Demgegenüber steht ein Leben, das mehr oder weniger gleichförmig, vielleicht sogar langweilig, dahinplätschert - ein Leben, in dem man oft achtlos Dinge passieren lässt, die einem eigentlich nahegehen müssten und denen man seine Aufmerksamkeit widmen müsste. Was ist wichtig, könnte die Frage lauten.
    Mir kommt die Geschichte "A Christmas Carol" von Charles Dickens in den Sinn, in der der alte Reiche Ebenezer Scrooge zum Weihnachtsfest (das würde nun nicht unbedingt passen) vorgeführt bekommt, welches Leid seine Hartherzigkeit verursacht - und wie er schließlich zu einem großzügigen Menschen durch dieses Gericht verwandelt wird. Vielleicht lässt sich eine ähnliche, den Gegebenheiten angepasste, Geschichte für die Predigt entwerfen.

  • III: Mk 7, 31-37

    folgt später

  • IV: Apg 9, 1-20

    Die Erzählung von der Bekehrung des Paulus ist schon recht dramatisch, bietet aber an sich wenig Theologisches. Sieht man allerdings den größeren Zusammenhang, dann gibt es doch einiges Bemerkenswertes: Bis zu diesem Zeitpunkt war Saulus der Verfolger der Christenheit schlechthin. Dieser Verfolger wird nun plötzlich zum Anhänger? Wem das nicht merkwürdig, ja, verdächtig vorkommt, müsste wohl sehr blauäugig sein. Und dennoch: Gott beruft diesen Verfolger, vor dem sie alle Angst haben, schickt auch einen Mann zu ihm, der sich zunächst weigert, weil er Saulus eben nur als einen Verfolger kennt, vor dem es gilt, Angst zu haben. Doch dann geht er, im Vertrauen auf Gottes Güte.
    Die Taufe ist übrigens nicht der Wendepunkt, auch nicht die Begegnung mit Jesus, sondern die Segnung durch einen Christen, die Handauflegung. Dies ist ein wichtiger Aspekt der Erzählung, der uns nachdenklich stimmen sollte in Bezug auf unsere Praktiken bei der Taufe und im Gottesdienst, aber auch bei Hausbesuchen. Interessant übrigens auch, dass es keiner der Apostel ist, den Gott zu Saulus schickt, sondern Hananias, ein ansonsten recht unbeschriebenes Blatt. Das große Werk wird also durchaus von recht unbedeutenden Figuren unterstützt. Es müssen nicht immer die Großen sein.
    Gott handelt an Saulus, das dürfte und sollte klar sein. Saulus war äußerst zufrieden mit seiner Rolle als Christenverfolger, er sah darin die Erfüllung seines Lebens, seinen Lebensauftrag. Gott zwingt ihn zum Nachdenken und kann ihn so auch dazu bringen, sich ihm zu öffnen und eine Kehrtwende zu machen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist in der Bekehrung des Saulus erkennbar. Er wird verwandelt, er kehrt um, er fängt neu an. So neu, dass er wirklich alles hinter sich lässt. Er kehrt nicht mehr zurück.
    Die Predigt könnte nacherzählend beginnen und dabei einige Eckpunkte der damaligen Realität erläutern. Man könnte das Ganze aus Sicht des Paulus oder eines seiner Begleiter erzählen, was vielleicht effektiver wäre, denn dieser Begleiter könnte dann den Wandel deutlicher beschreiben. Übrigens ist wichtig, dass man nicht dem Irrtum verfällt, mit der Taufe sei Saulus zum Paulus geworden - oder mit der ersten Begegnung mit Jesus. Die Namensänderung vollzieht sich erst während der ersten Missionsreise. Diese Tatsache lässt sicher viele Fragen offen, aber gerade deswegen sollte man darauf verzichten, die Namensänderung heranzuziehen als Veranschaulichung der Verwandlung, die sich an Saulus vollzieht. Denn offensichtlich hat die Namensänderung nichts damit zu tun - sonst wäre sie sicher auch dem Autor der Apostelgeschichte so wichtig gewesen, dass er sie am passenden Ort plaziert hätte.

  • V: Jes 29, 17-24

    Ein wunderschöner Text, eine wunderschöne Prophetie. Wie so oft bei Texten aus dem "Alten Testament" birgt sie für uns die Gefahr, den eigentlichen Adressaten zu missachten und den Text auf uns anzuwenden. Der Text kann nicht dafür herhalten, eine neue Prophetie für die Christenheit zu verkünden. Er kann nicht dafür missbraucht werden, der Welt Frieden anzusagen. Wozu aber dienen uns dann die alttestamentlichen Texte?
    Eine Funktion dieser Texte wird gerade an dieser Perikope sehr einleuchtend: sie wollen uns etwas über Gott sagen, und das könne und dürfen wir auch aus ihnen "herausholen".
    Der vorgegebene Text spricht in eine Zeit des Elends und der Dunkelheit. Israel ist verwüstet, Tyrannen und Spötter machen ein friedliches Leben unmöglich, das Recht wird gebeugt. Das Volk Israel erhält in diese "Nacht" hinein die Zusage, dass der Herr, der Abraham erlöst hat, für sie da ist, sie aus der Not herausholen wird, sie stolz werden lässt auf die Tatsache, dass sie sein Volk sind.
    Schön und beachtenswert ist der Schluss dieser Perikope. Da wird nicht davon geredet, dass die Feinde des Herrn vernichtet werden, dass Gott dreinschlagen wird und endlich alle, die ihn missachten, ins ewige Verderben stürzt. Vielmehr findet die Veränderung im Menschen selbst statt: der Irrende nimmt Verstand an, der Murrende lässt sich belehren. Wo diese Veränderung herkommt, ist noch gar nicht mal eindeutig gesagt. Sie beinhaltet aber das "Sich-Auf-Gott-Einlassen", ein Schritt, den jeder Mensch selbst machen muss ohne Einfluss von außen.
    Der Predigttext muss nicht erst in den kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang gepresst werden, er steht mitten drin. Es fällt leicht, angesichts dieses Textes von Verwandlung zu reden, denn der Text macht deutlich: auch wenn die Verwandlung von uns ausgehen muss, so wird doch ein beträchtlicher Teil der Arbeit von Gott geleistet, denn er ist der Lehrmeister.

  • VI: Lk 13, 10-17

    folgt später

  • Marginaltexte: 2. Kön 20, 1-11
    Mk 8, 22-26
    Apg 14, 8-18
    Gal 1, 11-24

    Zu Mk 8, 22-26:
    Eigentlich eine merkwürdige Wundergeschichte. Es fehlt z.B. ein "Chorschluss", d.h. die Anerkennung des Wunders durch eine Menschenmenge. Oder der Vorgang der Heilung, des Wunders selbst ist merkwürdig: Normalerweise ereignet sich ein Wunder doch schlagartig. Dieses aber ereignet sich schrittweise, so als sei Jesus nicht in der Lage, die Heilung auf einen Schlag vorzunehmen. Dabei wissen wir, dass er das kann. Es erhebt sich also die Frage, warum dieses Wunder so erzählt wird und nicht anders.
    Sicher ist von Bedeutung, dass es sich um einen Blinden handelt, der sein Augenlicht wieder empfängt. Sehen ist eines der wichtigsten Orientierungsmittel. Zwar wissen wir, dass Blinde andere Sinnesorgane wesentlich vervollkommnen können und so den Mangel einigermaßen ausgleichen, aber wer schon einmal versucht hat, einem von Geburt Blinden eine Farbe zu beschreiben, weiß, was das Fehlen der Fähigkeit des Sehens wirklich bedeutet.
    Wir benutzen das Wort "Sehen" aber nicht nur im physischen Sinn. "Ich sehe klar" meint z.B. "ich verstehe". Und weil diese Geschichte direkt vor dem Petrusbekenntnis zu finden ist, lässt sich vermuten, dass sie ein Bild des Erkennens der wahren Identität Jesu sein soll. Das bedeutet: in dieser Geschichte wird vorbereitet, was folgt: die Jünger erkennen Jesu wahre Identität ("Du bist der Christus!"), aber bis jetzt nur schemenhaft, denn verstehen, was dies bedeutet, können sie erst, wenn Jesus am Kreuz gestorben und von den Toten auferstanden ist. Der Blinde steht also für die Jünger, seine Blindheit steht für deren Unverstand bzw. Mangel an Erkenntnis (s. auch die vorhergehende Erzählung, in der Jesus den Unverstand der Jünger tadelt), seine schrittweise Heilung steht für ihre teilweise Erkenntnis zu diesem Zeitpunkt.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist recht deutlich, es geht um die große Verwandlung, die im Menschen vorgeht, der Jesu wahre Identität erkennt. Denn auch heute erleben wir es: Menschen können über Jesus reden und dabei eine enorme Kenntnis beweisen, aber dieses Reden hat gar keinen Sinn, solange sie nicht seine wahre Identität erkannt haben und damit verwandelt wurden zu einem erlösten Menschen. Die Predigt könnte versuchen, dies zu verdeutlichen. Dabei darf man freilich nicht der Gesetzlichkeit unterliegen, sondern sollte erkennen lassen, dass diese Verwandlung Gnade ist. Nicht umsonst wird der Blinde zu Jesus gebracht. So muss auch jeder andere zu Jesus gebracht werden, damit er von ihm zur Erkenntnis geführt und somit verwandelt werden kann.



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